.
Haartracht und Haarschmuck.
A. Griechenland.
Literatur: K. O. Müller Handb. der Archäologie3 474ff. J. H. Krause Plotina oder d. Kostüme des Haupthaares bei den Völkern der alten Welt, Leipzig 1858. Hermann-Blümner Lehrbuch der griech. Privataltertümer (1882) 204ff. Blümner Leben und Sitten der Griechen I 76ff. Pottier bei Daremberg-Saglio Artikel coma. Helbig Das homer. Epos2 236ff. Baumeister Denkmäler I 615ff. Sittl Die Patrizierzeit der griech. Kunst 25ff. Iwan Müller Handb. des kl. Alt. Bd. IV 1, 2, 95ff. Guhl-Koner-Engelmann [2110] Leben der Gr. u. R.6 297ff. H. Hofmann Untersuchungen über die Darstellung des Haares in der arch.-griech. Kunst, Neue Jahrb. Suppl. XXVI 1900. Amelung Gewandung der Griech. und Römer, Leipzig 1903. Pernice bei Gercke-Norden Einleitung in die Altertumswissenschaft II 44ff. Studniczka Beiträge zur Geschichte der altgriech. Tracht 124ff. Lermann Altgriech. Plastik 108ff. Helbig Sopra il trattamento della capellatura e della barba all' epoca Omerica, Atti dei Lincei Ser. III vol. V 1ff. Bremer Die Haartracht des Mannes in archaisch-griechischer Zeit, Diss. Gießen 1911.
I. Vorgriechische Zeit.
Haarschmuck ist schon aus der Kykladenkultur des dritten Jahrtausends bekannt, über die Tracht des Haares aber geben die vielen primitiven ,Idole‘ keine Auskunft. Unter den Diademen ragen die goldenen Kettengehänge aus Troia II hervor (Schuchhardt Schliemanns Ausgrabungen2 Abb. 37. 38). Von einem auf die um den Kopf zu legende Binde aufgenähten Goldblechbande hängen über der Stirn kürzere und an beiden Seiten längere Kettchen mit Blechanhängern herab, die Schnüren mit Schnurquasten nachgebildet sind (Praehistor. Ztschr. II [1910] 156). Daneben kommen auch einfache mit einer Binde geknüpfte Goldbänder vor (Schuchhardt a. a. O. Abb. 39). Ewas breiter und mit nach oben abstehenden dreieckigen ausgeschnittenen Zacken geschmückt ist das Silberdiadem von Amorgos (Ἐφημ. ἀρχ. 1898 Taf. 8, 1 [S. 186]). Die vielen aus dieser Epoche erhaltenen Schmucknadeln als Haarpfeile zu deuten, fehlt jeder Anhalt. Ebenso bei den ,Haarnadeln‘ aus dem kretisch-mykenischen Kulturgebiet. Ein derartiger Haarschmuck ist in späterer Zeit Griechenland vollkommen fremd, und die Erklärung dieser Nadeln als Gewandhefteln die einfachste und gegebene.
Auch aus den Zeiten der Minoischen Kultur sind zahlreiche Diademe erhalten, die ebenso wie die älteren ursprünglich regelmäßig auf Binden aufgenäht oder im Nacken mit einem Bande zusammengeknüpft waren (Ἐφημ. ἀρχ. 1899, 123 Taf. 10, 1. Murray u. a. Excavations in Cyprus Taf. VI 1ff. Pollak Klass. ant. Goldarbeiten im Besitze von Nelidow Taf. IVf. nr. 6–9. Journ. hell. Stud. XIII 1892, 210 u. a.). Der Goldschmuck aus den mykenischen Schachtgräbern (Schuchhardt a. a. O. 211ff.) gehört nur zum geringen Teil zur Tracht, er stellt den Beschlag der ursprünglich vorhandenen Holzsärge dar (Stais Ἐφημ. ἀρχ. 1907, 31ff.). In dieser Zeit ist für beide Geschlechter die Tracht des langen Haares durch die zahllosen Darstellungen gesichert. So tragen auch die Keftiu der ägyptischen Wandgemälde stets volles langes Haar, das bisweilen mit einem Bande geschmückt ist. Auf dem Vorderkopf lösen sich meist eine oder mehrere Locken von der Masse des Haares ab (s. Wilkinson Manners and customs of the ancient Egyptiens2 pl. 2 A.; vgl. Fimmen Zeit u. Dauer der kret.-myk. Kultur 73. Zu viel sieht in diesen Locken Hauser Österr. Jahresh. IX [1906] 125). Die arbeitenden Schichten der Bevölkerung dagegen tragen kurzes Haar, so die Arbeiter im Erntezug auf dem Steatit-Gefäß von Hagia Triada (Mon. ant. XIII [1903] Tav. I/III S. 85/86. Bulle Der [2111] schöne Mensch Taf. 36. Ihren voran ziehenden Herrn [kaum Aufseher] schmückt langes Haar). Aus primitiven Terrakotten oder geometrisierenden Darstellungen, die kein langes Haar zeigen (wie auch die Kriegervase Furtwängler-Löschcke Myken. Vasen Taf. XLII/III), darf man aber noch nicht auf Haarschur schließen (Ed. Meyer Geschichte des Altertums I2 2, 702 § 514. 705 § 516). Ebenso wie die Männer tragen auch die Frauen meist lang in den Nacken herabfallendes Haar, das bisweilen mit einer Binde oder einem Diadem geschmückt ist, vgl. z. B. die Tänzerin von Knossos Annual VIII (1901/2) 55; das Mädchen ebendaher, a. a. O. VII (1900/1) 57 Fig. 17; die betende Frau in Berlin, Perrot-Chipiez Hist. de l'art VI 754f. Abb. 349/50 (wo Thiersch fälschlich Schlangen sieht) und zahlreiche Gemmen, z. B. Furtwängler Antike Gemmen Taf. II 19. 25. 26. 29. 45. Taf. VI 2. 3. 4 u. a. Um nichts anderes handelt es sich auch bei den Frauen auf dem bekannten mykenischen Goldring (a. a. O. Taf. II 20. Schuchhardt a. a. O. 321 Fig. 295), auf dem Schliemann Mykene 402 Turbane sah. Auch diese Frauen zeigen die frei aufragenden Stirnlöckchen (es handelt sich nicht um Blumen, wie Furtwängler a. a. O. annimmt, sondern um in auch sonst vorkommender Weise stilisierte Haare, vgl. auch die Gemme aus Mykene, Athen. Mitt. XXXIV [1909] 90 Fig. 8). Nichts weiter als eine Form der Stilisierung des langen Haares ist auch die ,Zipfelmütze‘ der Frau auf der mykenischen Elfenbeinplatte Schuchhardt a. a. O. 343 Abb. 309 (die von Schuchhardt als weitere Parallele herangezogene Sphingenranke hat natürlich erst recht nichts damit zu tun; vgl. Weicker Der Seelenvogel 16f.). Das Haar der Frauen ist bisweilen schon im Nacken in einen Knoten aufgenommen, z. B. Goldring, Furtwängler a. a. O. Taf. II 21 u. a. Die Göttin auf der Gemme a. a. O. Taf. II 28 (Brit. Mus. Cat. 83) hat ihr Haar auf dem Wirbel in einen Schopf zusammengefaßt, wie es im klassischen Griechenland für Mädchen Brauch war, s. S. 2135. Eine andere Frauenfrisur, die ganz zu dem raffinierten Rokokokostüm der Kreterinnen paßt, kommt später nicht wieder vor: die ganze Haarmasse ist zu einem spitzen Kegel auf dem Kopfe aufgebaut und mit breiten Bändern zusammengebunden (Terrakotten von Petsofa, Annual of the Br. sch. of Ath. IX [1902/3] Taf. VIII. XI 18. 19; die Hauptfigur auch Bulle Der schöne Mensch Taf. 35. 1; ebenso auf cyprischer Amphora Furtwängler-Löschcke Myken. Vasen, Text 28; vgl. Fragment a. a. O. Taf. XL nr. 422). Eine von dieser nicht sehr verschiedene Frisur der Männer zeigen vielleicht zwei Reliefköpfchen aus Elfenbein (Schuchhardt a. a. O. 342 Abb. 308 und Bull. hell. II [1878] Pl. XVIII 2; s. dagegen Reichel Homer. Waffen2 102ff, dessen Deutung durch die gleichartig stilisierten Barthaare, die keinesfalls als Backenlaschen zu erklären sind, zweifelhaft ist. Die von Furtwängler a. a. O. herangezogene Bronze aus Tiryns, Schliemann Mykene Fig. 12, trägt jedenfalls eine Mütze oder Helmkappe wie die Göttin Annual B. S. A. IX [1902/3] 59 und der Krieger a. a. O. VIII [1901/2] 77). Unter den Kopfbedeckungen [2112] der Frauen muten die Hüte der Tonköpfe von Palaiokastro (Annual IX [1902/3] 370f.) fast modern an. Einen hohen Turban trägt die Priesterin aus Knossos (Göttin?) a. a. O. S. 75f. = Bulle a. a. O. Taf. 35, 3. Eine hohe, dem späteren πόλος entsprechende Krone, die nach oben in Zacken endend gedacht ist, tragen fast regelmäßig die göttliche Wesen darstellenden unzähligen Idole (z. B. Schliemann Mykene Taf. 19 u. a.; Tiryns Taf. 25; vgl. auch die Göttinnen Furtwängler Gemmen II 26 = Perrot-Chipiez VI Taf. 16, 5).
II. Die griechische Männerhaartracht.
a) Nach den Denkmälern.
Die Geschichte der griechischen Männer-H., wie sie die erhaltenen Denkmäler lehren, stellt den siegreichen Kampf der Haarschur gegen die Tracht des langen Haares dar. Die Tracht des freien Mannes ist ursprünglich das lange Haar, Hörige und Unfreie tragen das Haar kurz geschnitten; man vergleiche namentlich die korinthischen Tontafeln, Antike Denkmäler I Taf. 8, 3 b. 6. 7. 12. 23. 24. 26 u. a. Im Gebiet der ionischen Kultur tritt das kurze Haar erst im 6. Jhdt. auf Caeretaner Hydrien und jüngeren klazomenischen Malereien häufiger auf und setzt sich erst im 5. Jhdt. in diesem Kreise ganz durch. Die älteren spartanischen Denkmäler (Heroenreliefs Athen. Mitt. II [1877] Taf. XXff. [der Jüngling Taf. XXV b trägt die Haarrolle und kein kurzes Haar] und ,kyreneische‘ Schalen [einzige Ausnahme Sisyphos, Studniczka Kyrene 25 Fig. 19]) zeigen ebenso wie die Bilder der korinthischen Keramik regelmäßig langes Haar. Dieselben Verhältnisse herrschen ursprünglich in Attika. Da man die geometrischen älteren Zeichnungen ausschalten muß, beginnt hier die Überlieferung mit den Phaleronvasen. In Attika kommt das kurze Haar erst bei den schwarzfigurigen Meistern der zweiten Hälfte des 6. Jhdts. auf, tritt bald (auf den Vasenbildern des epiktetischen Kreises) als gleichberechtigt neben die alte Tracht und kommt noch in der ersten Hälfte des 5. Jhdts. zur Alleinherrschaft. Nicht einmal vor den Göttern macht in der Folgezeit die demokratische Sitte Halt (s. Hauser Österr. Jahresh. IX [1906] 104). In der Mitte des 5. Jhdts. erhält Zeus die später für ihn typischen, nur bis zum Schulteransatz herabfallenden Locken (Furtwängler Meisterwerke 67). Die argivische Schule gibt ihm kurze Zeit sogar ganz geschorenes Haar (a. a. O. 407ff.). In einem Falle erscheint selbst Athena so (Florentiner Gemme, Furtwängler Ant. Gemm. Taf. XXXIX nr. 29. Meisterwerke 27, 3 zitiert Furtwängler außerdem die Anesidora-Schale, jetzt Murray White vases in the Brit. Mus. Pl. XIX, wo der Kopf der Athena ergänzt ist. Im Parthenonfries trägt sie eher die Haarrolle).
Der gewöhnliche Schmuck des Männerhaares ist eine Binde oder ein Diadem (s. u. Abschn. V). Daneben treten die verschiedenartigsten Frisuren auf. Eine der ältesten ist die Nackenumschnürung, bei der der Schopf oben im Nacken mit einer Binde (vgl. milesische Kanne im Louvre A 316 = Pottier Vases I Taf. 12) oder einem Metallring bezw. einer Spirale zusammengeschlossen wird. Sie trägt Ilias XVII 52 Euphorbos, dessen Locken χρυσῷ τε καὶ ἀργύρῳ ἐσφήκωντο [2113] (Helbig Das hom. Epos2 242. Scholien Dindorf II 127. IV 145). Vielleicht gehört auch Hom. Il. II 872 hierher. Die Heimat der Nackenumschnürung ist der ionische Osten, wie ihr Vorkommen auf melischen, milesischen u. a. Tongefäßen (s. Bremer 17ff.) beweist. Mit der ionischen Kultur dringt sie dann nach Sikyon, Sparta und Korinth, wie die Vasen zeigen (z. B. Arch. Ztg. 1883 Taf. 10. 1881 Taf. 11–13; argivisch-korinthisches Bronzeblech aus Athen, Journ. hell. Stud. XIII [1892/3] 259 Fig. 26). In Attika kommt die Tracht zuerst bei den dem Osten entnommenen Kunsttypen der Fabeltiere auf den sog. Vurva-Vasen vor, z. B. Athen. Mitt. 1890 Taf. 11. 12. Menschen tragen sie erst auf den Gefäßen altattischen Stils, auf denen namentlich die Frauen in der fremden Tracht erscheinen (z. B. Françoisvase, Furtwängler-Reichhold Gr. Vasenmalerei Taf. 1–3, 11–13: elf Frauen, einige Männer). Von den Meistern des attischen schwarzfigurigen Stils zeichnet besonders Amasis gerne die ionische Tracht. Mit dem Beginn des letzten Viertels des 6. Jhdts. ist die Nackenumschnürung wieder verschwunden und tritt nur noch bisweilen in der Kunst wieder auf. Zur Umschnürung dient entweder die Binde selbst (z. B. korinthische Tontafel, Antike Denkmäler I Taf. 8 nr. 16 b), breite Metallringe, wie bei den ,kyreneischen‘ Schalen oder Drahtspiralen. Letztere sind jedenfalls die ἕλικες Il. XVIII 401 (vgl. Helbig Commentationes in honorem Mommseni 1877, 619ff.; Homer. Epos2 242ff. Anders Hadaczek Österr. Jahresh. VI [1903] 121).
Eine bienenleibähnliche Umschnürung des ganzen Schopfes kommt nur selten vor (vgl. Bremer 22), und zwar nur bei Frauen (korinth. Becher. Studniczka Tracht 34; Chalkid. Vase, Journ. hell. Stud. 1884 Taf. 41. Graef Akropolisvasen, Text S. 63 nr. 585).
Die Sitte, das Haar im Nacken mit einer Binde am Kopf hochzubinden, so daß es im Bogen über seine Binde wieder herabfällt, ist ebenfalls durch ionische Vermittlung nach dem Festland gekommen (s. Arch. Jahrb. XI [1896] 263ff. Bremer 21ff.). Die Tracht stammt aus Assyrien, wo sie bis ins vierte Jahrtausend hinauf zu verfolgen ist (vgl. Siegelabdrücke, z. B. Delitzsch Handel und Wandel in Altbabylonien 12 Abb. 10). In Griechenland tritt sie zuerst im 8. Jhdt. auf (Kentaur auf sikyonischer Lekythos, Arch. Ztg. 1883 Taf. 10). Im 6. Jhdt. ist die Tracht dann im ganzen ionischen Gebiet verbreitet. Daß der aufgebundene Nackenschopf nach der Peloponnes nicht kam, ist aus seinem Fehlen auf ,kyreneischen‘ und korinthischen Vasenbildern zu schließen. In Attika ist unsere Frisur mit Bestimmtheit erst um 560 auf der Françoisvase (Furtwängler-Reichhold a. a. O. Taf. 1–3. 11–13) nachzuweisen, auf der sie siebenmal bei Frauen auftritt. Vielleicht aber erscheint sie hier schon im 7. Jhdt. auf Phalerongefäßen (s. Bremer 25; Arch. Jahrb. II [1887] 46 Fig. 6 und 7. 55 Fig. 19. 20). Das von Herodot V 82ff. erwähnte gescheiterte Unternehmen Athens gegen Ägina gehört jedenfalls in die erste Hälfte des 6. Jhdts. In diese Zeit also fällt nach Herodot die Annahme ionischer Gewandung durch die attischen Frauen (Studniczka Tracht 1ff.). [2114] In derselben Zeit sind auch die ionischen Frisuren der Nackenumschnürung und des aufgebundenen Schopfes zuerst mit Sicherheit in Attika nachzuweisen. In der zweiten Hälfte des 6. Jhdts. ist der aufgebundene Haarschopf in Attika für Männer wie für Frauen die bräuchlichste H., nur die streng nationalen ,Kleinmeister‘ verschmähen die Frisur. In diese Zeit gehören auch die bekanntesten Beispiele, die ,wagenbesteigende Frau‘ (Brunn-Bruckmann Denkmäler Taf. 21. Athen. Mitt. XXX [1905] Taf. XI) und der Hermes (a. a. O. Taf. XII) von der Akropolis. Ihre eigentliche Blütezeit hat die Frisur in den ersten 30 Jahren des 5. Jhdts., in der Zeit der streng-rotfigurigen Vasenmalerei. Während sie aber von Frauen aus allen Kreisen der Bevölkerung getragen wird, beschränkt sie sich unter den Männern auf die vornehmen Bevölkerungsschichten. In den 60er Jahren verschwindet sie auch in Attika. Eins der jüngsten Beispiele ist der Apoll des Paionios, Arch. Jahrb. XXI (1906) 165. Zum Aufbinden des Haarschopfes dient meist eine einfache Binde, bisweilen ein Metallreif, in Attika seit dem Ende des 6. Jhdts. mit Vorliebe ein Blattdiadem. Danebenher geht die Sitte, das Haar in eine Metallspirale zu zwängen und mit dieser an der Kopfbinde oder auch direkt im Haar festzuhalten. Aber schon um die Wende des 6. und 5. Jhdts. kommt diese Form aus der Mode, ihr letztes Vorkommen zeigt der Marmorkopf von der Akropolis, Athen. Mitt. VI (1881) Taf. 7, 1 = Arch. Jahrb. XI (1896) 291 Fig. 30. Es kommt auch vor, daß nicht der ganze Schopf hochgebunden wird, sondern nur ein Teil der Haarmasse, wie es der Apoll von Piombino (Brunn-Bruckmann Taf. 78) zeigt (s. Bremer 29f.; Beispiele aus der Vasenmalerei: Gerhard Auserl. Vasenb. III Taf. 172, 187). Die wenigen Beispiele zeigen aber, daß die Frisur eine Ausnahme blieb. Eine andere Form weiß man der Frisur in Klazomenai zu geben (s. Bremer 23). Am Wirbel werden die Haare fest zusammengezogen und dicht am Kopf umschnürt, daß sie in ihrer ganzen Masse als großer Busch vom Kopf abstehen, wie z, B. Murray Terracotta Sarcophagi Taf. 1. 3. 6. Röm. Mitt. 1888 Taf. 6. Wenn man im 5. Jhdt. häufiger bei Silenen eine ähnliche, aber verkümmerte Haaranordnung findet (so z. B. Furtwängler-Reichhold Taf. 48), so steht diese Frisur natürlich nicht in Zusammenhang mit der klazomenischen, sondern ist eine durch den Mangel der Haarfülle bedingte Nachahmung des aufgebundenen Nackenschopfes.
Während der aufgebundene Nackenschopf aus Assyrien nach Griechenland kam, scheint die Sitte, die einzelnen Haarsträhnen am unteren Ende zu umschnüren, aus Ägypten über Kreta nach Griechenland gekommen zu sein (Studniczka Arch. Jahrb. XI [1896] 287f. Bremer 30f.). Die Verbreitung der Tracht scheint sehr beschränkt gewesen zu sein: außer der kretischen Sitzfigur, Perrot-Chipiez Histoire de l’art VIII 434f. und den delphischen Argiverkolossen (Homolle Fouilles de Delphes IV Taf. 1/2) findet sie sich nur bei dem Torso von Chios, Lechat Sculpture 173ff.
