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Γαλαξίας. Die älteste Bezeichnung, die die Griechen für die Milchstraße hatten, ist τὸ γάλα οὐράνιον = die himmlische Milch (Parm. frg. 11, 2 p. 42 Diels); späterhin wird dafür einfach gesagt τὸ γάλα (Arist. met. I 8 pass. Arat. phaen. 459. 474. Ptolem. math. synt. VIII 2, 3. Achill. Isag. 24 p. 55 M. u. a.). Nachdem die Ansicht durchgedrungen war, daß die Milchstraße kreisförmig sich unter der Erde fortsetzt, wurde die Bezeichnung γάλακτος κύκλος (Arist. met. I 8, 2) und γαλάκτιος κύκλος (Ptolem. a. O. VIII 2, 1) üblich. Weit häufiger aber findet sich das auffallende Adjektivum γαλάξιος (Plut. plac. phil. III 1. Alex. in Arist. met. I 8 p. 37 H.); diese Form ist wohl so entstanden, daß γαλάκτιος sich zu γαλάξος entwickelte durch Assibilierung von τ und ι zu ξ und daß die Neuform γαλάξος von dem nebenher gebräuchlicheren γαλάκτιος das ι noch hinzunahm und zu γαλάξιος wurde (Brugmann Gr. Gr.3 101 § 81, 11). Neben diesen Benennungen findet sich in späterer Zeit ὁ γαλακτίας (Ptolem. a. O. VIII 2) und ὁ γαλαξίας (Ps.-Eratosth. 44. Plut. plac. phil. III 1. Porphyr. de antro nymph. 29 p. 79 N. Anon. I p. 95 M. Achill. Isag. 22 p. 51 M. 24 p. 55 M., besonders die Kommentatoren zu Arist. met. I 8), außerdem ὁ γαλαξίας κύκλος (Alex. in Arist. met. I 8. Anon. II p. 277 M. Stob. Anth. I 484. 532). Eine genaue Erklärung dieser Ausdrucksweise fehlt, die Bildungen mit dem Suffix ιᾱ gehen wie die Masculina auf τά auf Feminina zurück ,die in der Urzeit Kollektiva und Abstrakta bezeichneten’ (Delbrück Vergl. Synt. I 111). Demnach wäre ἡ γαλακτίας das Collectivum von Milch; das Masculinum würde entsprechend den Kreis bezeichnen, der es mit der Milch zu tun hat. Vielleicht hat diese spätere Benennung die mythologische Deutung der Milchstraße verursacht, wonach darin die ausgegossene Milch der Iuno erblickt wurde; die Erklärung des Porphyrius (a. O. 28 p. 75 N.), die Milchstraße sei so benannt, weil die von ihr in einen sterblichen Körper heruntergleitenden Seelen zuerst mit Milch ernährt würden, bedarf keiner Widerlegung. Die zweite Form γαλαξίας ist in ihrem Werden wohl ebenso zu erklären wie γαλάξιος; sie ist die gebräuchlichste Bezeichnung für Milchstraße, so daß Achilles den alten Ausdruck γάλα für einen dichterischen Notbehelf erklären konnte (Isag. 24 p. 55, 8 M.). Der Ausdruck ist von den Römern der späteren Zeit übernommen und in galaxius, galaxeus geändert worden (Gundel De stellarum appellatione et religione Romana, R.V.V. III 2, 150), von ihnen ist er in die romanischen Sprachen weitergegangen (Mélusine II 151f.). Bei den Römern läßt es sich nicht feststellen, ob sie von alter Zeit an eine eigene Benennung der Milchstraße [561] hatten; was uns erhalten ist, ist durchaus von griechischen Vorbildern abhängig mit Ausnahme der Bezeichnung via; da aber vor Ovid kein Beleg dafür da ist, daß von altersher die Römer in der Milchstraße einen Weg gesehen haben und Ovid höchst wahrscheinlich von Pindar abhängig ist, ist es fraglich, ob die Römer selbst die Milchstraße beachtet und benannt haben. Cicero nennt die Griechen als Veranlasser der römischen Bezeichnung de rep. VI 16. Neben den Wörtern, die sich auf den Weg und die milchweiße Farbe beziehen, finden sich häufig, entsprechend dem Griechischen, circulus, circus, orbis (Gundel a. O.).

Die Frage, was unter dem mattleuchtenden Himmelsbande zu verstehen sei, ist in verschiedener Weise beantwortet worden. Die etymologische Erklärung (G. Curtius Grundzüge der griech. Etymol.5 173) nützt nicht sonderlich, um aus der alten Benennung einen uralten Volksglauben feststellen zu können. Die Griechen haben, wie viele andere Himmelserscheinungen, auch die Milchstraße zunächst nur nach der Farbe benannt, es ist die himmlische Milch, weil sich der Streifen milchfarben von dem Nachthimmel abhebt (Plut. a. O. Ptolem. a. O. Achill. 24 p. 56 M. Anon. I p. 95, 29 M.). Erst später hat man darunter eine tiefere Bedeutung gesucht, die alte Benennung mit leichtbezüglichen Mythen in Zusammenhang gebracht und eine entsprechende Ansicht von dem Wesen der Milchstraße an den Tag gebracht; eine andere haben daneben die einzelnen Philosophen und Astrologen entwickelt. Die verschiedenen Deutungen gingen lange nebeneinander, wurden verworfen und fanden Anhänger, so daß sich später nicht eine bestimmte Volksanschauung fixieren läßt. Es lassen sich folgende Anschauungen über die Milchstraße herausheben:

