Geflügelzucht, nach Varro r. r. III 2 der wichtigste Teil der Hofwirtschaft (pastio villatica), welche er von der Weidewirtschaft (pastio agrestis, Rindvieh-, Pferde-, Esel- und Schweinezucht) unterscheidet. In den ältesten Zeiten ging die G. von der Zähmung des einheimischen Wildgeflügels aus. Von diesem gewöhnen sich einzelne Arten, zumal wenn die Tiere jung aus dem Neste genommen oder gefangen werden, leicht an den Menschen und pflanzen sich auch in der Gefangenschaft fort. Zweck der G. ist die planmäßige Aufziehung und Fortpflanzung verschiedener, dem Menschen durch Eier, Fleisch und Federn Nutzen bringender Vogelarten aus den Familien der Hühner- und Schwimmvögel (V. Hehn Kulturpflanzen und Haustiere 1902). Anfänglich auf wenige Arten beschränkt, erweiterte sich der Kreis des Hausgeflügels durch die Berührung verschiedener Völker untereinander, die das ihnen eigentümliche, gezähmte Tier gegenseitig austauschten und im fremden Lande heimisch werden ließen.
Für Griechenland und Rom reicht die Zucht von Gänsen und Tauben, in sumpfigen Gegenden auch von Enten, bis in die ältesten Zeiten zurück. Diese Vogelarten waren teils einheimisch, teils zogen sie im Herbst mit erwachsenen Jungen von Norden her in die Mittelmeerländer. Die Berührung mit den Persern brachte den westlichen Ländern, zuerst den griechischen Inseln, dann Griechenland und Italien das Haushuhn; ebenfalls aus Osten, auf dem Wege des phönizischen Seehandels, kam der Pfau (Hehn a. a. O. 321. 322. 327. 349. 365) (über die einzelnen Vögel s. die betreffenden Artikel).
Die Kenntnis der Lebensbedingungen der genannten Geflügelarten war eine recht gründliche (Arist. hist. an. VI 1. 2. 3. Varro r. r. III 2–11. Col. VIII 2–15). Auf ihr bauend wurde Kreuzung und Veredlung der Rassen nach dem Grundsatz der Vererbung geübt (Varro III 10). Es bildeten sich in einzelnen Landstrichen und Gegenden eigene Rassen unter besonderen Namen aus. So werden unter den Gänsen diejenigen aus Germanien, von der Nordküste Galliens und aus Britannien genannt; als Hühnerzüchter genossen einen weiten Ruf die Bewohner der Insel Delos, unter den griechischen Hühnerrassen die rhodische, tanagräische, chalkidische und melische (nach Varro III 9 eigentlich medische) Art, unter den Taubenarten die durch Größe ausgezeichnete kampanische Taube (Varro III 9. Col. VIII 2). Columella unterscheidet bei den Hühnern ausdrücklich einheimische [904] und fremde Rassen und empfiehlt dem auf Nutzen zielenden Landwirt ausschließlich die Zucht des einheimischen Hofhuhnes (Col. VIII 2). Anfänglich nur in kleinem Maßstabe betrieben, auf die Bedürfnisse des Haushaltes beschränkt and aller Wahrscheinlichkeit nach in den meisten Fällen nicht über dieselben hinausgehend, entwickelte sich im Laufe der Zeit die G. auf römischen Landgütern, besonders auf solchen, welche in der Nähe der Großstadt gelegen waren, zu einem hochbedeutenden Wirtschaftszweige. Zu ihrem Betriebe dienten ausgedehnte Anlagen: außer dem Hühnerhofe Höfe für Gänse und Enten, die mit umfangreichen Teichen ausgestattet waren, Taubenschläge auf den Wirtschaftsgebäuden, freistehende Taubentürme, Pfaueninseln, Pfauenparks und Vogelhäuser. Für jede Art des Geflügels gab es besondere Wärter, wie die gallinarii Hühnerwärter, columbarii Taubenwärter u. dgl. (Varro III 6–11. Col. VIII 2–15). Da Cato (de agricultura) die G. nur ganz nebensächlich behandelt, ist anzunehmen, daß noch zu seiner Zeit dieselbe nicht den Bedarf des Hauses überschritt, und die einfachen Behausungen der Tiere sich auf den Taubenschlag unter dem Dach oder auf einem Turm, auf den Hühnerstall zu ebener Erde und auf einen Abschlag im Hofraum für die Gänse beschränkten (Varro III 3). Das Vogelhaus (aviarum, ὀρνιθών), welches Varro mit Wohnhäusern der alten Zeit an Größe vergleicht, der hohe, helle, geräumige Hühnerstall (gallinarium) gehört ebenso wie der Gänsehof (chenoboscion, χηνοβοσκεῖον) und der Entenpark (nessotrophion, νησσοτροφεῖον), welche Columella beschreibt, der späteren Zeit an, in der auch Pfauenzucht in einer Weise betrieben wurde, daß Varro sagen kann, Pfauen seien nicht seltener wie Hühner geworden. Die Verhältnisse, welche er in dem seinem Freunde Qu. Pinnius gewidmeten dritten Buche seines landwirtschaftlichen Werkes voraussetzt, entsprachen den Bedürfnissen einer Zeit, in welcher der ins Unmäßige gesteigerte Tafelluxus ein großes Absatzgebiet für eine Masse von Eiern und Speisegeflügel gewährleistete. Wurden doch zu einem Triumphschmause zuweilen Tausende von Mastvögeln und Krammetsvögeln, sowie eine sehr beträchtliche Anzahl von Pfauen benötigt. Auch die Liebhaberei reicher Besitzer für schöne Exemplare von Pfauen oder seltenen Tauben begünstigte die Zucht und rief eine bedeutende Preissteigerung hervor. Die Hofwirtschaft des M. Seius, welcher neben Wildschweinen, Rotwild, Siebenschläfern und Fischen, die er in Parks und Teichen hegte, große Herden von Gänsen, Hühnern, Tauben, Kranichen und Pfauen züchtete, brachte dem Eigentümer einen weit höheren Ertrag als die Ländereien anderer Güter ein. Allein aus einer Pfauenherde von 100 Stück konnten 40 000 Sesterzen, günstige Bedingungen vorausgesetzt, 60 000 Sesterzen jährliche Einkünfte gezogen werden (Varro III 6). Den doppelten Ertrag eines Landgutes von 200 iugera = 60 000 Sesterzen zog eine Tante Varros aus ihrem im Sabinischen gelegenen Vogelhause, dem allein 5000 Krammetsvögel innerhalb eines Jahres entnommen wurden (Varro III 2). Auch auf dem Landgute des Satirikers L. Albutius überstieg der Gewinn aus der Hofwirtschaft stets den der [905] Ländereien: ager minus dena milia reddit, villa plus vicena (Varro III 2). Doch waren die Ansichten, ob der große Gewinn rationell betriebener G. Ausnahme oder Regel war, geteilt. Varro neigt zu der Annahme, daß nur der übertriebene Luxus seiner Zeit es ermögliche, in diesem Betriebe gute, ja glänzende Geschäfte zu machen, und die Ratschläge, welche Columella dem Züchter in bezug auf die Zahl der zu haltenden Hühner, auf Mästung des Geflügels und Aufzucht junger Küken zu vorgerückter Jahreszeit gibt, lassen darauf schließen, daß auch dieser erfahrene Landwirt reichen Gewinn aus der Geflügelzucht nur unter der Voraussetzung der Ausnützung günstiger Vorbedingungen erwartet (Varro III 9. Col. VIII 2. 4).
Inhaltsverzeichnis
A. Hühner.
B. Pfauen,
C. Gans
D. Ente
E. Taube
F. Der Fasan
Anmerkungen (Wikisource)
A. Hühner.
a) Hahn, ὁ ὄρνις, ὁ ἀλεκτρυών, ἀλέκτωρ (poet.), gallus; b) Huhn, ἡ ὄρνις, ὁ ἀλεκτορίς, gallina. (Über Name, Alter, Herkunft der Hühner s. Art. Huhn). Aus den in Art. ‚Huhn‘ angeführten Gründen ist ersichtlich, daß die erste Erwähnung des Haushuhnes nicht vor der zweiten Hälfte des 6. Jhdts. für Griechenland nachweisbar ist, daß den Griechen (Homer kannte den Hahn nicht) die Bekanntschaft dieses nützlichen Haustieres durch ihre Berührung mit den Persern vermittelt wurde, und daß sie frühestens um dieselbe Zeit, wahrscheinlich etwas später, von den griechischen Inseln nach Sizilien und Italien übertragen wurde (Hehn Kulturpflanzen und Haustiere⁷ 327). Als Meister in der Hühnerzucht werden die Bewohner der griechischen Insel Delos genannt (Varro III 9. Col. VIII 2. Plin. X 139), von griechischen Hühnerrassen die tanagräischen, rhodischen, chalkidischen und medischen oder melischen Hühner. Die beiden erstgenannten wurden ihrer Größe, Schönheit und Streitlust wegen hauptsächlich in Griechenland zu den Hahnenkämpfen verwendet (Col. VIII 2). Zur Fleisch- und Eiergewinnung eigneten sie sich nicht (Varro III 9). Zu einem vollkommenen Hühnerhause, wie es der Tierliebhaber zu seinem Vergnügen hielt, gehörten außer den obengenannten griechischen Rassen auch die Feldhühner, Zwerghühner und numidischen oder afrikanischen Hühner (Varro III 9). Der Landwirt, der auf Nutzen sieht, züchtet nur Hofhühner, und zwar eine gute einheimische Rasse, die, wie das italische Haushuhn, fleißig im Legen und Brüten ist und sich weder durch Streitlust noch durch besondere Größe, welche die Tiere schwerfällig macht, auszeichnet (Varro III 9. Col. VIII 2). Die Männchen der Hofhühner heißen galli (Hähne), die Weibchen gallinae (Hennen), die Verschnittenen capi (Kapaunen) (Varro III 9). Um den Aufwand eines Hühnerwärters (gallinarius), der seine Kammer dicht neben dem Hühnerstalle haben mußte, lohnend zu machen, sollte man nicht weniger als 200 Hühner halten (Col. VIII 2. Varro III 9). Rostfarbene Hühner mit schwarzen Flügeln wurden den weißen, welche weichlicher sein sollten und dem Raubzeuge mehr in die Augen fielen, vorgezogen (Varro III 9). Bei der Auswahl von Zuchtstämmen wurde auf starke Füße mit ungleichen Zehen, auf geraden roten Kamm, auf gut entwickelte Ohren, kurzen kräftigen Schnabel, schwarze oder schwarzgelbe Augen geachtet, bei den Hähnen noch besonders auf blutroten [906] Kamm und Bartlappen, auf starke Sporen und auf mutiges, doch nicht allzu streitsüchtiges Wesen Gewicht gelegt (Varro III 9. Col. VIII 8). Edle Rassen erkennt man nach Plinius (X 156) an dem aufrechtstehenden Kamme, den schwarzen Federn, dem rötlichen Schnabel und den ungleichen Zehen. Fünf Hühner rechnete man auf einen Hahn, von der rhodischen und melischen Rasse drei Hühner (Col. VIII 2). War der zur Verfügung stehende Raum nicht ausgedehnt, so wurden für die einzelnen Hühnervölker Abgrenzungen auf dem Hofe hergestellt, um das Streiten der oft sehr bösartigen alten Hähne, welche die jungen vertreiben oder töten, nach Möglichkeit zu vermeiden.
