ART

Globen (σφαῖραι). Eine knappe Geschichte der antiken Himmels-G. bis auf Arat läßt Cicero de rep. I 22f. den Sulpicius Gallus aus griechischer Quelle entwerfen; in neuerer Zeit scheint sie noch niemand ernstlich versucht zu haben (das Buch von Fiorini und Günther Erd- und Himmelsgloben, ihre Geschichte u. Konstruktion, Leipzig 1895, ist für die Antike ganz unzureichend). Das antike literarische Material ist ohne den Versuch einer kritischen Sichtung gesammelt bei Fabricius-Harles Bibl. gr. V 297–306; für das monumentale sind Nachweise von Gaedechens Der marmorne Himmelsglobus zu Arolsen (Götting. 1862) und Thiele Antike Himmelsbilder (besonders Kap. II) gegeben. Im Folgenden können nur einige Grundzüge hervorgehoben werden, in Ergänzung des von Hultsch im Art. Astronomie o. Bd. II S. 1853f. 1858 Bemerkten. Ein systematisches Studium der Astronomie mußte von dem Augenblick an die Schöpfung eines Himmels-G. nahelegen, wo die Kugelgestalt des [1428] Himmels ausgesprochen wurde. Somit darf als der erste Schöpfer eines Himmels-G., auch abgesehen von den mythischen εὑρεταί Atlas (Diod. III 60, 2) oder Musaios (Diog. Laert. prooem. 3, vgl. Thiele a. O. 18, 4) noch nicht Thales angesehen werden (trotz Cicero a. a. O., vgl. das o. Bd. VI S. 2341 col. 1, Z. 43 Gesagte), wohl aber Anaximander, der zuerst die Kugelgestalt des Himmels postulierte. Von da ab wird der Himmels-G. zum unentbehrlichen Hilfsmittel der Demonstration, auch für die Schule; vgl. Aristoph. nub. 201, wo ἀστρονομία kaum einen andern Sinn haben kann; Diels Doxogr. 353 a 17 und die Aratkommentare allenthalben, z. B. Achill. isag. c. 35 (Maass Commentar. in Arat. rell. 70ff.); eine samische Münze, jetzt auf dem Titelblatt von Diels Fragm. der Vorsokr. (vgl. p. XII) zeigt neben Pythagoras den G., eine von Klazomenai neben Anaxagoras (Mionnet VI p. 91); für die Muse Urania ist er charakteristisch seit hellenistischer Zeit (nach Bie in Roschers Myth. Lex. II 3261f. unter unmittelbarem Einfluß des Arat; vgl. auch Birt Die Buchrolle in der Kunst 299). Als Verbesserer des G. muß man sich wohl jeden Astronomen denken, der die Beobachtungen seiner Vorgänger fortsetzte und revidierte; Eudoxos und Hipparch treten in der freilich oft nur zufälligen Überlieferung besonders hervor. Kühner und großartiger waren die gleichfalls als σφαῖραι bezeichneten Versuche des Archimedes und des Poseidonios, wohl auch des Billaros (s. Hultsch o. Bd. III S. 472), in einem geistreich ersonnenen durch Wasser getriebenen Mechanismus die Bewegung der Planeten am Himmel zu veranschaulichen; für Archimedes vgl. Heiberg Quaest. Archim. 41ff. Hultsch o. Bd. II S. 536f.; wie Heiberg mit Recht aus Cic. a. a. O. entnimmt, hat Archimedes neben diesem Planetarium auch eine sphaera solida, einen gewöhnlichen Fixstern-G., geschaffen. Das Planetarium ist möglicherweise jetzt durch einen Fund auf dem Meeresboden von Antikythera aufzuhellen (Rehm Berl. Phil. Wochenschr. 1907, 470).