1. Sonnenstraße.

Dem naiven Betrachter des Sternenhimmels drängt sich wohl zuerst die Idee auf, daß der glänzende Streifen ein Weg ist, der am Himmelsgewölbe von übernatürlichen Wesen ausgetreten wurde. Sehr naheliegend ist der Gedanke, daß diesen Weg das Sonnenfeuer auf seinem täglichen Gange ausgebrannt hat, der sich von dem nicht betretenen Teil des Himmels abhebt, wie die von den Menschen ausgetretenen Straßen von dem umliegenden Gefild. Die Ursache, warum die Sonnenbahn zur Nachtzeit leuchten muß, ist sehr einfach: wie das Gestirn auf die große Entfernung hin die Erde erhitzt, so muß die Wirkung auf die nächste Umgebung eine viel größere sein, so daß alles, was es auf seinem Wege berührt, versengt wird und zur Nachtzeit weiter glüht. Ist das Feuer aber bereits zur Gottheit erweitert, so leuchten die Spuren seines Fußes oder seines Wagens. Wir finden diese Ansichten wiederholt erwähnt, als erster wird Metrodorus genannt (Plut. a. O. Stob. Anth. I 574, 3), später scheint sie bei den Ungebildeten besonders Anklang gefunden zu haben oder neu entstanden zu sein (Beda de nat. rer. XVIII lacteus circulus ... quem vulgo dicunt ex splendore solis in eo currentis ita fulgere. Isid. orig. III 45, 1. Placid. gloss. = Corp. gloss. lat. V 31, 9. Schol. in Germ. Arat. p. 187, 14. 230, 68 B.).

Die schärfere Beobachtung aber ergab, daß die Bahn der Sonne nicht identisch sein konnte [562] mit dem nächtlichen Feuerweg. Man berichtigte daher die naive Erklärung dahin, daß es die alte Sonnenbahn sei; eine Begründung für die neue Sonnenbahn war leicht zu geben: der Weg war zu tief in dem Himmelsgewölbe eingefurcht, so daß er für das Gestirn nicht mehr gangbar war (Arist. met. I 8, 2. Manil. astron. I 739. Plut. a. O. Stob. Anth. I 574. Philo Iud. de provid. 101 vers. Auch.). Da diese Behauptung zu naiv erscheinen konnte, griff man zur Sage. So berichtet Philoponus in Arist. met. VIII p. 102 H., Atreus habe als Astronom zuerst den Menschen gezeigt, wie die wahre Bewegung des Himmels und der Gestirne sei; deswegen habe der Sonnengott die ganze Bewegung des Himmels umgestoßen und auch seine alte Bahn verlassen. Mehr Anklang fand aber eine andere sagenhafte Erklärung des Chiers Oinopides, der behauptete, Helios habe wegen des grausen Verbrechens des Atreus die alte Straße verlassen, um nicht mehr den Ort des Atridengreuels sehen zu müssen (Achill. 24 p. 55 M., Bouché-Leclercq L'astrologie grecque 128). Nahe verwandt mit der Anschauung einer alten Sonnenbahn ist der Phaethonmythus: Nicht Helios selbst, sondern sein Gespann, das der kundigen Leitung entbehrte und dem zu leichten Phaethon nicht gehorchte, brannte den Weg aus, indem es höher stieg und den berührten Himmelsboden in Flammen steckte; die Spur jener verhängnisvollen Fahrt ist die Milchstraße (Diod. Sic. V 23. Manil. I 735 u. a. Knaack Philol. Unters. VIII 52. 79; daselbst wird auf die bekannte deutsche Parallelerzählung hingewiesen). Diesen Mythus, der im 5. Jhdt. wiederholt in den Dramen aufgenommen ist (Knaack a. O. 53), erweiterten einige Pythagoreer folgendermaßen: Während die Rosse ungestüm in die höhere Sternenwelt hinaufrasten und allgemeines Verderben aussprühten, stürzte ein Stern von seinem Platze zur Tiefe und riß bei seinem bogenförmigen Niedersturze das Himmelsgewölbe auf, und diese Wegspur ist die Milchstraße (Arist. a. O. Stob. Anth. I 474, 2) eine andere Deutung bei Olympiodor, der unter Phaethon einen Kometen verstehen will (a. O. p. 67 St.). Auf diese Erklärungen mit Hilfe der Sage spielt spöttelnd Lukianos an, der den Sonnenkönig Phaethon die lässigen Bundesgenossen aus der Milchstraße bekriegen und ihr Land aussengen läßt (Var. hist. I 16. Boll Philol. LXVI 8).