Die Sitte, den ganzen Haarschopf an seinem [2115] unteren Ende in einen Knoten zusammenzuschnüren, die ,Endumschnürung‘, ist in Attika heimisch und hier schon im 8. Jhdt. nachzuweisen (Arch. Jahrb. II [1887] Taf. 3, Spätdipylon-Kanne); vgl. Bremer 31ff. Dann begegnet hier die Tracht auf einer Amphora der Vurva-Gattung (Athen. Mitt. 1893 Taf. 2), und sie ist weit verbreitet auf den Gefäßen altattischen Stils (auf der Françoisvase Furtwängler-Reichhold Taf. 1–3, 11–13 im ganzen 22mal, davon nur dreimal bei Frauen). Am bekanntesten ist die Frisur von zwei Epheben-Grabstelen aus der perikleischen Mauer (Brunn-Bruckmann Taf. 457 = Conze Att. Grabreliefs I Taf. 5 und Athen. Mitt. 1907 Taf. 21). Besonders bei den Kleinmeister-Schalen, die am alten Stil und alten Sitten treu festhalten, tritt diese attische Frisur hervor (z. B. Amer. Journ. of Arch. 1905, 288ff.). In den 30er Jahren des 6. Jhdts. verschwindet aber die Tracht bereits. Sie wird durch den aufgebundenen Nackenschopf verdrängt. Von Attika kommt die Tracht nach Ausweis der Münzen noch nach Korinth (Babelon Traité des monnaies gr. et r. Pl. XXXVI 18–23), nach Phokis (a. a. O. Pl. XLII 3ff.) und Arkadien (Pl. XXXVIII 8, 11). Für Korinth ist sie auch durch Keramik bezeugt (z. B. Antike Denkmäler I Taf. 7, 25. II Taf. 24, 8. Taf. 30, 18). Korinth wiederum vermittelt die Frisur nach Knidos (Babelon a. a. O. Pl. XVIII 13–16), Ambrakia (a. a. O. Pl. XL 1) und Leukas (a. a. O. Pl. XL 3–7). Nach Ägina wird außer dem Spiegelgriff Ἐφημ. ἀρχ. 1895 Taf. 7) auch die pompeianische Artemis (Brunn-Bruckmann Taf. 356) gehören (vgl. Bremer 36, 35). In einer Modifizierung lebt die Frisur in Attika auch noch im 5. Jhdt. als Frauen-H. fort: das untere Ende des Haares wird nur einfach umschnürt, nicht knopfartig zusammengebunden, wie man es an der Madrider Kopie der Athena Parthenos sieht (Brunn-Bruckmann Taf. 511). Selten tragen auch Männer so ihr Haar (Silene auf Vasen; der Iupiter Exsuperantissimus in Berlin, Kekule S.-Ber. Akad. Berl. 1901, 387ff.; Griech. Skulptur2 56). Auch die Haarkapsel der Frauen, die das untere Ende des langen Haares verbirgt, die gegen Ende des 6. Jhdts. auf attischen Vasen auftritt und im Anfang des 5. Jhdts. weit verbreitet ist, ist jedenfalls aus der Endumschnürung hervorgegangen, z. B. Gerhard Auserl. Vasenb. III Taf. 174f. 176. IV Taf. 297. 301.
Der Brauch, die Haare auf der Kopfbinde aufzurollen, die Haarrolle, ist in der Peloponnes heimisch, Furtwängler 50. Berliner Winckelmannsprogramm 128ff. Bremer 36ff. Drei verschiedene Gruppen der Frisur sind nach Furtwängler zu unterscheiden: 1. Das hintere Haar ist in einen Wulst aufgerollt, das Haar des Vorderkopfes ist in die Stirn gekämmt und endet hier in Löckchen. Die Form begegnet ausschließlich bei männlichen, meist jugendlichen Figuren. Hauptbeispiel: der Apollon vom Westgiebel zu Olympia; 2. die Rolle tritt am Vorder- und Hinterkopf auf. Die Frisur wird von jugendlichen männlichen wie weiblichen Figuren getragen, man vergleiche den Apollontypus, dessen Hauptexemplar die Mantuaner Statue ist (Furtwängler a. a. O. 139, 61), und Münzen von [2116] Arkadien, Brit. Mus. Cat. Peloponnes. Pl. 31, 22. 3. Das Haar des Vorderkopfes ist nach beiden Seiten zurückgestrichen und die ganze Haarmasse am Hinterkopfe aufgerollt. Es ist eine Frauen-H., die nur selten bei Männern erscheint. So trägt sie z. B. der Dionysos aus Herculaneum (Brunn-Bruckmann Taf. 382) und zwei Zeusstatuetten aus Olympia (Olympia Bd. IV nr. 43, 45). Von Frauen vergleiche man die Hesperide und die sitzende Athena aus den Metopen von Olympia. Während die beiden ersten Formen in der ersten Hälfte des 5. Jhdts. verbreitet sind, hält sich die dritte Form, die eigentliche Frauenfrisur, noch lange. Um 500 kommt die Haarrolle aus der Peloponnes nach Attika, aber hier weiß man die Strenge der Frisur, die ja schon zur völligen Haarschur überleitet, durch verschiedene Modifizierungen zu mildern. Zunächst wird das Haar nicht in ganzer Masse aufgerollt, sondern vorher in einzelne Strähnen geteilt, wie es der Knabe von der Akropolis (Ἐφημ. ἀρχ. 1888 Taf. 3) oder einige Personen der Iliupersis-Schale des Brygos (Furtwängler-Reichhold Taf. 25) zeigen. Beim Achill der weißgrundigen Schale aus der Fabrik des Euphronios (Berlin 2282. Hartwig Meisterschalen Taf. 51) sind diese einzelnen Strähnen vor dem Einrollen noch mit je einem Ringe von einander abgetrennt (vgl. Furtwängler im Katalog und a. a. O. 131, 25. Bremer 38. Früher glaubte man fälschlich, hier einen Zopf erkennen zu müssen). Dann aber werden diese einzelnen Wülste der Rolle durch ein außen um den Kopf herumgebundenes Band noch einmal wieder in je zwei Teile geteilt, wie bei einem Jüngling auf der Schale des Peithinos in Berlin (Hartwig Meisterschalen Taf. 24, 1. 25; Außenseite B, zweites Paar). Diese Frisur muß man in allen jenen Fällen erkennen, in denen man früher auf Vasenbildern glaubte einen Doppelzopf dargestellt zu sehen, wie Gerhard Auserl. Vas. III Taf. 184 oder auf der Scherbe, Arch. Jahrb. VI 1891 Taf. 1 d = XI 1896, 259 Fig. 2. Durch die Tatsache, daß der vermeintliche Zopf nie am Ohre vorbeibeiführt, wie er es müßte, sondern mit dem Ohre abschließt, ist diese Deutung gesichert. Oft wird diese horizontal geteilte Haarrolle auf Vasenbildern nur durch einen wagrechten Strich im Nackenhaar angedeutet, so Gerhard A. V. III Taf. 151. Hartwig Meisterschalen Taf. 65–66 u. a. Aus der Fülle der Beispiele erhellt, daß die Haarrolle in Attika in der betreffenden Zeit weit verbreitet war, namentlich in den beiden Abarten: da diese Teilung auch auf Münzen von Leontinoi wiederkehrt (Head HN 130, 79. Babelon a. a. O. Pl. LXXIII nr. 10–12. Arch. Jahrb. XI [1896], 259 Fig. 4), so wird es sich um eine ionisch-attische Umänderung der peloponnesischen Rolle handeln. Im griechischen Osten freilich wird bei Männern die Frisur nicht allzu verbreitet gewesen sein. In Attika hält sie sich etwas länger als der aufgebundene Nackenschopf, muß dann aber auch der Haarschur weichen. Im Parthenonfries noch trägt sie Zeus. Im Kult spielt sie als Tracht des eleusinischen Hierophanten noch lange eine Rolle (Bull. com. VII 1ff. tav. 1–5).
Ebenso wie die Haarrolle ist auch die Sitte, [2117] die Haare des Vorderkopfes mit der Binde in der Art des aufgebundenen Nackenschopfes hochzubinden, auf dem Festland heimisch (s. Bremer 41ff.). Die ältesten Beispiele finden sich auf spartanischer (,kyreneischer‘) und korinthischer Keramik (z. B. Arch. Ztg. 1881 Taf. 11–13. Arch. Jahrb. I [1886] Taf. 10). Auch in Attika ist die Frisur in der ersten Hälfte des 6. Jhdts. verbreitet (s. Françoisvase, Furtwängler-Reichhold Taf. 1–3, 11–13. Wien. Vorlegebl. 1888 Taf. IV. 1889 Taf. V. 2). Später aber findet sich die Frisur nur in Ausnahmefällen. Häufiger wird die Tracht von der archaisierenden Plastik benützt, ein archaisierender Jünglingskopf aus Rom in der Frankfurter städtischen Galerie (nr. 159, unpubl.), ein Isisköpfchen, Arndt Einzelverkauf nr. 179/80 u. a. zeigen sie. Ihr bekanntester Vertreter ist der Zeus Talleyrand, bei dem die Haare des Vorderkopfes ebenso wie die beiden langen Seitenlocken mit je einem besonderen Bügel des Diadems hochgebunden sind. Das Aufbinden der Seitenlocken kommt auch sonst häufiger vor, vgl. die ,Artemis von Gabii‘ in München (Glyptothek nr. 214. Arndt Einzelverkauf nr. 838/9). Der Madrider Hypnos, Brunn-Bruckmann 529 und der Praxitelische Sauroktonos (Bulle Der schöne Mensch Taf. 70) tragen die Schläfenlocken in einem kleinen Knoten über der Binde (s. Klein Praxiteles 144). Es ist die Tracht, die bei Lukian. deor. dial. II, 2 Eros dem Zeus rät anzulegen, damit er in Liebesangelegenheiten Glück habe.
Die jüngste dieser Frisuren der Männer ist der Doppelzopf, der vom Beginn der Perserkriege an auf den Inseln als Jünglingstracht verbreitet ist und sich bis an das letzte Viertel des 5. Jhdts. hält (s. Athen. Mitteilungen VIII [1883] 246ff. IX [1884] 232ff. Studniczka Arch. Jahrb. XI [1896] 257ff. Curtius im Text zu Brunn-Bruckmann Taf. 601–604 Anm. 3. Bremer 43ff.). Die Masse des Haares wird am Hinterkopf in zwei Zöpfe geflochten, diese um den Kopf herumgelegt und am Vorderkopf miteinander verknüpft. Auf Vasenbildern ist die Tracht nicht zu finden. In der Plastik findet man sie am Kasseler Apoll und seinen Repliken, die dem Pythagoras von Samos zugesprochen werden (s. Klein Kunstgeschichte I 403). Dann trägt sie der Omphalosapollon (Brunn-Bruckmann Taf. 42) und seine Verwandten (s. zuletzt Studniczka Kalamis, Sächs. Abhandl. XXV [1907] 92f.), sowie der mit den olympischen Giebelfiguren (über deren Herkunft s. Furtwängler Archaeologische Studien für Brunn 69ff.) zusammengehörige Jünglingskopf aus dem Perserschutt der Akropolis, Brunn-Bruckmann Taf. 460. Bei den Arbeiten der äginetischen Schule begegnet der Doppelzopf außer bei dem Zugreifenden aus dem Ostgiebel des Aphaiatempels auch bei dem Bronzekopf eines Jünglings in Neapel (Brunn-Bruckmann Taf. 506; s. Furtwängler Meisterwerke 677 Anm.). Auf Münzen von Ainos trägt Hermes in der zweiten Hälfte des 5. Jhdts. den Doppelzopf (Brit. Mus. Catal. Thrace 77, 2ff.).
b) Nach der literarischen Überlieferung.
Den Denkmälern der ältesten Zeit entsprechend, kennen auch die alten Epen nur lang wallendes Haar. Die Belege hat Helbig Das homer. Epos2 236ff. [2118] gesammelt. Das ständige Epitheton der homerischen Achäer ist κάρη κομόωντες (a. a. O. 236, 3). Daß man darunter ein freies Herabfallen des langen Haares zu verstehen hat und keine künstliche Anordnung in einer ,konventionellen Haartracht‘, wie Helbig a. a. O. es annahm, hat Harald Hofmann a. a. O. 182ff. gezeigt. Das zeigen auch Ausdrücke wie Il. I 529 χαῖται ἐπεῤῥώσαντο ἄνακτος κρατὸς ἀπ' ἀθανάτοιο (Zeus) und Hymn. in Apoll. Pyth. 272 χαίτης εἰλύμενος ὤμους. Aber schon Archilochos verspottet übergroße Lockenfülle (frg. 58, 162). Ende des 5. Jhdts. ist das κομᾶν auf die Ritter beschränkt (Aristoph. Eq. 588; Nub. 14; Lysistr. 561. Satyros bei Athen. XII 534 c). Der Sieg des kurzen Haares ist nicht so sehr auf die Demokratie (Hauser Österr. Jahresh. 1906, 75ff.) als auf den Einfluß der Palästra zurückzuführen (Lukian. dial. meretr. V 3. Philostrat. imag. II 32; Her. X 9 p. 715). Man begnügt sich aber meist mit einem mäßigen Haarschnitt, das ἐν χρῷ κείρεσθαι ist Zeichen der Dürftigkeit und des Geizes (Theophr. Char. 10. Plut. Lys. 1). Als völlige Haarschur wird auch die Strafe des Ehebrechers aufzufassen sein, Aristophan. Acharn. 849: Κρατῖνος ἀεὶ κεκαρμένος μοιχὸν μιᾷ μαχαίρᾳ. Langes Haar ist wie schon Eurip. Bacch. 448 auch in späterer Zeit Zeichen besonderer Weichlichkeit (Aristot. Physiogn. 3 p. 38. Ps.-Phokylides 210f.). Als Zeichen der Trauer tritt die Haarschur auf Hom. Od. IV 198. Athen. XV 675 A. Aristoph. Plutos 572. Plat. Phaid. p. 87c. Aischines κατὰ Κτησιφῶντος p. 605 R.; vgl. Becker Charikl. III 156ff. Als Zeichen der Staatstrauer wird sie Herodot I 82 von den Argeiern nach ihrer Niederlage bei Thyrea als Gesetz beschlossen. Auch die im Kult seit den ältesten Zeiten bräuchliche Haarweihe bedingt das Tragen kurzer Haare: Winckelmann Kunstgeschichte IV 2, 2. Wieseler 385. Hermann-Blümner 207. Krause 76f. Studniczka Arch. Jahrb. XI (1896) 261. Becker Charikles III2 236. Den Knaben wird beim Eintritt in das Ephebenalter an der κουρεῶτις ἡμέρα (Hesych. s. κουρεῶτις. Poll. VIII 9, 107. Athen. XI 494 F; vgl. A. Mommsen Heortologie 309), dem dritten Tag des Apaturienfestes, in feierlicher Zeremonie ihr Haar, das schon lange vorher einer Gottheit bestimmt ist, geschnitten. Vorauf gehen die οἰνιστήρια (Hesych. s. v. Phot. Lex. p. 321). Der göttliche Empfänger ist mit Vorliebe ein Flußgott (vgl. Aischyl. Choeph. 6. Paus. I 37, 2. Pollux II 30), doch auch Artemis (Suid. s. πλόκον. Stat. Theb. VI 616ff.) u. a. Auch schon bei kleineren Kindern kommt die Weihe vor; vgl. Nonius s. cirros. Anth. Pal. VI 155. Censor. de die natal. I 9, 10. Wieseler a. a. O. und Salmasius Epist. de caesarie virorum et mulierum coma (Lugd. Bat. 1644) 268f. Nicht unwichtig ist der Ort, wo die heilige Handlung stattfindet (Theophr. Char. 21. Plut. Theseus 5. Hom. Il. XXIII 145 u. Schol.). Für Frauen und ältere Männer handelt es sich meist um die Form der Totenspende (Hom. Il. XXIII 135ff. Soph. Elektr. 449ff. Euripid. Alk. 429) und des Haarraufens bei der Trauer (Lucian. de luctu 11; vergl. Gerhard Auserl. Vasenb. III Taf. 214. Perrot-Chipiez Hist. de l’art VIII 77 u. v. a.); oder die Weihung tritt ein, wenn man [2119] einer großen Gefahr entronnen ist (s. Bull. hell. 1888, 479). So weihen die Mädchen von Delos den dort verstorbenen hyperboreischen Jungfrauen vor ihrer Hochzeit eine um eine Spindel gewickelte Locke (Herodot. IV 34. Paus. I 43, 4). In Sikyon widmen die Frauen der Hygieia ihr Haar und behängen deren Kultbild dicht damit (Paus. II 116, 6). Nach Stat. Theb. II 234f. (s. Schol.) weihen die Frauen von Athen ihr Haupthaar der Pallas. In Sparta werden den Mädchen am Hochzeitstage von der νυμφεύτρια die Haare geschnitten (Plut. Lyk. 15. Lucian. Fugit. 27). In Troizen erhält Hippolytos das Haar der Jünglinge und Mädchen vor der Hochzeit (Lucian. de Syr. dea 60). In Megara endlich sind es (Paus. I 43. 4) die verheirateten Frauen, die ihr Haar am Grab der Iphinoe niederlegen. Über den Sinn dieser Weihungen s. Hauser Österr. Jahresh. 1906, 124ff. Philosophen sind in ihrer H. stets exzentrisch gewesen, die einen wollen durch langes Haar ehrwürdiger erscheinen (Lucian. mort. Peregr. 15. Arrian. diss. Epict. IV 8, 4 u. a.), die andern durch Vernachlässigung ihre Gleichgültigkeit irdischen Dingen gegenüber dartun (Gell. noct. att. IX 2. Aristoph. Av. 1282 u. a.), und noch andere ihre asketische Strenge durch völlige Haarschur beweisen (Lucian. vit. auct. cap. 20 u. a.), s. die Belege bei Hermann-Blümner 207, 3; Krause 79, 2. Die Sklaven tragen von Anfang an kurzes Haar (s. Aristoph. Av. 911. Olympiodor zu Plut. Alcib. p. 148 ed. Creuzer u. a.; vgl. Hermann-Blümner 92. K. O. Müller Dorier2 II 266). Über die ἀνδραποδώδης θρίξ vgl. Kock zu Aristoph. Av. 911. Schol. Arist. Thesm. 836. Im gewöhnlichen Leben begnügt man sich mit einem mäßigen Haarschnitt, der μέση κουρά (Theophr. Char. 26. Aelian var. hist. III 19; vgl. Hermann-Blümner 207, 5). Pollux II 29 unterscheidet als Formen der κουρά: κῆπος, σκάφιον, πρόκοττα, περίτρόχαλα. Die πρόκοττα (s. auch Photios s. v.) bezeichnen die kurzen Stirn-, die περιτρόχαλα die Nackenlöckchen. Über die beiden ersteren Formen des Haarschnitts hat Wieseler Jahrb. f. Phil. 1855. 357ff. die in Betracht kommenden Stellen gesammelt. Das σκάφιον (mit dem Napf, σκάφη, geschnitten) ist die Tracht der kleinen Leute und Sklaven, der κῆπος die sorgfältigere Frisur der Vornehmen.
Über Sparta s. K. O. Müller, Dorier2 II 266. Krause a. a. O. 72. Becker Charikles III 290. Hermann-Blümner 206, 4. Iwan Müller a. a. O. 106. Daremberg-Saglio a. a. O. 1359f. In Sparta sind die Verhältnisse umgekehrt wie in Athen: Kinder tragen kurzes, die Männer, nach der Überlieferung seit Lykurg. langes Haar: Her. VII 208. Plut. Lys. 1; Lykurg 22. Aristot. Rhet. I 9 p. 1367 a. 28. Die attischen Lakonisten ahmen das nach, s. Aristoph. Av. 1281. Plat. Com. frg. 124 Kock. Zur Zeit des Achaeischen Bundes ist nach Paus. VII 14, 2 die κουρά bereits durchgedrungen. Diese spätere Sitte ist Plut. Alkib. 23, 3; de adul. 7 fälschlich auf ältere Zeit übertragen (s. auch o. Bd. III S. 31). Die Nachricht Herodot I 83, die den Beginn des κομᾶν in der Mitte des 6. Jhdts. festsetzt, ist höchst verdächtig (s. auch Müller Aegin. 72. Studniczka Tracht 5, 14) und jedenfalls falsch. [2120] Die Makedonen tragen bis zur Schlacht von Arbela nach der Überlieferung langes Haar und Bart (Synes. Φαλακρᾶς ἐγκώμιον 16), von da an kurzes.