Das Hühnerhaus (gallinarium). Das geräumige, von innen und außen getünchte Hühnerhaus wurde gegen Osten oder Südosten in der Nähe der Küche oder des Backofens angelegt, damit die Wärme sich den Wänden mitteilte und der Rauch, der für heilsam gehalten wurde, dasselbe durchdringen könnte (Col. VIII 3). Der Anstrich sollte das Aufklettern und Eindringen von Mäusen, Katzen, Wieseln und Schlangen verhüten (Col. VIII 3). Dieser Tiere wegen mußten auch die kleinen Türen, durch welche die Hühner hineinschlüpfen, stets des Nachts geschlossen werden (Col. VIII 3). Ein Hühnerhaus für 200 Hühner bestand aus einem kleinen Vorraume von etwa 7 Fuß Länge und Breite, von welchem aus zwei Türen in die rechts und links liegenden Abteilungen für je 100 Hühner führten. An der Rückwand des Vorraumes stand ein kleiner Herd, auf welchem von Zeit zu Zeit Feuer angezündet wurde, um den Stall zu durchräuchern (Varro III 9. Col. VIII 3). Die Größe jeder Abteilung sollte nach Varro 10 Fuß Höhe, 10 Fuß Länge und 5 Fuß Breite, nach Columella 12 Fuß Höhe, 12 Fuß Länge und 7 Fuß Breite betragen (Varro r. r. III 9. Col. VIII 3). In jeder Abteilung war ein 3 Fuß breites, 4 Fuß hohes vergittertes oder durch Flechtwerk geschütztes Fenster gegen Osten angebracht, welches dem Stalle das nötige Licht zuführte (Varro III 9. Col. VIII 3). Die Hühner betraten den Stall durch kleine Türen, zu welchen schmale Leitern mit ungehobelten Sprossen emporführten (Col. VIII 3). Im Innern jeder Abteilung lief, etwa 7 Fuß hoch vom Erdboden, 4 Fuß von der Decke, selbst etwa einen Fuß einnehmend, ein doppeltes Gesims an den Wänden entlang, auf welchem die Nistkörbe standen (Col. VIII 3). Zuweilen wurden auch gleich bei der Anlage des Hühnerstalles Nischen in den Wänden angebracht, in deren Vertiefungen die Nester bereitet wurden (Varro III 9). In beiden Fällen mußte das Gesims eine genügende Breite haben, um den auf einer kleinen Leiter heraufgestiegenen Hühnern bequemes Hin- und Hergehen und ruhiges Einsteigen in das Nest zu ermöglichen, damit nicht bei etwaigem Auffliegen die bereits im Neste liegenden Eier zertreten wurden. Die Nacht durften die Hühner nicht auf dem Gesims zubringen, sondern auf viereckigen, nicht allzu schmalen ungehobelten Sitzstangen, welche einen Fuß höher als die Wandbretter angebracht waren (Varro III 9). Vor dem Hühnerstalle war häufig ein überdachtes oder mit einem Netz überspanntes [907] vestibulum (Varro III 9), wo die Hühner in Sand oder Asche sich sonnen und baden konnten, was ihrem Gedeihen förderlich war (Col. VIII 4). Größte Sauberkeit sollte im Stalle und seiner Umgebung herrschen. Der Wärter fegte ihn alle paar Wochen aus, reinigte die Nestkörbe, legte, da die Hühner viele Flöhe haben, frisches Stroh in die Nester, tünchte die Wände frisch und durchräucherte den Stall (s. o.). Zum Vertreiben von Schlangen räucherte er außerhalb des Stalles mit Hirschhorn (cornu cervino), Galbankraut (galbano) und Frauenhaar (muliebri capillo) (Col. VIII 5. Varro III 9).
Sauberkeit, Trockenheit und angemessenes Futter sind die besten Mittel, um die Tiere vor Krankheiten zu bewahren (Col. VIII 3). Außer an Verdauungsstörungen leiden die Hühner an Pipps (pituita, Plin. X 157), einer Krankheit der Schleimhäute, die Zunge, Ohren und Augen ergreift und häufig mit dem Tode des befallenen Tieres endet. Begünstigt wird die Krankheit durch Frost, Nässe, Hunger, faules Wasser, unreife Weinbeeren und Feigen (Col. VIII 5). Die Lust, letztere zu naschen, kann den Hühnern dadurch genommen werden, daß man ihnen mit Weizenmehl gekochte wilde Weinbeeren und wilde Feigen, welche sehr bitter schmecken, vorsetzt (Col. VIII 5). Außerdem muß neben Sauberkeit im Stalle auch solche bei Verabfolgung der Nahrung beobachtet werden. Columella empfiehlt daher, statt der irdenen Trinkgefäße solche aus Blei anzuschaffen, welche so beschaffen sind, daß das Tier nur an einer kleinen Öffnung trinken kann und das übrige Wasser nicht beschmutzt, ferner hölzerne oder bleierne verdeckte Futtertröge, welche an den Seiten Öffnungen haben, durch welche das Huhn den Hals steckt, um die Nahrung herauszunehmen. Die Öffnungen statt an der Seite des Troges im Deckel anzubringen, ist ein Verfahren, das sich nicht bewährt (Col. VIII 3). War die Krankheit trotz dieser Vorsichtsmaßregeln aufgetreten, so wurde in leichteren Fällen das Ausräuchern des Stalles mit Lorbeer, das Einstecken einer kleinen Feder quer durch die Nasenlöcher, das Eingeben von mit lauwarmem Öl benetztem Knoblauch als wirksam erprobt (Col. VIII 5. Plin. X 157). In hartnäckigen Fällen wurden die Backen aufgeschnitten, der Eiter ausgedrückt und die Wundstelle mit etwas Salz eingerieben (Col. VIII 5).
Neben frischem Trinkwasser reichte man den Hühnern als bestes Futter halbgekochte oder gemahlene Gerste, oft mit Wicken, Dinkel, Kichern, Hirse und Weizenkleie vermischt, oder mit den Blättern und Samen des Mondklees (cytisus), den die Hühner sehr lieben, gewürzt. In der Hauptlegeperiode wurde das Maß des Futters vermehrt, in den Herbstmonaten verringert. In der Zeit, da die Hühner wenig oder gar nicht legten, konnten Weinbeerkerne mitgefüttert werden (Col. VIII 5). Wo es irgend angängig war, sollte den Hühnern ein Auslauf in Sonne, Sand oder Gras gewährt werden, den viele mit Netzen zum Schutze gegen Raubzeug versahen (Varro III 9); andere ließen noch mehr Freiheit zum Herumstreifen, hielten aber ein Weib oder einen Knaben zur Beaufsichtigung der flüchtigen Tiere (Col. VIII 2). Eine Stunde [908] nach Sonnenaufgang ließ der Wärter die Hühner heraus, eine Stunde vor Sonnenuntergang kehrten sie von selbst zurück. Er gewöhnte sie leicht dadurch an den Stall, daß er sie nur vor dem Stalle fütterte. Dabei wurden sie nachgezählt (Col. VIII 4). Neugekaufte Hähne wurden dreimal um den Eßtisch des Hauses getragen, dann verließen sie die neue Wohnstätte nicht mehr (Ael. II 30).
Während die anderen Vögel gewisse Legeperioden haben, legt das überaus fruchtbare Huhn fast das ganze Jahr hindurch Eier. Die beste Legezeit ist die Zeit zwischen Frühlings- und Herbstnachtgleiche (Varro III 9). Begünstigt wird die Legefreudigkeit durch Wärme und reichliches Futter; sie beginnt bald nach dem kürzesten Tage, Anfang oder Ende Januar, steigert sich bis zum Sommer, nimmt dann ab und hört in den beiden Spätherbstmonaten völlig auf (Arist. hist. an. VI 1. Col. VIII 5. Plin. X 146). In der Regel legt das Huhn jeden zweiten Tag ein Ei. Ausnahmsweise legen Hühner täglich, ganz selten auch zweimal täglich. Solche Tiere sterben aber bald an übergroßer Fruchtbarkeit. Junge, ein- bis zweijährige Hühner legen am fleißigsten, wenn auch ihre Eier kleiner sind als die der älteren; daher ist anzuraten, die jungen nicht allzufrüh brüten zu lassen (Plin. X 146. Varro III 9). Durch lautes Gackern zeigt das Huhn an, daß es gelegt hat; Hühner, welche sich angewöhnen, außerhalb des Hühnerstalles zu legen, müssen eingesperrt werden, bis sie gelegt haben (Col. VIII 5). Unbefruchtete Eier, sog. Windeier (ova hypenemia) sind kleiner und von wäßrigerem Geschmack als die fruchtbaren Eier (Plin. X 166); solche, die ein Hähnchen bergen, sind lang und spitz, während aus den runden die Hühnchen auskriechen (Arist. hist. an. VI 2. Col. VIII 5). Es gibt auch Hühner, die Doppeleier legen, aus denen auch zuweilen, wenigstens nach der Angabe des Arztes Cornelius Celsus, zwei Junge auskriechen, eine Möglichkeit, die vielfach bestritten wird (Plin. X 150). Wenn sich auch die Eier scheinbar sehr ähnlich sehen, so gibt es doch Leute, welche genau bestimmen können, von welchem Huhn jedes Ei stammt (Plin. X 154). Besonders die als Hühnerzüchter berühmten Delier verstanden sich darauf.
Der Hühnerwärter, welcher täglich die Nestkörbe nachsah, entfernte alle frischgelegten Eier und bezeichnete sie mit dem Datum, weil zum Ausbrüten nur völlig frische, jedenfalls nicht über zehn Tage alte Eier verwendet werden durften (Col. VIII 5. Plin. X 151). Die übrigen Eier wurden, falls sie nicht frisch gegessen oder verkauft werden sollten, in Spreu, Kleie, Salzwasser oder geschrotenen Bohnen für den späteren Bedarf aufbewahrt (Varro III 9. Col. VIII 6).