Die bei anderen Völkern öfters vorkommende Erzählung, daß nicht der Sonnensohn oder Helios selbst die Straße verursacht habe, sondern ein Halbgott oder ein diebischer Riese (J. Grimm Deutsche Mythol.4 296. 1. Mélusine II 156; die christliche Übertragung bei Politis Μελέταὶ περὶ τοῦ βίου καὶ τῆς γλώσσης τοῦ ἑλληνικοῦ λάου I 134. 254. II 819ff.), kennt das griechische Altertum nicht. Nur Philo berichtet uns, daß einige den Herakles mit der Rinderherde des Geryon diesen Weg wandern ließen (de provid. 101 vers. Auch.). Die andere Benennung bei Philo, es sei der Kreis des flüchtig dahineilenden Spreudiebes, ist mit Hiller (Eratosth. carm. rel. 48) als die Zufügung des armenischen Interpreten zu betrachten, nicht aber als Erzählung des Eratosthenes (Bergk Jahrb. f. Philol. 1860, 412), diese Vorstellung ist rein orientalisch. [563]

2. Götterstraße.

Dagegen ist die weitere Ausdeutung der Milchstraße als Götterstraße den Griechen und Römern nicht fremd gewesen. Bei der Vorstellung einer Götterstraße kann sowohl die Straße gedacht sein, auf der die Götter am Himmel hinwandern, als auch der Verbindungsweg zwischen Himmel und Erde; von derartigen Wegen ist öfters geredet (Luc. Demosth. enkom. 50. Quint. Smyrn. Posthom. XIV 223). Naturgemäß mußte die Milchstraße den Gedanken eines solchen Himmelsweges wachrufen. Dies hat jedenfalls nach griechischen Vorbildern Ovid näher ausgeführt (met. I 168f.): auf ihr ziehen die Himmlischen zur Königsburg des Zeus, die in der Kuppel gedacht ist; auf beiden Seiten stehen die Paläste der Hauptgötter mit weitoffenen Pforten. Martianus Capella greift diesen Gedanken ebenfalls auf; nach ihm ist der Palast des Iuppiter auf der Milchstraße selbst erbaut, da von dort aus die Bewegung der Welt am besten beherrscht und die Macht des Zodiakus vermindert wird. Der Palast leuchtet in einem silberartigen Glanze, der alle Gestirne überstrahlt; hell glänzen die Mauern und der Giebel in schneeweißem Belage, selbst die Göttersitze sind aus milchweißem Material (II 97. 207). Es ist anzunehmen, daß Ovid nicht aus eigener Phantasie geschöpft hat, sondern wie überall griechische Gedanken aufgenommen hat. Dieses war jedenfalls unser einziger Beleg, der für die Identität der Milchstraße mit einer Götterstraße erhalten ist, Pindar (hymn. 30). Dieser läßt auf der glänzenden Straße des Olympos dem Zeus die Themis zuführen von den Quellen des Okeanos. Hier ist unter der λιπαρὰ ὀδός wahrscheinlich die Milchstraße zu verstehen, sie ist also die Verbindung, die die Götter benützen, um zur Erde herabzukommen (Bergk Kleine Schriften II 708; über dieselbe Anschauung bei anderen Völkern Gundel 152, 2. H. Osthoff Arch. f. Religionsw. XI 1, 59; ob die Inder wirklich in Aryamṇah panthâḥ die Milchstraße gesehen haben, scheint fraglich, Weber Festgruß an R. v. Roth 138. Hillebrandt Vedische Mythologie III 80).

3. Seelenweg und -aufenthaltsort.

Sobald einmal der Begriff eines Götterweges, der die Götter von der Erde zur Himmelskuppe emporführte, festgeprägt war, lag es nahe, diesen Weg auch mit den Menschen in Verbindung zu bringen. Begünstigt wurde dies im 5. Jhdt. durch die Umänderung der Lehre von dem Leben nach dem Tode. Die Seelen großer Männer werden zu einem höheren Leben verklärt und wandern nicht zur Tiefe hinab, sondern gehen auf unsichtbarem Geisterweg hin zu der Insel der Seligen im Ozean. Der Weg selbst wird Straße des Zeus genannt, ist aber nicht die Milchstraße, wie Bergk will (Kl. Schriften II 708), sondern wie die alten Erklärer sagen, die Bahn, die Zeus den Seelen angewiesen hat und die kein Sterblicher je finden kann, da es ein Götter- und Geisterpfad ist (Rohde Psyche II3 213, 2); er führt nicht hoch oben am Himmel hin, sondern über die Erd- und Meeresfläche. Da nun gleichzeitig mit dem Glauben von der Insel der Seligen die Ansicht verbreitet war, daß die Seele zur Höhe gehe (O. Gruppe Griech. Mythol. 1035, 1), und von einzelnen Philosophen direkt gelehrt wurde, daß die Seele ein [564] feuriger Hauch (Heracl. Pont. bei Macrob. Somn. Scip. I 14. 19), ein Teil der Sternsubstanz (Heracl. bei Macrob. a. O.) sei, so lag es nahe, diese Vorstellungen dazu zu vereinigen, daß die Seele bis zum Weltende zu wandern hätte und von da auf der Milchstraße in ihren letzten Bestimmungsort aufsteige. Dieser Glaube vom Toten- oder Seelenpfad tritt bei sehr vielen Völkern uns entgegen (J. Grimm a. O. Mélusine II 155 Drexler Wochenschr. f. klass. Philol. XI 733. Dieterich Mithrasliturgie 182) und ist in Griechenland hauptsächlich als Lehre des Heraclides Ponticus genannt worden. Durch die Dialogfigur Empedotimos (Rohde a. O. II 94, 1) hat Heraclides die Behauptung vertreten, daß die Milchstraße der Weg ist, auf dem die Seelen in das Totenreich wandern (Philopon. in Arist. met. VIII p. 117 H. Stob. Anth. I 906); eine nähere Angabe, wo dieses Totenreich liegt, ist nicht gegeben, sie steigen nicht in ein höher liegendes Reich, diese Wanderung auf der Milchstraße ist schon die Wanderung im Seelenreich. Wahrscheinlich hat auch Posidonius eine ähnliche Ansicht vertreten (Diels Rh. Mus. XXXIX 491). Diese Ansicht vom Totenweg begegnet uns besonders in christlicher Zeit, so bei Paulinus Nolanus V 37f., wo gesagt wird, daß die frommen Vorfahren auf diesem Pfade in den Himmel eingegangen seien, so Elias auf dem Viergespann und ebenso Enoch; derselbe Gedanke bei Dracont. carm. profan. V 325. Anth. lat. II 740 Riese. Auch Maria soll auf der Milchstraße aufgestiegen sein, darum wird sie auch Marienstraße genannt (Mélusine a. O.).