Wie ein Fixstern-G. für den astronomischen Gebrauch (zumeist jedenfalls aus Holz, s. z. B. Achill. is. 62, 13 Maass) im Altertum ausgesehen hat, lehrt am besten Ptolemaios in der Syntaxis VIII c. 3 περὶ κατασκευῆς στερεᾶς σφαίρας; auch die kleine Schrift des Byzantiners Leontios περὶ κατασκευῆς Ἀρατείας σφαίρας, ed. Maass a. a. O. p. 561ff. (bes. 565f.) ist zu vergleichen. Die Grundfarbe der Kugeloberfläche soll dunkel wie der Nachthimmel sein, die Umrißlinien der Sternbilder nur leicht in nicht allzustark abstechenden Tönen auf den Grund gesetzt werden; Farben und Größe der Sterne sind anzugeben, Meridian- und Horizontring aus Holz zu befestigen und gradweise abzuteilen. Die Andeutung der Gestalt der Sternbilder auf dem G. gilt als bequemes Hilfsmittel zu ihrer leichten Auffindung; die Beschränkung auf die bloßen Umrisse ist aus wissenschaftlichen Gründen gefordert. Es hat aber auch im Altertum, so gut wie in den neueren und neuesten Zeiten, Himmels-G. gegeben, die vor allem durch die Pracht der Bilder wirken wollten. Die Geschichte dieser Bilder bedarf auch nach den vielfachen, gegensätzlich und zustimmend meist an Thieles oben [1429] genanntes Buch anknüpfenden Forschungen des letzten Jahrzehnts noch mancher weiteren Klärung.

Es ist unzweifelhaft, daß die G.-Bilder (und ebenso die am G. unmittelbar ersichtlichen συνανατολαί und συγκαταδύσεις) die ganze populäre Astronomie, also alles was an Eudoxos und Arat in griechischer und lateinischer Sprache anknüpft, fortgesetzt beeinflussen mußten; auch die astrologischen Teste (veröffentlicht von Boll Sphaera), die vielfach große Eigentümlichkeiten in der Darstellung der Sternbilder zeigen, konnten ohne G. so, wie sie vorliegen, nicht entstehen. Nur bleibt immer zu erwägen, daß auch die Einzelbilder, die sich von den G. ablösen und zur Illustration der Aratliteratur dienen, ihre besondere Existenz führen und zur Weiterentwicklung der Sternbildtypen den Anstoß geben können. Vgl. im allgemeinen die zum Teil anfechtbaren Aufstellungen von Thiele a. a. O. 44ff. (dazu Boll Berl. Phil. Woch. 1899, 1014. Rehm ebd. 1904, 1041f.). Moeller Studia Manil. (Marburg. Diss. 1901) 30ff. (gegen seine Annahme, daß Manilius selbst hier einen G. zur Hilfe herangezogen habe, Boll Sphaera 383, 1; Berl. Phil. Wochenschr. 1902, 1547).

Erhalten sind uns aus dem Altertum mehrere G.; der weitaus wichtigste ist der vom Atlas Farnese getragene, den Thiele auf Taf. IΙ–VI seines oben genannten Werkes am besten publiziert hat. Aus dem Thron, der sich darauf neben den dem Eudoxos und Hipparch bekannten Sternbildern befindet, läßt sich seine Entstehung in der Zeit des Augustus festlegen (Boll S.-Ber. Akad. Münch. 1899, 121ff.). Den speziellen Zusammenhang des G. mit Hipparch hat Thiele nicht beweisen können, ebenso wie er seine astronomische Genauigkeit überschätzt hat (s. Berl. Phil. Wochenschr. 1899, 1013). Sonst sind bekannt ein Berliner Fragment eines als G. gestalteten Marmorgefäßes (Beschreibung der antiken Skulpturen des Berliner Museums nr. 1050 A, vgl. Thiele 42); der von Gaedechens publizierte G. zu Arolsen, auf dem jedoch nur die Sternbilder des Tierkreises dargestellt sind. Sodann ein astrologischer G. in Athen im Dionysostheater gefunden 0,31 m im Durchmesser, der Archäol. Anz. 1866, 170* und Bull. d. Inst. 1866, 111. 132 besprochen und in der Schrift Δύο γενικαὶ συνελεύσεις τῶν ἑταίρων τῆς ἐν Ἀθήναις Ἀρχαιολογικῆς ἑταιρίας, Athen 1866, publiziert ist; er zeigt keine eigentlichen Sternbilder, sondern nur einen thronenden Helios mit zwei Hunden, eine Schlange, einen großen Löwen und eine Fackel, sonst eine Art geometrischer Figuren und Inschriften, deren Deutung (es sind unverständliche, orientalisch klingende Worte) mir noch nicht gelungen ist, trotz des Besitzes einer genauen Nachkollation der Abbildung durch Wolters und Schiff; vielleicht liegt ein gnostisches oder mit dem Mithraskult zusammenhängendes Monument vor. Über einen angeblich auf Ptolemaios zurückgehenden Bronze-G., der im 11. Jhdt. noch vorhanden gewesen sein soll, s. Casiri Bibl. Escur. I 417. Ideler Untersuch. über Sternnamen XLIII Anm.; über einen verschollenen Atlas mit G., abgebildet in einer Münchener Hs. des Michael Scotus, s. Boll Sphaera 440, 2.

