ART

109) Fulvius Sparsus, ein Rhetor der Augusteischen Zeit, von Seneca am ausführlichsten contr. X praef. 11f. beurteilt. Er leitete mit einem anderen Rhetor gemeinsam eine Schule und war ein Nachahmer (also wohl auch ein Schüler) des Porcius Latro, neque tamen umquam similis illi erat, nisi cum eadem diceret, utebatur suis verbis, Latronis sententiis. Ein Beispiel der Nachahmung einer berühmten Sentenz Latros durch F. subtractis quibusdam verbis gibt Seneca contr. X 5, 26. Einen color des Pompeius Silo scheint F. nach contr. I 7, 15 gleichfalls nachgebildet zu haben; hier charakterisiert Seneca ihn als hominem inter scholasticos sanum, inter sanos scholasticum. Das allgemeine Urteil Senecas über F.s Stil lautet contr. X praef. 11: dicebat violenter, sed dure; contr. X 5, 23 findet Seneca in einer Sentenz aus F.s Beschreibung des Bildes des Parrhasius (ubicumque sanguine opus est, humano utitur) mit Recht aliquid corrupti; dixit enim quod fieri non potest. Auch ungünstige Urteile anderer Rhetoren über F. führt Seneca an, so contr. X praef. 11 ein hartes Wort des Pacatus, das dem F. die Unfruchtbarkeit seiner Lehrtätigkeit vorwirft, contr. X 4, 23 die berechtigte und begründete Kritik des Montanus über zwei colores des F., die beide corrupta, die eine sogar contrarium seien. Mit Iulius Bassus soll F. ein certamen gehabt haben [280] (contr. X praef 12). Trotz dieser tadelnden Äußerungen und des nur bedingten Lobes, das Seneca dem F. erteilt, gibt er nicht wenige von dessen sententiae wieder (Verzeichnisse sämtlicher Stellen in den Indices bei Kiessling und H. J. Müller; ein color noch VII 6, 23). Vielfach finden sich scharfe, kurze Antithesen, wie contr. I 3, 3 a superis deiecta, ab inferis non recepta, oder in der gleichen Kontroversie ex altera parte (§ 7): damnata deiecta est, absoluta descendit; ähnliches I 4, 3. VII 2, 3. 4, 1. 2 u. a. Ein größeres Stück contr. X 5, 8–10 aus der Anklage gegen Parrhasius, bemerkenswert durch die Lebhaftigkeit der Schilderung und die Wechselreden der handelnden Personen. Die größte Satzfolge contr. X 4, 8-10: zunächst (§ 8) die deutlichen Eingangssätze seiner Deklamation, in denen er durch Ablehnung sonstiger Anklagemotive wie ambitio gloriae, odia et simultates u. a. die Lauterkeit seines Vorgehens zeigt. Auch die nachfolgenden Sentenzen, daß der Beklagte das Bitten gewiß trefflich verstehe, da er es ja anderen gelehrt habe, sowie die von den adfectus der Richter (§ 9), ihrer misericordia und severitas, passen am besten in das Prooemium. Dann ein Stück voll stärkster Wirkung, als Abschluß der Charakteristik des Beklagten (hunc nos publice pascimus) mit der Parallele zwischen diesem Unmenschen und der säugenden Wölfin dabei die Apostrophe: gratulor tibi, Roma, quod in conditores tuos homo non incidit. Schließlich (§ 10) eine Detailschilderung, wie der reus die debilitati im Betteln unterrichtet habe, und ein rührendes Bild vom erfolgreichen Betteln dieser Unglücklichen, mit Einführung der Gedanken der Geber in direkter Rede. Bei derselben Deklamation spricht Seneca § 14 auch von F.s divisio; er habe als die eigentliche quaestio hingestellt: an possit a privato homine laedi res publica, eine Frage, wie andere an a muliere possit, an a sene, auf die, trotz ihrer geringen Berechtigung, die Verteidigung bei der quaestio laesae rei publicae fast immer verfalle. Demnach ist es unbegründet, wenn H. Buschmann Festschr. f. Raspe, Parchim 1883, 29 Fulvius Sparsus zu den enfants terribles unter den Rhetoren bei Seneca rechnet. Nichtig ist die einst von Burmann behauptete, noch in der alten Real-Enc. III S. 534 angenommene Identität dieses Fulvius Sparsus mit dem Fulvius bei Quintil. inst. VI 3, 100 (s. Spalding z. d. St.), wo Radermacher jetzt Propinquus als Cognomen faßt, wie schon Gesner wollte (Nr. 105).
[Münscher.]

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