Neben der Vorstellung der Milchstraße als Seelenweg entwickelte sich der Gedanke vom Aufenthalt der Seelen daselbst. Dies hängt zusammen mit der Ansicht, die man sich von dem Aussehen der verklärten Seele machte. Zu derselben Zeit hat der Glaube von der Verwandlung der Seele in einen Stern Anklang in Griechenland gefunden, wie der von einer Reise auf einen Stern oder Sternbild (Gruppe a. O.). Aus der Vereinigung beider Vorstellungen entwickelt sich die Idee, daß die Milchstraße nicht die Brücke ins Jenseits ist, sondern der Aufenthaltsort der hellglänzenden, ätherischen Seelen. Die Lichtgestalten derselben erscheinen von der Erde aus wie Lichtpünktchen, und die große Masse derselben gibt den dichten weißen Schimmer (Zeller Griech. Philos. II4 1038). Der Hades ist nicht unter der Erde gedacht, sondern er ist ersetzt durch die Milchstraße. Diese Lehre wird dem Pythagoras zugeschrieben von Proklos ad Plat. remp. comm. II p. 129, 24 Kr. und Porphyr. de antro Nymph. 28 p. 75 N., nach anderen den Schülern des Pythagoras (Stob. Anth. I 906).

Auch die Römer haben diesen Glauben aufgenommen, aber zunächst nicht auf alle Menschen ausgedehnt, sondern nur auf bedeutende Staatsmänner qui patriam conservaverint, adiuverint, auxerint (Cic. de rep. VI 15). Später bei den Kaiserkonsekrationen wird dem verstorbenen Herrscher eine Heimat bei den Göttern selbst über der Milchstraße angewiesen (Manil. astron. I 800). Den Aufstieg selbst scheint man sich wohl ursprünglich so gedacht zu haben, daß die Seelen zunächst über die Erde gehen müssen bis dahin, wo die Milchstraße auf dieselbe aufstößt (daher [565] wird sie auch als Himmelsleiter aufgefaßt, Mélusine II 143); wie er erfolgte, ist erst in späterer Zeit ausgearbeitet worden. In den späteren Berichten wandern aber die Seelen nicht mehr bis zu einem gewissen Punkte auf der Erde, sondern sie schweben sofort in die Höhe, durchdringen die verschiedenen Schichten der Elemente und Planeten, bis sie endlich nach zwölf Tagen an das Eingangstor in die Milchstraße, an den Capricornus, das sog. Tor der Götter kommen und durch dasselbe ihre Ruhestatt betreten. Der Capricornus führt sie herauf, löst alle sterblichen Teile von der ankommenden Seele und macht sie so unsterblich und göttlich (Proklos ad Plat. remp. II 129 Kr. Macrob. Somn. Scip. I 12, 2; über den Aufstieg der Seele Bousset Arch. f. Religionsw. II. Dieterich a. O.). Wie das Leben dort beschaffen ist, wird nicht weiter ausgeführt, es wird nur gesagt, daß die Verklärten dort selig sind, das ewige Leben genießen (Cic. de rep. VI 13), den Träumen gleich sind ihrer Beschaffenheit nach (Proklos a. O. Porphyrius a. O.), von Lichtschein umflossen, der aus ihnen infolge ihrer Verdienste hervordringt (Plac. gloss. a. O.), und sich freuen an der Herrlichkeit des Weltalls (Man. astron. I 761). Martianus Capella (II 207) läßt nach Platons Vorbild die Seelen teilnehmen an den Vereinigungen der Götter und sich an dem göttlichen Glanze erfreuen. Neben den von Cicero angeführten Mehrern und Erhaltern des Reiches werden noch andere Menschen genannt, die diesen himmlischen Seelenort finden durften, so Heroen, Gesetzgeber, Philosophen, die großen Männer des römischen Reiches, Brutus, Fabius, Scipio, Metellus, Cato und zuletzt die Mitglieder des Kaiserhauses (Man. I 762); diese Schar wird dann von Martianus Capella II 207 ergänzt durch Linus, Homer, Vergil, Orpheus, Aristoxenos, Platon u. a. Doch fehlt es nicht an Belegen, daß auch die Lehre des Pythagoras Aufnahme gefunden hat, wonach auch ein gewöhnlicher Sterblicher nach dem Tode in den allgemeinen Sitz der Seligen, die Milchstraße, gelangt (Anth. lat. II 1438, 17, dieselbe Meinung kehrt bei vielen anderen Völkern wieder, Gundel a. O. 153, 3).