Nach der Aussage des Aristoteles sollten in Ägypten nicht allein Eier durch die Wärme des Mistes, in welche man sie eingrub, ausgebrütet worden sein, sondern man ließ dort auch zahllose Hühner- und Gänseeier in eigenen Anstalten durch künstlich erzeugte Wärme ausbrüten (Arist. hist an. VI 2. 3. Diodor. Sic. I 74. Plin. X 54). Ferner berichtet Plinius, daß man ,in neuerer Zeit‘ die Erfindung gemacht habe, Eier in Spreu gelegt [909] bei schwachem Feuer in gleichmäßiger Wärme zu erhalten, dieselben täglich umzuwenden und dadurch zum natürlichen Ausschlüpftermin junge Hühnchen zu erzielen (Plin. X 154). Das Beispiel der Livia Augusta, die nach ihrer Vermählung mit dem Tiberius ein Ei an ihrem Busen zur Reife brachte und dieses Gelingen als gutes Omen für die Geburt eines Sohnes auffaßte (sie gebar bald darauf den Nero), mag als Seltsamkeit Erwähnung finden (Plin. X 154). Varro und Columella befassen sich nur mit den bei dem natürlichen Ausbrüten durch das Huhn zu befolgenden Regeln, und zwar empfehlen sie das geduldige und ausdauernde Tier auch zum Ausbrüten von Pfauen-, Gänse- und Enteneiern, Palladius (I 29) auch von Fasaneneiern. Das Huhn bezeigt Neigung zum Brüten frühestens von Ende Januar bis spätestens Anfang Oktober. Da ältere Hühner die besten Brüterinnen, die jungen dagegen die besten Eierlegerinnen sind, so soll man erstere möglichst früh im Jahre brüten lassen, den letzteren aber die Lust dazu durch eine durch die Nasenlöcher gezogene kleine Feder vertreiben (Col. VIII 5). Auch ist es nicht ratsam, ein Huhn noch nach der Sommersonnenwende brüten zu lassen, da die im Hochsommer auskriechenden Küchlein nicht völlig vor Eintritt der kalten Jahreszeit auswachsen (Col. VIII 5). Nur wo die Nähe einer Stadt den Verkauf von jungem Geflügel ermöglicht, kann von dieser Regel abgewichen werden (Col. VIII 5). Das Nest für das brütende Huhn wurde an einem etwas verdunkelten, stillen Platze, wo die Brüterin nicht von den andern Hühnern beunruhigt werden konnte, etwa in der Kammer des Wärters, bereitet (Col. VIII 5). Um das Herauswerfen der Eier beim Aufstehen des Huhnes zu vermeiden, sollte der mit reinlichem, weichem, gut ausgeräuchertem Stroh belegte Korb recht tief sein. Kleine Lorbeerzweige, Knoblauchzwiebeln, etliche eiserne Nägel oder Erde von einem Pflug wurden als Sympathiemittel gegen den Donner, der den werdenden Küchlein im Ei schaden sollte, zwischen das Stroh gelegt (Col. VIII 5. Plin. X 152). Die auszubrütenden Eier wurden stets in ungerader Zahl abgezählt, nach Columella nicht unter fünfzehn, nicht über einundzwanzig, nach Varro sogar nicht über fünfundzwanzig Stück (Varro III 9. Col. VIII 5. Plin. X 150). Auch sollten sie nicht einzeln mit der Hand in das bereitete Nest gelegt werden, sondern man ließ die in einem hölzernen Gefäße liegenden Eier alle gleichzeitig vorsichtig in den Nistkorb gleiten (Col. VIII 5). Vom zehnten bis fünfzehnten Tag des zunehmenden Mondes war die beste Zeit zum Setzen des Huhnes, da alsdann die Küchlein beim nächsten zunehmenden Monde auskrochen, ein Umstand, der ihrem Gedeihen förderlich sein sollte (Col. VIII 5). Bereits nach vier Tagen konnte der Wärter sehen, ob ein Ei befruchtet war oder nicht: zeigte sich, gegen das Licht gehalten, der Dotter noch klar und hell, so mußte das Ei durch ein anderes ersetzt werden (Varro III 9. Col. VIII 5. Plin. X 151). Brütete das Huhn Pfauen- oder Gänseeier aus, so legte man von diesen großen Eiern nur vier oder fünf Stück unter, nach neun bis zehn Tagen fügte man etliche Hühnereier hinzu, so daß die Kleinen am gleichen Tage auskrochen. Futter und frisches [910] Trinkwasser stand stets in der Nähe des Nestes (Col. VIII 5). Hatte das Huhn dasselbe auf kurze Zeit verlassen, um Nahrung zu sich zu nehmen, so prüfte der Wärter das Nest, entfernte ein etwa zerbrochenes Ei und drehte mit der Hand vorsichtig die Eier um, welche er, um prüfen zu können, daß jede Seite gleichmäßig Wärme empfinge, vorher mit einem Tintenzeichen versehen hatte (Varro III 9. Col. VIII 5). Bei ihren eigenen Eiern besorgt die brütende Henne zwar meistens das Geschäft selbst mit ihren Füßen, beim Ausbrüten von Gänse- und Pfaueneiern jedoch, die dem Tiere zu schwer sind, ist diese Nachhilfe des Wärters unerläßlich (s. u.). Pfauen und Gänse bedürfen zur völligen Entwicklung im Ei 3 x 9 Tage oder etwas mehr, Hühner 3 X 7 Tage (Col. VIII 5). Daher soll der Wärter vom 19. Tage ab achtgeben, ob er unter dem brütenden Huhn ein schwaches Piepen höre, und bei einer etwa zu harten Eierschale behutsam mit dem Finger nachhelfen, um dem Küchlein das Ausschlüpfen zu erleichtern. Eier, die am 21. Tage nicht gesprengt sind, sind entweder faul oder enthalten tote Küchlein (Col. VIII 5), jedoch kann es im Winter vorkommen, daß Eier fünfundzwanzig Tage zur Reife brauchen (Plin. X 152).
Die ausgekrochenen Küchlein ließ man einen vollen Tag unter der wärmenden Mutter ohne jegliche Nahrung sitzen, alsdann wurden sie behutsam herausgenommen, auf ein Sieb gesetzt, mit Poleipflanzen puleium (Vorbeugungsmittel gegen pituita, die den Küchlein besonders schädlich war) geräuchert und mit ganz kleinen Portionen von gekochtem Gerstenmehl, weicher Hirse, etwas Kressesamen und ein wenig Wasser gefüttert (Varro III 9). Jeden Tag konnte der Wärter diese Portionen etwas vergrößern, mußte aber durch Befühlen des Kropfes sich davon überzeugen, daß die Küchlein nicht an Verdauungsstörungen litten, gegebenenfalls dem Übel durch Nachhelfen mit einer Feder an der Darmöffnung oder durch Lösen der etwa festgeklebten Steißfederchen abhelfen (Col. VIII 5). Bei kaltem oder regnerischem Wetter durften die Küchlein in den ersten vierzig Tagen das Haus überhaupt nicht verlassen, mußten dabei aber durch ganz besondere Reinlichkeit und Sorgfalt vor Ungeziefer geschützt werden, welches sie im geschlossenen Raum leicht befällt (Varro III 9). Bei günstigem Wetter setzte man die Henne schon bald unter einen Hühnerkorb ins Freie und ließ die Kleinen, die sie durch ihren lockenden Ruf stets in ihrer Nähe behält, um sie herumspielen, bis sie genügend gekräftigt waren, um mit der Alten auszugehen (Col. VIII 5). Von gleichzeitig ausgekrochenen Küchlein konnte man in den ersten Tagen, da die Mutter noch keinen Unterschied der einzelnen wahrnimmt, einer als gute Führerin bewährten alten Henne noch andere Pfleglinge zuteilen, doch wurde hierbei die Zahl dreißig nicht überschritten. Die ihrer Kinder beraubten Hennen kehrten alsdann bald zum Eierlegen zurück (Varro III 9. Col. VIII 5). Aus demselben Grunde wurden die Hühnchen, sobald ihnen die Schwanzfedern gewachsen waren, daran gewöhnt, sich an höchstens zwei alte Hennen anzuschließen, die Führerinnen blieben, während [911] die übrigen wieder zu legen begannen (Varro III 9). Die Henne (Glucke) selbst ist sehr sorgsam, mütterlich und liebevoll gegen ihre Jungen und macht keinen Unterschied in ihrer Fürsorge, auch wenn sie Pfauen, Gänse und Enten ausgebrütet hat. Da die Ente in der Gefangenschaft eine lässige Brüterin ist, kommt dies letztere häufig vor. Rührend ist es anzusehen, wie die Henne voller Angst um ihre Brut am Rand des Teiches auf- und abläuft und ein lautes Klagegeschrei erhebt, wenn die kleinen Schwimmer sich weit ins Wasser wagen und kecklich untertauchen (Plin. X 155). Zuweilen ist es vorgekommen, daß Hähne sich wie Hennen betragen haben, sich des Krähens enthielten und das Brutgeschäft wie eine Henne verrichteten, ja, daß sie beim Tode einer Glucke deren verwaiste Küchlein geführt und für sie mütterlich gesorgt haben (Arist. hist. an. IX 36. Plin. X 155).
Im Frühsommer ausgekrochene Küchlein haben im Herbst genügende Widerstandsfähigkeit erreicht, um die kalte Jahreszeit zu überstehen. Vor dem Eintritt derselben musterte der Landwirt seinen Hühnerhof; die überflüssigen jungen Hähne wurden zum Verkaufe geschlachtet, ebenso alle alten Hennen, die nicht mehr legten, und diejenigen Hennen, welche sich wie Hähne betrugen und die andern beunruhigten (Arist. hist. an. IX 36. Col. VIII 5). Ältere Hähne, die sich bewährt hatten, hielt man dagegen möglichst lange, da man der Ansicht war, daß sie vermöge ihrer Stärke und Erfahrung die Hühner besser vor Wieseln und Schlangen zu schützen vermöchten, als junge, und da man glaubte, etwaige allzugroße Wildheit durch Anlegen eines ledernen Ringes um das Fußgelenk dämpfen zu können (Col. VIII 2).
Zum Mästen wurden vorzugsweise große junge Hennen, die eine fette Haut am Halse hatten, genommen; Hähne sollten sich besser mästen lassen, wenn sie verschnitten waren, d. h. wenn ihnen die Sporen mit einem glühenden Eisen abgebrannt waren, wodurch sie zur Zucht unfähig wurden. Die Wunde wurde bis zur Heilung mit Töpferton verschmiert (Varro III 9. Col. VIII 2. Plin. X 50). Zum Fettwerden wurden die Hühner in einen engen Raum gesperrt, jedoch ihnen ein kleiner Auslauf zum Sonnen gestattet; dreimal täglich wurden sie mit doppelten Portionen gekochter Gerste gefüttert, mittags erhielten sie frisches Wasser. In 25 Tagen mußten sie genügend fett sein (Varro III 9. Col. VIII 4). Ein anderes Verfahren war, große junge Hennen der Hofhühnerrasse, die sich am besten dazu eignete, in einen so engen Käfig zu sperren, daß das Tier sich nicht umdrehen konnte. Dieser Käfig war vorn mit einer Öffnung für den Hals, hinten mit einer solchen für den herausfallenden Kot versehen (Col. VIII 7). Das Huhn saß auf weichem, reinlichem Stroh oder Grummet, da Reinlichkeit den Erfolg der Mästung begünstigt; einmal täglich wurde es herausgenommen, um ihm Bewegung zu gewähren. Dabei wurde das Ungeziefer vom Kopfe entfernt (Varro III 9. Col. VIII 7). Gefüttert wurde mit Teignudeln aus Gerstenmehl und Wasser, oder mit Weißbrot, welches in verdünntem Weine eingeweicht war. Wurde das Brot mit Milch oder Honigwasser [912] durchtränkt, so glaubte man nicht allein fettes, sondern besonders zartes, weißes Fleisch zu erzielen (Cato 89. Varro III 9. Col. VIII 7). Die Teignudeln wurden dem Tiere in den Hals gesteckt. Auch hierbei mußte jedes Übermaß vermieden und durch Befühlen des Kropfes festgestellt werden, daß keine Verdauungsstörungen eintraten. Einmal täglich wurde Wasser gereicht (Cato 89. Varro III 9. Col. VIII 7). Vom ersten Tage des Mondes begonnen, sollte die Mast am zwanzigsten, spätestens am fünfundzwanzigsten Tage beendet sein. In der ersten Hälfte der Zeit legte man täglich der Portion zu, in der zweiten verminderte man die Nahrung, bis wieder die Ration des Anfangstages erreicht war (Varro III 9). Der Mühe- und Zeitaufwand der Mästung wurde nur da angewendet, wo baldiger Verkauf zu hohen Preisen in Aussicht stand, also in der Nähe einer großen Stadt (Col. VIII 4). Die in der Hühnerzucht oft als Lehrmeister genannten Bewohner von Delos sollen auch die ersten gewesen sein, welche Hühner mästeten (Plin. X 139). Ein Gesetz des Consuls C. Fannius verbot elf Jahre vor dem dritten Punischen Kriege für die Tafelordnungen das Verspeisen von Masthühnern, doch wurde dieses Verbot vielfach umgangen (Plin. X 139). Wie Columella (VIII 4) sagt, ist das wichtigste für das Gelingen der Mästung, wie für das Gedeihen der Hühner überhaupt die gewissenhafte Aufsicht, die allein gewährleistet, daß die Kosten der Hühnerzucht die Einkünfte, welche dieselbe dem Landwirt bringt, nicht übersteigen.
