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Gennadios. 1) 458–471 Patriarch von Konstantinopel. Im Einvernehmen mit Kaiser Leo I. und dem Papst Leo I. schützte er nach Kräften die chalcedonensische Orthodoxie; auf einer σύνοδος ἐνδημοῦσα in Konstantinopel 458 oder 459 ließ er eine Verschärfung des wider die Simonie gerichteten Kanons 2 von Chalcedon beschließen (s. seine epistola encyclica bei Mansi VII 911ff.). Was wir von seinen Regierungshandlungen wissen, verdanken wir vornehmlich den Exzerpten aus Theodorus Lector hist. eccl. I, das Material liegt fast vollständig gesammelt vor bei Tillemont Mémoires XVI p. 67–75. G. ist aber auch ein fruchtbarer Schriftsteller gewesen. Gennadius Massil. de vir. ill. 91 (bezw. 90. 89) preist ihn als einen klaren und scharfsinnigen, in den ‚Alten‘ wohlbewanderten Mann; er kennt von ihm einen vollständigen Kommentar zum Propheten Daniel und viele Homilien. Von alledem ist bisher nichts wieder entdeckt worden. Aber in der Chronik des Marcellinus Comes zum J. 470 (ed. Mommsen Mon. Germ. AA. XI 1, 90), wird die Notiz des Massiliensers durch einen Zusatz erweitert: et Pauli epistulas omnes exposuit. Mommsen hat ihn, weil er nur in dem einen Zweige der hsl. Tradition erhalten ist, aus dem Text des Marcellin gestrichen; jedenfalls beruht er aber auf guter, uns bei einem lateinischen Interpolator höchst auffallenden Sachkenntnis. Die Catenen zu den Paulinischen Briefen, vorzüglich zum Römerbrief (ed. Cramer 1844), aber auch zu I und II Cor., Gal., Hebr., enthalten Stücke aus einem Kommentar, der den Namen des G. trug, und es besteht kein Zweifel, daß die in der sog. Catene des Nicephorus zum Oktateuch 1772 publizierten Gennadiana (zu Genesis und Exodus) demselben Autor zugehören. Die Sammlung der [1171] aus solchen Catenen bisher veröffentlichten Fragmente bei Migne Patr. gr. 85, 1622–1734 kann erheblich erweitert werden; aus Karo-Lietzmann Catenarum graecarum catalogus 1902, 102 (334) darf man schließen, daß G. auch das Dodekapropheton in seine exegetische Arbeit einbezogen hat. Von nicht rein exegetischen Werken des G. wissen wir durch zwei Zitate, eines bei Leontius und Johannes de rebus sacris (Migne Patr. gr. 86, 1 p. 2043f. ἐκ τοῦ πρὸς Παρθένιον δευτέρου λόγου), das andere bei Facundus Herm. pro defens. II 4, eine heftige Streitschrift gegen die Anathematismen des Cyrill von Alexandrien (s. die Bestätigung im χρονογραφεῖον σύντομον ed. Schoene in Euseb. Chron. I Appendix. p. 80). Diese hat G. natürlich nicht erst als Patriarch und nicht nach dem Friedensschluß von Chalcedon geschrieben; an seiner vor allem antimonophysitisch gestimmten Theologie wird es gelegen haben, daß er trotz seiner geistigen Bedeutung erst nach der Niederlage der Ägypter den Patriarchenstuhl besteigen konnte; aber das wird auch daran schuld sein, daß nur Fetzen von seinen litterarischen Werken auf die Nachwelt gekommen sind: er war zu wenig Mystiker. Sein abendländischer Namensvetter hat ihn richtig charakterisiert. G. verschmäht rhetorische und erbauliche Phrasen; er setzt sich gerne mit den früheren Auslegern (οἱ προερμηνεύσαντες) auseinander und vertritt den entschieden antiochenischen Standpunkt lebhaft und selbstbewußt. Er hat noch nicht die gebührende Aufmerksamkeit gefunden.
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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