Mit dieser Lehre von dem Weiterleben der Seele ist eng verknüpft die weitere von der Präexistenz und ihrer Herabkunft. Wie einerseits die völlig geläuterten Seelen aus dem Hades nach der bestimmten Reinigungsfrist zur Oberwelt zuzückkehren, so steigen andererseits zunächst die Seelen der Trefflichsten mit bestimmten Zielen herab von der Milchstraße, um auf Erden als Retter des Volkes die vorgeschriebene Zeit zu bleiben (Cic. de rep. VI 13), später scheint dann entsprechend der Platzfrage und der ewig gleichbleibenden Gestalt der Milchstraße ein stetes Kommen und Gehen von gleichviel Seelen gedacht zu sein (Philopon. zu Arist. met. I 8 p. 115 H.). Der Abstieg selbst erfolgt durch das zweite Sonnentor, an dem nördlichen Schnittpunkte der Milchstraße und des Zodiakus, durch den Krebs. Auch hier wäre der einfachste Weg gewesen, daß die herabsteigenden Seelen dort auf die Erde kommen, wo man die Milchstraße auf die Erde aufstoßend dachte, und daß sie von da nach ihrem neuen Aufenthaltsort wandern. Um aber das traumhafte Rückerinnern und das völlige Vergessen [566] alles Geschauten zu veranschaulichen, wurde die Herabkunft nach Platonischem Vorbilde als ein Sturz geschildert, während dessen Verlauf die himmlischen, reinen Bestandteile der Seele getrübt und soviel irdische Teile aufgenommen werden, daß das Göttliche in ihr zunächst verschleiert ist. Als göttliches Wesen verläßt sie das Tor; der Anfang der Wandlung und zugleich die Zuteilung eines bestimmten Geschickes beginnt beim Löwen (Macrob. Somn. Scip. I 12, 4), nun wird die Monade zur Dyade. In den einzelnen Planetensphären drängen sich ihr die irdischen Seelenbestandteile auf, die den Planeten zugeschrieben werden (Macrob. I 12, 14. Gruppe a. O. 1037). Sind sie nun auf der Erde in den angewiesenen Körper gekommen, so wird ihnen als erste Nahrung die Milch gereicht, weil sie von der Milchstraße kommen und von dort das Bedürfnis nach Milch mitbringen; es ist somit der alte Name von der Himmelsmilch derart mit der Vorstellung von dem Hades in dem sobenannten Teile des Himmels verbunden, daß man sich als Nahrung der Seelen daselbst himmlische Milch denkt und ihnen als Ersatz dafür bei der Ankunft auf der Erde irdische Milch gibt; ebendeswegen spielt auch in den Opfern, die man den Seelengeleitern und den Toten selbst gibt, die Milch eine bestimmte Rolle (Proklos a. O. 129, 26; anders Porphyrios a. O. 28 p. 75 N. σπένδειν αὐταῖς (sc. ψυχαῖς) τοὺς ψυχαγωγοὺς μέλι κεκραμένον γάλακτι ὡς ἂν δι' ἡδονῆς εἰς γένεσιν μεμελετηκυίαις ἔρχεσθαι αἷς συγκυεῖσθαι τὸ γάλα πέφυκεν; über das Totenopfer: Usener Rh. Mus. LVII 182, 192). Etwas anders lautet die Lehre von dem Abstieg der Seele und der Rolle der Milchstraße für diese bei Iulian orat. V 165 C. 171 A ἐνταῦθα γάρ φασι μίγνυσθαι τὸ παθητὸν σῶμα πρὸς τὴν ἀπαθῆ τοῦ πέμπτου κυκλοφορίαν. Die Aufstellung von bestimmten Toren und besonderen Wegen, die nach der Milchstraße hinaufführen, geht jedenfalls in ziemlich frühe Zeit zurück, da Heraclides Ponticus seinen Empedotimus drei Tore und drei Straßen erblicken läßt, die zum Himmel emporführen: unam ad signum scorpionis, qua Hercules ad deos isse diceretur, alteram per limitem, qui est inter leonem et cancrum; tertiam esse inter aquarium et pisces (Serv. Georg. II 34; Rohde Psyche II3 94, 1. Bouché-Leclercq a. O. 22f.); ebenso spricht Platon von besonderen Wegen, auf denen die Seelen auf- und niedersteigen (de rep. X 614 C).