Das afrikanische oder numidische Huhn (meleagris, μελεαγρίς), Perlhuhn, legt gefleckte Eier (Arist. hist. an. VI 2). Die Jungen wurden ähnlich wie die Pfauen aufgezogen (Col. VIII 12). Das große, bunte, buckliche Tier wurde seltener gezüchtet als die andern Hühnerarten. Erst in späterer Zeit unter die Leckerbissen der Tafel aufgenommen, waren die Perlhühner teuer, wenn auch ihr Fleisch eines unangenehmen Beigeschmacks wegen nicht allgemein beliebt war (Varro III 9. Plin. X 74), s. den Art. Perlhuhn.
Dem Perlhuhn an Gestalt ähnlicher wie dem Haushuhn ist das Feldhuhn, welches sich nicht in der Gefangenschaft fortpflanzt.
B. Pfauen,
ταώς, pavo. Über Herkunft, Namen, Verbreitung in Griechenland und Italien s. den Art. Pfau.
‚Pfauen zu züchten paßt besser für den Hausbesitzer in der Stadt, als für den schlichten Landmann‘, meint Columella (VIII 11), ,es sei denn, der letztere wolle sich durch den Anblick der Schönheit des Vogels die Einsamkeit des Landlebens versüßen. Wenn schon Fremde freudig erregt werden durch diese Vögel, welche vor allen andern durch Schönheit, Stolz und Ruhm sich auszeichnen, wieviel mehr der Besitzer!‘ (Col. VIII 11. Plin. X 43). Wer Pfauen nur zum Vergnügen halten wollte, bevorzugte Pfauhähne wegen ihres herrlichen Gefieders, für die Zucht kamen die unscheinbaren Hennen (pavones feminae) in erster Linie in Betracht; hier rechnete man auf einen Pfarrhahn fünf Hennen (Varro III 6). Pfauen gedeihen am besten, wenn ihnen möglichst viel Freiheit gelassen wird; die Pfauhenne zieht die Jungen in der Freiheit weit [913] besser auf als im Gehöfte (Col. VIII 11), und die Tiere nächtigen gern auf Bäumen (Pall. 28). Wo es das Gelände ermöglichte, z. B. an der Küste Italiens, richtete man die zahlreichen kleinen, bebuschten oder bewaldeten Inseln, welche dem Festlande gegenüber liegen, wohl nach griechischem Vorbilde, zu Pfaueninseln ein (Hehn Kulturpflanzen und Haustiere⁷ 355). Der erste Punkt auf griechischem Boden, wo Pfauen überhaupt gehalten wurden, könnte die Insel Samos sein, da nach der Legende des dortigen Heraion die Pfauen daselbst zuerst entstanden und nach anderen Ländern ausgeführt sein sollten (Hehn Kulturpflanzen und Haustiere⁷ 350). Varro (III 6) berichtet, daß auf Samos die Pfauen in größeren Herden lebten und dem Heiligtum der Iuno geweiht wären. Von italischen Inseln nennt er Planasia (jetzt Pianosa, an der Westküste Etruriens, südlich von Ilva, jetzt Elba), welche ein gewisser M. Piso mit seinen Pfauenherden bevölkert hätte. Da die Pfauen weder hoch, noch weit zu fliegen vermögen, so können sie nicht von den Inseln entweichen und sind auch dort vor Dieben und Füchsen, die ihnen gern nachstellen, ziemlich sicher (Col. VIII 11. Pall. I 28). Der Wärter brauchte nur die Tiere an einem bestimmten Platz zur bestimmten Stunde einmal täglich mit Gerste zu füttern und nachzuzählen, im übrigen versorgten sie sich selbst (Col. VIII 11). War keine Insel zum Unterbringen der Pfauenherde in der Nähe, so wurde ein großes mit Buschwerk bestandenes Feld eingezäunt und mit hoher Wand ringsum versehen. An drei Seiten wurden unter einem verdeckten Gange für die einzelnen Pfauenfamilien Abteilungen gemacht, welche durch Rohrgeflecht voneinander geschieden waren und zwei kleine Eingänge hatten. Der Wärter gewöhnte jede Familie an ihre eigene Abteilung, indem er sie nur dort, nirgendwo anders, fütterte; denn da die Pfauhähne nicht allein eitel und neidisch, sondern auch so boshaft sind, daß sie die eigenen Jungen, solange sie noch kein Federkrönchen auf dem Kopfe tragen, verfolgen (Arist. hist. an. I 1, 15. Plin. X 44. Pall. I 28), so mußte den Streitigkeiten um die Weibchen und das Futter vorgebeugt werden (Col. VIII 11). An der vierten Seite des Pfauenparks wurde außer der Wohnung für den Wärter auch der Pfauenstall angelegt, dessen Größe sich nach der Zahl der unterzubringenden Pfauen richtete (Varro III 6). Wie der Hühnerstall sollte er von außen und innen geweißt, vor Raubzeug gut verwahrt und peinlich sauber gehalten werden (Varro III 6). Die Sitzstangen sollten gleich denen der Hühner nicht rund, sondern ungehobelt und viereckig sein, doch durften sie sich nur in mäßiger Höhe über dem Erdboden erheben, da die Pfauhenne, auf der Stange sitzend, bevor sie sich zur Ruhe begibt, die Eier legt (Col. VIII 11). Würden die Eier aus größerer Höhe herabfallen, so könnten sie leicht zerbrechen. In der Legezeit mußte darum der Boden des Stalles reichlich mit Stroh beschüttet werden, welches der Wärter jeden Morgen sorgfältig nach den etwa gelegten Eiern durchsuchte (Col. VIII 11). Um das Reinigen des Stalles zu erleichtern, wurden die Sitzstangen nicht fest angebracht, sondern [914] lagen auf zwei Stützpfosten auf, von denen aus ein Zapfen in die an beiden Enden befindlichen Löcher paßte, so daß sie auf einfache Art entfernt werden konnten (Col. VIII 11).
Der Pfau eignet sich zur Zucht erst im dritten Jahre, in welchem ihm auch zuerst die schönen Federn wachsen, jüngere Tiere sind nicht tauglich (Arist. hist. an. I 1, 15. Varro III 6. Col. VIII 11). Um die Pfauen zur Begattung anzuregen, fütterte der Wärter gegen Ende des Winters beide Geschlechter mit in schwach glühender Asche gerösteten Bohnen, welche er nüchtern jeden fünften Tag mit dem Trinkwasser reichte, und zwar auch wieder, wie das übrige Futter, jeder Familie einzeln in ihrer Abteilung (Col. VIII 11). Die Zeit der Paarung ist von Mitte Februar bis Anfang März. Zu dieser Zeit breitet der Hahn vorzugsweise seinen glänzenden Schweif aus, was man ,ein Rad machen‘ nennt, und geht stolz umher, als ob er sich über seine eigene Schönheit verwunderte (Col. VIII 11). Lobt man ihn, so zeigt er die wie Edelsteine schimmernden Federn in besonders vorteilhaftem Lichte, meistens gegen die Sonne, wodurch sie noch glänzender erscheinen, oder er zieht die Augen der Federn, welche er hauptsächlich zeigen will, in einem Haufen zusammen (Plin. X 43). Zu Beginn der Legezeit müssen die Hennen durch Einsperren daran gewöhnt werden, daß sie nur im Stalle legen (Col. VIII 11). Die Henne legt etwa 12 Eier in Zwischenräumen von zwei bis drei Tagen (Arist. hist. an. VI 9, 1), und zwar in der ersten Legeperiode fünf, in der zweiten vier, in der dritten drei Eier (Col. VIII 11). Sie brütet nur einmal im Jahr (Arist. hist. an. VI 9, 1). Will sie brüten, so bringt sie die ganze Zeit ihrer Fruchtbarkeit mit Aufzucht der Jungen zu (Col. VIII 11). Am vorteilhaftesten für den Besitzer ist es, wenn die Pfaueneier, besonders die der ersten Legeperiode, von recht großen, einheimischen Haushühnern, jedoch nicht von der schlecht brütenden rhodischen Rasse, ausgebrütet werden (Col. VIII 11). Seius, welcher große Pfauenherden besaß, kaufte sogar noch zu seinen selbstgezogenen fremde Pfaueneier hinzu und ließ sie von Hennen ausbrüten (Varro III 6). Dem Huhn wurden fünf Pfaueneier und vier Hühnereier untergelegt. Nach neun Tagen entfernte man die vier Hühnereier und legte statt ihrer frische unter. Auf diese Weise krochen am dreißigsten Tage Pfauen und Küchlein zusammen aus (Col. VIII 11). Gleich den Gänseeiern sollte der Wärter die Pfaueneier, welche dem Huhn zu schwer sind, täglich vorsichtig mit der Hand umdrehen. Er bezeichnete sie zu diesem Zweck auf der einen Seite mit Tinte (s. o. Col. VIII 11). Kam die Brut von zwei Hennen gleichzeitig aus, so verteilte man am zweiten Tag die Kleinen in der Weise, daß eine Glucke alle Küchlein, die andere alle Pfauen erhielt (Col. VIII 11). Doch durften alsdann die Familien nicht nahe nebeneinander gesetzt werden, denn ‚beim Anblick der schöneren, größeren Kinder der Nachbarin möchte vielleicht die Henne die Liebe zu ihren unscheinbaren Küchlein verlieren‘ (Col. VIII 11). Mit der Aufzucht der jungen Pfauen wurde wie bei den Hühnern verfahren; sie sollten warm, trocken und sehr reinlich gehalten und nur mit weichem, [915] leichtverdaulichem Futter genährt werden. Gekochtes Gerstenmehl, das mit verdünntem Wein angefeuchtet sein konnte, gut ausgedrückter Käse (die Molken galten als schädlich) oder Weizen, mit tarentinischem Schnittlauch vermischt, wurde in kleinen Portionen gereicht; auch Heuschrecken, denen die Beine ausgerissen waren, ab und zu gegeben. Waren die Kleinen fünf Wochen alt, so durften sie mit der Glucke auf das Feld gehen. Die Glucke wurde vermittels eines Bandes mit dem Bein an den Hühnerkorb gefesselt, auf diese Weise hielten sich die Jungen stets in ihrer Nähe; wurde des Abends die Henne in den Stall zurückgetragen, so folgten sie gehorsam ihrem Rufen und kehrten mit ihr mühelos in die Behausung zurück. Bei feuchtem, kaltem Wetter durften die kleinen Pfauen überhaupt nicht den Stall verlassen (Col. VIII 11). Nach sechs Monaten hielt man sie für genügend gekräftigt, um wie die Alten mit Gerste, Wicken u. dgl. gefüttert zu werden. Auf jeden Pfau rechnete man monatlich einen Modius Gerste (Varro III 6).