Die verschiedenen auf Denkmälern nachweisbaren Haartrachten lassen sich aus der Literatur nicht belegen. Die euböischen Abanten (Hom. Il. II 542) tragen wohl schon den aufgebundenen Nackenschopf; die Thraker (Hom. Il. IV 533) tragen eine hohe Frisur (ἀκρόκομοι). Die Plut. Thes. 5 erwähnte Θησηῖς zeichnet sich durch vorne kurz geschnittenes Haar aus. Die Ἑκτορεία Poll. II 28 ist wohl in Zusammenhang zu bringen mit dem ἀναχαιτίζειν τὴν κόμην Poll. II 25, dem Emporsträuben der Stirnhaare, das in myronischer Zeit für Gottheiten auftritt (s. Furtwängler Meisterwerke 363). Es gehört zum Charakter des Achill (Heliodor. Aethiop. II 35. Philostrat. imag. 392 K. 24), und die Bildnisse Alexanders zeigen es, s. auch Libanios Ekphr. T. IV p. 1120 R.; vgl. ἀναστολὴ τῆς κόμης Plut. Pomp. 2; [κόμην] ἀναφρίττουσαν ὑπὲρ τὸ μέτωπον Plut. Mor. p. 977 A; ἀνάσιμον oder ἀνάσιλλον τρίχωμα Poll. IV 138. Arist. Physiogn. V p. 81. VI p. 151. Das Gegenteil ist ἐπίσειστος (Poll. IV 147). Die älteste mit einem Namen genannte Frisur ist das κέρας (Hom. Il. XI 385); vgl. Helbig Hom. Epos2 241. Bremer 49. Helbig will die Frisur in großen Spirallocken erkennen, die bisweilen auf archaischen Denkmälern begegnen, namentlich auf einem von ihm a. a. O. publizierten Buccherohenkel (vgl. auch Mon. d. Inst. II 2 u. a.). Diese aber gehören nicht zur Tracht, sondern zur Kunststilisierung. Ein Scholion bringt die Frisur zusammen mit den κορῶναι des Sophron (Kaibel frg. 163) in Zusammenhang mit der attischen Krobylostracht (Dindorf I 389). Da beide sprachlich in denselben Zusammenhang gehören, trifft diese Erklärung wohl das Richtige.
Am bekanntesten und in der Überlieferung am meisten genannt ist der altattische Krobylos. S. dazu K. O. Müller Dorier2 II 266; Handbuch der Archaeologie³ 476, 5. Conze Nuove Memorie dell' instituto archeol. 408ff. Jahn Griech. Bilderchroniken, herausg. v. Michaelis 1873, 46, 301. Helbig Commentationes in honorem Th. Mommseni 1877, 616. Birt Rhein. Museum XXXIII (1878) 625ff. Helbig Rhein. Museum XXXIV (1879) 484f. Schreiber Ath. Mitt. VIII (1883) 246ff. IX (1884) 232ff. [danach: Perrot-Chipiez VIII 644. Héron de Villefosse Mon. Piot I 62. Collignon Hist. de la sculpt. Gr. I 363]. Studniczka Arch. Jahrbuch 1896, 248ff. Klein Geschichte der griech. Kunst I 255. Hauser Österr. Jahreshefte 1906, 75ff. Petersen a. a. O., Beiblatt 78ff. Hauser a. a. O. 1907. Beiblatt 10ff. Petersen Rhein. Museum 1907, 540ff. Hauser Österr. Jahreshefte 1908, Beiblatt 87ff. Kjellberg Eranos IX (1909) 164ff. Bremer a. a. O. 50ff. Die älteste Schriftstelle, die man für den Krobylos in Anspruch nahm, das Fragment des Asios (bei Ath. XII 525 F), hat mit der Frisur nichts zu tun (Bremer 51ff.). Es handelt sich um Chitone, von deren Saum Fransen aus Goldblech in Blütenform herabhängen, wie am Kleid der Frau vom Wagen von Monte Leone (Brunn-Bruckmann Taf. 386/7, s. Textabbildung) die [2121] in ihrer Form an das Insekt erinnern (vgl. Ἐφημ. ἀρχ. 1906, 89) und durch den beim Aneinanderschlagen entstehenden Lärm zum Vergleich mit Zikaden herausfordern. Κόρυμβος und κόσυμβος bezw. κορύμβη und κοσύμβη sind urspr. synonym (Hauser I 87. Bremer 53). Die klassische Erwähnung der Tracht steht bei Thukydides I 6 καὶ οἱ πρεσβύτεροι αὐτοῖς τῶν εὐδαιμόνων διὰ τὸ ἁβροδίαιτον οὐ πολὺς χρόνος ἐπειδὴ χιτῶνάς τε λινοῦς ἐπαύσαντο φοροῦντες καὶ χρυσῶν τεττίγων ἐνέρσει κρωβύλον ἀναδούμενοι τῶν ἐν τῇ κεφαλῇ τριχῶν. ἀφ' οὗ καὶ Ἰώνων τοὺς πρεσβυτέρους κατὰ τὸ ξυγγενὲς ἐπὶ πολὺ αὔτη ἡ σκευὴ κατέσχεν. Bei Suidas ist eine Stelle des Nicolaos von Damaskos überliefert (FHG III 395, 62), die wahrscheinlich auf Xanthos' Lydiaka zurückgeht, also in die Perserkriegzeit gehört. Mit einer breiten goldenen Binde (στρόφος) ist das Haar eines jungen Stutzers in einen Korymbos aufgebunden. Im J. 424 erscheint in den Rittern des Aristophanes der verjüngte Demos τεττιγοφόρας ἀρχαίῳ σχήματι λαμπρός (1331). Dazu kommt als vierte und letzte selbständige Erwähnung Herakleides Pontikos bei Athen. XII 512 C. Die Selbständigkeit bestreiten Studniczka 251. Petersen I 78. II 548, dafür treten ein Hauser Ι 83. II 11. III 87. Kjellberg. Bremer 56. Nach Herakleides trugen die Helden von Marathon κορύμβους ... ἀναδούμενοι τῶν τριχῶν χρυσοῦς τέττιγας περὶ τὸ μέτωπον καὶ τὰς κόμας (Birt κόῤῥας). – Der Krobylos ist also eine Frisur, die zuletzt nur noch von alten Leuten (Thuk.), früher aber auch von jungen (Xanthos) getragen wurde und die zusammen mit dem Linnenchiton, d. h. in den 60er Jahren des 5. Jhdts. verschwindet. Daß κρωβύλος eine Frisur und keinen Teil der Haare bezeichnet, ist jetzt allgemein angenommen (vgl. Hauser Ι 87 und dagegen II 16f.). Κόρυμβος und κρωβύλος gehören etymologisch zusammen mit k e r a {\displaystyle {\sqrt {kera}}}, ragen, sich erheben, anschwellen (Prellwitz Etymol. Wörterb. d. gr. Spr.), die Frisur muß sich also in irgend einer Form vom Kopfe abheben (vgl. Curtius Grundzüge der gr. Etym. 517). Bis zu Conze glaubte man den κρωβύλος in der Haarschleife (s. S. 2135) zu erkennen, die erst im 4. Jhdt. auftritt (vgl. Studniczka 256). Schreiber a. a. O. glaubte ihn im Doppelzopf gefunden zu haben, der ebenfalls zeitlich und seinem Verbreitungsgebiet nach (s. o.) ausgeschlossen ist (Studniczka 257ff.). Auch die Theorie Hausers ist unhaltbar, obwohl in weitesten Kreisen rückhaltlos anerkannt; die Gegengründe bei Petersen und Bremer 60ff. Von Herakleides ausgehend schließt Hauser, daß man mit κρωβύλος den Stirnschopf bezeichnet habe, der mit einem breiten, Haare nachbildenden Toupet aus Goldblech, eben dem τέττιξ, verhüllt gewesen sei. Herakleides aber spricht nicht von der Stelle, an der der κρωβύλος sitzt, sondern gibt nur den Platz der τέττιγες mit περὶ τὸ μέτωπον καὶ τὰς κόμας an. Einen Parallelbeweis versucht Hauser (I 85ff.) ausgehend von Xenophon anab. V 4, 13. Die pontischen Mossynoiken tragen hier Lederhelme οἰάπερ τὰ Παφλαγονικά, κρωβύλον ἔχοντα κατὰ μέσον, ἐγγύτατα τιαροειδῆ. Die Helme haben also ganz so wie ein τιάρος, d. h. die phrygische Mütze, einen κρωβύλος in der Mitte. Da nun [2122] bei drei Metallhelmen, die Hauser a. a. O. beibringt, deren oberer Teil die phrygische Mütze nachahmt, auf der Stirn Stirnhaare nachgebildet sind, so schließt Hauser, ,da κρωβύλος sich in der Mehrzahl der Fälle sicher auf Haare bezieht, da an mehreren den Mossynoikenhelmen mindestens nah verwandten Exemplaren in der Mitte ein Haarschopf sitzt, so kann wohl kein Zweifel bestehen, welchen Teil Xenophon mit κρωβύλος bezeichnete. Also für Xenophon bedeutet κρωβύλος auch Stirnschopf‘ (I 87). Wäre der Schluß richtig, so wäre es unerfindlich, was die Angabe κατὰ μέσον bezweckt, sie wäre sinnlos. Aber der Schluß ist falsch, denn die Stirn liegt nicht κατὰ μέσον der Helme. Die Mossynoikenhelme sind nicht aus Metall, sondern aus Leder, und diese Haardarstellungen gehören erst der Übertragung des Helmes in Metall an. Wie man Beinschienen und Brustpanzer dem Teile des Körpers, den sie zu schützen haben, anpaßte, so auch den Helm (Petersen II 544. Bremer 61). An Lederhelmen ist ein solches goldenes Stirnschild nicht nachweisbar. Xanthos, Thukydides und Aristophanes (Eq. 1325) widersprechen klar einer solchen Annahme der Tettigophorie am Helm, und auch aus Herakleides ist sie nicht zu schließen. Nur eins kann an der phrygischen Mütze κρωβύλος genannt werden, der in der Mitte sitzende vorragende, leicht nach vorne gebogene Knauf (Studniczka 255), wozu zu vgl. die Benennung der hohen Schiffsenden Hom. Il. IX 241 κόρυμβα und des Berggipfels Herodot VII 218, 14 κόρυμβος. Diesen Knauf haben auch die Mossynoikenhelme.
Die vielbesprochene Erwähnung des κρωβύλος bei Lukian πλοῖον ἢ εὐχαί 3, wo die Frisur eines ägyptischen Knaben mit der alten Tracht verglichen wird (ἀναδεδεμένον εἰς τοὺπίσω τὴν κόμην ἐπ' ἀμφότερα τοῦ μετώπου ἀπηγμένην), ist ebenfalls für die Beurteilung der alten Tracht wertlos, denn aus Lexiph. 13 geht hervor, daß Lukian den κρωβύλος sich als Zopf vorstellt. Ein solcher ist aber nach der Überlieferung der Denkmäler ausgeschlossen. So ist bei Lukian auch aus den τέττιγες, die sonst erscheinen (s. Birt 628. Kjellberg 165. Bremer 58), ein τέττιξ geworden. Ebensowenig wie man die unter dem Hauserschen Goldtoupet verborgene, flach an den Kopf angedrückte Frisur κρωβύλος benennen kann nach dem Wortbegriffe, paßt der Name τέττιξ auf diese Metallscheiben. Vgl. Petersen I 83. Pernice bei Gercke-Norden Einleitung in die Altertumswissenschaft II 45. Kjellberg 170. Bremer 63. Auch die von Hauser I 89 abgebildete Zikadenlarve vermag schon wegen des Größenunterschieds der verglichenen Objekte hier nicht zu vermitteln. Die troischen Diademe (Hauser I 114) dürfen keinesfalls herangezogen werden. Ausschlaggebend für die Beurteilung der Hauserschen Ansicht ist, daß sie mit der monumentalen Überlieferung unvereinbar ist. Hauser vermag, wie er selbst I 99 zugibt, ,kein sicheres, zwingendes Beispiel einer attischen Darstellung zu nennen, wo Männer diese Goldscheiben direkt über den Stirnhaaren tragen‘. Die Punktreihen auf heller Firnisunterlage um die Stirne herum bezeichnen nicht, wie Hauser überzeugt ist, einen ,Metalltettix‘, sondern nur die kurzgelockten Haarenden, da sie ebenso wie über der [2123] Stirn auch im Nacken vorkommen (Bremer 64). Ebenfalls um stilisierte Darstellung der wirklichen Stirnhaare handelt es sich bei den von Hauser für den griechischen Osten herangezogenen Beispielen (a. a. O. 65f.). Der Zeus Talleyrand trägt die aufgebundenen Stirnhaare (s. o. und a. a. O. 42). Auch der von Hauser herangezogene Goldschmuck stützt nicht seine Theorie. Die mykenischen ,Diademe‘ sind meist Sargbeschlag (s. o. unter I; Stais Ἐφημ. ἀρχ. 1907, 31ff.), und ihr Ornament ist nicht aus Haaren, sondern Blüten (Arch. Jahrb. XXIII [1908] 209ff. Jolles) entstanden. Das Schmuckstück aus Kairo Archäol. Anz. 1901, 210 diente zum Halten des Nackenschopfes, s. Edgar Catalogue gén. des antiq. de Caire; Graeco-egyptian Coffins, Masks and Portraits nr. 33216 u. a. Endlich ist auch bei den noch übrigen Beispielen aus der Plastik (Bremer 67) nur Haarstilisierung anzuerkennen. Die vier wirklichen Toupets, die Hauser beibringt (I Fig. 25. 26. 35. 36; vgl. Bremer 68) sind Grabfunde, und sie gehören zusammen mit den Gesichtsmasken in Zusammenhang mit dem Totenschmuck. So ist es zu erklären, wenn auf der Schale im Museo Gregoriano (Helbig Führer2 II 1251, Abb. Hauser I 100) Pluton und Persephone ein solches Diadem tragen. Nach alledem ist Hausers Theorie entschieden abzulehnen, denn auch die κρωβύλοι χρυσοῖ, die Plutarch de Pyth. or. 24 D die Pythia wie andere Kleidungsstücke ablegt, sind ihr eine haltlose Stütze.
Es gibt überhaupt nur eine Frisur, die nach ihrer Verbreitung und dem Wortbegriffe des κρωβύλος für diesen in Betracht kommt. Schon Conze hat in dem aufgebundenen Nackenschopf richtig den κρωβύλος erkannt, und Studniczka hat die Hypothese weiter ausgeführt. Von dem überhängenden Teil des Schopfes hat der Fruchtbüschel des Efeu den Namen κόρυμβος (Bremer 69; Belege s. Epheu). Seine Verbreitung, örtlich und zeitlich, ist eng verbunden mit dem langen Chiton. Als Männertracht ist er wirklich ausschließlich Frisur der εὐδαίμονες. Seine Blütezeit in Attika ist (s. o.) das erste Drittel des 5. Jhdts., dieselbe Zeit, in der auch der κρωβύλος nach der Überlieferung seine Hauptverbreitung genoß. Nur dadurch, daß zu diesem richtigen κρωβύλος die τέττιγες fehlten, war es möglich, daß später noch neue Theorien (Schreiber, Hauser) auftreten konnten. Eine Haarnadel (Conze) kommt nicht in Betracht, und die Goldspiralen (Studniczka) ebensowenig. Sie widersprechen der literarischen Überlieferung (Herakleides) wie der monumentalen, die lehrt, daß sie zur Perserkriegzeit schon außer Gebrauch waren. Wenn schon der Name Tettix für eine solche Drahtspirale mißlich ist, so ist der Plural τέττιγες ausgeschlossen. Die Zikaden sitzen nach Herakleides περὶ τὸ μέτωπον καὶ τὰς κόμας (Birt κόῤῥας]. Da die τέττιγες nur für Attika erwähnt werden, so sind sie jedenfalls eine speziell attische Tracht, für die in Ionien (Xanthos) die Binde eintrat. Da sie nun nach dem Begriff der ἔνερσις ,wahrscheinlich um das Haar oder einzelne Haarpartien geflochten waren‘ (Kjellberg), so wird man an eine Art Binde zu denken haben, die ja auch wirklich in verschiedenen Formen in der fraglichen Zeit den Schopf aufbindet. Auf eine Binde aufgenähte goldene Zikaden (Sittl Patrizierzeit 29) sind nirgends auch nur [2124] vermutungsweise nachzuweisen, kommen also nicht in Betracht. Auch hier gestatten die Denkmäler nur eine Lösung: man nannte die so sehr häufig beim κρωβύλος auftretenden Blattkränze τέττιγες. vgl. Kroisos Furtwängler-Reichhold 113: Zeus Furtwängler-Reichhold 16; Arch. Ztg. 1875 Taf. 10. Hipparch Arch. Ztg. 1883 Taf. 12 u. v. a. Sie bestehen aus einer Binde, auf die dünne Goldblätter aufgenäht sind; vgl. die Binden, die eine Nike auf dem Krater Furtwängler-Reichhold Taf. 20 oder ein Erot a. a. O. Taf. 124 in der Hand tragen. Die Namenübertragung ist ebenso entstanden wie der Vergleich der Blütenbleche, die am untern Rocksaum der Samier gegeneinanderschlagen, mit dem Insekt. Werden zwei bis drei Blätter an derselben Stelle auf die Binde aufgenäht, oder wie bei erhaltenen Kränzen (z. B. einem Exemplar im Antiquarium kgl. Mus. zu Berlin) auf ein Metallband aufgelötet, so erinnern sie wirklich an die charakteristische Rückenansicht einer Zikade, und das bei jeder Kopfbewegung eintretende raschelnde Klirren der kleinen Bleche wird den Anstoß zur Namengebung gegeben haben. Im Parthenoninventar von 400/399 (CIA II 2, 645; s. Petersen II 548. Hauser III 90 Anm. Bremer 71f.) übertrug man den Namen sogar auf die blütenförmigen Anhänger der Halsketten (vgl. Arch. Ztg. 1884 Taf. 9 nr. 11, 12. Arch. Jahrb. II 1887 Taf. 8, 3). So auch wohl im Inventar des samischen Heraion, Curtius Inschr. u. Stud. zur Gesch. v. Samos, Progr. 1877 nr. 6. Athen. Mitt. VII 367. Hauser I 93. CIA II 2, 766 Z. 20 wird es sich um eine wirkliche Zikade handeln. Nach Etym. M. 310, 51 heißt der κρωβύλος auf Cypern κορδύλη und in Persien κίδαρις. Zu ersterem Namen ist zu vgl. Aristoph. Nub. 11. Ein anderer Name für die τέττιγες ist vielleicht καλαμίδες (s. Hesych. s. καλαμίς): ursprünglich gleichbedeutend mit dem κάλαμος geht der Name auch auf die σύριγξ über. Von dieser aus werden die Κερυνῖται ... τοὺς μικροὺς τέττιγας καλαμίδας genannt haben. Kaum anders als bei den τέττιγες wird es also zu verstehen sein, wenn der Name auch κοσμάριόν τι περὶ τοὺς πλοκάμους und χρυσοῦν περιτραχήλιον bezeichnet.