4. Milch der Hera.

Der alte Ausdruck Himmelsmilch mußte der Mythendichtung ebenso willkommene Veranlassung geben, wie andere Sternbenennungen, deren ursprüngliche Bedeutung verschwommen war. So wird denn im 4. Jhdt. diese Himmelsmilch als Milch der Hera bezeichnet, die bei einem besonderen aufregenden Erlebnis derselben vergossen wurde. Zur näheren Ausschmückung dieser Erzählung diente die thebanische Lokalsage von der Säugung des Herakles durch Hera, wie sie von Paus. IX 25, 2 berichtet wird. Danach hat Hera infolge eines Truges des Zeus den kleinen Herakles gestillt. Nach anderen Auffassungen reichte Hera nicht dem Säugling, sondern dem bereits erwachsenen Helden freiwillig ihre Brust, um ihm die Unsterblichkeit zuteil werden zu lassen; denn nach der Sage konnten [567] selbst die Menschensöhne des Zeus nicht dieselbe erlangen, wenn sie nicht an der Brust der Hera getrunken hatten (als erwachsener Held ist er so dargestellt auf zwei etruskischen Spiegeln, als Knabe auf einer Lekythos, Klügmann-Körte Etrusk. Spiegel V 76 Taf. 60). Das erstere Motiv bot einer Erklärung der Himmelsmilch geeigneteren Stoff, nur mußte dabei Hera im Olymp gewesen sein, wo ihr der kleine Herakles untergelegt wurde. Die weitere Deutung war einfach die, daß Hera den Trug merkte und im Zorne das Kind von sich stieß, so daß das Kind infolge des Stoßes die Milch verschüttete; diese Milch ergoß sich im Bogen über den Himmel hin und blieb dort als die Milchstraße haften; die Tropfen, die dabei zur Erde fielen, verwandelten sich zu weißen Lilien (Ps.-Eratosth. 44. Philopon. zu Arist. met. I 8 p. 115 H. Geopon. XI 19, 2). Die Erzählung wird nun beliebig verändert, so wird außer Zeus, der den Herakles unterschob, Athene (Diodor. IV 9. Philopon. a. O.) oder Hermes (Ps.-Eratosth. 44) genannt; Hera selbst wird nach anderen schlafend genannt, beim Erwachen habe sie das Kind zornig von sich gestoßen (Hyg. astron. II 43 p. 80 B. Schol. in Germ. Arat. 186, 25 B.); oder es wird gesagt, Herakles habe so gierig gesaugt, daß Hera ihm die schmerzende Brust entziehen mußte (Philopon. a. O.), die Milch aber sei infolge der Aufregung der Göttin über das Himmelsgewölbe hingeschossen; nach anderen habe das gierig trinkende Kind eine solche Menge Milch in den Mund bekommen, daß es dieselbe nicht behalten konnte und ausschüttete (Hyg. a. O.), oder das satte Kind habe die Brust verschmäht, aber die Milch sei weiter geflossen über den Himmel herab (Geopon. a. O.) u. ä. Außer Herakles wird noch Hermes genannt, der auf diese Weise die Unsterblichkeit erlangt habe (Eratosth. nach Achill. Isag. 24 p. 55 M. Hyg. a. O. Anon. I p. 95, 23–30 M.), ebenso Bacchus (Nonn. Dionys. XXXV 308). Zu diesen Erzählungen zu vergleichen Hiller a. O. 6f. 49f. Robert Eratosth. catast. rel. 29. J. Möller Studia Maniliana, Marburg 1901, 19. Friedländer Herakles, Philol. Unters. XIX 164, 3, daselbst der Hinweis auf die St. Bernhard-Legende. Eine andere Version bezieht die Entstehung der Milchstraße auf Ops. Als dieselbe dem Saturnus an Stelle des neugeborenen Iuppiter den Stein reichte, glaubte ihr Saturnus nicht wegen ihres Aussehens, daß sie geboren habe. Erzürnt nahm sie die Brust hoch und drückte zum Beweise Milch aus; diese schoß infolge ihres starken Druckes in weitem Bogen heraus und brachte die Milchstraße hervor (Hyg. a. O. Schol. Strozzian. zu Germ. Arat. 187, 7 B).

5. Philosophische Deutungen.

Es ist leicht erklärlich, daß besonders die Milchstraße das Interesse der Philosophen wachgerufen hat, deren Lage und Aussehen zu den verschiedensten Erklärungen Anlaß gab. Genannt sind uns meist nur die Ansichten von den Pythagoreern, Oinopides, Parmenides, Anaxagoras, Demokrit, Aristoteles, Poseidonios, jedenfalls weil die einzelnen Schriftsteller, die uns dieselben überliefern, auf eine Zusammenstellung zurückgehen, die im 4. Jhdt., vermutlich von Poseidonios selbst gemacht wurde (Diels Doxogr. Graeci 229f. Rh. Mus. XXXIV 489f.). [568]

Während die vorher besprochenen Vorstellungen über das Wesen der Milchstraße meist voraussetzen, daß dieselbe am Himmelsgewölbe festliegt und nur an unserem Himmel sichtbar ist, wird von einigen Philosophen die Behauptung aufgestellt, daß die Erscheinung sich kreisförmig um das ganze Himmelsgewölbe herumzieht. Neben den schon genannten Auslegungen wird den Pythagoreern ebenfalls zugeschrieben, daß sie sich zu dieser Meinung bekannt haben. Nach ihnen umschließt das Feuer des Umkreises das Weltganze und bricht in einer kreisförmigen Weise in dieselbe hinein (Boeckh Pilolaus 99. Zeller I 15 435, 2). Wahrscheinlich ist dieser Pythagoreische Gedanke von Platon aufgenommen und vertreten als φῶς ἐκ τοῦ οὐρανοῦ, das den ganzen Kosmos umschließt und zusammenhält (Rep. X 616 B. Boeckh Kl. Schriften III 299. Zeller a. O.; darauf ist auch von Manilius I 717–723 angespielt). Diese Pythagoreische Erklärung hat wohl auch dem Parmenides zum Vorbilde gedient. Nach ihm besteht das Weltganze aus mehreren gegeneinander gelagerten Kränzen. Diese sind der Beschaffenheit nach so voneinander geschieden, daß der innerste und äußerste Kreis aus zwei reinen und unvermischten Bestandteilen bestehen, während die dazwischenliegenden Kränze die Bestandteile dieser beiden reinen Kränze in sich vermischt haben, sie sind eine Mischung von Licht und Finsternis (Stob. I 482). Die Urelemente sind Feuer und Dunkel (= φῶς – σκότος, ἀραιόν – πυκνόν Stob. a. O. Parmenides ed. Diels 104), einer der aus ihnen gemischten höchsten Feuerkreise ist die Milchstraße, über dem das reine Feuer des äußersten umschließenden Kreises liegt. Aus der Mischung von Feuer und Finsternis erklärt sich die trübe milchweiße Farbe (Plut. plac. phil. III 1, 4. Stob. I 574). Aus ihr wiederum hatten sich Sonne und Mond geschieden (Stob. I 532, 3). Die letztere Angabe ist aber fraglich, da an anderer Stelle von Aëtius angegeben wird, Parmenides betrachte Sonne und Milchstraße als Ausstrahlung des reinen Feuers (Stob. I 484; zu der Frage über die Zuverlässigkeit des Aëtius und die Meinung des Parmenides Forbiger Handbuch der alten Geographie I 506. Zeller I 15 572f. Diels a. O. 104f.).