Mit etwa sieben Monaten ließ man sie mit den Alten in den Pfauenstall; im Anfang mußte der Wärter darauf achten, daß sie sich an das Auffliegen auf die Sitzstangen gewöhnten, da Schlafen auf dem Erdboden nachteilig sein sollte (Col. VIII 6). Mit dem Fallen der Blätter verliert der Pfauhahn seinen schönen Schweif und, gleichsam als ob er sich seines Verlustes schämte, versteckt er sich voller Betrübnis (Plin. X 44). Pfauen leiden an den gleichen Krankheiten wie die Hühner (s. o.) und werden mit den gleichen Mitteln behandelt (Col. VIII 11). Sie können ein Alter von 25 Jahren erreichen (Arist. hist. an. I 1, 15).
Während Pfauen noch zu des Perikles Zeit in Griechenland eine so große Seltenheit waren, daß die Leute aus der Ferne herbeieilten, um ein im Besitze eines athenischen Bürgers befindliches Paar zu betrachten (Athen. IX 56), hatte sich in den folgenden Jahrhunderten durch die hohen Preise, die für die schönen Tiere bezahlt wurden, die Zucht so ausgedehnt, daß Varro sagen konnte, der Pfau sei nicht seltener als das Huhn, und daß ein griechischer Komiker sogar die jedenfalls sehr übertriebene Behauptung aufstellte, die Pfauen kämen häufiger vor als die Wachteln (Hehn Kulturpflanzen und Haustiere⁷ 353). Zur Zeit Varros, als die Pfauen nicht allein mehr zum Vergnügen gehalten wurden, sondern als Tafelbraten bei den lukullischen Gastmählern in Mengen Verwendung fanden, war der Gewinn, den Züchter aus ihren Herden zogen, ein sehr beträchtlicher. Kostete doch ein Ei fünf Denare, ein junger Pfau fünfzig, also mehr, als ein Schaf einbrachte (Varro III 6), so daß eine Herde von 100 Stück jährlich 40 000 Sesterzen und, vorausgesetzt, daß jede Pfauhenne drei Junge aufzog, sogar 60 000 Sesterzen einbringen konnte. Seius, dessen Geflügelzucht öfters von Varro als besonders gewinnbringend hervorgehoben wird (Varro III 2), und M. Aufidius Lurco, der erste, welcher Pfauen mästete (Varro III 6. Plin. X 45), hatten glänzende Einnahmen. Der Augur Quintus Hortensius soll der erste gewesen sein, der einen jungen Pfau auftischen ließ, um die Erlangung der Priesterwürde gebührend zu feiern [916] (Varro III 6. Plin. X 45); sein Beispiel fand vielfache Nachahmung, wenn auch nur das Fleisch des jungen Pfaues schmackhaft, das des alten aber zäh und trocken ist. Horaz (sat. II 2, 23) spottet über seine Zeitgenossen, die, wenn Huhn und Pfau gleichzeitig aufgetischt werden, alle nach dem Pfau greifen, ,als ob durch den höheren Preis und das strahlende Gefieder dem Geschmacke aufgeholfen würde!‘ Bei einem Schmaus, den der Kaiser Vitellius gab, wurde eine außerordentlich große Schüssel, die er selbst ‚Schild der Minerva‘ nannte, eingeweiht. Sie war gefüllt mit einem Gerichte, welches aus untereinander gemischten Lebern von Papageifischen, Gehirn von Fasanen und Pfauen, Zungen von Flamingos und Milch von Muränen bestand (Sueton. Vitell. 13). Die Pfauenfedern wurden außer zum Schmuck als Fliegenfächer, Wedel u. dgl. benutzt. Bei dem Totenamte, das Severus seinem ermordeten Vorgänger Pertinax halten ließ, mußte ein Knabe mit einem Wedel aus Pfauenfedern die Fliegen von dem auf dem Paradebette liegenden Wachsbilde abwehren, als ob der Verstorbene schlummerte (Cass. Dio 74; de Severo bei Lenz Zool. d. Gr. u. R. 323).
C. Gans
(χήν, anser), s. d. Die Gans, welche Homer mit Kranich und Schwan zusammen zu ,den weitgeflügelten Vögeln, die weidend am Strom sich gelagert‘ rechnet (Ilias XV 690. 691), und von der Plinius (X 23) sagt, daß sie wie der Schwan, in Gesellschaft ziehend, mit weit vorgestrecktem Halse in Gestalt eines liburnischen Fahrzeuges mit der Spitze des Dreiecks nach vorn gerichtet, die Luft durchschneidet, war von alters her in Griechenland und zwar vornehmlich in Elis, sowie in Italien eingebürgert. Nicht wie das Haushuhn (s. Art. Huhn) vom Auslande eingeführt, sondern aus den durchziehenden wilden Arten gefangen, gezähmt und in der Gefangenschaft leicht weitergezüchtet, findet sich die Gans schon in den ältesten Berichten unter den Haustieren erwähnt (Hehn Kulturpflanzen und Haustiere⁷ 364). Gänse sind das einzige Hofgeflügel, welches Homer in der Odyssee nennt (Wegener Die Tierwelt bei Homer. Programmabhandlung Königsberg 1887). Als Telemachos den König Menelaos besuchte, trug ein Adler ,die ungeheure, ins Hofe gemästete weiße Gans, die im Hause sich nährte‘, in seinen Fängen fort (Od. XV 161. 173). Helena deutet dies als günstiges Zeichen für die endliche Heimkehr des Odysseus, der die im Hause prassenden Freier bestrafen wird. Penelope sagt von ihrer kleinen Herde von zwanzig weißen Gänsen, welche Weizen mit Wasser gemischt fressen: ,Ich freue mich, wenn ich sie anseh‘. Der Traum, daß ein Adler ihre Gänse getötet, beunruhigt die Fürstin derartig, daß sie im Schlafe laut schluchzt und weint. Nach dem Erwachen ist ihr erster Gang zu den Gänsen, welche sie unversehrt am Troge trifft (Od. XIX 536–553). Aus der liebevollen Besorgnis um die Tiere dürfte vielleicht zu schließen sein, daß diese Tiere weniger zur Zucht und Mast, als zum Vergnügen der Fürstin gehalten wurden; hielt man doch in Griechenland die Gans für einen schönen Vogel, den man bewanderte und gern zu Geschenken verwandte (Hehn Kulturpflanzen und Haustiere⁷ 365). Auch [917] wurden der Gans gern menschliche Eigenschaften angedichtet: Wachsamkeit (ihre Wachsamkeit soll das Kapitol gerettet haben, Verg. Aen. VIII 655. Diod. Sic. XIV 16. Liv. V 47. Col. VIII 13. Plin. X 51), Liebe (eine Gans in Aigion verliebte sich in den Knaben Olenius, eine andere in Glauke, die Zitherspielerin des Ptolemaios), Interesse für Wissenschaft (dem Philosophen Lakydes folgte eine Gans als stete Begleiterin Tag und Nacht, Plin. X 51). Auf dem Grabe einer guten Hausfrau fand sich unter andern Sinnbildern eine Gans abgebildet, welche die Wachsamkeit der Verstorbenen darstellen sollte (Anth. Pal. VII 425, 7, bei Hehn Kulturpflanzen und Haustiere⁷ 366).
Bei der Auswahl der Zuchttiere soll auf große, weiße Gänse gesehen werden, da die Jungen stets den Alten ähnlich werden, und die grauen, sog. wilden Gänse, nie so zahm werden wie die weißen, sich auch nicht gern unter das übrige Hausgeflügel mischen (Varro III 10). Gänse zu halten ist nur da ratsam, wo Wasser und Gras reichlich vorhanden ist, denn auf bestelltes Land dürfen die Tiere, die alle Keime abfressen, nicht gelassen werden (Celsus bei Col. VIII 13). Sind die Bodenverhältnisse geeignet, so ist allerdings die Zucht sehr lohnend, da Gänse wenig Mühe verursachen, keiner Aufsicht bedürfen und dem Landmanne außer den Jungen auch die feinen weißen Federn liefern, die ihnen zweimal jährlich, im Frühling und im Herbste, genommen werden können (Col. VIII 13). Da Wasser für die Gans unerläßlich ist, so nannten nach Varro Griechenfreunde die Gans genus amphibion und den Teich χηνοβοσκεῖον = Gänsefütterer (Varro III 10).