III. Kinderhaartracht.
Bis zum Ephebenalter behalten die Knaben, auch nachdem sich die Haarschur allgemein durchgesetzt hat, ihr langes Haar. Dann erst wird das Haar in Form einer Weihung an eine Gottheit abgeschnitten (s. o. u. II). Kunstvolle Frisuren sind natürlich selten, vgl. Athen. XII 16. Damit das Haar nicht in die Stirne fällt, wird es in einen Knoten über derselben aufgebunden. In der Zeit der Perserkriege kommt diese Frisur, der Stirnknoten, auf, s. Furtwängler Meisterwerke 678ff.; Intermezzi 5f. Die ältesten Beispiele sind der Dornauszieher (Brunn-Bruckmann Taf. 321) und ein Kopf in Berlin (Furtwängler Meisterw. Taf. XXXII). Es folgt der Eros Soranzo in St. Petersburg (Arch. Ztg. 1878 Taf. 16 Springer-Michaelis8 Abb. 362), eine Bronzestatuette im Louvre (Bulle Der schöne Mensch2 Taf. 45; ,Dionysos'), ein Jünglingskopf daselbst (Abb. Furtwängler a. a. O. Fig. 132), der Kopf des Herzogs v. Devonshire, Furtwängler Intermezzi 1ff. Taf. I–IV, eine Gruppe von Votivfiguren aus Boiotien (z. B. Athen. Mitt. 1890, 360f.; vgl. Furtwängler [2125] Sammlung Sabouroff Bd. II Terrak. Einl. 12f.), der Triptolemos des eleusinischen Reliefs und 2 Figuren aus dem Parthenonfries (Iris im Ost- und Sklavenknabe im Westfries). Es trägt den Stirnknoten auch ein Knabe in Madrid (Arndt-Amelung Einzelverkauf 1593–1598), das ,Mädchen von Antium‘ (Brunn-Bruckmann Taf. 583/4), der jüngste Niobide und der Knabe mit der Gans des Boethos (Brunn-Bruckmann Taf. 433 und Münch. Glyptothek Furtwängler nr. 268). Von Frauen trägt ihn Chairestrate auf dem Grabrelief Conze Att. Grabreliefs Taf. CLXXIV nr. 893. In zwei Fällen begegnet er auch bei Männern: Priamos auf dem Skyphos des Hieron und Makron, Furtwängler-Reichhold Taf. 85 (so auch Furtwängler im Text) und bei einem bärtigen Kopf in Florenz (Amelung Florentiner Antiken S. 39ff., Titeltafel; Replik Museo Torlonia 386). Vgl. endlich den Aktaion Furtwängler-Reichhold Taf. 115 und Hauser im Text. Der Stirnknoten ist vielleicht der σκόλλυς (vgl. Hermann-Blümner a. a. O. 207, 4. Wieseler a. a. O.), s. Pamphilos bei Athen. XI 494 F: ἀποκείρειν τὸν σκόλλυν ἔφηβοι und Hesych. s. v. σκόλλυς · κορυφὴ ἡ καταλελειμένη τῶν τριχῶν · τινὲς δὲ μαλλὸν [μᾶλλον], πλόκαμον, auch Eustath. Od. p. 1528, 18 (σκόλλις), Poll. II 30 (var. σειολλίς], Dioscorides parab. II 93 (übertragen). Auf einem Irrtum beruht wohl Hesych. κοννοφόρων · σκολλυνφόρων. Auch der κόρυφος Hesych. s. v. gehört jedenfalls in diesen Zusammenhang. – Der Scheitelzopf tritt allgemein erst im 4. Jhdt. auf. Die auf dem Scheitel über der Stirn zusammengezogenen Haare werden in einen kleinen Zopf geflochten, der bis auf den Hinterkopf fällt (vgl. Furtwängler Meisterw. 543. 679). Das älteste Beispiel ist ein Knabe auf der Stele der Polyxene, Conze Att. Grabreliefs I Taf. LXVI und gehört noch ins 5. Jhdt. Mit dem 4. beginnt die geschlossene Reihe der Beispiele, vgl. Samml. Sabouroff II Taf. CXL 3. Mon. d. Inst. IV (1845) Taf. XX. Archaeolog. Stud. für Brunn 90 Taf. 3. Brunn-Bruckmann Taf. 176 (Koren vom Erechtheion); Arch. Ztg. XVIII (1860) Taf. 133/4 (Xantener Erzfigur). Arndt-Amelung Einzelverkauf nr. 1–2; Chairippe auf dem Grabrelief Conze Att. Grabrel. Taf. CLXVI m. 862. Der Name dieses Kinderzopfes ist σκορπίος, wie aus dem Namen selbst hervorgeht (s. Schol. Thuk. I 6. 3. Phot. Lex. p. 156 Pors. Hesych. s. κρωβύλος), vielleicht ist auch der μαλλός (Hesych. s. οἰνιστήρια. Eurip. Bacch. 113) und die σειρὰ τριχῶν Poll. II 30 damit identisch. – Einen in der Art des Doppelzopfes um den Kopf herumgelegten Zopf trägt ein Knabe auf der Stele der Archestrate (Conze Ath. Grabrel. Taf. LXVIII).
IV. Frauenhaartracht.
1. Solange die Männer langes Haar tragen, entspricht die Frauenhaartracht der der Männer (schon erkannt von Servius Aen. X 832), nur mit dem Unterschied, daß ἡ περὶ τᾶς κόμας φιλοτεχνία (Strab. X 3, 8) bei ihnen immer mehr ausgeprägt gewesen ist (vgl. Syneos φαλακρᾶς ἐγκώιμιον c. 21 καὶ καθάπαξ οἱ θηλυδρίαι τριχοπλάστα πάντες εἰσὶν), sie immer neue Variationen der feststehenden Frisurentypen erfanden und fremde Frisuren schneller übernahmen als die Männer (s. o. S. 2122). Welche Pflege sie von jeher dem Haare angedeihen ließen, zeigt neben den stets wiederkehrenden [2126] Beiworten ἠύκομος, καίλίκομος, ἐυπλόκαμος, καλλιπλόκαμος, λιπαροπλόκαμος u. a. die Schilderung der Toilette der Hera (Hom. Il. XIV 175ff.) und Simonides frg. II 65ff. Länger hält sich bei den Frauen von den Frisuren, die sie mit den Männern gemeinsam haben, die Haarrolle (speziell in der 3. Form), die auch im 4. Jhdt. noch weit verbreitet ist (vgl. Conze Att. Grabreliefs I Taf. 29. 31. 32. 59. 65. 101. Eleusin. Relief Brunn-Bruckmann Taf. 7 und Münzen, speziell aus der Troas: Antandros (Brit. Mus. Cat. Troas Taf. VII 1), Lesbos (a. a. O. Taf. XXXIV 12f.), Antissa (XXXV 11), Mytilene (XXXVII 14f.) usw. usw. Große lange Zöpfe scheinen die Frauen auf dem ostgriechischen Elfenbeineimer aus Chiusi (Mon. d. Inst. X Taf. 38 a. Böhlau Aus ion. u. ital. Nekropolen 119 Abb. 64) zu tragen (oder auch hier Umschnürung des ganzen Schopfes?). Da eine niedrige Stirn zu allen Zeiten als schön gilt (vgl. Horaz Od. I 33, 5; Lukian. dial. meretric. I 2), so versucht man schon früh, deren Höhe künstlich zu verringern, indem man die beiden Teile des in der Mitte gescheitelten Haares nicht glatt zu den Ohren führt, sondern sie in einem Bausch herabhängen läßt und über den Ohren mit der Binde befestigt oder gar um die Ohren herumführt, s. z. B. auf Straußenei aus Vulci, Perrot-Chipiez Hist. de l'art III 859 Fig. 627; streng rf. Pelike in Wien Furtwängler-Reichhold Taf. 72; Artemis auf Aktaionkrater (a. a. O. Taf. 115; dazu Hauser im Text 291); Brunn-Bruckmann Taf. 356, Artemis aus Pompei; Figuren vom Aphaiatempel in Aigina, z. B. Furtwängler Aeg. Taf. 98 nr. 177; Kopf in München, Residenz, Arndt-Amelung Einzelverkauf 928f.; Mädchenfiguren von der Akropolis (z. B. Brunn-Bruckmann Taf. 556, s. darüber Lermann a. a. O.); Kopf in Rom, Einzelverkauf 422/3 usw.
2. In der Übergangszeit treten verschiedene Frisuren auf, die auf Frauen beschränkt sind. Der einfache Haarknoten im Nacken findet sich in voller Ausprägung zuerst bei der esquilinischen Venus (Brunn-Bruckmann Taf. 305, Kopf allein Arndt-Amelung Einzelverkauf 481/2). Er ist aus der Haarrolle entstanden, vgl. eleusinisches Relief Brunn-Bruckmann Taf. 7 und Mädchen auf Krater aus Falerii Furtwängler-Reichhold Taf. 17/18, auf Pyxis a. a. O. Taf. 57, 1 u. a. Der Haarknoten hält sich bis in die römische Zeit. Beispiele: sog. Niobidentrophos (Arndt-Amelung, Einzelverkauf nr. 364/5); Aphrodite von Ostia, Friederichs-Wolters 1455; die kindische Aphrodite (Brunn-Bruckmann Taf. 161 oder Arndt-Amelung Einzelverkauf nr. 216–218); hellenistisch: Artemis München Glyptothek Furtwängler 204. Arndt-Amelung Einzelverkauf nr. 864/5 usw. Eine richtige Haarschleife im Nacken an Stelle des Knotens trägt z. B. ein Kopf des 5. Jhdts. in München, Residenz, Einzelverkauf nr. 931 und der Madrider Hypnos Brunn-Bruckmann Taf. 529. – Die Sitte, den Haarschopf in der Art wie beim klazomenischen Schopf (s. o. unter II) hart am Kopfe abzuschnüren, so daß er als Busch, dessen Länge mit der Schere beliebig geregelt wird, vom Kopfe absteht, tritt in der Mitte des 5. Jhdts. auf (Furtwängler-Reichhold Taf. [2127] 17/18. 107). Ausnahmslos handelt es sich bei dieser Frisur um die Tracht junger Mädchen. Ursprünglich wird das Haar im Nacken umschnürt, im 4. Jhdt. aber, wo sich die Tracht weitester Beliebtheit erfreut, auf dem Wirbel. Auch diese Frisur hält sich durch die hellenistische Epoche hindurch. Beispiele: Furtwängler-Reichhold Taf. 8/9. 10. 40. 59. 68. 78, 1, 2. 79. 80, 1. 87 usw. Archaeol. Jahrb. XI (1896) 21 Fig. 2. Arndt-Amelung Einzelverkauf nr. 595. Conze Att. Grabreliefs II Taf. CLXXII nr. 887. Zum Abschnüren dient ein Band, das oft mit Troddeln verziert ist. Auf diese Frisur paßt am besten der Name des λαμπάδιον, das Pollux im Verzeichnis der Komödienmasken junger Frauen (IV 154) anführt als ἰδέα τριχῶν πλέγματος εἰς ὀξὺ ἀπολήγοντος. Die Erklärung paßt ebensogut auf diese Frisur wie die wörtlich gleiche, die Suidas u. a. vom κρωβύλος geben, auf diesen. Beide εἰς ὀξὺ ἀπολήγουσι. Das λαμπάδιον tragen nach Ps.-Dikaiarch die Frauen von Theben auf dem Wirbel.
Im 4. Jhdt. tritt die sog. ,Melonenfrisur‘ auf, für die die Teilung der Haarmasse in einzelne Streifen, die von der Stirn nach dem Hinterkopf laufen, charakteristisch ist. Am Hinterkopf werden die Haare in einen Schopf (Bull. hell. VIII [1844] Pl. XV), Knoten oder aufgewickelten Zopf zusammengefaßt (Furtwängler Sammlung Sabouroff II Taf. LXXXVIII. Arndt-Amelung Einzelverkauf nr. 66). Über die Frisur Fabricius Bull. d. Inst. 1883, 69f. Furtwängler Sammlung Sabouroff II zu Taf. CXXV/VI und CXLIX 1. Am bekanntesten ist die Frisur von den beiden Herculanenserinnen in Dresden (Brunn-Bruckmann Taf. 558 und 310). Im 4. Jhdt. hat die Tracht ihre Hauptverbreitung (z. B. Porträtköpfe Arndt-Amelung Einzelverkauf 496. 1291/2. 1188/9. Brunn-Bruckmann Taf. 13; Grabrelief der Demetria und Pamphile, Conze Att. Grabrel. I Taf. XL. Brunn-Bruckmann Taf. 528; Stele der Malthake, Conze Taf. XLVI). In hellenistischer Zeit spielt die Melonenfrisur besonders als Tracht am Ptolemäerhofe eine Rolle, wo sich namentlich Arsinoë und Berenike nach Ausweis ihrer Münzen dieser speziell jugendlichen Frisur bedienen. Auch die Terrakotta-Mädchenfiguren der hellenistischen Zeit zeigen sehr häufig diese Tracht. Jetzt erhalten sie auch jugendliche Göttinnen, Artemis (Münzen 3. Jhdt., Arch. Ztg. 1880 Taf. 17, 3. Brit. Mus. Guide2 pl. 42, 18. 46, 25) und Kora (z. B. Clarac pl. 430, 775). Zur Melonenfrisur ist zu vergleichen die κόμη διακριδὸν ἠσκημένη (Luc. am. 3).
Die Haarschleife, die vom Apoll von Belvedere (Brunn-Bruckmann Taf. 419) und von der kapitolinischen Venus (Brunn-Bruckmann Taf. 373) allbekannt ist, tritt um die Wende des 5. und 4. Jhdts. auf. Sie ist eng verwandt mit dem Stirnknoten, dessen ausgeprägteste Vertreter wie der Kopf des Herzogs von Devonshire (Furtwängler Intermezzi 1ff. Taf. I–IV) schon zu ihr überleiten. Über die Haarschleife s. Furtwängler Samml. Sabouroff zu Taf. 22; Meisterwerke 665, 1. Klein Praxitel. Studien 16ff. Studniczka Arch. Jahrb. XI (1896) 256f. Die ältesten Beispiele finden sich auf dem Thetisbild aus Kamiros (Salzmann Camiros Taf. 58. Wien. Vorlegebl. II [2128] Taf. 6, 2), auf der Vase Compte rendu 1860 Taf. 2 und der Kertscher Pelike Furtwängler-Reichhold Taf. 69, sowie auf den Musenreliefs von Mantineia (Brunn-Bruckmann Taf. 468). Als Tracht der Kunst hält sie sich bis in die späteste Zeit des Altertums. Von der hellenistischen Zeit an tragen sie auch Jünglinge. So wird sie namentlich ein Charakteristikum des Apoll. Von Göttinnen tragen sie besonders Aphrodite und Artemis.
Die Sitte, Zöpfe um den ganzen Kopf herumzulegen, wird ebenfalls erst im 4. Jhdt. Brauch, s. auch Hauser im Text zu Brunn-Bruckmann Taf. 598. Hofmann a. a. O. 197 versucht sie irrtümlicherweise weiter zurückzudatieren. Bei den spartanischen Heroenreliefs handelt es sich nur um eine Form der Stilisierung der Stirnhaare, und sein Beispiel aus dem 5. Jhdt. (Friederichs-Wolters 1045) ist identisch mit Conze Att. Grabreliefs Taf. 69, das er selbst ins 4. Jhdt. setzt! Auch diese Zöpfe sind speziell Tracht junger Mädchen: Bronzekopf in Neapel Brunn-Bruckmann 385; Terrakotte Furtwängler Samml. Sabouroff II Taf. LXXXI. Conze a. a. O. Taf. LXXI; drei kleine Mädchen a.a. O. Taf. CCXXXVIII nr. 1131. CCCLIII nr. 1666 a. Die Frisur ist, wenn der Zopf weiter nach unten rückt und den Haarrand über der Stirn wie a. a. O. Taf. CVIII verdeckt, direkt zugehörig zu jener Fülle überladener Frisuren der hellenistischen Zeit, die ihrerseits überleiten zu den kunstvollen Coiffuren der Damen der römischen Kaiserzeit. Zu der dringend nötigen Sichtung und Durcharbeitung dieses reichen Materials fehlen noch die nötigsten Vorarbeiten. Den Reichtum der Formen lehren besonders Terrakotten (vgl. z. B. Stackelberg Gräber der Hell. Taf. LXXVff.). Eine bestimmte, im Maeandertal heimische Frisur, bei der die Haare in zwei Abteilungen zurückgestrichen und in einen kleinen Knoten zusammengebunden sind, hat Bulle im Text zu Arndt-Amelung Einzelverkauf nr. 1342/3 ausgeschieden; eine andere Gruppe Arndt Glyptothèque Ny-Carlsberg zu Taf. 16 S. 23.
Mit der letztgenannten Zopffrisur, die Conze Att. Grabreliefs Taf. CVIII zuerst auftritt, ist wohl der ὄγκος zu identifizieren, der nach Pollux onomast. IV 133 τὸ ὑπὲρ τὸ πρόσωπον ἄνεχον εἰς ὕψος λαβδοειδὲς τῷ σχήματι ist. Die πλεκτάναι Hesych. s. † κομμώ bezeichnen einzelne Flechten. Σπεῖρα, ὑπόσπειρα wird den einfachen Knoten bezeichnen (Pollux II 31. IV 149). In hellenistischer Zeit wird falsches Haar zuerst ausgiebiger verwendet, vgl. die Belege bei Stephanus s. πηνίκη, φενάκη, ἔντριχον, προκόμιον προσθετόν (Pollux II 30), κόμαι πρόσθετοι (zuerst Xen. Cyrop. I 3, 2. Lukian. Alex. 3), αἱ πρόσθετοι (zuerst Aristoph. frg. 321 Kock).
3. Schon seit der archaischen Zeit spielen unter den γυναικεῖα φορήματα Hauben und Kopftücher eine große Rolle. Während das große Kopftuch (s. κρήδεμνον) zum Ausgang nur umgebunden wird, bilden diese einen wesentlichen Bestandteil der Frisur selbst. Eine Namensammlung bei Aristophanes frg. 320 Kock. Die bekannteste Haarberge ist der κεκρύφαλος; s. Winckelmann Kunstgeschichte, herausg. von Lessing 149. Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch p. 417. [2129] Becker Charikl. III 304. Helbig Hom. Epos2 157ff. Furtwängler Berl. Phil. Wochenschr. 1888, 458. Studniczka Beitr. z. Gesch. d. altgriech. Tracht 129ff. J. Müller a. a. O. 86, 4. Es handelt sich um ein Haarnetz: denselben Namen führt auch das sackartige Jagdnetz (Xen. Cyr. VI 7. Plut. Alex. 25); der eine netzartige Magen der Wiederkäuer (Aristot. de part. an. III 13) und der Pferdemaulkorb (Xen. de re eq. 6, 7f. Pollux I 184. X 55; vgl. Pernice Griech. Pferdegeschirr, 56. Berl. Winckelmannsprogr. 6ff.). Der Verfertiger heißt κεκρυφαλοπλόκος (Crit. bei Pollux VII 179). Auch mit Steinen kann das Netz verziert sein (Agasios Schol. Anth. Pal. V 276 v. 10: καὶ λιθοκολλήτων πλέγματα κεκρυφάλων); vgl. überhaupt Anth. Pal. V 260. VI 206. 207. 219. 275. Aus den κεκρύφαλοι τρεῖς ἐμ πλαισίῳ CIA II 787 Z. 18 (Inv. d. Brauronion 339/8. Michaelis Parthenon 311, 140) ist für die Form des Netzes nichts zu erschließen (Studniczka Vermutungen z. gr. Kunstgesch. 19; a. a. O. 130, 23). Die πλαίσια sind viereckige Fächer an den Wänden zum Aufbewahren von Weihgeschenken, die 70. 74. 98. 127 usw. wiederkehren. Der κεκρύφαλος kann nicht direkt, sondern nur mit einer Binde am Kopf befestigt werden (Aristoph. Thesm. 257: κεκρυφάλου δεῖ καὶ μίτρας). Danach hat man den κεκρύφαλος in den kleinen im Nacken sitzenden und mit einer ein- oder mehrmals um den Kopf gewundenen Binde befestigten Haarnetzen zu erkennen, die im 5. Jhdt. auftreten und namentlich im 4. Jhdt. verbreitet sind. In der Plastik zeigt sie eine Gruppe von Köpfen, die Furtwängler im Anschluß an seine ,Lemnia‘ dem Phidias zuschreibt (Meisterw. 98, 1, z. B. Arndt E.-V. nr. 435/6), die Hera Barberini in Rom, das Relief von Pharsalos Brunn-Bruckmann Taf. 58 und ein Kopf in München (Einzelverkauf 934; vgl. auch die Gruppe von Fälschungen Furtwängler Neuere Fälschungen v. Ant. 24ff.). Auf Münzen begegnet er häufig auf bekannten syrakusanischen Münztypen. Sehr häufig auf Vasen: Furtwängler-Reichhold Taf. 8/9, 30. 59. 68. 79. 97. 120, 3. 129; Arch. Ztg. 1882 Taf. 5. Das Festbinden mit der Binde zeigt ein Fragment im Stil des Duris, Hartwig Festschrift für Benndorf 86. Anth. Pal. V 276 heißt die Binde ἀναδέσμη (ἀργυφέη). So auch in den vielbesprochenen Versen Ilias XXII 468ff., wo der Andromache ihr Haarschmuck vom Haupt fällt (s. Art. Ἀναδέσμη). Helbig a. a. O. und Über den Pileus d. alt. Italiker (S.-Ber. Akad. Münch. 1880. 527ff.) will den κεκρύφαλος deshalb in hohen steifen Hauben sehen, die im 5. Jhdt. auf etruskischen Wandgemälden vorkommen (Abb. a. a. O. 63ff.; vgl. Elfenbeinreliefs Röm. Mitt. 1906 Taf. 15/16; ionische Amphora Furtwängler-Reichhold Taf. 21; italisch-ionische Kanne Arch. Anz. XIX [1904] 60). Auf Münzen von Knidos begegnen sie im 6. Jhdt. (Brit. Mus. Cat. Caria Pl. XIII nr. 8). Gegen diese Auffassung wendete sich mit Recht Studniczka und J. Müller a. a. O., denn ein solcher Bedeutungswandel ist unglaubhaft. Schon stets fiel auf, daß diese Schmuckstücke Hom. Il. XIV 170ff. bei der Toilette der Hera nicht erwähnt werden, und tatsächlich ist der κεκρύφαλος an Denkmälern homerischer Zeit nicht nachweisbar. In Wirklichkeit [2130] fällt nun der Vers 469 aus dem Zusammenhänge heraus. Er ist später eingefügt zur Erklärung der δέσματα σιγαλόεντα. Nur bei dieser Annahme ist die Tracht des κεκρύφαλος mit dem allgemeinen homerischen Brauch in Einklang zu bringen. Auch auf Männer werden einmal die κεκρύφαλοι übertragen: in der Diadochenzeit tragen sie die verweichlichten spartanischen Großen (Antiph. bei Athen. XV 28). Diese sind purpurn wie Anth. Pal. VI 207.