Eine andere Erklärung sucht Anaxagoras. Er sieht nicht spaltartig das Urfeuer dort herausbrechen aus der äußersten Weltschale, auch nicht eine Vermischung desselben mit den Erddämpfen, sondern erklärt sie zusammengesetzt aus kleinen Sternen. Die kreisförmige Fortsetzung betont er nicht. Die Begründung beeinträchtigt den Wert seiner Lehre. Nach ihm hat jeder Stern ein doppeltes Licht, ein eigenes mit geringer Stärke und eines von der Sonne, die ihm, zur Nachtzeit unter der Erde her, das intensivere Licht gibt. Steht nun die Sonne unter der Erde, so verhindert deren Schatten, daß die Sonnenstrahlen zu einem bestimmten Teile der Sterne gelangen und diesen das stärkere, von ihnen wieder reflektierte Sonnenlicht bringen. Daher flimmern diese Sterne nur schwach und ziehen sich der Erdgestalt gemäß bogenförmig als die Milchstraße am Himmel hin. Diese Begründung mußte ungenügend erscheinen, sobald man die immer gleichbleibende Gestalt der Galaxia mit der stetig ändernden [569] Sonnenstellung verglich; denn infolge der täglich veränderten Stellung derselben hätte der Erdschatten nicht immer denselben Teil des Himmels treffen dürfen. Außerdem wurde die Behauptung hinfällig bei der Erwägung, welche Wirkung der Erdschatten haben konnte bei den Entfernungen von Sonne – Erde – Fixsternhimmel (Arist. met. I 8, 4. Diog. Laert. II 9. Stob. I 574, 5. Plut. a. O. Hippolyt. p. 562, 28 D. Zeller I 25 1009). Demokrit nimmt später die Meinung des Anaxagoras wieder auf und läßt die Milchstraße aus lauter kleinen Sternen bestehen; die milchweiße Farbe erklärt er aus der zahllosen Menge derselben und aus der dichten Stellung. Die Erklärung aus dem Erdschatten hat er aufgegeben; somit entspricht seine Theorie völlig den modernen Vorstellungen (Arist. a. O. Man. I 755. Stob. I 575. Plut. III 1, 8. Macrob. Somn. Scip. I 15, 6. Achill. Isag. 24 p. 55 M. Philo Iudaeus de provid. 101 vers. Auch. Forbiger a. O. Zeller I 25 897. Aristoteles stellt fälschlich Anaxagoras und Demokrit gleich, Ideler Arist. met. I 413f.). Hippokrates von Chios nimmt an, es sei eine spiegelartige Erscheinung, entstanden durch die Brechung unseres Gesichtes gegen die Sonne, ähnlich wie der Komet und der Regenbogen (Arist. met. I 8, 7. Olympiodor und Philoponus zu der Stelle. Stob. I 574). Nach Aristoteles ist die Entstehung der Milchstraße ähnlich zu deuten, wie die der Kometen. Infolge der Bewegung des ganzen Himmels entstehen, ebenso wie bei jedem einzelnen Gestirn Dämpfe, und diese häufen sich naturgemäß besonders dort an, wo die meisten und größten Sterne stehen, nämlich in der Milchstraße. Sie besteht also aus einer Anhäufung von trockenen und brennbaren Dämpfen (Arist. met I 8, 11f. Zeller II 23 472). Theophrast läßt das Weltganze umschlossen sein von zwei Halbkugeln; wo diese beiden aufeinanderstoßen, glänze die Milchstraße (Manil. I 723. Achill. Isag. 24 p. 55 M. Macrob. I 15, 4. Zeller II 23 836, 1). Poseidonios hält sie für eine Ansammlung von Feuer, zarter als das Sternenfeuer, aber dichter als ein Lichtstrahl, das deswegen quer zu dem Zodiakus über den Himmel brennt, damit die oberen Teile desselben auch erwärmt werden (Stob. I 576, 8. Plut. III 1, 10. Macrob. Somn. Scip. I 15). Diodor stellt eine ähnliche Theorie auf (Macrob. Somn. Scip. I 15, 5). Aus diesen Auslegungen ersehen wir, daß so ziemlich alle Vermutungen über das Wesen der Milchstraße sich im Lauf der Zeiten entwickelt haben, die irgendwie Verstand und Phantasie kombinieren konnte. Auffallend ist es daher, daß eine Vorstellung völlig fehlt, die sehr naheliegend ist: die des Flusses. Bergk (Jahrb. f. Philol. 1860, 412) hat allerdings eine ähnliche Meinung aus der armenischen Übersetzung des Philoponus herausheben wollen und aus den Worten quod cornu appellat hucusque (de provid. 101) den griechischen Namen κέρας gelesen, so daß die Milchstraße als Lichtquelle gedacht sei, aus der ein reicher breiter Strom sich ergieße. Da nun nirgends eine ähnliche Benennung auftritt, die sicher nicht von den Alten totgeschwiegen worden wäre, ist Hillers Verbesserung wohl richtig, der cornu für ein Versehen des armenische Übersetzers hält (Eratosth. carm. rel. 50). Die anderen Völkern [570] sehr geläufige Vorstellung, daß die Milchstraße der Himmelsfluß sei, der sich über das Gewölbe hinziehe (Mélusine II 156. 157; besonders bei den Ägyptern und Arabern, auch im Neugriechischen Politis a. O. II 822f.), tritt uns nur bei Iulian entgegen, der sie orat. V p. 214, 10 H mit dem Flusse Gallos identifiziert, sie scheint aber den Römern nicht ganz fremd gewesen zu sein (Plin. n. h. XVIII 280. Martian. Cap. II 207. Claudian. XXVIII 173).