Wer wenige Gänse hielt, etwa einen Gänserich (anser mas) und drei Gänse, ließ sie auf dem Hofe und bereitete ihnen dort in einem etwas abgelegenen Winkel ein ruhiges Plätzchen zum Sitzen und Legen (Col. VIII 13). Dieser Abschlag sollte etwa 21/2 Fuß breit und mit reinem Stroh belegt sein. Täglich sollten die Tiere vom Hofe auf die Weide, auf einen Teich oder wenigstens in Wassertümpel getrieben werden (Varro III 10). Zu den in großem Maßstabe angelegten Gänsezüchtereien, wie sie z. B. M. Seius und Scipio Metellus betrieben, mußten besondere Anlagen getroffen werden. Ein in der Nähe eines Flusses oder Teiches gelegener Raum wurde mit neun Fuß hoher Mauer umzogen. An der Innenseite dieser Mauer waren unter einem verdeckten Gange außer der Wohnung des Wärters zahlreiche kleine Ställe, jeder drei Fuß hoch, breit und tief, mit einer starken hölzernen Türe verschlossen. War kein natürliches Wasser vorhanden, so mußte ein Teich angelegt werden. Außerdem mußten die Tiere täglich auf feuchtem, grasigem Anger weiden. Zu ihrer Nahrung wurden Futterkräuter angesät, vicia Wicken, trifolium Klee, foenum seris Endivien, foenum graecum Bockshornkraut und lactuca Lattich. Dieser ist sogar den kleinen Gänsen schon sehr zuträglich. Alle Futterarten werden zerrupft oder zerschnitten gereicht; die Gänse auf das Feld selbst zu treiben, galt für falsch; nicht allein beschmutzen und zerreißen sie dort alle Pflanzen, sondern sie beschädigen sich leicht durch übergroße Gefräßigkeit [918] beim Loszerren einer Wurzel an dem bei ihnen sehr zarten Halsmuskel (Varro III 10. Col. VIII 14). In Ermangelung genannter Futterkräuter reichte man farrago (ein grünes Schnittfutter aus Gerste, Wicken u. dgl.), oder Gerste (Varro III 10). Eingeweichte Gerste bildete auch das Futter für die brütende Gans (Varro III 10). Die Gänse paaren sich bald nach dem kürzesten Tage, am liebsten in der Schwemme, und legen vom Februar oder März bis zur Sommersonnenwende, nach Varro (III 10) in vier, nach Columella (VIII 14) in drei Legeperioden, wobei sich die Zahl der Eier von fünf auf drei vermindert. Um sie zum Weiterlegen zu veranlassen, werden ihnen die ersten Eier genommen und Hennen zum Ausbrüten gegeben, die Eier der letzten Periode läßt man von ihnen selbst ausbrüten, und zwar jede Gans die selbstgelegten Eier, da sie nicht gern fremde ausbrütet. Darum ist anzuraten, die Eier zu bezeichnen. Um die Gans daran zu gewöhnen, nur in ihrem Stall zu legen, muß sie, sobald man das erste reife Ei fühlt, eingesperrt werden, bis sie gelegt hat. Beim zweiten Male schon kehrt sie von selbst zu diesem Platze zurück (Col. VIII 14). Hühnern wurden wenigstens drei, höchstens fünf Gänseeier untergelegt, der Gans selbst mindestens sieben, meistens neun bis elf, höchstens fünfzehn. Zwischen die auf reinem, weichem Stroh liegenden Eier steckte man einige Brennesselwurzeln, damit die Brennesseln später den zarten kleinen Gänsen keinen Schaden bringen sollten (Col. VIII 14). Bei günstiger, warmer Witterung schlüpfen die Gänse am fünfundzwanzigsten, bei kaltem Wetter erst am dreißigsten Tage aus dem Ei. Fünf Tage blieben sie im Stalle bei der Alten und wurden mit Gerstengrütze, eingeweichtem Gerstenschrot oder mit kleingeschnittener Kresse in Wasser gefüttert. Alsdann wurden alle junge Gänse in einen Verschlag, der über oder unter der Erde sein konnte, aber sehr warm, trocken und rein sein sollte, gebracht. Mehr als zwanzig Stück sollten nicht zusammen sitzen. Sorglich mußten sie vor Erkältung und vor Raubzeug geschützt werden. Sind diese Tiere auch selbst nicht reinlich, so verlangen sie doch einen reinen Stall und können nur in einem solchen gedeihen (Varro III 10. Col. VIII 14). Zur Mast eigneten sich nach Varro (III 10) am besten Gänse von 11/2 Monaten, nach Columella (VIII 14) von 4 Monaten, die recht groß für ihr Alter waren. In den Mästestall, welcher warm und dunkel gehalten wurde, eingesperrt und dreimal täglich mit sehr reichlichem angefeuchteten Futter genährt oder wie Hühner mit Teignudeln aus Gerstenmehl gestopft, wobei auch reichlich Wasser gegeben wurde, setzten sie schnell Fett an. In vierzig bis sechzig Tagen mußten sie feist sein. Um eine besonders große Leber, die bei den römischen Feinschmeckern schon in hohem Ansehen stand, zu erzielen, mästete man die Gänse mit Nudeln, welche aus zerstoßenen gedörrten Feigen und Wasser geknetet wurden (Hor. sat. II 8, 88. Pall. I 30, 4). Es soll Gänselebern gegeben haben, die an Größe der Gans fast gleichkamen. Die frisch ausgenommene Leber wurde in eine Mischung von Milch und Honig gelegt, wodurch sie aufquillt und an [919] Größe noch bedeutend zunimmt. Es ist unentschieden, ob Scipio Metellus oder Seius dieses Verfahren zuerst erprobte (Plin. X 52. Mart. XIII 8. Iuv. V 114). Messalinus Cotta, der Sohn des Redners Messala, soll der Erfinder eines vortrefflichen Gerichtes gewesen sein, welches aus den gerösteten Füßen der Gans und eingemachten Hahnenkämmen bestand (Plin. X 52). Das Fett konnte außer in der Küche auch noch zu sehr wirksamen Arzneimitteln verwandt werden: wurde es mit Zimmet und Schnee bedeckt und strenger Kälte in einem Metallgefäß ausgesetzt, so hieß es commagenum, nach Commagene, einer Landschaft Syriens, in welcher es zuerst bereitet wurde (Plin. X 55). Besonders wichtig waren dem Landmanne die weichen Flaumfedern der Gans, welche im Herbst und Frühling dem erwachsenen Tiere mit leichter Mühe ausgerupft werden; je näher sie dem Körper anliegen, desto zarter sind sie. Des besten Rufes erfreuten sich die Federn der kleineren weißen Gänserasse in Deutschland, für deren Pfund fünf Denare gezahlt wurden. über die Befehlshaber der in Germanien liegenden Truppen liefen verschiedentlich Beschwerden ein, weil sie ganze Cohorten vom Wachtposten weg auf den Gänsefang schickten. Die Verweichlichung hatte so sehr zugenommen, daß selbst römische Männer glaubten, ihren Kopf nicht mehr ohne weiches Kissen niederlegen zu können (Col. VIII 13. Plin. X 54). Jedenfalls ist es bezeichnend, daß Varro von den Gänsefedern nichts erwähnt. Die britannischen Gänsearten, welche auch vorzügliches Fleisch lieferten, waren kleiner als die italischen. Sie hießen chenalopeces (χηναλώπεκες = Fuchsgänse), chenerotes (Plin. X 56). Auch an der Nordküste Galliens wurden viele Gänse gezüchtet. Aus dem Lande der Moriner wurden sie sogar in großen Herden bis Rom getrieben; die ermüdeten nahm man an die Spitze des Zuges; da die Gänse stets dicht gedrängt gehen, schoben die Nachkommenden die ermatteten vor sich her (Plin. X 53).
D. Ente
(νῆττα, anas). Gezähmte Enten oder Hausenten werden neben den wilden Enten erst in der ersten Hälfte des 3. Jhdts. erwähnt. Griechische Bezeichnungen wie Nessotrophium, Ornithon (Varro III 11. Col. VIII 15) lassen darauf schließen, daß die Römer die Entenzucht von den Griechen kennen gelernt haben (Olck Ente o. Bd. V).
Die Entenzucht erfordert die gleiche Sorgfalt wie die der Gänse, bereitet aber mehr Kosten, denn da die Enten gern fortfliegen, kann man sie nur in hochumfriedigtem, mit einem Netze geschützten Raum halten, auch ist Sumpfgegend oder ein See für die Tiere Lebensbedürfnis (Col. VIII 15). Vor dem Anlegen eines Entenparkes (νησσοτροφεῖον) ließen viele die Nester der Wildenten in den benachbarten Sümpfen ausnehmen und die gesammelten Eier von Haushühnern ausbrüten. Die jungen Enten gewöhnen sich schnell an das Huhn, verlieren ihre Wildheit und gedeihen leicht in der Gefangenschaft, während erwachsene gefangene Enten, der gewohnten Freiheit beraubt, sich nicht leicht fortpflanzen und selten brüten (Col. VIII 15). Ist kein natürlicher See oder ein Sumpf vorhanden, so muß vor Anlage des Nessotrophium unbedingt einer ausgegraben [920] werden, je größer, desto besser. Nach Varro (III 12) können Stufen zu demselben herabführen; Columella (VIII 15) will, daß das Ufer, dem natürlichen möglichst ähnlich, abgeschrägt sei. Dieses sich allmählich senkende Ufer soll gefestigt werden, damit der Ab- und Zufluß des Wassers, für den selbstverständlich Sorge getragen werden muß, die Erde nicht abreiße und den Teich verschlamme (Varro III 11. Col. VIII 15). Zwei Drittel des Teichgrundes sollten gepflastert werden, um das Wasser möglichst klar zu erhalten, ein Drittel etwa mit Wasserstauden, Rohr, Schilf u. dgl. schnell wachsenden Gewächsen bepflanzt werden, zwischen denen die Enten gern ihre Nahrung suchen. Völlig falsch sollte es sein, den ganzen Teich zu bepflanzen, denn die Ente bedarf ebenso gut des freien Raumes zum Schwimmen, wie sie den bewachsenen zum Aufwühlen nach Wassertierchen braucht (Coll. VIII 15). Die Ufer um den Teichrand herum sollten etwa zwanzig Schritt breit mit Gras bewachsen sein. Wenn es der Raum gestattete, war zwischen diesem Grasplatze und den an der Wand angebrachten Steinzellen nochmals ein festgestampfter oder gepflasterter Platz, ein Vestibulum , auf welchem die Enten gefüttert wurden. Auf ihm lief eine vertiefte steinerne Rinne her, in welche das mit vielem Wasser vermengte Futter geschüttet wurde. Die Nahrung bestand aus den von den Enten besonders bevorzugten verschiedenen Hirsearten, aus Weizen, Gerste, Weintrestern, Trauben und Eicheln. Auch reichte man schlechte kleine Fische, Meerkrebse und andere Wassertiere. Die den ganzen Raum umschließende Wand sollte fünfzehn Fuß hoch sein und von außen und innen getüncht werden, um das Eindringen von Katzen und Mardern zu verhindern. Ein grobmaschiges Netz sollte einerseits vor dem Entweichen der Enten, andererseits vor den Feinden dieser Geflügelart, Habicht und[WS 1] Adler, schützen (Varro III 11. Col. VIII 15). Zwar ist die Ente sehr geschickt im Tauchen und entzieht sich dem Verfolger durch andauerndes Unterdemwasserschwimmen, es kommt aber auch vor, daß sie bei diesem Rettungsversuch erstickt (Ael. V 33). Die Zellen, in welchen die Enten nisten, sind aus Stein gebaut und etwa 1 Fuß breit, hoch und tief. Sie werden von Myrthen- oder Buchsbaumsträuchern, welche gern dazwischen gepflanzt werden, überschattet (Col. VIII 15). Das Eierlegen der Enten beginnt im März. Um diese Zeit streute der Wärter Strohhalme, kleines Reisig und Zweige in den Hofraum, welche die Ente zu ihrem kunstlosen Nestbau zusammenträgt. Doch ist sie fast immer eine lässige Brüterin, und der Züchter ließ daher meistens die Enteneier von dem ausdauernden, geduldigen Haushuhn ausbrüten. Sobald die kleinen Enten das Ei verlassen haben, kann man sehen, daß dieses Tier von der Natur weniger für die Erde als für das Wasser bestimmt ist, denn die Kleinen folgen sofort der Alten auf den Teich und schwimmen und tauchen ganz meisterhaft (Varro III 11. Col. VIII 15. Ael. V 33). Außer im Nessotrophium wurden die Enten auch im Ornithon gehalten. In seinem r. r. III 5 geschilderten Ornithon hatte Varro ein kleineres Bassin angelegt, an dessen Rande Nester für die [921] auf dem Teiche schwimmenden Enten angebracht waren (s. den Art. Ornithon).
Neben den gemeinen Enten (anates) fanden sich in den Nessotrophien noch Krickenten (querquedulae), Wasserhühner (phalerides) und eine weitere Entenart (boscides) (Varr. III 11. Col. VIII 15). Der Mist aller Schwimmvögel fand keine Verwertung in der Landwirtschaft.