Die Sitte, das Haar mit einer mehrmals um den Kopf geschlungenen Binde aufzubinden (z. B. Furtwängler-Reichhold Taf. 28. 30. 35. 57, 3. Arndt E.-V. 1203f. Ant. Denkmäler I Taf. 33. Arch. Jahrb. XXI [1906] 165ff. usw.) führt schon im 6. Jhdt. dazu, den ganzen Kopf haubenartig zu umwickeln (Kleinmeisterschale München 16; Arch. Jahrb. XXII [1907] 104 Abb. 23/24. Arch. Ztg. XL [1882] Taf. 11 u. v. a.). So entsteht die Nachtmütze (Aristoph. Thesm. 257f.), die κεφαλὴ περίθετος, die auch bei Tage benützt wird; s. Studniczka Tracht 130. Helbig Hom. Ep.2 225, 7. J. Müller a. a. O. Sie ist im 5. und 4. Jhdt. allgemein verbreitet, z. B. Furtwängler-Reichhold Taf. 106. 73. 43–45. 94. 92. 61. 63. 93. 71. 24, 4. 57, 2; Lapithinnen vom Olympia-Giebel, Brunn-Bruckmann 454f. E.-V. nr. 1732/3 usw. Den Akt des Umlegens des Tuches zeigt die Terrakotte Furtwängler Sammlung Sabouroff II Taf. CXXX. Häufig sieht aus dem Haubentuch auf dem Scheitel ein Haarbusch heraus, wie Furtwängler-Reichhold Taf. 33. 46. 85 u. a.; so auch auf dem Relief aus Nemi (Springer-Michaelis Handbuch8 I 178 Fig. 340. Furtwängler Antike Gemmen III 266f.). Beim Gelage tragen auch Männer zuweilen die κεφαλὴ περίθετος, z. B. Mann auf Hischylosteller, Berlin 2100 (Jahrb. I [1886] Taf. 12). Singulär ist das Kopftuch auf dem Becher des Hieron Furtwängler-Reichhold Taf. 85: es ist an einem metallenen Stirnband befestigt und fällt, die ganze Haarmasse verdeckend, in den Nacken herab. Ein darüber um den Kopf gelegter Reif oder eine Binde hält noch einmal das Ganze. Daneben kommen richtige Hauben vor (z. B. Dienerin der Hegeso, Brunn-Bruckmann Taf. 436), meist mit einem Knopf (Furtwängler-Reichhold Taf. 35; Grabstele Brunn-Bruckmann Taf. 417) oder einem Zipfel (Furtwängler-Reichhold Taf. 23. 53) in der Mitte über dem Wirbel. – Die Art, wie die sog. Sappho in Berlin (z. B. Baumgarten-Poland-Wagner Hell. Kultur2 Abb. 209) ihr Haar mit der Binde im Nacken breit, über der Stirn schmal umwunden trägt, leitet über zu der Form des σάκκος, einer Binde, die hinten breit die Haarmasse umfaßt und über der Stirn mit einem kleinen Knopf geknöpft wird (CIA II 758 col. II 13. Aristoph. Thesm. alt. frg. 320, 13 K. u. a.), z. B. Furtwängler Samml. Sabouroff Taf. CXIX. CXLIII 3. Springer-Michaelis Handbuch8 303 Abb. 557. Furtwängler-Reichhold Taf. 79. Conze Att. Grabrel. I Taf. XXV; Grabrel. aus Thasos, Brunn-Bruckmann Taf. 232; Votivrelief, E.-V. nr. 562; ,Peitho‘ im Parthenonfries (Michaelis VI 39; E.-V. nr. 726). Eine Abart, bei der um den Vorderkopf eine verhältnismäßig schmale Binde herumläuft, die sich am Hinterkopf [2131] stark verbreitert und in eine kleine Haube übergeht, ist die σφενδόνη bezw. ὀπισθοσφενδόνη (z. B. Poll. V 96; s. Stephanus s. v.). Die Form entspricht der Schleuder und der Fassung des Fingerringes, die denselben Namen führt. Beispiele: Conze Att. Grabreliefs Taf. CCLXV nr. 1198. Stackelberg Gräber der H. Taf. LXVIII. Die Hera vom Capitol (Furtwängler Meisterw. 117. Einz.-V. 457/8 = Antike Denkmäler I Taf. 55). – In makedonischer Zeit kommt ein Kopftuch auf, das nur den Vorderkopf bedeckt; ,dasselbe ist vorne zusammengerafft und mit einer Schleife gebunden; es breitet sich nach dem Oberkopfe aus, läßt aber den Hinterkopf frei‘ (Furtwängler). Dies Kopftuch trägt die sog. Methe in München Glyptothek Furtwängler 246. Brunn-Bruckmann Taf. 125; ein Kopf im Palazzo Pitti in Florenz (Arndt-Amelung Einz.-Verk. 232/3, vgl. Festschr. f. Overbeck 98), die trunkene Alte in München Glypt. Furtwängler 437. Brunn-Bruckmann 394 und die Brautmutter Doris im Hochzeitszug des Poseidon vom Altar des Cn. Domitius Ahenobarbus, München Glypt. Furtwängler 239. Brunn-Bruckmann 124 (im letzten Falle etwas weiter in den Nacken fallend). Dazu kommen ein Heraklesköpfchen Einzelverk. 743, 4 und Hermaphroditen, Furtwängler Statuenkopien im A. I, Abh. Akad. Münch. 1896. 582ff.
V. Diademe, Haarbinden.
Homer kennt zwei Diademformen: στεφάνη und ἄμπυξ. Hymnus V 7 tragen die Horen goldene ἄμπυκες, Aphrodite στεφάνην εὐτυκτον καλὴν χρυσείην. Letztere ist also wertvoller. Über den ἄμπυξ s. Helbig Hom. Epos2 157. Reichel Homer. Waffen2 144. Hauser Österr. Jahresh. 1906, 111. Bremer 13, 48; vgl. Art. Ampyx. Der ἄμπυξ ist ein metallenes Stirnband, das auf eine Binde aufgenäht ist, ebenso wie das Stirnband der Pferde (z. B. Hom. Il. V 358. 363. 720. VIII 382). Beispiele aus der Vasenmalerei: Poseidon auf korinthischem Pinax, Antike Denkmäler II Taf. 30, 18; Frau auf Scherbe aus Tell Defenneh a. a. O. Taf. 21, 1. Als hohen Aufbau tragen die Frauen der melischen Tongefäße im 7. Jhdt. den ἄμθυξ: Conze Melische Tongef. Taf. IV und Titelvignette (= Arch. Ztg. 1854 Taf. 62). Eine ähnliche Form trägt ,Leukothea‘ Brunn-Bruckmann Taf. 228. Vom 5. Jhdt. an ist der ἄμπυξ auf die Frauen beschränkt, seine Form wird immer reicher, namentlich durch nach oben aufragende Blätter und Blüten, die ebenso aber auch in die einfache Binde eingesteckt werden (Beisp. des Ampyx im 5. und 4. Jhdt.: Furtwängler-Reichhold Taf. 38f. 20. 30. 40. Furtwängler Samml. Sabouroff I Taf. LXV). Dieser ἄμπυξ heißt auch κορυφιστής (Hesych. s. v.: κόσμου γυναικείου τὸ περὶ τὴν κεφαλήν χρυσίον). Eine Abart des ἄμπυξ hat Hauser (Österr. Jahresh. IX (1906) 101ff.) ausgeschieden, die στλεγγίς. Über sie Schol. zu Arist. Eq. 580 χρυσοῦν ἔλασμα τὸ περὶ τῇ κεφαλῇ. Poll. VIII 9 δέρμα κεχρυσωμένον, ὁ περὶ τῇ κεφαλῇ φοροῦσιν; Hippoloch. bei Athen. IV 128 c προεστεφανώκει δὲ καὶ ἕκαστον ... στλεγγίδι χρυσῇ. Daß es sich um eine Form des ἄμπυξ handelt, zeigt das delische Inventar von 250 (Bull. hell. 1903, 87 Z. 10), das ein στλεγγίδιον χρυσοῦν ἐπὶ ταινιδίου aufführt. Die Form [2132] des Metallteiles muß natürlich dem Schabeisen ungefähr entsprochen haben. Die als Trinkgeschirr benützten Stlengiden (Aristoph. Thesm. 588) gehören auch hierher, sicher aber nicht die von Hauser ebenfalls herangezogenen Kampfpreise Xen. anab. I 2, 10.
Die στεφάνη ist ein um den ganzen Kopf herumlaufender geschlossener Metallreif, wie es sein Name sagt. Dieser wurde auch auf das die Helmkappe umsäumende Metallband (Hom. Il. VII 12. X 30. XI 96) und auf den unter der Glatze stehen gebliebenen Lockenkranz übertragen (Poll. V 144). Frühere Ansicht: Gerlach Philologus XXX 494; vgl. Savignoni Mon. ant. VII (1897) 86f. Helbig Hom. Epos2 157; s. Hom. Il. XVIII 597. Hesiod. Theog. 578. Anth. Pal. VI 274. Callix. b. Athen. V 201 D. 202 B. D. Aelian. var. hist. I 18. Aristoph. Eccl. 1034. Luc. am. 41. Herodot. VIII 118. Aristoph. Eq. 968 als Zeichen von besonderem Luxus. Varianten der Bezeichnung für dieselben Schmuckstücke gibt Euripides Medea 1160 χρυσοῦς στέφανος; 983 χρυσότευκτος στέφανος; 1186 χρυσοῦς πλόκος; 785 πλόκος χρυσήλατος; 978 χρυσῇ ἀναδέσμη. Diese drei Ausdrücke στέφανος, πλόκος und ἀναδέσμη bezeichnen also nicht verschiedene Schmuckstücke, sondern man brauchte sie durch- und nebeneinander für denselben Schmuck, d. h. dann eben den Reif. Von besonderen Formen des zu allen Zeiten getragenen einfachen Reifs ist die älteste der ionische Haarreif, der im 6. Jhdt. im griechischen Osten verbreitet ist. Er hat eine geschwungene Form, die bis zu den Schläfen dem Haarrand folgt, im Bogen, oft mit scharfem Knicke, die Ohren umgeht und sich dann im Nacken zusammenschließt. Über Verbreitung s. Bremer 14f. Als ἄμπυξ trägt den ionischen Reif z. B. die Karyatide vom Knidierschatzhause in Delphi (Homolle Fouilles de Delphes IV Taf. 20), als geschlossenen Reif findet man ihn auf den Friesen des Knidierschatzhauses in Delphi (Homolle a. a. O. Taf. 11–14) und des Siphnierschatzhauses (a. a. O. Taf. 9f. Athen. Mitt. 1909, 162), auf klazomenischen Sarkophagen (Antike Denkmäler I Taf. 45. II Taf. 58) und sonst. Die letzten Ausläufer dieses Reifs finden sich in Etrurien (z. B. Wandgemälde Mon. d. Inst. V Taf. 34. IX Taf. 13–14) und in Attika in einem geschwungenen mit Maeandermuster verzierten Reif, den in der ersten Hälfte des 5. Jhdts. die Frauen tragen, z. B. Furtwängler-Reichhold Taf. 52.
In der zweiten Hälfte des 6. Jhdts. tritt in Attika der Kranz als Hauptschmuck des Haares auf. Natürlich handelt es sich in vielen, wenn nicht gar den meisten Fällen, um einen natürlichen Kranz, aber schon wenn der Kranz den aufgebundenen Schopf zu tragen hat (s. o. II), muß man einen Metallkranz annehmen. Entweder handelt es sich um einen Kranz in Form eines ἄμπυξ, der hinten mit einer Binde zugebunden wird, wie es zahlreiche erhaltene Goldkränze zeigen, oder aber die einzelnen Blätter waren auf die Binde aufgenäht, die Form, in der wir oben (unter II) die τέττιγες erkannt haben. Eine solche Binde mit aufgenähten Blüten tragen Amphitrite und eine zweite Frau (Mon. d. Inst. I Taf. 52f.) in der Hand, mit aufgenähten Blättern [2133] Nike (Furtwängler-Reichhold Taf. 20) und ein Erot, a. a. O. Taf. 124. Ein ähnliches Schmuckstück hält auch noch eine Frau auf der Deckelschale aus Kertsch a. a. O. Taf. 68 in der Hand. Um einen gleichartig gearbeiteten Kranz handelt es sich, wenn die Blätter nur nach einer Seite vom Reif abtreten, d. h. nach oben, wie bei der Athena Furtwängler-Reichhold Taf. 14 oder dem Zeus Hartwig Meisterschalen Taf. 68. Diese Kranzform leitet direkt über zu dem Einstecken von Blättern und Blüten in die Binde, das nach dem Zeugnis der Vasenbilder im 4. Jhdt. so überaus verbreitet war. Im Anfang des 5. Jhdts. ist in Attika als Jünglingstracht eine Diademform verbreitet, bei der über der Stirn von dem glatten Reif oder einer Binde (so z. B. Hartwig Meisterschalen Taf. 61) eine Spitze in die Höhe ragt (Bremer 17). In dem einen Falle ist eine offene (Mon. ant. XVII [1906] Taf. 10) oder geschlossene (Artemis Furtwängler-Reichhold Taf. 115) Blüte oder ein Blatt in die Binde gesteckt (so auch wohl auf der Stele Borgia Brunn-Bruckmann Taf. 416), in dem andern handelt es sich um ein Diadem, das sich vorne verbreitert und über der Stirne in eine Spitze zuläuft, z. B. Mon. ant. XIV (1904) S. 918 Fig. 116. Mon. d. Inst. III Taf. 12. Als Königsreif trägt dies Diadem ein späterer Fürst in der Münchener Residenz (Arndt-Amelung E.-V. 965f. Arndt Strena Helbigiana 10ff.). Dies vorne zugespitzte Diadem ist im 4. Jhdt. als Kindertracht weit verbreitet; vgl. Conze Att. Grabreliefs Taf. CLVI nr. 815. Taf. CLXI nr. 827. Taf. CLXII nr. 828. Bd. II Taf. CXCΙV = Arndt-Amelung E.-V. 564. Göttliche Wesen tragen seit den ältesten Zeiten statt des einfachen Reifs einen hohen Aufsatz, den Kalathos oder Polos (s. den Art. Kalathos), von dem die Mauerkrone (s. d.) eine Abart ist.
Neben dem metallenen Diadem oder Haarreifen trägt man seit den ältesten Zeiten (vgl. den ,Apoll‘ von Orchomenos, vom Ptoion [Bull. hell. XXXI [1907] Pl. XX u. Fig. 5 und 6] u. a.) die einfache Binde. Ihr gewöhnlicher Name ist ταινία (Belege bei Stephanus s. ταινία, ταινίδιον, ταινιόω). So heißt auch die Siegerbinde, z. B. beim Polykletischen Diadumenos (Lucian. Philops. 18. Bulle Der schöne Mensch2 Taf. 50), und die weiße Königsbinde der späteren Zeit, Lucian. Ploion 39; Nekr. dial. XIII 4. Die μίτρα ist speziell Frauentracht. Bei Männern bezeichnet sie Weichlichkeit (Aristoph. Thesm. 160). Asien ist die Heimat der μίτρα, die Asiaten tragen sie (Herodot. I 195. VII 62; vergl. Verg. Aen. IV 216), und als Import aus Lydien kommt sie nach Griechenland (Alkmann frg. 23 v. 67f. Bergk. Pind. Nem. VIII 25). Purpurn ist ihre Farbe im Parthenoninventar (Michaelis Parthenon 297, 26), bei Pindar (a. a. O.) ist sie πεποικιλμένη, bei Anakreon frg. 65 Bergk πολυάνθεμος. Auch im Kult spielt die μίτρα eine Rolle. Plut. Mor. 304 c trägt sie ein Heraklespriester γυναικείαν ἐνδεδυμένος ἐσθῆτα) vgl. ρ. 672 A. Athen. XII 531 A. Entsprechend werden Schiffe mit einer μίτρα umwunden, Athen. XII 535 C. und Athen. V 198 D eine Statue (eine ταινία wird in diesem Zusammenhang Lucian. Philops. 19 genannt). Man möchte die μίτρα in jenen häufig [2134] vorkommenden Binden erkennen, die an ihrem rund abschließenden Ende einen oder mehrere Fäden zum Zusammenbinden haben (z. B. Furtwängler-Reichhold Taf. 5. 26/7. 57, 1. 77. 96/97 Dionysos; Furtwängler im Text: Mitra), und die gerade im Kult (a. a. O. Taf. 19. Arch. Ztg. 1880 Taf. 16), namentlich auch zum Schmuck der Grabdenkmäler, eine Rolle spielen. Über μίτρα auch Becker Charikl. II 393f. Auch ἀνάδημα bezeichnet eine einfache Binde (Euripid. Hippol. 83; Elektra 882; Inventar der Brauronia [Michaelis Parthenon 307ff.] 157 ἀνάδημα ποικίλον). Fast ausschließlich im Kult verwandt wird das στέμμα (Euripid. Or. 12 als Zeichen der Königswürde), s. Hom. Il. I 14. 28. Euripid. Hiket. 36. 470; Bakch. 350; Ion 224. 522. 1310. 1338. 1389, weitere Belege bei Stephanus, vgl. auch στεμματιαῖος δίκηλον (Hesych.); στεμματίας, Bein. d. Apoll., Paus. III 20, 9; στεμματόω, Euripid. Heracl. 530. Hierher gehört die geknotete Wollbinde, die noch in römischer Zeit zur Priestertracht gehört (Furtwängler Meisterwerke 558) und von der Iuno Ludovisi bekannt ist (s. auch Arndt-Amelung E.-V. 1121f. Gerhard Auserl. Vas. III 243. Furtwängler-Reichhold Taf. 19). Endlich ist unter den Binden noch die breite wulstartig zusammengelegte Rollbinde zu erwähnen, die seit dem 4. Jhdt. erscheint. Sie eignet dem Asklepios (z. B. Arndt-Amelung E.-V. 121f. 1139f. 1319f. 1317) und Herakles (s. Furtwängler Meisterwerke 433. Brunn-Bruckmann Taf. 338. 545. 612f.). Einmal trägt sie ein Dioskur (Einzelverkauf 1358f.) und auch der jugendliche Dionysos (Klein Praxiteles 414, 2. Einzelverkauf 1123f.). Sie ist nach Furtwängler (a. a. O.) ,keineswegs eine einfache Siegerbinde, sondern scheint entlehnt vom Symposion‘. Vielleicht darf man mit der Rollbinde das στρόφιον identifizieren, das der eleusinische Hierophant trägt, vgl. Amelung Atti della Pontif. Accad. rom. di arch. 1905, 132ff. Rizzo Röm. Mitt. XXV [1910] 156ff. (Dittenberger Syll.2 nr. 409. Plut. Arist. V 6. 7. Arrian. Ep. diss. III 21, 16). Über die Kränze, die bei den Symposien gebraucht werden, s. den Art. Στέφανος.
