ART

58) M. Fulvius Flaccus war nach den Grenzsteinen M. f. und nach den Acta triumph. M. f. Q. n., also der Sohn von Nr. 57. Die schimpfliche und vielleicht allzu harte Bestrafung des Vaters mochte wohl zuerst in dem Sohne den glühenden Haß gegen die herrschende Nobilität geweckt haben, der ihn zum entschiedensten Genossen des C. Gracchus werden ließ. Vermutlich war er der Φλάβιος (statt Φούλβιος) Φλάκκος ἀπὸ βουλῆς ἀνήρ, der 621 = 133 dem Tib. Gracchus die Nachricht von der drohenden Gefahr brachte (Plut. Tib. Gracch. 18, 2). Nicht lange nach dessen Untergang, mindestens seit 624 = 130, bildete er mit C. Gracchus und C. Papirius Carbo das zweite Triumviralcollegium zur Durchführung der Ackerverteilungen (Grenzsteine CIL I 554f.[1] = X 1024f. = Dessau 25. Liv. ep. LIX. Obseq. 28. Vell. II 6, 4. Auct. de vir. ill. 65, 4. Plut. C. Gracch. 10, 3. Appian. bell. civ. I 73) [242] und griff den Scipio Aemilianus als Gegner der Reformen noch unmittelbar vor dessen Tode 625 = 129 aufs heftigste an (Cic. de or. II 285. Liv. Obseq. Plut. 10, 4). Im J. 629 = 125 wurde er Consul mit M. Plautius Hypsaeus (Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Val. Max. IX 5, 1. Frontin. de aquis I 8, Oros. V 11, 1. Obseq. 30. Cassiod. Appian. I 87. 152, Phlegon mirab. 10 [vgl. Diels Sibyllin. Blätter 3ff.]; fast allgemein wird F. bei seinem Tode als consularis bezeichnet). Er trat damals sehr entschieden für die Verleihung des Bürgerrechts an die italischen Bundesgenossen ein und geriet dadurch in einen scharfen Gegensatz zu seinem Kollegen und dem Senat (Val. Max. Appian.), so daß man gern einen ehrenvollen Vorwand benützte, um ihn aus Rom zu entfernen (Appian.). Auf ein Hilfegesuch der Massalioten hin übernahm F. die Führung des ersten Krieges im transalpinischen Gallien und besiegte die hier wohnenden Ligurer, die Salluvier und die Vocontier, so daß er über sie triumphieren konnte (Acta triumph. Liv. ep. LX. Obseq. Plut. C. Gracch. 15. 1; als triumphalis bezeichnet bei Vell. II 6, 4. Plut. 18; nicht auf diesen F., sondern auf Q. Flaccus Nr. 61 bezieht sich trotz der Erwähnung der Salluvier Flor. I 19, 5). Obgleich im folgenden J. 630 = 124 beide Consuln auf den gallischen Kriegsschauplatz abgingen, wurde auch F. noch dort belassen, da er seinen Triumph erst 631 = 123 beging (Acta triumph.). Gleich darauf ergab er sich wieder der eifrigen Agitation für die Gracchischen Reformen, und obgleich die Bekleidung des Volkstribunats nach den höheren Ämtern etwas Unerhörtes war (vgl. Mommsen St.-R. I 552), bewarb er sich als Consular um das Volkstribunat für 632 = 122 und erhielt es (Appian. I 90. 102. 153). Nach derselben Darstellung (ebd. 102ff.) soll er freilich auch den Gracchus nach Afrika begleitet haben, um die Anlage der Kolonie Karthago durchzuführen, während er nach einer andern (Plut. C. Gracch. 10, 3. 11, 1) vielmehr in der Abwesenheit des Gracchus in Rom einen heftigen Kampf mit M. Livius Drusus, zumal über die Bundesgenossenfrage, führte (vgl. Ed. Meyer Untersuch. zur Gesch. der Gracchen 19, 5. Kornemann Klio Beiheft I 50, 2). Auch über die Rolle, die F. bei der Katastrophe des Gracchus im J. 623 = 121 spielte, gehen die Berichte im einzelnen mehrfach auseinander (vgl. Ed. Meyer a. O. 30. Kornemann a. O. 12f.); doch stimmen sie darin überein, daß er vor allem den bewaffneten Widerstand gegen die Regierung organisierte, den Aventin besetzte und den Kampf leitete (Vell. II 6, 4. 6. Oros. V 12, 5–8. Plut. C. Gracch. 12, 1. 13, 2. 14, 2f. 15, 1. 16, 1–3. Appian. I 112. 114f.). Nach dessen unglücklichem Ausgange wurde er auf der Flucht in einem Privatgebäude, in dem er sich verbergen wollte, erschlagen (Vell. Oros. Plut. 16, 3. Appian. I 118, vgl. Diodor. XXXIV 29. 30). Vielfach wird er neben Gracchus als wichtigstes Opfer des Kampfes genannt, und zwar zusammen mit seinen beiden Söhnen, so von Cic. Cat. I 4. 29. IV 13; de domo 102. 114; Phil. VIII 14. Sallust. Iug. 16, 2. 31, 7. 42, 1. Liv. ep. LXI. Val. Max. VI 3, 1. Ascon. Pis. 15. Schol. Gronov. p. 412 Or. Sein Kopf wurde abgeschlagen (Plut. 17, 3); sein Haus [243] auf dem Palatin, das er mit Trophäen seines Triumphes geschmückt hatte (ebd. 15, 1), wurde niedergerissen (Cic. de domo 102. 114. Val. Max. VI 3, 1). Nach den scharfsinnigen, doch unsicheren Kombinationen von Cichorius (Untersuch. zu Lucilius 328ff.) würde Lucil. frg. 1104 beweisen, daß Haß und Hohn der Gegner ihn über das Grab hinaus verfolgten. Von seinen Kindern fand der ältere Sohn, der wohl auch M. hieß, den Tod mit dem Vater (Vell. II 6, 6. Oros. V 12, 6. 8. Plut. 16, 3); der jüngere, noch nicht achtzehnjährige (Cic. Vell.) Quintus (Appian.) war vor dem Beginn der Feindseligkeiten zweimal als Unterhändler zu dem Consul L. Opimius gegangen, wurde beim zweitenmal auf dessen Geheiß festgenommen und nach dem Siege der Optimalen im Gefängnis hingerichtet (Cic. Cat. IV 13. Vell. II 7, 2. Oros. V 12, 9. Plut. 16, 1f. 17, 4. Appian. I 115f. 120), nachdem ihm sein Freund Herennius Siculus das Beispiel eines heldenmütigen Todes gegeben hatte (Vell., vgl. Val. Max. IX 12, 6); nach Appian. 120 war ihm die Wahl der Todesart freigestellt worden (vgl. dazu Hirzel Archiv für Religionswissensch. XI 437, 1, auch 248, 1). So überlebte den F. nur eine Tochter, die mit L. Iulius Caesar dem Consul von 664 = 90 verheiratet war; denn dessen gleichnamiger Sohn nannte F. seinen Großvater (Cic. Cat. IV 13. Schol. Gronov. z. d. St. p. 412 Or.), und Cic. de domo 114 nennt ihn Schwiegervater des Bruders des Kimbernsiegers Q. Catulus, und dieser und L. Caesar waren Söhne derselben Mutter Popillia. F. wird von Cic. Brut. 108 als mittelmäßiger Redner bezeichnet.
[Münzer.]
Anmerkungen (Wikisource)
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 554.

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