91) M. Fulvius Nobilior, M. f. Ser. n. (Fasti Cap. und Weihinschriften), war vielleicht 555 = 199 Volkstribun (Liv. XXXII 7, 8 ohne Cognomen; doch vgl. auch Nr. 56), dann sicher 558 = 196 curulischer Aedil mit C. Flaminius (Liv. XXXIII 42, 8) und wurde mit demselben 561 = 193 Praetor, in welcher Eigenschaft er das jenseitige und Flaminius das diesseitige Spanien zur Provinz erhielt (Liv. XXXIV 54, 2. 55, 5. 56, 8). Er blieb mit prorogiertem Imperium auch während der beiden folgenden Jahre in der Provinz und errang eine Reihe von Erfolgen über die Vaccaeer, Vettonen und Oretaner (Liv. XXXV 7, 8. 20, 11. 22, 6–8. XXXVI 2, 8. Oros. IV 20, 16. Auct. de vir. ill. 52, 1), sodaß ihm bei seiner Heimkehr Ende 563 = 191 eine Ovatio bewilligt wurde (Acta triumph. Liv. XXXVI 21, 10. 39, 1. Auct. de vir. ill. 52, 1). Zum Consul für 565 = 189 mit Cn. Manlius Vulso gewählt (Fasti Cap. Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Liv. XXXVII 47, 7. 48, 1. Cassiod. Vell. I 15, 2), erhielt er den Krieg gegen die Aetoler und sein Amtsgenosse den gegen die Galater (Liv. XXXVII 50, 4–8, Vermengung beider Consuln bei Oros. IV 20, 25). Er setzte im Anfang seines Amtsjahres nach Epirus über und wandte sich auf den Rat der Epiroten gegen das zum Aetolischen Bunde gehörige Ambrakia (Polyb. XXI 25, 9. 26, 1–6. 19. Liv. XXXVIII 3, 6. 9–11). Die Stadt wurde eingeschlossen und mit Maschinen und Minierarbeiten besonders an drei Stellen angegriffen, aber auch aufs tapferste verteidigt, sodaß sich die Belagerung sehr in die Länge zog (Polyb. 27, 1–28, 18. Liv. 4, 1–7, 13. Zonar. IX 21); der fünfzehntägige Kampf um die Mauern und die Niedermetzlung von über 3000 Feinden, deren sich F. selbst in einer Rede bei Liv. XXXIX 4, 9–11 rühmte, ist eine Episode der langwierigen Belagerung, die F. hervorhob, um seinen Anspruch auf den Triumph zu rechtfertigen (vgl. über diese Bedingung eines Triumphs Mommsen St.-R. I 133, 7). In Wahrheit hat F. Ambrakia nicht mit Waffengewalt gewonnen; sondern er stellte die Kapitulation der Stadt als Bedingung bei den Friedensunterhandlungen, zu denen sich die Aetoler aus anderen Gründen genötigt sahen, und die schließlich zum Ziele führten, dank der Fürsprache der Athener und der Rhodier und des C. Valerius Laevinus, der zugleich Halbbruder des F. und Patron der Aetoler war (Polyb. 29, 1–30, 8. Liv. 8, 1–9; vgl. Vell. II 38, 5. Flor. I 25, 1–3. Auct. de vir. ill. 52, 2. Ampel. 47, 3. Zonar.). Von einer Plünderung blieb Ambrakia zwar verschont, wohl aber ließ F. aus der Stadt, die Pyrrhos als seine Residenz reich geschmückt hatte, eine solche Menge erlesener [266] Kunstwerke nach Rom entführen, wie sie dorthin aus Hellas noch nicht gelangt waren (Polyb. 30, 9f. Liv. 9, 13. Auct. de vir. ill. 52, 2); die besten Stücke stellte er in dem Tempel des Hercules Musarum auf, den er eigens dafür im Marsfeld erbaute (Cic. Arch. 27. Plin. n. h. XXXV 66. Eumen. pro schol. restaur. 7 [Panegyr. Lat. ed. Baehrens 121, 25ff.]; vgl. Serv. Aen. I 8. Jordan-Hülsen Topogr. der Stadt Rom I 3, 544); wie davon noch die dort gefundene Basis eines Weihgeschenks zeugt (CIL VI 1307[1] = Dessau 16: M. Folvios M. f. Ser. n. Nobilior cos. Ambracia cepit), so eine zweite davon, daß er auch die zweite Heimat seines Geschlechts, Tusculum, bedachte (CIL I 534 = XIV 2601 = Dessau 17: M. Fulvius M. f. Ser. n. cos. Aetolia cepit). Nach der Bestätigung des Friedens durch die aetolische Bundesversammlung ging F. nach Kephallenia hinüber, das in den Vertrag nicht aufgenommen worden war (Polyb. 30, 11–14. Liv. 10, 1f.); die Städte der Insel ergaben sich ihm mit Ausnahme von Same, das erst nach einer Belagerung von vier Monaten im Anfang 566 = 188 bezwungen wurde (Liv. 28, 5–29, 11 vgl. Polyb. 40. Zonar. Flor. I 25, 4). In der Zwischenzeit ging F. von Kephallenia nach Rom zur Abhaltung der Wahlen und nach der Einnahme von Same in den Peloponnes zur Ordnung der dortigen Verhältnisse; er scheint erst Anfang 567 = 187 endgültig heimgekehrt zu sein (Polyb. XXII 13, 14. Liv. XXXVIII 31, 5f. 35, 1. 3. 42, 10. 13; vgl. über die chronologischen Schwierigkeiten Nissen Krit. Untersuch. 