E. Taube
(περιστερά, περιστερός, πέλεια πελειάς, φάττα, columba, columbus, palumbes, palumbus). Bis in die ältesten Zeiten reicht die Halbzähmung der wilden Feld- oder Felsentaube zurück. Die ägyptischen Denkmäler zeigen zahlreiche Darstellungen von Taubenschwärmen und Tauben, welche gefüttert werden; in Assyrien, Syrien und Palästina war die Taubenzucht weit verbreitet (Lorentz Die Taube im Altertume, Programm, Wurzen 1886). Wie vertraut die Taube dem Empfinden der semitischen Völker war, zeigen nicht allein zahlreiche Stellen der Psalmen und Propheten, wo die Taube als Symbol der Schnelligkeit, der Schüchternheit und Furchtsamkeit, oder als Attribut des Frühlings erscheint, wo das Schimmern ihrer Flügel mit Gold und Silber verglichen wird (Jes. LX 8. Hos. VII 11. Hohelied II 12. Ps. LXVIII 14); auch die Erzählung der Genesis (VIII 8ff.), die den von Noah ausgesandten Raben nicht wiederkehren, die Taube aber mit dem Ölblatte zur Arche zurückkommen läßt, zeigt, wie man sich die Taube von alters her mit dem Menschen verbunden dachte. Ebenso lassen die zahlreichen im Mosaischen Gesetze geforderten Opfer von ,Turteltauben oder jungen Tauben‘ bei Genesung der Wöchnerin (Lev. XII 6. 8. Luc. II 24), glücklicher Heilung vom Aussatz (Lev. XIV 22. 30), Reinigung von allerlei Krankheiten (Lev. XV 14. 29), zur Wiederheilung unrein gewordener Nasiräer (Num. VI 10), welche bei armen Leuten in Gestalt von zwei Turteltauben oder zwei jungen Tauben das größere Opfer an Schafen ersetzten, auf die allgemeine Verbreitung der Taube in oder bei den menschlichen Wohnungen schließen (Luc. II 24). Aus dem Ausdrucke des Propheten (Jes. LX 8) ,wie die Tauben zu ihren Gittern‘ schließt Lorentz (a. a. O.), daß schon zu des Propheten Zeiten in Palästina Taubenschläge, bei denen die vielen Schlupf- und Lichtlöcher den Anblick von Gitterfenstern darboten, im Gebrauche waren. Ebensogut könnte der Ausdruck auf die zum Schutz vor Raubzeug vergitterten Fenster der Schläge passen. Josephus berichtet, daß in den Gärten Herodes’ des Großen zahlreiche Taubentürme gestanden haben (bell. Iud. bei Lorentz a. a. O.).
Den Griechen der ältesten Zeit ist die wilde Taube (πέλεια von πέλος, auch πελλός, πολιός) genau bekannt gewesen. Verhältnismäßig spät scheint dagegen die zahme Taube in der Zahl der Haustiere Aufnahme gefunden zu haben. Nach den Berichten des Charon von Lampsakos, des Vorgängers Herodots (Περσικά bei Athen. IX 394), soll die weiße, der Aphrodite geweihte Haustaube im J. 492, als die Flotte des Mardonios am Vorgebirge Athos scheiterte, nach Griechenland gekommen sein. Der phönizischen Astarte heilige Tauben, die sich auf den vom Sturm zerschmetterten Fahrzeugen der Perser befanden, [922] seien an die thrakische Küste geflogen, von der sie später nach Attika und andern griechischen Landschaften gelangten. Bei Sophokles (frg. 781 Nauck) wird die περιστερά als οἰκέτις und ἐφέστιος der dorischen πελειάς entgegengestellt. Die Wörter περιστεροτροφεῖον und περιστερεών, Taubenschlag, Taubenhaus usw. (Plat. Theaet. 198 b) zeigen, daß die Taubenzucht in Griechenland bald Eingang gefunden hatte. Aristoteles (hist. an. II 12. V 11. VI 2 usw.) stellt die Haustaube περιστερά der πελειάς Felsentaube, οἰνάς Hoftaube, φάψ und φάττα Ringeltaube, sowie der τρυγών Turteltaube gegenüber; auch Galen [de comp. medic. II 10 T. XIII p. 514 ed. Kühn] unterscheidet κατοικίδιοι, Haustauben, von den βοσκάδεσ, ἄγριαι, Feldtauben, zu deren Anlocken und Unterhalten, wie er schreibt, in seiner Heimat Pergamon Türme auf dem Lande errichtet wurden (Hehn Kulturpflanzen und Haustiere⁷ 345).
Bei Varro, Columella und Palladius finden sich ausführliche Schilderungen der Taubenzucht, die sie als etwas Bekanntes voraussetzen. Varro (III 7) unterscheidet drei Arten von Tauben, die Feld- oder Steintaube (columba agrestis s. saxatilis), die weiße Haustaube (columba domestica) und die aus der Kreuzung beider Arten hervorgegangene eigentliche Nutztaube (genus miscellum).
Die erste nur halbgezähmte Art mit buntem, niemals weißem Gefieder nistete unter den Dachfirsten (columina) der Gebäude oder auf Türmen und flog nach Belieben zum Suchen der Nahrung auf die Felder. Dagegen wurde die andere Art, die weit zahmer und fast immer von weißer Farbe war, im Taubenhause gefüttert. Die aus der Vermischung beider Arten hervorgegangene Nutztaube zeigte alle Farben, vom reinen Weiß bis zum dunkelsten Schiefergrau mit schimmerndem, oft wie Smaragd glänzendem Halsgefieder, welches im Sonnenlichte auch rot wie Karfunkel oder blau wie der Himmel aussehen konnte (Lucr. de rer. nat. II 800ff.). In Indien soll es nach Aelian (var. hist. I 15) auch gelbe Tauben gegeben haben.
Auf Landgütern, besonders auf abgelegenen, wurden ohne große Mühe und Kosten zahlreiche Tauben gehalten, deren Behausung sich unter dem Dache der Wirtschaftsgebäude befand, von wo aus sie täglich ungehindert ins Feld flogen und nur in den zwei Wintermonaten gefüttert wurden. In der Nähe einer Stadt, wo Vogelsteller häufig die Tauben wegfingen, verbot es sich von selbst, ihnen allzuviel Freiheit zu lassen. Durch regelmäßiges Füttern im Schlage gewöhnte man die Tiere leicht daran, sich nicht allzuweit und zu lange von ihrem Heim zu entfernen (Col. VIII 8).
Das Peristereon (περιστερεών) wurde im obersten Stockwerk der Wirtschaftsgebäude, oder freistehend auf Pfeilern ruhend, sodann auch als Turm auf dem Herrenhause angebracht (Varro III 7, Pall. I 24). Es sollte möglichst nach Süden liegen, damit es auch im Winter den größten Teil des Tages Sonne hatte (Col. VIII 8). Die Decke des Taubenhauses war gewölbt, die Wände waren wie die Umrahmungen der vergitterten Fenster mit glatter Marmortünche gestrichen, um das Eindringen von Mäusen, Eidechsen und Schlangen [923] zu verhindern. Statt der Gitter konnten auch Netze zum Verschlusse der schmalen Fensteröffnungen dienen. Schmal sollte auch die Eingangstüre zum Schlage sein. Auf die Reinhaltung des Fußbodens, wie überhaupt des ganzen Schlages, war sorgfältig zu achten. Der in der Landwirtschaft hochgeschätzte Taubenmist, welcher seiner erhitzenden Eigenschaft wegen nur verdünnt gebraucht werden durfte, wurde mindestens einmal im Monat vom Wärter ausgefegt (Varro III 7. Col. VIII 8). In nächster Nähe der Wände, wo der Fußboden stets am saubersten ist, waren Futtertröge aufgestellt, welche durch Röhren von außen gefüllt wurden; ebendort befanden sich auch offene Rinnen mit Wasser zum Trinken und Baden, welches auch von außen nachgegossen werden konnte (Varro III 7). Im Gegensatze hierzu verlangt Columella, der das Baden für die fast das ganze Jahr brütenden Tauben für ungesund hält, verschlossene Trinkgefäße aus Blei, in welche, seinen Vorschriften für die Wasserbehälter der Hühner entsprechend, die trinkende Taube nur den Kopf stecken konnte, das Wasser also nicht zu verunreinigen vermochte (Col. VIII 8). Tauben trinken, im Gegensatz zu den Hühnern, in langen Zügen, ohne den Kopf nach jedem Schlucke zu erheben (Plin. X 105).
Das beste Futter für Tauben sind Wicken, Erven, Linsen, Hirse, auch Weizen und Gerste. Der Wärter, welcher das Füttern und Tränken besorgte, heilte auch etwaige kranke Tauben, entfernte tote und nahm die zum Verkaufe bestimmten, bevor sie flügge wurden, aus dem Neste (Varro III 7. Col. VIII 8). An den Wänden dieser Behausung der Tauben befanden sich in Reihen übereinander bis unter die Decke reichend die Nester oder Zellen, wovon jedes Taubenpaar sein eigenes Nest (columbarium) besaß. Entweder waren diese Columbarien gleich beim Anlegen des Taubenschlages in die Wand eingebaut, oder sie standen, aus Ton geformt, auf Brettern dicht nebeneinander, hatten einen kleinen Eingang und waren inwendig etwa drei Hand breit, hoch und tief. In beiden Fällen sollte ein genügend großer freier Raum vor dem Columbarium sein, vestibulum genannt, damit die Taube dort bequem auf- und abgehen konnte. Die Zellen waren wie die Wände mit weißer Farbe, welche die Tauben lieben, getüncht. Vor dem Ausgangstürchen sollte ein möglichst großer Raum mit einem Netze überspannt sein, so daß sich die Tauben unbesorgt vor ihrem schlimmsten Feinde, dem Habicht (accipiter), dort sonnen konnten (Varro III 7. Col. VIII 8). Von den Feldtauben wurden so viele, als man erlangen konnte, zu den gezähmten in das Peristereon gesetzt. Kaufte man neue Tauben zur Zucht dazu, so sollten sie weder zu alt noch zu jung und immer paarweise sein. Am besten sollte es sein, gleichzeitig ausgekommene Tauben sich paaren zu lassen. Haben sich die Tauben einmal gepaart, so bleiben sie treu zusammen bis zum Tod des einen Teiles (Varro III 7. Col. VIII 8. Arist. IX 8). Vor der Begattung schnäbeln sie sich, sie verletzen niemals die eheliche Treue, wohnen bis zum Tod in dem einmal bezogenen Columbarium, nur ein eheloser [924] Tauber oder eine verwitwete Taube verläßt das Nest und sucht sich einen neuen Gefährten. Es gibt auch Tauben, welche fremde Tauben von andern Schlägen durch Schmeichelei herbeilocken, auf dem eigenen Taubenschlag zu nisten. Solche werbenden Tauben sind natürlich vom Besitzer sehr geschätzt (Plin. X 109).