Die Astrologen haben keine neue Hypothese über das Wesen der Milchstraße aufgestellt, sondern das bereits früher Gefundene kombiniert. Die meisten begnügen sich, das Aussehen zu konstatieren, daß sie nicht gleichmäßig ist, sondern sowohl an Breite und Farbe, Dichte und Gestaltung verschieden ist, zum Teil als ein breites Band, zum Teil zwiefältig erscheint (Ptolem. math. syntax. VIII 2 p. 176 H.); außerdem werden die einzelnen Sterne und Sternbilder aufgezählt, die in derselben liegen (Man. I 684–700. Ptolem. math. syntax. VIII 2 p. 170 H. Hyg. astron. IV 7). Bei allen steht aber fest, daß es ein Kreis, ist, der sich um den ganzen Himmel herumlegt, und dieser unterscheidet sich bedeutend durch seine Farbe, Gestalt und Breite von den übrigen, die nur λόγῳ θεωρητοί sind (Gemin. Isag. IV. Achill. Isag. 24. Macrob. Somn. Scip. I 15, 2).

Die Abbildungen der Milchstraße sind sehr selten; sowohl auf den Globen, als auch bei allegorischen Darstellungen der Sternbilder scheint sie wenig berücksichtigt zu sein. Den Grund dafür gibt Geminus Isag. V 69 M. an (οὐχ ὣρθται δὲ αὐτοῦ τὸ πλάτος, ἀλλὰ κατὰ μέν τινα μέρη πλατύτερός ἐστι, κατὰ δέ τινα στενότερος. δι' ἣν αἰτίαν ἐν ταῖς πλείσταις σφαίραις οὐδὲ καταγράφεται ὁ τοῦ γάλακτος κύκλος; ebenso hält Leontius de sphaerae Arateae constructione p. 564 M. das Einzeichnen der Milchstraße für unnütz). Doch fehlte es auch nicht an Globen, auf denen dieselbe abgebildet war, so auf dem Fragment des Berliner Globus (G. Thiele Antike Himmelsbilder 42). Auch dem Aristoteles hat eine Abbildung vorgelegen, wie er ausdrücklich erwähnt; wahrscheinlich war dieselbe als breiter weißer Streifen markiert (Arist. met. I 8, 18). Ebenso hat Manilius einen Globus benützt mit der Darstellung der Milchstraße, was aus der Art hervorgeht, wie er die einzelnen Sternbilder aufzählt (Möller a. O. 30f.); weiß aufgetragen war sie auf dem Globus des Scholiasten zu Arat, von Maass als Anonymus I bezeichnet (p. 95. 30 M.). In späterer Zeit ist sie in dem Schlafgemach der Adela neben anderen Sternbildern an der Decke gemalt: suo distincta colore decenter | et rubicunda simul et glacialis erat (Baudri Abbas ad Adelam Comit. 589 p. 609 M.). Daneben fehlt es nicht an allegorischen Darstellungen, was aus den erhaltenen Abbildungen in den Germanicusscholien hervorgeht (Bethe Rh. Mus. XLVIII 108. Thiele a. O. 144. 147. 149). Sie zeigen eine Gruppe von zwei anscheinend weiblichen Gestalten; die eine befindet sich in schwebender Stellung und greift mit den ausgebreiteten Händen nach dem Reifen der Milchstraße; der Oberkörper ist entblößt. Die zweite Figur sitzt links von ihr, ist vollbekleidet und wendet den Kopf nach der entgegengesetzten Seite. Maass bezieht die Gestalten [571] auf die οὐρανίη Νύξ mit dei ἡμέρα (nach Arat. phaen. 408. 470); doch ist die Deutung unwahrscheinlich (Thiele 147). Thiele erblickt darin eine symbolische Darstellung von der Apotheose der Heroen in die Milchstraße und deutet die Figuren nach Art der Kaiserapotheosen als tragenden Genius mit dem Verstorbenen. Die Zeichnungen im Matritensis und Vindobonensis sind aber nicht identisch, im Vindobonensis kann unmöglich von dem Sitzen der trauernden Figur auf der schwebenden die Rede sein. Vielleicht ist durch die schwebende Figur ausgedrückt das Emporsteigen der Seelen zur Milchstraße, während die dahinterkauernde verhüllte Gestalt eine Hinterbliebene sein soll, die trauernd den Kopf von der Entfliehenden abwendet. Dieselbe Urauffassung hat als Vorlage dem älteren Michael Scotus vorgelegen bei der Abbildung in der Münchener Hs. (Boll Sphaera 443), wo jedoch an Stelle der unteren weiblichen Figur ein bärtiger Mann getreten ist.
[Gundel.]

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