Erd-G. waren für die Antike weit weniger bedeutsam als Himmels-G.; die geographische [1430] Kenntnis mußte sich ja auf die οἰκουμένη beschränken. So ist es ganz wohl glaublich, daß erst Krates von Pergamon einen Erd-G., wenigstens einen größeren Umfangs, geschaffen hat; für ihn hatte der G. die Bedeutung, sein Schema der Verteilung von Land und Meer auf der Erdoberfläche, also seine vier durch den aequatorialen Hauptozean und dessen Golfe begrenzten Erdinseln und die Lehre von Antöken und Antipoden eindrucksvoll demonstrieren zu können. Vgl. Fiorini-Günther a. a. O. Figur 1. Berger Geschichte der wissensch. Erdkunde der Griechen2 454f. Daß für die Geographie der Oikumene der G. nur in außerordentlichen Größenverhältnissen (zehn Fuß Durchmesser) zu brauchen sei, bemerkt Strabon II 116 mit Hinblick auf den G. des Krates, auf dessen Größe allerdings daraus ein sicherer Schluß nicht zu ziehen ist. Eine Anweisung πῶς δεῖ τὴν οἰκουμένην ἐν σφαίρᾳ καταγράφειν gibt Ptolemaios Geogr. I 22.

,Daß die Ornamente des bekannten Reichsapfels, zwei sich kreuzende Ringe, oft nur ein äquatorialer Ring, auf welchem die Hälfte eines meridionalen steht, den beiden Ozeangürteln des Macrobius (somn. Scip. II 8f., im wesentlichen auf Krates zurückführend) ihren Ursprung verdanken‘, hat Berger a. a. O. 458 vermutet; die Kreuzform, die sich damit ergab, wird jedoch das Wesentlichste getan haben, dieser Form ihre Verbreitung in der christlichen Welt zu sichern. Als Kennzeichen der Herrschergewalt, menschlicher wie göttlicher, soll der G. nach Sittl Der Adler und die Weltkugel als Attribute des Zeus, Jahrb. f. cl. Philol. Suppl.-Bd. XIV (1884) 42ff. viel älter sein. Nach Sittl kommt die Weltkugel als Attribut zahlreicher griechischer und vorderasiatischer Gottheiten vor, so auch des Zeus; daß sie in der Hand oder auch unter dem Fuße von Herrschern schon auf persischen Dareiken begegne, scheint eine ganz grundlose Behauptung Sittls zu sein. In der Diadochenzeit wird die Weltkugel zuerst von Demetrios Poliorketes angenommen (Duris bei Athen. XII 536 A) und wurde dann in Rom ,Lieblingssymbol des Kaisertums‘. Eine Monographie über die Geschichte des G. könnte durch Verbindung der Geschichte des astronomischen G. mit der des Götter- und Herrscherattributes interessante neue Ergebnisse gewinnen.
[Boll.]

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