VI. Das gepflegte Haar
Das gepflegte Haar (ἔθειρα, Pind. Isthm. IV 10; χλιδή, Soph. El. 52. Ps.-Phokylides 212) rollt sich meist von selbst in Locken auf. Locke = ὄστλιγξ (Callim. frg. 22, bezeichnet auch die Fänger des Tintenfischs), κίκιννος (Anth. Pal. V 197 u. a.), βόστρυχος (Athen. X wird das C einem βοστρύχῳ εἱλιγμένῳ verglichen; Euripid. Bakch. 749. Anth. Pal. XI 66 u. a.; vgl. Krause 69). Die langen Lockensträhnen vor den Ohren heißen Poll. II 28 παρωτίδες. Auch die homerischen πλόκαμοι (Helbig 170. Hofmann 184) können nach dem Urteil der Denkmäler keine Zöpfe, sondern nur Locken bezeichnen, die freilich bisweilen auch künstlich gedreht wurden (Hera, Hom. Il. XIV 175ff.). So stark, wie man aus den stilisierten Frisuren verschiedener Denkmäler geschlossen hat (zuletzt Hauser im Text zu Furtwängler-Reichhold Taf. 111 S. 270), wurde dies Lockenwickeln aber jedenfalls nicht getrieben. Das Gegenteil ist τετανόθριξ (Plat. Euthyphr. p. 2 B u. a.). Kahlköpfigkeit ist nach dem Urteil der Denkmäler sehr häufig, gilt aber immer [2135] als Zeichen von Häßlichkeit (Hom. Il. II 218. Lucian. Ploion am Ende u. v. a.). Auch Frauen sind nicht davon verschont (Stratonike, Gemahlin des Seleukos, Lucian. pro imag. 5).
[Bremer.]
B. Rom.
Für die weiblichen Haartrachten der römischen Republik sind uns keine monumentalen Zeugnisse erhalten. Als konventionelle Tracht verheirateter Frauen erwähnt Varro VII 44 den tutulus, ein auf dem Wirbel des Kopfes sich erhebendes, von Binden umwundenes, schopfartiges Toupet, eine Tracht, die ein Gemälde aus Herkulaneum uns als hochzeitlichen Schmuck der jungen Frau vorführt, Guhl-Kohner Leben der Griechen und Römer 581, 591. Frauenbildnisse vom Ende der Republik (so das Grabrelief Museo Chiaramonti 13 a, Amelung-Katalog) zeigen die Tracht der der Fulvia, die weiter unten ihre Besprechung finden wird. Vom Beginn der Kaiserzeit aber läßt sich der rastlos fortschreitende Wechsel und Wandel der H. an den Bildnissen der römischen Kaiserfrauen, insbesondere den meist genau datierten Münz- und Gemmenbildnissen, bis in die Zeit Constantins im einzelnen genau verfolgen.
Von den historischen Frisuren ist von vornherein der unveränderliche Typus der Idealfrisur zu trennen, den man den Kaiserfrauen zu verleihen pflegte, wenn deren Auffassung als eines göttlichen Wesens vorherrschte, jene Tracht, welche durch die beiderseits vom Scheitel herabflutenden ,iunonischen‘ Wellen, durch den runden, lockeren, von einer Binde umwundenen Knauf im Nacken charakterisiert ist. Dieser durch die hellenische Kunst geschaffene, in letzter Linie durch Skopas und Praxiteles ausgebildete Idealtypus kennzeichnet die Darzustellende als Göttin, über Raum und Zeit erhaben. Mit ihm erscheint Livia auf dem Wiener Sardonyx als Kybele (Bernoulli Röm. Ikonographie II 1 Taf. 27, 2), im Relief von San Vitale zu Ravenna (Bernoulli Taf. 6. Conze Familie des Augustus) und auf den Münzen mit der Aufschrift Salus Augusta, Pietas, Iustitia; wir finden die gleiche Tracht an den Münzbildnissen der Messalina, Octavia Neronis, Domitia, Diva Sabina (Cohen Monn. de l’Empire rom. I und II). Zuweilen geraten Einzelheiten aus der zeitgenössischen Mode in die Idealfrisur, so am Bilde der Livia im Pariser Cameo (Furtwängler Ant. Gemmen I Taf. 60), so an der ,Hera Ludovisi‘ (Furtwängler Meisterw. 55ff.), wo jedesmal am Vorderkopf die Haare in der Form der Idealfrisur behandelt sind, während über dem Nacken die Zopfschleife liegt, ein charakteristischer Zug der claudischen Mode.
Für die Modefrisuren in der Zeit des Überganges von der Republik zur Monarchie geben uns die Münzen der Fulvia, in den Jahren 43–40 v. Chr. geprägt, genauen Aufschluß. Zwei parallele Scheitel trennen das Haar des Vorderkopfes in eine mittlere und zwei seitliche Partien. Die mittlere Partie ist gerade nach vorn gezogen, über der Stirn schleifenartig wieder nach rückwärts genommen; die seitlichen Partien sind glatt dem Schädel angelegt und ziehen sich gleichfalls zum Hinterhaupt, wo alle drei Partien in einen runden, straften Knauf vereinigt sind. Mit peinlicher Exaktheit wird diese Tracht dargestellt in einer den Münzen ganz entsprechenden Form an der ,Fulvia‘ der Kopenhagener Glyptothek 595 (Helbig Mon. [2136] dei Lincei I 577), deren Deutung nicht unwahrscheinlich ist. In den folgenden Jahren erfährt die Tracht, wie aus den Münzbildnissen der Octavia, des Marcus Antonius Gattin, hervorgeht, keine Änderung, auch an dem jugendlichen Bild der Livia im Louvre (Bernoulli II 1 89) ist sie gewahrt, doch hat hier die steife Typik einer freieren und leichteren Auffassung Platz gemacht, was sich auch an einer Münze der Iulia, Octavias Tochter, beobachten läßt (Rostowzew Tesserarum sylloge 2). Livia trägt diese Frisur während der ganzen Regierungszeit des Augustus und den ersten Regierungsjahren des Tiberius, wie der Florentiner Cameo bezeugt, der Livias und des Tiberius capita coniugata darstellt (Bernoulli II 1 Taf. 27, 8); diesem muß die Livia Borghese im Louvre annähernd gleichzeitig sein. In beiden Darstellungen ist die Frisur in großartigen und prächtigen Zügen ausgeführt, die Seitenhaare sind locker gehalten und reich ineinander verschlungen. Im Jahre 17 n. Chr. hat Livia jedoch ihre Tracht geändert und die neue Frisur angenommen, denn diesem Jahre gehört der erwähnte Pariser Cameo an, der uns Livia mit der claudischen Zopfschleife zeigte. Bis in die ersten Jahre des Tiberius also ist die Dreiteilung des Haares, die Scheitelflechte und der Stirnwulst nachzuweisen, dessen literarisches Echo die Verse Ovids bilden: Exiguum nodum summa sibi fronte relinqui Ut pateant aures, ora rotunda volunt (ars am. III 139f.).
Der neuen Tracht, die mit jener der Übergangszeit erst rivalisierte und sie dann ablöste, begegnen wir zuerst auf den Münzen der Antonia, der Gemahlin des Nero Drusus. Demnach ist die neue Frisur ungefähr im ersten Jahrzehnt v. Chr. neben der bisher allein herrschenden aufgekommen. Das Haar ist der Länge nach genau in der Mitte gescheitelt und fällt leichtgewellt zum Nacken; hier ist es lose zu einer Schleife wiederaufgenommen und mit einem Band umwunden. Ein literarisches Zeugnis für die Gleichzeitigkeit beider Frisuren bietet sich uns in den zum Teil angeführten Versen des Ovid. Nachdem er für das runde Antlitz den Stirnwulst, nodus, empfohlen, fährt er fort: Longa probat facies capitis discrimina puri (die ars am. ist zwischen 1 v.–1 n. Chr. entstanden, Schanz Röm. Lit-Gesch. II 1, 191).
Diese einfache Tracht des gescheitelten und lose zum Nacken fallenden Haupthaars ist z. B. die der ,Clytia‘ des Britischen Museums (Hübner Bildnis einer Römerin), die demnach in die Zeit Antonias zu datieren ist.
Die Zopfschleife gewahren wir auch über dem Nacken der camilli der Ara Pacis Augustae (Sieveking Österr. Jahresh. 1907, 187, 58), während das in klaudischer Weise kurzgeschnittene Haupthaar der Knaben nicht von der weiblichen Mode beeinflußt ist. Das nämliche scheint der Fall zu sein bei den camilli auf dem Relieffragment des Lateran. Museums Benndorf-Schoene 486 Taf. 13, 1.
Die allgemeine Mode verharrte nicht bei dieser schlichten und natürlichen Frisur. In welcher Weise sie dieselbe bald reicher und natürlicher zu gestalten wußte, zeigen uns die Bildnisse der älteren Agrippina, insbesondere die Statue von Cervetri im Lateran (Bernoulli II 1 Taf. 19 Helbig Führer I 672) und der prächtige Kopf 316 der [2137] Münchener Glyptothek, welche aus zwingenden Gründen auf die ältere Agrippina gedeutet werden müssen. Da sehen wir eine vordere etwa handbreite Partie des gescheitelten Haares, in künstliche Wellen gelegt, von der übrigen Haarmasse deutlich unterschieden, um Stirn und Schläfen ziehen. Gleichzeitig diesen Bildnissen ist die Matronenbüste 630 der Kopenhagener Glyptothek, doch nicht mit Agrippina selbst identisch (Röm. Mitt. 1892, 236. Furtwängler-Ulrichs Denkmäler 150. Arndt-Bruckmann Sammlung griechischer und römischer Porträts 711f.).
Dieser breite Saum künstlich ondolierter Haare wandelt sich nun zu einem Kranz zierlicher Löckchen, indem man jene vordere Haarpartie halbkurz schnitt und die Enden ringelte. In allen anderen Bildnissen begegnet uns Agrippina mit dieser Tracht, so in der Büste des Kapitols (Bernoulli II 1 Taf. 15. Helbig I 313), auf dem ,Cameo mit den Fruchthornbüsten‘ zu Wien (Furtwängler Ant. Gemm. III 320) u. a., insbesondere auf sämtlichen – nach ihrem Tode geprägten – Münzen. In drei Reihen wohlgeordnet folgen hier die Löckchen aufeinander, durch die Scheitelung weit von einander getrennt. So muß sich Agrippina in der letzten zu Rom verbrachten Periode ihres Lebens, 19–29 n. Chr., getragen haben. Daß aber um das J. 17 n. Chr. der Wechsel der Mode eingetreten war, der aus den künstlichen Wellen ums Angesicht den zierlichen Löckchenkranz werden ließ, beweist der Pariser Cameo. Die sitzende Frau in der Ecke rechts – höchst wahrscheinlich Livilla – trägt eben diesen Lockenkranz. Diese Mode zeichnet der unter Tiberius dichtende Manilius V 140 ,... tortos in fluctum ponere crines Aut vinclis revocare comas et vertice denso Fingere ...‘.
Auch Livia hat diese Mode angenommen und zeigt sich uns mit dem Löckchenschmuck in der Kopenhagener Büste 614 (vgl. Helbig Röm. Mitt. 1887, 3f. Taf. I. Arndt-Bruckmann 6/7) und im höchsten Alter auf einer Bleitessere (Rostowzew Rev. num. 1898, 79. Strena Helbigiana 262). Unter Caligula ändert sich die Tracht nicht, ebensowenig in den ersten Regierungsjahren des Claudius; doch auf dem Sardonyx im Gemmenkabinett des Haag (Furtwängler AG I 304), der höchst wahrscheinlich um 43/44 n. Chr. entstanden ist, sehen wir die Löckchen beiderseits um den Scheitel viel näher zusammengezogen, die Haare kürzer geschnitten. Eben diese Änderung läßt sich auch an den frühesten Bildnissen der jüngeren Agrippina beobachten, besonders deutlich wird der Unterschied an dem erwähnten, sicher vor 54 entstandenen Cameo mit den Fruchthornbüsten, weil hier die jüngere und die ältere Agrippina einander gegenübergestellt sind. Immer üppiger wird das Löckchengewirr; an der zu Olympia gefundenen Statue (Ausgrabungen zu Olympia III 256. Taf. 63, 2. Arch. Jahrb. IX 109) bleibt nur mehr wenig Raum für den Scheitel über. So werden die Löckchen, erst schmückendes Beiwerk, zur Hauptsache und verdrängen das ursprünglich charakteristische Moment der Frisur, die Scheitelung. Die Zopfschleife im Nacken bleibt unverändert. Auf den Münzen wie der olympischen Statue der Poppaea (Ausgrabungen III 259 Taf. 63, 6. 64, 2. 3), Darstellungen, die zwischen 62–65 [2138] entstanden sind, zeigt es sich endlich, daß der Scheitel ganz und gar verschwunden ist unter der den ganzen Vorderkopf bedeckenden Löckchenmasse. Statt des Langsscheitels wird jetzt ein Querscheitel, von Ohr zu Ohr, übers Haupt gelegt, vor diesem die Haare gestutzt und gelockt, zur Zeit Othos auch zuweilen in Stufen gebrannt, z. B. an dem Frauenkopf der Florentiner Uffizien, Dütschke III 46. Indem nun vor dem Querscheitel die Löckchen immer höher aufeinander sich bauten und allmählich ein hohes Toupet bildeten, entstand die charakteristische Tracht der flavischen Periode.
An den früheren Bildnissen der Iulia Titi und Domitia ist das Löckchentoupet verhältnismäßig niedrig und tritt nur wenig über die Kontur des Kopfes hinaus, an den späteren Münzbildnissen der Iulia, die zwischen 81–90 datiert sind, ebenso an den späteren Darstellungen der Domitia sehen wir das Löckchentoupet bedeutend, manchmal ums Doppelte erhöht, sodaß seine Höhe der halben Höhe des Antlitzes gleichkommt. Dies ist der orbis comarum des Martial II 66; hierauf beziehen sich auch die Verse des Papinius Statius: Celsae procul adspice honores Suggestumque comae (Silv. I 113ff.). Ausdrücklich ist hier von Haaren die Rede, aus welchen die Damen den hochgetürmten Bau über ihrer Stirn errichteten, nicht gebrauchten sie dazu Metall, wie vermutet worden ist, indes ist auch auf sämtlichen Darstellungen, seien es Münzen, Gemmen, Skulpturen, der Charakter der Haare stets mehr oder weniger deutlich gewahrt. – Für diejenigen Bildnisse, an denen das Löckchentoupet zu noch größerer Höhe als bei Domitia sich erhebt, ergeben sich aus den Porträts der kaiserlichen Frauen selbst keine Analogien, sie gehören in die Zeit Traians. Daß unter Traian neben anderen Trachten auch der flavische Löckchenwulst fortbestand, beweist die Frisur der camilli auf den Reliefstreifen zwischen den Säulenkapitellen des Triumphbogens zu Benevent, der 114 n. Chr. errichtet wurde (Hauser Österr. Jahresh. IX 124. Strong Rom. Sculpt. 223). Indes nimmt das Toupet statt der runden eine mehr schildförmige Gestalt an. Besonders schöne Beispiele sind: Die sitzende Frau zu Chatsworth House (Furtwängler Journ. hell. stud. 1901, 221 Taf. 15. Strong 366 Taf. 115). Kopf 23 der Stanza degli imperatori des Kapitols (Arndt-Bruckmann 727f.), ein Matronenbildnis zu Wien (v. Sacken Beschreibg. d. antik. Skulpt. d. K. K. Sammlung zu Wien Taf. 29). Auch andere künstlichere Formen des Löckchentoupets gehören in die Spätzeit des flavischen Frisurentypus und leiten zu den traianisch-hadrianischen Typen über: Das Toupet ist zum Teil aus Löckchen, zum Teil aus strahlig auseinander gebreiteten Haaren gebildet (so an der ,Iulia Titi‘ der Kopenhagener Glyptothek 662, welche mit deren sicheren Bildnissen keine Ähnlichkeit besitzt), oder statt der kleinen Löckchen türmen sich große Spiralen und Schnecken auf, so an den Köpfen 665 und 666 der Kopenhagener Glyptothek.
Das Bild der Mode unter Traian zeigt sich uns als ein überaus mannigfaltiges, doch ist den meisten Trachten das gemeinsam, daß sie über dem Antlitz einen hohen, möglichst kunstvollen [2139] Aufbau errichten. An dem jugendlichen Bildnis der Plotina in der Münchener Glyptothek (Bernoulli II 2 Taf. 30) ist dieser Aufbau gebildet durch zwei übereinander aufsteigende Reihen großer Spiralen oder Voluten, gegen die Stirne ist er abgegrenzt durch einen bandartigen Saum kurzgeschnittener Haare, über dem Nacken liegt die Zopfschleife. Später trug Plotina – mindestens vom Jahre 112 an, dem ihre frühesten Münzen angehören – die Haare zu einem großen Wulste strahlenförmig ausgebreitet. Diese Tracht treffen wir auf zahlreichen Privatbildnissen, die also in die zweite Hälfte der Regierungszeit Traians anzusetzen sind, z. B. an der ,Eleerin‘, gefunden in Olympia (Ausgrabungen III 260 Taf. 64, 4. 5). Der gleichen Zeit gehört auch die Tracht der Marciana, deren Porträt der Konservatorenpalast bewahrt (Arndt-Bruckmann 744f.). Über dem die Stirne abgrenzenden Löckchensaume erhebt sich ein förmlicher Strahlenkranz von aufrecht stehenden hohen Haarrollen; hinter diesem sind die Haare in Flechten gedreht und diese zu einem das ganze Hinterhaupt bedeckenden turbanartigen Nest zusammengewunden. Im Jahr 112 und wahrscheinlich bis zu ihrem Tode (114) trug Marciana über dem Stirnsaum eine doppelte Reihe von Haarbögen, wie ihre Münzen bekunden. Diese Tracht kennzeichnet auch die ,Marciana‘ des Museo nazionale zu Neapel (Bernoulli II 2 Taf. 32), indes erscheint die Deutung mindestens unsicher. – Den doppelten Stockwerkbau über der Stirne zeigt auch Matidia, die Mutter der Sabina, auf ihren Münzen, die nach 114 geprägt sind (sie selbst starb noch vor 119), und im Marmorbild des Louvre (Bernoulli II 2 Taf. 34). Der Aufsatz ist gebildet durch zwei halbmondförmige Haartouren, aus ineinander gewobenen Flechten. Um das Hinterhaupt schlingt sich wieder der Flechtenturban. – Diesen doppelten Stockwerkbau der Frisuren trifft der Spott Iuvenals: Tot premit ordinibus, tot adhuc compagibus altum Aedificat caput ... (sat. VI 502f.).
Noch zwei andere Frisuren überliefern uns die camilli des Beneventer Triumphbogens als modische Trachten des Jahres 114. Wir sehen einmal das Haar gescheitelt und ums Angesicht in tiefe regelmäßige Wellen gebrannt, eine Frisur, welche uns auch die Tochter der sitzenden Frau von Chatsworth House zeigt, die wir ferner an dem Porträt aus dem Grabe der Haterier im Lateranischen Museum (Arndt-Bruckmann 748. Altmann Römische Grabaltäre 25) und an einer Menge anderer Privatbildnisse treffen. Dabei ist jedoch zu bemerken, daß für die traianisch-hadrianische Zeit vor allem das runde Flechtennest charakteristisch ist, die Ondolation tritt auch in andern Perioden auf. Sodann zeigen uns einige der camilli ein doppeltes Haardiadem, bestehend aus kurzen, bogenförmigen Haarlocken. Diese letztere Tracht, die sich also frühestens 114 nachweisen läßt, setzt sich unter der Regierung Hadrians fort und erscheint noch auf einer alexandrinischen Münze der Sabina aus dem Jahre 133. Für die Privatbildnisse, die diesen doppelten Haarstreifen tragen, ergeben sich also ziemlich weite zeitliche Grenzen, als Beispiel sei 342 der Münchener Glyptothek genannt, an einigen Porträts erhebt [2140] sich über den beiden Haarstreifen noch ein dritter, so am Kopf 261 des Museo Chiaramonti.