206. 210). Für dieses Jahr hatte M. Aemilius Lepidus (o. Bd. I S. 552 Nr. 68) das Consulat erhalten, dessen Wahl F. in den beiden vorhergehenden Jahren vereitelt hatte (Liv. XXXVII 47, 7. XXXVIII 35, 1. 43, 1. XL 46, 14); bei ihm fanden die Beschwerden der Ambrakioten gegen F. geneigtes Gehör, und vergebens suchte sein Kollege C. Flaminius den F., mit dem er die Aedilität und die Praetur bekleidet hatte, in Schutz zu nehmen (Liv. XXXVIII 43, 2–44, 7); als dann F. selbst in Rom eintraf und den Triumph forderte, stieß er auf Widerstand, obwohl jetzt Lepidus abwesend war, bis er schließlich den Triumph und die Abhaltung von Festspielen durchsetzte (Liv. XXXIX 4, 1–5, 12). Die annalistischen Berichte über diese beiden Senatsdebatten stimmen allerdings in den Tatsachen nicht mit Polybios überein, aber sie spiegeln die verschiedenen Auffassungen wider, die wirklich von zwei Zeitgenossen und Begleitern des F. im Aetolerkriege über seine Verdienste literarisch vertreten worden waren, nämlich von dem Dichter Ennius in seinen Annalen (Cic. Arch. 27; Brut. 79; Tusc. I 3. Auct. de vir. ill. 52, 3; vgl. Skutsch oben Bd. V S. 2591. 2609f.) und in einer besonderen Dichtung Ambracia (vgl. Skutsch a. O. 2599. 20ff.) und von M. Cato in einer gegen F. gerichteten Rede (Gell. V 6, 24ff.; vgl. Cic. Tusc. I 3. Fest. 182. Nissen a. O. 211). Der Triumph des F. und die ihm folgenden Spiele wurden schließlich mit größtem Glanze gefeiert (Liv. XXXIX 5, 13–17. 22, 1f. XL 44, 10. 45, 6. Cic. Mur. 31. Eutrop. IV 5, 1. Auct. de vir. ill 52, 2. Cassiod.). Bei der Bewerbung um die Censur im J. 570 = 184 [267] unterlag er wie andere dem Cato (Liv. XXXIX 40, 2); dagegen wurde er beim folgenden Male 575 = 179 gewählt, und zwar mit seinem alten Gegner Lepidus, worauf sich beide sofort öffentlich versöhnten und ihr Amt in vollster Eintracht führten (Cic. prov. cons. 20. Varro de vita p. R. bei Fest. 285. Liv. XL 45, 6–46, 16. Val. Max. IV 2, 1 und Gell. XII 8, 5f., beide irrig Fulvius Flaccus statt Fulvius Nobilior). Nach der Lectio senatus, bei der F. seinen Amtsgenossen zum Vormann machte (Liv. XL 51, 1), entfalteten beide Censoren eine bedeutende Bautätigkeit in Rom, besonders F. (Liv. 46, 16. 51, 4–8); ihr gemeinsames Werk war die Basilica Aemilia et Fulvia (ebd. 51, 5. Varro de l. l. VI 4. Plut. Cacs. 29, 2), die später und gewöhnlich nur als Basilica Aemilia bezeichnet wird, weil nach dem Aussterben der Fulvier die Nachkommen des Lepidus die Sorge für ihre Instandhaltung und Erneuerung allein übernahmen; auch der an die Basilica grenzende Fleisch- und Fischmarkt wurde von beiden Censoren, besonders aber von F. umgebaut (Liv. a. O. Fest. ep. 125; vgl. Varro l. l. V 147 und die Artikel Forum piscatorium und Macellum); die Tragweite einer von ihnen durchgeführten Reform der Tributcomitien läßt sich bei der Kürze der einzigen Nachricht darüber (Liv. XL 51, 9) nicht mit Sicherheit beurteilen (vgl. Mommsen St.-R. III 185). Die Censur des F. wurde zum Gegenstande einer besonderen Angriffsrede von Cato gemacht (Fest. 282); ob dies dieselbe Rede war, in der Cato auch die Erfolge des F. in Aetolien herabsetzte (s. o.) und in der er seinen Beinamen zu dem Wortspiel Nobilior–Mobilior verwendete (Cic. de or. II 256), ist unbekannt. Da F. weiterhin nicht mehr erwähnt wird, dürfte er die Censur nicht lange überlebt haben. Sein Interesse für Kunst und Literatur bezeugen seine Bauten, seine Kunsträubereien, seine Beziehungen zu Ennius und außerdem die Aufstellung eines Kalenders in dem von ihm erbauten Heiligtum des Hercules Musarum, der den Praenestinischen Fasten ähnlich gewesen zu sein scheint und von Varro benutzt wurde (de l. l. VI 33f., vgl. die in letzter Linie auf Varro beruhenden übrigen Zitate bei Macrob. Sat. I 12, 16. 13, 21. Censorin. de die nat. 20, 2. 4. 22, 9. Charis. G. L. I 138, 15. Lyd. de ostent. 16 p. 47, 22 W.2). Seine Söhne sind Nr. 93 und 95.
[Münzer.]
Anmerkungen (Wikisource)
Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 1307.
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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