Kein Tier kommt an Fruchtbarkeit der Taube gleich, denn sie bedarf von der Paarung bis zur Aufzucht der Jungen nur 40 Tage; bei genügender Nahrung und an warmen Orten kann die Haustaube jährlich zehnmal legen (Holz- und Ringeltaube dagegen nur zweimal), so daß sie fast das ganze Jahr hindurch brütet, nur in der Zeit vom kürzesten Tage bis zur Frühlingsnachtgleiche setzt sie aus (Arist. hist. an. V 11. VI 1. Varro III 7). Wenn das Weibchen legen will, zeigt sich der Tauber besorgt und eifrig, säumt es zu lange vor dem Schlage, so treibt er es wohl mit Flügelschlägen zum Nest (Arist. hist. an. IX 8). Für jede Brut legt die Taube zwei Eier, aus denen fast regelmäßig ein Männchen und ein Weibchen auskriechen. Legt die Taube ein drittes Ei, was bei Holz- und Turteltauben häufig, bei Haustauben selten vorkommt, so ist dieses immer unfruchtbar und wird Windei (ὑπηνέμιον urinum) genannt (Aristot. VI 6. Plin. X 158. 160). Beim Brutgeschäft, welches 20 Tage dauert, lösen Männchen und Weibchen sich gegenseitig ab, und zwar so, daß der Tauber bei Tag, die Taube bei Nacht brütet (Aristot. VI 4). Auch brütende Tauben muß man ausfliegen lassen, denn sie holen sich durch die Bewegung neue Munterkeit zum Brüten und kehren stets ebenso sicher zum Neste zurück, wie solche, die bereits Junge haben. Diesen Umstand benützte Taurosthenes von Aigina, um seinem in der Heimat weilenden Vater seinen in Olympia erfochtenen Sieg möglichst schnell zu melden. Er hatte eine Taube, welche Junge im Neste hatte, mitgenommen und ließ sie sofort nach erlangtem Preise mit einem Purpurläppchen am Beine fliegen. Noch an demselben Tage kehrte die Taube mit der Glücksbotschaft in die Heimat zurück (Aelian. var. hist. IX 2. Varro III 7. Col. VIII 8). Während der Brütezeit zeigt sich das Männchen besonders eifrig um das Weibchen bemüht, gleichsam, als ob es dasselbe trösten und bedienen wolle. Sind die Jungen ausgekrochen, so bleiben sie noch fast drei Wochen unter der Pflege der Eltern, die sich aber bereits wieder gepaart haben, so daß sich neben den flügge gewordenen Jungen oft neue Eier im Neste finden, oder solche Jungen, die gerade die Schale des Eies durchbrechen wollen. Die erste Kost, welche die Alten den neuausgekrochenen Jungen bringen, besteht aus etwas salziger Erde, welche die Mutter ihnen in den Schnabel einflößt, um sie auf andere Kost vorzubereiten (Plin. X 105. Aristot. IX 8). Alsdann füttern die Eltern mit aufgeweichtem Futter aus ihrem Kropfe. Um junge Tauben schnell zu mästen, sperrte man sie, ehe sie völlig flügge waren, ein und fütterte im Winter zweimal, im Sommer dreimal täglich mit gekautem Weißbrot. Andere brachen ihnen die Beine, so daß die Tierchen hilflos im Neste blieben, und nun von der besorgten Mutter, die doppelt reichlich gefüttert wurde, besonders sorgsam ernährt [925] wurden. Nach Columellas Ansicht sollte der Schmerz des Beinbruches nur drei Tage dauern. Um ihn zu vermeiden, wurden auch bloß die Füße gefesselt, doch war dies Verfahren darum nicht anzuraten, weil die gebundenen Tiere beständig strebten, sich der Bande zu entledigen, und durch ihre Unruhe im Neste den Fettansatz verhinderten (Varro III 7. Col. VIII 8).
Sobald die Jungen ausgewachsen sind, paaren sie sich und brüten wie die Mutter, so daß der Besitzer aus der raschen Vermehrung dieser Tiere reichlichen Gewinn ziehen konnte, besonders wenn er Tauben zog, die durch Größe und Schönheit sich auszeichneten, wie die alexandrinische und campanische Art (Varro III 7. Col. VIII 8. Plin. X 110). Der Preis, den Liebhaber für Tauben zahlten, deren Adel und Abkunft nachgewiesen wurde, war ein außerordentlich hoher. Zu Varros Zeit galt als gewöhnlicher Preis für ein Paar schöner ausgewachsener Tauben 200 nummi, für Prachtexemplare zahlte man 1000 nummi, dem Ritter L. Axius soll sogar ein besonders ausgezeichnetes Paar nicht unter 400 Denaren feil gewesen sein (Varro III 7. Plin. X 110). Diese hohen Preise, die Züchter erzielen konnten, und die in sehr weiten Kreisen verbreitete Taubenliebhaberei muß man im Auge behalten, um zu verstehen, wie bei den hohen Ansprüchen, die z. B. Varro an Einrichtung des Peristereons, Pflege der Tauben, Nahrung u. dgl. stellt, sich trotzdem die Zucht lohnte. Es gab Peristereons, welche 100 000 Sesterzen und mehr gekostet hatten; solche, die etwa 5000 Tauben enthielten, waren keine Seltenheit. Kaiser Alexander Severus, ein großer Tierfreund, hatte neben vielen andern Geflügelarten sogar 20 000 Tauben; um dem Staatssäckel mit seinen zahlreichen Tieren nicht zur Last zu fallen, verkauften seine Angestellten Eier und Junge und beschafften aus dem Erlös das Futter (Varro III 7. Ael. Lamp. de Alex. Sev. 41 bei Lenz a. a. O.).
Um neugekaufte oder gefangene Tauben an den Schlag zu gewöhnen, wurden abergläubische Mittel angewandt; ein Junges vom Turmfalken, der ein Freund der Tauben ist, wurde lebendig in ein irdenes Gefäß verschlossen und dieses in einer Ecke des Schlages aufgehängt, oder ein Strick, an dem sich ein Mensch erhängt hatte, wurde am Zugangstürchen angebracht; auch machte man den Tauben mit einem vergoldeten Messerchen kleine Einschnitte, die ihnen nichts schadeten, in die Flügel (Col. VIII 8. Pall. I 24. Plin. X 109). Die gefährlichsten Feinde der Tauben, namentlich der weißen, sind die Habichte und Falken; vor ihnen fürchten sie sich weit mehr, als vor großen Raubvögeln, die ihnen an Schnelligkeit des Fluges nachstehen. Der Taubenwärter fing die Habichte vermittels einer Locktaube, um welche zwei gebogene Leimruten aufgestellt waren, oder er gesellte den Tauben einen Turmfalken (tinnunculus) bei, den die Tauben sehr lieben, da er ihre Feinde durch seinen Anblick allein schon verscheucht (Varro III 7. Plin. X 109).
Die Turteltaube (τρυγών, turtur) wurde zuweilen zum Vergnügen gehalten, vielfach aber zum Mästen eingefangen und gleich den anderen [926] Tauben behandelt. Nach Varro (III 8) vermehrt sie sich in der Gefangenschaft bei reichlichem Futter nach der Ernte und die Jungen lassen sich leicht mästen, nach Columella (VIII 9) brütet sie jedoch nicht im verschlossenen Raume. Da sie keiner Nistplätze bedurfte, wurde ihr Schlag anders eingerichtet, als der der Haustaube. An Stelle der tönernen Columbarien befanden sich an den Wänden regelmäßige Reihen von Stäben, Sparren oder stark hervortretenden Steinen, die mit einem Streifen hanfenen Gewebes in der Breite ihrer Länge bedeckt waren. Die unterste Reihe sollte vom Boden etwa drei Fuß, die oberste von der Decke einen halben Fuß, die einzelnen Reihen sollten untereinander etwa dreiviertel Fuß entfernt sein. In diese Abteilungen wurden die eingefangenen Turteltauben gebracht und durch ein dicht vor die Sparren gespanntes Netz am Umherfliegen verhindert. Auch hier wurde, wie im Peristereon, auf größte Reinlichkeit geachtet, und der Mist, welcher wie der der andern Taubenarten ein vortreffliches, aber sehr stark wirkendes Dungmittel ist, häufig von dem Gewebe entfernt, damit die auf den engen Raum beschränkten Tauben sich nicht die Füße verwundeten. Frisches Trinkwasser wurde gereicht, und Hirse, das Lieblingsfutter der Turteltauben, reichlich gestreut. Wer mit Weizen mästete, rechnete ½ Scheffel trockener Körner auf 120 Tauben. Am schnellsten wurden sie, wie Holz- und Ringeltauben, fett, wenn sie mit in Wein angefeuchtetem Brot genudelt wurden. Die beste Zeit zum Mästen war der Sommer, die ungünstigste der Winter, da alsdann durch das große Angebot von Krammetsvögeln die Nachfrage nach Turteltauben, die als Leckerbissen galten, geringer wurde (Varro III 8. Col. VIII 9. Pall. I 25. Geop. XIV 24). Ringeltauben (palumbae) konnten wie Hühner durch eingestopfte Gerstenmehlnudeln, oder wie Turteltauben durch in Wein genetztes Brot, oder auch sieben Tage lang mit gekochten und gerösteten Bohnen, dann mit Nudeln aus Bohnenschrot, die, mit geölter Hand geknetet, angefeuchtet dem Tiere eingegeben wurden, gemästet werden. Ihr Fleisch galt als trocken (Cato 90. Col. VIII 8. Galen. de alim. fac. III 19). S. den Art. Taube.
F. Der Fasan
(φασιανός, phasianus, phasiana bei Plin. X 132), dessen Name von dem Flusse Phasis hergeleitet wurde (Mart. Xen, 69), ist, wahrscheinlich gleichzeitig mit Haushuhn und Perlhuhn, also nicht vor der Mitte des 6. Jhdts. v. Chr., aus den südlich vom Kaspischen Meere gelegenen Gegenden nach Griechenland gebracht worden, wo man ihn seines schönen Gefieders halber als Luxusvogel hielt. Unter dem Namen τέταρος wurde der Fasan zur Zeit der Ptolemäer aus Medien unmittelbar in Ägypten eingeführt. Daß er hier unter Ptolemaeus Euergetes II. wegen seines wohlschmeckenden Fleisches bereits gezüchtet wurde, lesen wir bei Athenaeus XIV 654 (Hehn⁷ 362). In Rom wurde der Fasan zunächst nur als Luxusvogel in Parks gehegt, daher erwähnen ihn die landwirtschaftlichen Schriftsteller nicht. Erst Palladius (I 29) gibt nachstehende Anweisungen über seine Aufzucht: Für zwei Hennen genügt ein Hahn. Die jungen Hennen legen jährlich etwa 20 Eier, ältere weniger. In [927] der Regel sollen die Eier von Haushühnern ausgebrütet werden. Die Entwicklung im Ei dauert 30 Tage. Die jungen Fasanen wurden in den ersten Wochen mit weichgekochter Gerste, die abgekühlt mit Wein besprengt ward, ernährt; herangewachsen, erhielten sie geschrotenen Weizen, Heuschrecken und Ameiseneier. Da die Fasanen sehr an Ungeziefer leiden, müssen sie im Staube baden können (Arist. hist. an. V 240. IX 260). Die Fasanen wurden in ähnlicher Weise wie die Hühner gemästet. Die eingesperrten Tiere stopfte man 30 Tage lang mit kleinen, in Öl angefeuchteten Nudeln aus Weizen- oder Gerstenmehl. Vorsicht war nötig, da die Tiere leicht erstickten. Die Preise für den gemästeten Fasan (phasianus pastus), ebenso wie für den wilden (phasianus agrestis) und die Fasanenhenne sind in einem Edikte Diocletians ausdrücklich angeordnet (Hehn⁷ 363). Unter den Leckerbissen, die bei dem zu Ehren des Kaisers Vitellius gegebenen Antrittsschmause aufgezählt werden, wird Hirn von Fasanen und Pfauen genannt (Suet. de Vit. 13). ebenso wird in der Speiseordnung des Kaisers Heliogabal (Hist. aug. Hel. 32) und unter den großen Vogelbeständen des tierfreundlichen Alexander Severus der Fasan aufgeführt (Hist. aug. Al. Sev. 41).
Literatur: H. O. Lenz Zool. d. alt. Griech. u. Röm., Gotha 1856. V. Hehn Kulturpflanzen u. Haustiere, herausg. v. O. Schrader, Berlin 1902. E. v. Keitz Tierliebhaberei im Altertum, Duderstadt 1883. Lorentz D. Taube im Altertum, Programmabh. Wurzen 1886. Wegener D. Tierwelt b. Homer, Programmabh. Königsberg 1887. Olck Ente (o. Bd. V S. 2639ff.).
[Orth.]
Anmerkungen (Wikisource)
Vorlage: uud
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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