Sabina selbst hat gleichzeitig mit dieser noch andere Frisuren getragen. Auf Münzen, die frühestens 128 geprägt sind, sehen wir die gescheitelten Haare leicht gewellt zurückgestrichen, um den Wirbel zu einem runden Nest lose zusammengewunden, was auch die Tracht des in vielen Exemplaren erhaltenen Porträttypus ist (Bernoulli II 2 128). Andere Darstellungen zeigen die Haare über der Stirn ein wenig aufgesträubt, dann zum Nacken gezogen und über demselben zu einem von der claudischen Zopfschleife wohl zu unterscheidenden Haarsack oder Chignon aufgenommen. Endlich sind die Haare auf anderen Bildnissen in einem großen Flechtenkranz oder Turban ums Haupt geschlungen. Die überaus große Zahl privater Bildnisse, welche gerade durch diese letztere Frisur charakterisiert sind – beispielsweise seien erwähnt die Sancia Pieris zu Kopenhagen (Altmann 215 Fig. 174), die sog. ältere ,Agrippina‘ im Kapitolinischen Museum (Bernoulli II 1, 245 Fig. 44) – beweist, daß der Flechtenturban die meist verbreitete und allgemeinste Mode wenigstens der späteren Periode Hadrians war.
Da die ältere Faustina bereits im dritten Jahre der Regierung ihres Gemahls starb (Mommsen Herm. VIII 204), spiegelt ihre Tracht die weitere Entwicklung der Haartracht in den Jahren 138–141 wider. An der Statue aus Olympia (Ausgrabungen III Taf. 67, 1. 69, 3. 4) ist das Haupt noch von einem sehr weiten Flechtenturban in der Art der letzten Frisur Sabinas bekrönt; an allen anderen Bildnissen Faustinas aber erscheint der Turban zu einem kleinen länglichen Ringe zusammengezogen, welcher gerade auf der Scheitelhöhe des Kopfes sitzt. Auf sämtlichen Münzen und Skulpturen, z. B. dem Relief der Antoninus-Säule im Giardino della pigna trägt Faustina diesen Flechtenring auf dem Haupte. Darnach können die zahlreichen Privatbildnisse, welche diese Frisur charakterisiert, zeitlich genau bestimmt werden. Über die Weiterentwicklung der Frisur geben uns die frühesten Porträts der jüngeren Faustina Kunde; ein solches besitzen wir in der zu Olympia ausgegrabenen Statue (Ausgrabungen III Taf. 68, 1. 69, 5) sowie auf den im Jahr 146 geprägten Münzen (Num. Ztschr. XI 227). Hier ist das Flechtennest am Wirbel des Kopfes festgesteckt, sonst ist die Frisur die gleiche wie die der älteren Faustina. Ferner wird diese Frisur überliefert durch die Münzen der Domitia Lucilla, Marc Aurels Mutter, die sicher vor 160 gehören, und die Frauenbildnisse des Alcestis-Sarkophages, Mus. Chiaram. 79, welcher im ersten Jahrzehnt der Regierung Marc Aurels verfertigt worden ist. Privatbildnisse mit einer Tracht, die jener ersten der jüngeren Faustina entspricht, sind also innerhalb der ungefähren Grenzen 145–165 anzusetzen; als Beispiele seien erwähnt der prächtige Porträtkopf des Lateranischen Museums, Benndorf-Schoene 88 (Arndt-Bruckmann 175f.), eine Statue im Prado zu Madrid (Arndt-Bruckmann 758).
Die Weiterbildung der H. läßt sich an den Bildnissen der Kaiserin Faustina, der Lucilla und Crispina genau verfolgen. Zunächst rückt das [2141] runde Flechtennest vom Wirbel noch weiter herab bis oberhalb des Nackens und wandelt sich zu einem dicken Knaufe, die Scheitelung bleibt bestehen. Das Vorderhaar ist meist in tiefe, regelmäßige Wellen gebrannt oder fällt in schlichter Masse zum Nacken. Dies ist die Frisur des in einer Reihe von Exemplaren erhaltenen Porträttypus der jüngeren Faustina, wie 609 des Thermenmuseums (Arndt-Bruckmann 756f., im Louvre Bernoulli II 2 Taf. 57) u. a. Nach Ausweis der Münzen hat Faustina diese Frisur in den J. 162–166 getragen. Gegen Ende des Jahrzehnts ändert sich die Tracht in geringen Zügen: das Vorderhaar bildet einzelne Strähnen, die kunstvoll ineinander verschlungen sind. Dies ist die Tracht der Lucilla auf ihren Münzen aus den J. 164–169 wie am Kolossalkopf aus Karthago im Louvre (Bernoulli II 2 Taf. 60). Auch Faustina nahm die Frisur an und trug sie noch im J. 174, wie die Münze mit der Aufschrift mater castrorum beweist (Cohen III 149); aus diesen Einzelsträhnen bildete man endlich kunstvoll S-Bögen, die uns ein Münzbildnis Faustinas aus dem J. 177 zeigt.
Das Bestreben, um Stirn und Schläfen die Haare besonders künstlich zu bilden, führt zu weiteren Formen. Bei Crispina, die im J. 177 Commodus vermählt wurde, sehen wir die vordere Partie gerade nach aufwärts gekämmt, sowohl auf den Münzen wie dem ,Octavia‘ genannten Kopf im Louvre, der niemand anders als Crispina darstellt (Mongez-Visconti Iconogr. rom. pl. 45; vgl. Bernoulli II 2, 246). Auch das Flechtennest im Nacken ändert sich: es vergrößert seinen Umfang, wird aber so flach, daß es sich ganz dem Hinterhaupt anschmiegt. Nach den Münzen hat Crispina diese Frisur noch im J. 182 getragen. Niemals aber tritt uns Crispina mit der Tracht entgegen, die durch die zierlichen S-Bögen um Stirn und Schläfen charakterisiert ist. In späteren Jahren zeigt sich uns Crispina mit ganz schlicht, fast straff zum Hinterhaupt genommenem Haupthaar, das zu einem großen und flachen, das ganze Hinterhaupt bedeckenden Nest zusammengesteckt ist. Genau diese Frisur treffen wir aber auch auf den Münzen der Titiana aus dem J. 193, es muß die zuletzt geschilderte Tracht unter der ganzen Regierungszeit des Commodus die herrschende Mode gewesen sein. Ein besonders schönes Beispiel dieser Tracht bietet Kopf 725 der Kopenhagener Glyptothek (Arndt-Bruckmann 565), vielleicht ein Bildnis der Titiana selbst (?). Ebenso ist diese Tracht charakteristisch für Manlia Scantilla und Didia Clara. Die Haartracht, nicht aber die Züge der letzteren trägt Kopf 717 der Kopenhagener Glyptothek (Arndt-Bruckmann 567f.).
Welche Änderung an dieser Frisur in den ersten J. des Septimius Severus eintritt, bekunden die frühesten Münzen der Iulia Domna (mit der Aufschrift Iulia Domna Augusta). Die vom Scheitel in üppiger Fülle herabflutende Haarmasse ist jetzt in tiefe künstliche Wellen gebrannt, sonst bleibt die Frisur durchaus die gleiche. Sie ist uns noch für das J. 204 bezeugt durch das Porträt der Iulia auf dem Bogen der Argentarii zu Rom, welcher im J. 204 erbaut wurde (CIL VI 1035).[1] Noch weiter führen die griechisch-kleinasiatischen Münzen, welche noch für das J. 206/207 [2142] dieselbe Tracht Iulias zeigen (so Waddington Rec. gén. pl. V 16), wie ja diese Frisur auch an den zahlreichen sicheren Marmorbildnissen typisch ist (so zu Wien, v. Sacken und Kenner Taf. 29, 143, Kopenhagen 724, im Louvre cat. somm. 1104. 1107. 1109 u. a.). Für die Privatbildnisse mit dieser Tracht – hier wären z. B. Gall. lapid. 2, Giardino della pigna 189, Lateran. Museum B.-S. 47 zu nennen – ergeben sich also als zeitliche Grenzen, bis zu welcher diese Tracht nachzuweisen ist, die J. 193–207.
Dies ist für die alleinige Herrschaft einer Mode eine ziemlich lange Zeit; darum ist es nur natürlich, wenn eine neue Frisur der alten am Ende die Herrschaft streitig macht. Das ist die Tracht der Plautilla Augusta, auf den 202–205 geprägten Münzen [hier sei bemerkt, daß die ,Melonenfrisur‘, die man auf einigen Münzen Plautillas sieht, niemals eine römische Modefrisur, sondern eine (spät-) griechische ist, mit der man zu Rom Kinder oder Mädchen in sehr jugendlichem Alter zierte]. Das Haar ist an den genannten Münzbildnissen der Plautilla in Scheitel gelegt, welche den Schläfen parallel laufen. Am Hinterhaupt ist es in ein großes flaches Nest zusammengeflochten, dies ist aber nicht mehr der große, bis zum Wirbel aufsteigende Haarschopf der Iulia Domna, sondern schmiegt sich ganz und gar der unteren Biegung des Schädels an. Auf vielen Münzen sehen wir das Geflecht noch weiter herabrücken und über dem Nacken der Hauptmasse des Haares gänzlich eingefügt, sodaß es gar nicht aus der Kontur des Kopfes tritt. Die Masse des Haares, welche die Ohren gänzlich bedeckt, ist über dem Nacken in Form eines Helmnackenschirmes zurück und aufwärts gebogen. So ist die Form erreicht, die nunmehr für das ganze dritte Jahrhundert charakteristisch bleiben soll. Diese Tracht wird mehr und mehr Mode und verdrängt die ,altmodische‘ Tracht, die bisher Iulia Domna getragen. Auch die Kaiserin selbst ging zur neuen Mode über; an der prächtigen Büste 354 der Münchener Glyptothek (Bernoulli II 3, Taf. 19), gewiß niemand anders als Iulia Domna selbst, läßt sich der Übergang von der alten zur neuen Frisur beobachten, da hier die Wellenperücke tief nach abwärts, bis fast zu den Schultern fällt, andererseits die Haare am Hinterkopf noch bis zum Wirbel aufgenommen sind. Auf allen späteren Münzen – mit der Aufschrift Iulia Pia Felix Augusta – hat sich Iulia ganz und gar der neuen Mode zugewandt, so auch in dem Porträttypus C. Mongez-Visconti pl. 49, 8 (Bernoulli II 3 44). Da sehen wir die tief herabwallende, ondolierte Haarmasse, welche die Ohren gänzlich bedeckt, die ,Helmnackenklappe‘ und darin eingeflochten das schneckenförmige Nest. Dies ist also die herrschende Mode unter Caracalla, auf Grund der Münzen bis 217 nachweisbar. Viele Privatporträts, meist Iulia Domna ohne genauere Prüfung bezeichnet, sind durch diese Tracht charakterisiert (so z. B. das prächtige Matronenbildnis zu Dresden, Augusteum 140). Ein literarisches Echo findet die Frisur in der Schrift Tertullians de cultu feminarum VII 2: affigitis praeterea nescio quas enormitates subtilium atque textilium capillamentorum, nunc in galeri [2143] modum quasi vaginam capitis et operculum verticis, nun in cervicem retro suggestum. Das runde Geflecht im Nacken, zu welchem das natürliche Haar in der Regel wohl nicht mehr ausreichte, vergleicht er mit Brotwecken (vos vero additis colluras quasdam) oder Schildbukeln (aut scuti umbilicos). Insbesondere findet der Brauch der römischen Damen, zu jener ungeheuerlichen Haartracht fremdes Haar zu Hilfe zu nehmen oder das eigene zu färben, Tertullians schärfsten Tadel (video quasdam capillum croco vertere). Vor allem möchte das Blondhaar der Germaninnen zur Perücke willkommen gewesen sein; die Spuren rötlicher Farbe, die sich an der Iulia Domna zu Wien erhalten haben, zeigen, daß wir uns die Wellenperücke in leuchtendem Blond vorstellen müssen (vgl. Krause Plotina 193ff.; Nicolai Über den Gebrauch der falschen Haare und Perücken, Berlin 1801).
Es ist naturgemäß, wenn auf diese seltsame Mode eine Reaktion erfolgte. In den nächsten Jahren nach Iulias Tode werden, wie uns die Bildnisse der Maesa und ihrer Tochter Soaemias zeigen, die gescheitelten Haare glatt an den Schädel angelegt und straff zum Nacken gezogen, wobei die Ohren bald frei, bald bedeckt sind; über dem Nacken werden die Haare in der gewohnten Form aufgebogen, und in die Biegung wird wiederum das schneckenförmige Geflecht eingefügt. Dies ist die charakteristische Tracht der Frauen Elagabals und muß die Mode ca. 218–225 gewesen sein. In diese Zeit gehören also auch die Privatbildnisse, welche durch sie gekennzeichnet sind, so die Köpfe 732 und 733 der Kopenhagener Glyptothek, so die Porträt-Venus auf dem Sarkophag des Lateran. Mus. (B.-S. 41. Robert Die antiken Sarkophag-Reliefs III 1, 22 Taf. 5, 21), zu Dresden die sog. ,Mamaea‘, Augusteum III Taf. 146, 1.
Auch Iulia Mamaea trug noch in den ersten Jahren der Regierung ihres Sohnes Alexander Severus diese einfache Form, wie uns eine alexandrinische Münze des J. 224 beweist. Dann aber kam es wiederum in Mode, das Haar in tiefe, parallele, quer laufende Wellen zu legen. Die Scheitelung, die Form des Helmnackenschirms, das schneckenförmige über dem Nacken eingefügte Geflecht, all dies bleibt bestehen, nur die Ohren sind frei gelassen – dies ist der einzige Unterschied gegenüber der sonst völlig gleichen Tracht Iulia Domnas in ihrem späteren Alter. Bereits auf den Münzen des J. 226 tritt uns Mamaea mit dieser Tracht entgegen (Waddington Rec. gén. pl. 16, 6), und es bleibt von nun an die Frisur unverändert die ganze Regierungszeit des Alexander Severus und der Mamaea hindurch. Denn unterschiedlos auf sämtlichen Münzen und den – sehr zahlreichen – Marmorporträts (über diese letzteren s. Bernoulli II 3, 109ff.; manche Privatbildnisse mit Mamaeas Frisur tragen mit Unrecht ihren Namen, so 742 und 743 zu Kopenhagen, 583 des Mus. Torlonia) erscheint Iulia Mamaea mit dieser Tracht, ebenso Orbiana, ihre Schwiegertochter, auf ihren Münzen und der mit Recht auf sie bezogenen Büste des Louvre, cat somm. 1054 (Bernoulli II 3 Taf. 31). Demnach hat diese Mode mindestens ca. 226–235 geherrscht. Indes ist ihre Dauer nicht auf diese [2144] Zeit beschränkt, wenn auch bald eine neue Frisur ihr die alleinige Herrschaft streitig macht. Tranquillina, Gordians III. Gattin, hat nach dem Zeugnis der Münzen neben der neuen Tracht auch die Mamaeas getragen, ferner begegnen uns Otacilia Severa, Herennia Etruscilla, Salonina und endlich Zenobia auf ihren sämtlichen Münzen mit dieser Frisur, die seit Mamaea völlig unverändert bleibt. Sie ist also nach Mamaeas Tode noch bis 271 nachweisbar. Für die privaten Bildnisse ergeben sich also sehr weite Grenzen. Als Beispiel sei hier nur der berühmte Porträtkopf der Penthesilea auf dem Sarkophag des Belvedere genannt (Robert II 1, 113, Taf. 39).
Neben der Tracht Mamaeas kam unter Gordian III. eine neue Mode auf, welche sich in einem ganz charakteristischen Zuge von der bisherigen, deren Formen sie sonst durchweg beibehält, unterscheidet. Vom Nacken sind jetzt die Haare, die bisher die eingeflochtene Schnecke bildeten, in einem breiten Flechtenbande oder einem dicken Zopf vornüber zur Scheitelhöhe des Kopfes gezogen und dort festgesteckt. Daß Tranquillina, die im J. 240 Gordians III. Gemahlin wurde, bereits im ersten Jahr ihrer Kaiserwürde diese Frisur trug, bezeugt eine Münze aus Amisus (Waddington pl. X 18), die gleiche Tracht zeigt der mit Sicherheit auf Tranquillina zu deutende Porträttypus (Bernoulli II 3, 138ff.). Auch in der folgenden Zeit, unter der Regierung des Philippus Arabs, bleibt diese Frisur, wie die Münzen und das Marmorbildnis der Otacilia Severa in der Münchener Glyptothek 356 (Bernoulli II 3 Taf. 44. Furtwängler Katalog, Arndt-Bruckmann 569) bekunden, Mode und bleibt unverändert in der Zeit der Herennia Etruscilla, der Cornelia Supera, die im J. 253 mit Aemilian die kurze Zeit der Kaiserwürde teilte – erstere trägt nur die Vorderhaare glatt dem Schädel angelegt – und endlich der Salonina. So ist ihre Fortdauer auch unter Valerian und Gallien verbürgt. In den späteren Jahren der Regierung Galliens pflegte man das Flechtenband weiter, bis zur Stirne vor, zu legen, wie eine Münze aus dieser Periode bezeugt (Cohen V 490, 1). In der folgenden Zeit verschwindet die Ondolierung des Vorderhaares, das Flechtenband bleibt zur Stirne vorgelegt. Dies bezeugen die Münzen der Severina, die 270–275 mit Aurelian den Purpur trug. Die Münzen der Galeria Valeria, Galerians Gemahlin, die nach 318 geprägt sind (vgl. Maurice Rev. num. 1905, 181f., Taf. 4), verbürgen die gleiche Tracht noch für die J. 308–311.
Ein Teil der Münzen Galerias zeigt indes am Bilde dieser Tracht eine geringfügige Änderung, welche für die Folgezeit beharren sollte: Eine vordere Partie ist um Stirn und Schläfen besonders kunstvoll ondoliert und nur bis zu dieser Partie ist das Flechtenband vorgelegt. Das ist die Frisur der Fausta, Constantins Gattin, und der Flavia Helena Augusta, ist also für die J. 308/11–324/328 erwiesen. Bis in diese Zeit bleibt also ungefähr vom J. 240 an ein charakteristischer Zug der Haartracht bestehen. Das vom Nacken zur Höhe des Kopfes gezogene und dem Kopfe glatt angelegte Flechtenband (Scheitelzopf). Die Veränderungen, welche sich uns in den Einzelheiten [2145] des Typus ergaben, liefern Stützpunkte, die privaten Bildnisse genauer zu bestimmen. So gehört z. B. der früheren Periode des Typus das Porträt der Blaera Vitalis im Louvre an (Cat. somm. 350; abgeb. Duruy-Hertzberg Gesch. der Röm. Kaiserzeit III 371); bis zur Stirne vorgeschoben ist das Flechtenband bei 355 der Münchener Glyptothek, am Grabrelief der Dichterin im Giardino della pigna 208; dem letzten Stadium des Typus begegnen wir auf dem Gemmenbildnis einer christlichen Familie (Furtwängler AG I Taf. 48, 32).
Aber auch diesmal – unter Constantinus – treffen wir neben der alten eine neue Tracht, die jener die Herrschaft streitig macht und sie endlich verdrängt. Ein Teil der Münzen der Helena Augusta zeigt Stirne und Schläfen zunächst umzogen von den regelmäßigen Wellen des gescheitelten Haares, über dem Nacken ist das Haar in der alten Form aufgebogen, von da legt es sich in einer wulstigen Flechte wie ein Kranz ums ganze Haupt rings herum. Daß der durch diese Tracht charakterisierte Kopf 773 der Kopenhagener Glyptothek (Arndt-Bruckmann 58) Helena selbst darstellt, ist nicht unwahrscheinlich, wenn auch immerhin fraglich. Unter dem Flechtenkranz ziehen sich kleine Löckchen ums Angesicht. Diese Tracht ist also für die J. 324–328 nachweisbar. Daß sie eine allgemein verbreitete war, ergibt sich aus der verhältnismäßig großen Zahl privater Bildnisse, welche sie tragen, beispielsweise seien erwähnt: 552 und 762 der Kopenhagener und 361 der Münchener Glyptothek, 175 der K. Sammlung zu Berlin, das Bild auf dem christlichen Sarkophag aus den Katakomben von Syrakus, Gaz. arch. 1877, 157 Taf. 25.
Endlich wird uns aus der Zeit Constantins eine weitere höchst einfache Frisur überliefert auf den Münzen der Fausta und Helena Crispi. Das gescheitelte und schlicht gewellte Haar ist über dem Nacken zu einem kleinen runden Knauf zusammengeflochten, ganz in der Art der jüngeren Faustina. Stil und Ausführung lassen gewiß untrüglich erkennen, welcher der beiden Perioden Bildnisse mit dieser einfachen Tracht angehören. Steininger Die weiblichen Haartrachten im 1. Jhdt. der römischen Kaiserzeit, München 1909.
Daß auch bei den Männern Sorgfalt und Kunst auf die Pflege des Haupthaars verwendet wurde, läßt sich schon aus der Sitte, unbedeckten Hauptes zu gehen, schließen. Varro d. r. r. II 11, 10 überliefert, daß die Römer bis zum J. 454 d. St. langes Haupthaar – ebenso wie lange Bärte – getragen haben. Indes mag diese Sitte nicht so plötzlich und allgemein verschwunden sein. Wird doch von dem älteren Scipio erzählt, wie die lang herabwallende Mähne (promissa caesaries, Liv. XXVIII 35. Sil. It. VIII 561) zur Pracht seiner äußeren Erscheinung beigetragen habe (die Frage über das Bild des Scipio ist durch die Untersuchungen von Dennison American Journ. 1905, 11ff. Hauser Berliner philol. Wochenschr. 1907, 599 in eine neue Phase getreten; der glatzköpfige Typus kann darnach nicht mehr in Frage kommen). Cato Censorius dagegen, der wie den Bart so die Haare nicht zu stutzen pflegte (intonsus, Hor. od. II 15, 11), ebenso später Marius (Plut. Mar. 41. Appian bell. civ. I 67) [2146] scheinen sich in auffallenden schroffen Gegensatz zur herrschenden allgemeinen Mode der kurz gestutzten Haare gestellt zu haben.
Die H. in den letzten Jahrzehnten der Republik ist uns durch gleichzeitig oder annähernd gleichzeitig entstandene Bildnisse, die sich zeitlich zum Teil genau bestimmen lassen, wohl bekannt. Eine Münze Sullas, im J. 59 von seinem Enkel geprägt (Bernoulli R. Ikon. II Münztaf. 23 bis 25) zeigt uns den Feldherrn mit kurzem, schlichtem, nach vorn gekämmtem Haupthaar. Das Bildnis des Hortensius (Herme der Villa Albani) und das in verschiedenen Exemplaren erhaltene, nach verschiedenen Typen gearbeitete Porträt des Cicero, die früheren Münzbildnisse des Pompeius und des Caesar zeigen sämtlich die gleiche charakteristische H.: Vom Hinterhaupte wie vom Wirbel des Kopfes ist das kurz geschnittene glatt anliegende Haar in wirren Büscheln, ohne irgend welche künstliche Anordnung, nach vorne zu Stirn und Schläfen gezogen. Nach dieser Tracht gehören also z. B. das sog. Bild des Pompeius im Pal. Spada zu Rom, ebenso die von Bernoulli R. Ikon. I Taf. 8 und 9 dargestellten Bildnisse sicher in die Zeit des Pompeius, ihre Identität ist natürlich damit nicht erwiesen. Das nämliche gilt von den vielen mit größerer oder geringerer Wahrscheinlichkeit auf Caesar bezogenen Köpfen. Daß aber zu Caesars Zeit bereits auch künstlichere und sorgfältigere Frisuren zu sehen waren, beweist schon seine Äußerung, daß er nicht die fetten und schön frisierten Leute fürchte (τοὺς παχεῖς τούτους καὶ κομήτας, Plut. Ant. 11; Brut. 8). Wie wir uns diese künstliche, gefällige Frisur, welche gewiß die jüngere Generation mit Vorliebe tragen mochte, vorstellen müssen, das zeigen uns gerade einige Münzen Caesars selbst, noch deutlicher eine Münze, welche die Köpfe des Pompeius und seines Sohnes Sextus einander gegenüber zur Darstellung bringt, geprägt ums J. 36 v. Chr. (Cohen Méd. cons. 34. Bernoulli R. Ikon. I Münztaf. II 47. 48). Die Haarbüschel sind ganz gleichmäßig gestutzt, ihre Spitzen zu Reihen, die regelmäßig aufeinander folgen, geordnet; das gesamte Haar liegt glatt dem Schädel an. Auch Caesar folgte, nach Ausweis der Münzen, dieser Mode und mußte, da man bei ihm eine gewisse Absicht vermutete, den bekannten Spott über sich ergehen lassen. Besonders schön und charakteristisch zeigt sich die Frisur auf der durch die Inschrift bezeichneten Büste des Sallust in Petersburg (Bernoulli R. I. I. 202). Deutlich und scharf ausgeprägt erblicken wir sie ferner auf sämtlichen Münzen des M. Antonius, und durchweg sind durch sie die Bildnisse des Octavianus Augustus charakterisiert. Als Beispiel sei nur die jugendliche Büste im Mus. Chiaramonti (Bernoulli R. I. II. 1, Taf. 2) genannt. Demnach ist das militärisch kurz geschnittene Haar, nach vorn gestrichen und in Reihen von Büscheln wohl geordnet, die modische Frisur in der Zeit der ausgehenden Republik und des beginnenden Imperiums.
Erinnern wir uns, daß während der Regierung des Augustus die Damen begannen, um Stirne und Schläfen die Haare zu stutzen, zu kräuseln und zu zierlichem Löckchenkranz ums Angesicht zu ordnen, so werden wir uns nicht wundern, wenn wir eine diesem Entwicklungsgang entsprechende [2147] Weiterbildung der Frisur auch bei den Männern finden. Wenn bei Augustus noch manchmal durch wirre Büschel die Reihen unterbrochen werden, wenn die Haare über der Stirne sich zerteilen, so ist bei Tiberius und Claudius sorgfältig und genau die Reihenfolge der Haarbüschel festgehalten, über der Stirne der kunstvolle Kranz kurzer, gerade in die Stirne hereingekämmter Löckchen oder Fransen geschlossen, sorgfältig sind deren Spitzen gedreht.
Besonders deutlich wird diese Entwicklung der H. an dem Relief in San Vitale zu Ravenna (,Familie des Augustus‘, s. o.), wo sich der Vergleich der Frisur des Tiberius mit jener des Augustus bietet; die Tracht des Claudius zeigt besonders charakteristisch die Panzerstatue in der vatikanischen Rotunde (Bernoulli II 1 Taf. 17). Und wie die Frauen jener Zeit den ,claudischen Zopf‘ über den Nacken fallen ließen, so zieht sich auch das Haupthaar an den Bildnissen der Männer – so auf sämtlichen Münzen des Nero Drusus, Germanicus, Caligula, Claudius – tief über den Nacken hinab, wo es gescheitelt und nach vorne gekämmt ist. Dieser letztere Zug, das Haar über dem Nacken zu scheiteln und nach vorne zu kämmen, bestand also seit den Zeiten der Republik unverändert fort.
Noch eine weitere Neuerung bekunden die Bildnisse des Claudius und zwar gleich die Münzen des ersten Jahres seiner Herrschaft: das Haar am Vorderkopf ist in leichte Wellen, die der Stirne parallel laufen, künstlich gebrannt (Cohen I 164; Marmorkopf des Braunschweiger Museums, Bernoulli II 1 Taf. 18), wie dies in ähnlicher Weise die Porträts der Frauen des Claudischen Geschlechtes beobachten ließen. Die Tracht im Zeitalter Neros ist die natürliche Weiterbildung oder Steigerung dieser Züge: tiefe, parallel zur Stirne laufende Ondolation des vom Wirbel nach vorne ziehenden, kurz geschnittenen Haupthaares, tief hinab wallendes gescheiteltes Nackenhaar, ein dichter Kranz künstlicher Locken ums Angesicht: das ist die charakteristische neronische Haartracht, die auf sämtlichen Bildnissen Neros die gleiche bleibt und, wie zahlreiche Privatbildnisse beweisen, die allgemeine Tracht des Zeitalters ist. Otho trägt sie in sämtlichen Darstellungen in außerordentlich charakteristischer Ausbildung. Daß häufig dazu Perücken und zwar mit Vorliebe blonde verwendet wurden, geht aus Petron. 110 hervor. Suetons Tadel ist natürlich ungerechtfertigt, doch überliefert er den Namen der Frisur (Nero 51): Circa cultum habitumque adeo pudendus, ut comam semper in gradus formatam, peregrinatione Achaica etiam pone verticem summiserit. Daß auch in der flavischen Periode diese Mode fortbestand, geht aus der Bemerkung Quintilians inst. or, I 6, 44 hervor (comam in gradus frangere).
Indes kam unter den Flaviern eine andere Tracht in Schwung, welche das Spiegelbild der weiblichen Löckchentoupets jener Periode ist. Das Haar wird viel kürzer geschnitten und in zahllose kleine, zierliche Löckchen geringelt. Als Beispiele seien die Büste des Vespasian zu Neapel und der Kolossalkopf des Titus (ebd. Bernoulli II 2 Taf. 7. 8. 10) genannt. Daß auch unter Domitian und Nerva das den ganzen Kopf bedeckende [2148] Gewirr von Löckchen, die nur größer und buschiger werden, Modefrisur blieb, beweisen die sämtlich durch sie charakterisierten Bildnisse dieser Kaiser. Zu beachten ist, daß stets die Löckchenmasse dem Schädel eng anliegt; nahe dem Schädel mußten die Haare geschnitten, mit dem calamistrum gebrannt und jedenfalls durch reichliche Salbe festgehalten werden. Die Voraussetzung war natürlich dichter Haarwuchs; wie dem Mangel abgeholfen wurde, sagt uns Martial VI 57 und gibt uns auch den Namen der Frisur an: Mentiris fictos unguento Phoebe, capillos Et tegitur pictis sordida calva comis, Tonsorem capiti non est adhibere necesse: Radere te melius spongea, Phoebe, potest. Also auch aufgemalt konnten die kleinen Löckchen zur Not werden! In der Plastik wird das Löckchengekräusel vielfach durch zahlreiche Bohrlöcher wiedergegeben. Die Menge der durch sie charakterisierten Bildnisse beweist, daß die Tracht eine allgemeine und dauernde war. Sie ist auch sehr häufig an pompeianischen Wandgemälden zu beobachten, hier auch den Göttern verliehen; als Beispiel sei die Liebesszene zwischen Mars und Venus erwähnt (Mus. Borb. III 35, Baumeister Denkmäler 623).
Die H. des traianischen Zeitalters bedeutet die Reaktion gegen dieses zierliche, allzu gekünstelte Löckchengekräusel. Traian ließ sein Haupthaar in langen Strähnen, ganz schlicht, zur Stirne fallen; über der Stirn sind die Strähnen sorgfältig gestutzt und die Enden gedreht und etwas geringelt. Dies ist Traians H. auf seinen sämtlichen Porträts und die zahlreicher Privatbildnisse z. B. der schönen Büste 561 im Mus. Chiaram. (Bernoulli I Taf. 9. Amelung Katalog). Auch diesmal gibt ein ganz unwesentliches Moment den Ausschlag für die weitere Entwicklung der Frisur: Die traianische Tracht läßt die Spitzen der in die Stirne fallenden Haarsträhne ein wenig sich nach aufwärts krümmen; diese oft kaum merkliche Aufbiegung wird allmählich gesteigert, und es entstehen über der Stirne große, mit sorgfältiger Kunst gebildete, schneckenförmige Rollen oder Locken, auch das Haupthaar selbst wird wieder in regelmäßige Wellen oder Stufen gebrannt. Die Höhe und Größe dieser Rollen über der Stirne geben der neuen Tracht ihr eigentümliches Gepräge und lassen sie deutlich von der claudischen Tracht unterscheiden. Dies ist die H. im Zeitalter des Hadrian, mit der uns der Kaiser selbst in seinen sämtlichen Bildnissen entgegentritt. Wiederum ist es eine ganz natürliche, man möchte sagen, logische Weiterentwicklung, welche diese Frisur nimmt, künstlicher, reicher sich gestaltend. Allmählich werden nicht nur die Haare ums Antlitz zu Rollen und Schnecken geformt, sondern diese nehmen auch vom Haupthaar wiederum Besitz, bis endlich den ganzen Schädel ein üppiges Gekräusel hoher, starker Haarrollen, Schnecken, Spiralen bedeckt, deren Höhe und Üppigkeit die neue Tracht von der im Prinzip ähnlichen flavischen aufs deutlichste unterscheidet. Diese Entwicklung hat die H. im Zeitalter des Antoninus Pius genommen, wie die sämtlichen Bildnisse des Kaisers selbst und des Aelius Verus bekunden. Noch dichter, mächtiger wird die Lockenfülle unter Marc Aurel und behält ihre [2149] charakteristische Gestaltung, die in der Plastik durch starke Unterhöhlung und ausgiebige Anwendung des Bohrers dargestellt wird, während der ganzen Regierungszeit dieses Kaisers bei. Als Beispiel sei auf dessen Münzen und die kapitolinische Reiterstatue verwiesen. Daß die Frisur der überaus dichten Löckchenfülle schon die des ersten Jahrzehntes der Regierung Marc Aurels war, beweisen die Bildnisse des Lucius Verus, von dem auch überliefert ist, daß er seine Haare mit Goldstaub puderte; erwähnt seien ferner als genau datierte Privatbildnisse die Porträtköpfe des Alcestis-Sarkophages, der gleichfalls im ersten Jahrzehnt von Marc Aurels Regierung entstanden ist (Mus. Chiaram. 179, Katalog v. Amelung). Unter Commodus bleibt die Tracht die gleiche, denn auf den frühesten wie den spätesten Münzen, ebenso an der höchst wahrscheinlich in den letzten Jahren seiner Regierung entstandenen Büste des Konservatorenpalastes (Bernoulli II 2 Taf. 451) trägt Commodus das mächtige, in dichter Fülle die Stirne umziehende Lockengekräusel, das auch er nach Hist. aug. Comm. 17 mit Goldstaub puderte. An den Bildnissen des Pertinax und Didius Iulianus läßt sich keine Änderung beobachten, unter Septimius Severus besteht gleichfalls das Lockengekräusel fort mit dem einen charakteristischen Unterschied, daß man die Haare in spiralförmig gedrehten Locken weit in die Stirne hereinfallen ließ, sodaß sie – ein passendes Gegenstück zur Wellenperücke der Iulia Domna – in prunkvollem Kranz das Angesicht umzogen. So zeigt sich uns Septimius Severus auf dem Bogen der Argentarii zu Rom aus dem J. 204. Allmählich trat, wie auf die Wellenperücke der Frauen, eine Reaktion ein. Auf den jugendlichen Bildnissen des im J. 211 ermordeten Geta, welche die Frisur aus den letzten Jahren des Septimius Severus überliefern, sind die Haare wieder kurz zu Büscheln, die nur zum geringen Teil gelockt sind, gestutzt, auch Caracalla trägt zwar Löckchen, die über den ganzen Kopf sich kräuseln, doch ist das ganze Haar bedeutend zugestutzt; nur in der wulstigeren Form unterscheiden sich diese Löckchen von den flavischen.
Die Entwicklung führt dahin, daß das ganze Haar endlich so kurz geschnitten wird, daß der Schädel fast kahl erscheint, keinenfalls dessen Konturen durch die Haare und deren Frisur irgendwie beeinflußt werden. Während von Elagabal die Haare noch in kurzen Büscheln, wenn auch ganz schlicht, getragen werden, zeigen sämtliche Bildnisse des Alexander Severus die gesamten Haare ganz kurz am Schädel geschnitten, so z. B. die Kolossalstatue in Neapel und die Büste im Louvre (Bernoulli II 3 Taf. 28, 30).
Da sämtliche Bildnisse der auf Alexander Severus folgenden Kaiser bis Valerianus das Haar in gleicher Weise ganz kurz geschnitten zeigen, muß diese H. eine allgemeine und bleibende gewesen sein, nachweisbar ist sie also bis ca. 260. Schon vorher aber hatte die Tracht begonnen, reicher wiederum und künstlicher sich zu gestalten: man ließ die Haare wieder länger wachsen, über der Stirne wurden sie gescheitelt und über den Schläfen zu zierlichen Löckchen geringelt. Diese Tracht ist die des Gallienus und läßt sich auf einer Münze desselben (Cohen IV 488) schon für das [2150] J. 256 nachweisen. Auf den Münzen des Postumus, welche die Mode der J. 258–267 überliefern, erscheint das Gelock beiderseits des Scheitels üppiger und reichlicher als bei Gallienus, dann tritt eine neue Mode auf und zwar zuerst auf den Münzen des Victorinus aus den J. 265–268. In langen schlichten Strähnen ist – der traianischen Mode ähnlich – das Haar gerade in die Stirne hereingekämmt, die Enden sind leicht gekrümmt; diesmal entwickelte sich die Tracht in der Weise weiter, daß die Strähnen zugestutzt wurden, sodaß sie geradlinig die Stirne oben begrenzten und in den Schläfen ein ganz charakteristisches scharfes Eck bildeten. Von diesem Eck umzogen die Haare in einem ununterbrochenen Bogen, mit dem Barte sich vereinend, das ganze Antlitz. Auf den Münzbildnissen sämtlicher Kaiser von Claudius Gothicus bis Constantinus ist dieser außerordentlich charakteristische Rahmen, den das zugestutzte Haupthaar mit dem Bart zusammen ums Angesicht bildet, dargestellt; als zeitliche Grenzen für die nachweisbare Herrschaft der Mode ergibt sich die Regierungszeit des Claudius Gothicus 268–270 einerseits, der Ausgang des Licinius andererseits (323).
Daß in dieser langen Zeit eine neue H. aufkam, welche die alte endlich ablöste, ist natürlich. Die Münzen Constantins zeigen ausnahmslos das Haupthaar vom Wirbel in langen Strähnen zu Stirn und Schläfen vorgekämmt, und zwar ist es wiederum in tiefe Wellen gebrannt, um die Stirn sind die Enden zu einem Kranze zierlicher Locken eng gereiht (Kolossalbüste des Constantin zu Rom, Capitol, Petersen). Diese Tracht ist also der des Nero nicht unähnlich; wie hier Verwechslungen möglich sind, zeigt das Beispiel des Kopfes 417 der Münchener Glyptothek, den man für Otho hielt, während er einen der Söhne Konstantins darstellt (Furtwängler Glyptoth.). Indes läßt doch nie ein Kopf aus der Zeit Constantins das zierliche, feine Gekräusel der Haarbüschel, wie es für Nero charakteristisch ist, erkennen. Die H. bleibt bei den Söhnen Constantins wie Magnentius im wesentlichen die gleiche, an den Bildnissen des Iulianus Apostata wie des Theodosius, endlich den Münzbildnissen des Honorius ist die Ondolation verschwunden; in langen Strähnen fallen die Haare vom Wirbel nach vorne und bilden um Stirne und Schläfen einen dichten, vollen Kranz mit ihren gleichmäßig zugestutzten Enden (Koloß des Theodosius (?) in Barletta ist durch diese Tracht charakterisiert, Bernoulli II 3 Taf. 56).
[Steininger.]
Nachträge und Berichtigungen
S. 2100 zum Art. Haartracht und Haarschmuck:
Haartracht der römischen Frau. Die Goldmünzen des J. Caesar aus dem J. 46/45 v. Chr. zeigen eine einfache griechische H.: [...]
[Marg. Stephan.]
Nachträge und Berichtigungen
Haartracht und Haarschmuck
B. Rom. Haartracht der röm. Frau. S VI (90,36 lies: ›S. 2135‹).
[Hans Gärtner.]
Anmerkungen (Wikisource)
Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 1035.
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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