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Fliege (μυῖα, μῦα – musca von schallnachahmendem μύ, vgl. Prellwitz Gr. etym. Wörterb. s. v.; über Mυῖa als Eigenname vgl. Pape Gr. Wörterb. d. Eig. s. v.; T. Sempronius Musca bei Liv. XLV 13) gehört nach Aristoteles (hist. an. IV 7, 73. Plin. n. h. XI 96) zu den Insekten und zwar zu der Ordnung der Zweiflügler (δίπτβρα). Die Alten verstanden darunter mehrere Arten: die Haus-F. (Musca domestica), die wegen ihrer schmerzhaften Stiche gefürchtete Stechfliege (Stomoxys calcitrans., vgl. Hom. Il. II 469ff. XVII 570. Arist. hist. an. I 5, 29. IV 7, 71. Luc. musc. enc. 3. 6. Phaedr. f. III 6. Antb. Pal. XI 191; sie hieß auch κυνόμυια, Aelian. nat. an. IV 51. VI 37. Schol. Apoll. Rhod. I 1265, vgl. Luc. Gall. 31, vielleicht identisch mit der μεγάλη μυῖα des Arist. hist. an. IX 42, 217, auch στρατιῶτις und κύων genannt, Luc. musc. enc. 12) und die an dem glänzend blauen Hinterleibe kenntliche Schmeiß-F. (Musca vomitoria, vgl. Hom. Il. XIX 25. 31. Theophr. charact. 25, 5. Paus. X 28, 7). Die Mundteile dieser Insekten bilden einen Rüssel (Arist. hist. an. IV 4, 45), mit dem sie die Flüssigkeiten aufsaugen (Arist. hist. an. VIII 11, 73; de part. anim. 661 a 20. Plin. n. h. XI 100. Luc. a. a. O. 3), Beißwerkzeuge fehlen ihnen (Plin. a. a. O.), sie summen beim Fluge (Arist. hist. an. IV 9, 102. Plin. n. h. XI 266. Luc. a. a. O. 2), kommen überall vor (Arist. hist. an. V 8, 24), begatten sich geraume Zeit (Arist. a. a. O. Luc. a. a. O. 6) und entstehen aus Maden (σκώληκες) im Dünger (Arist. hist. an. V 19, 103. V 1, 6. Theophr. frg. 174 W. Plin. n. h. X 190). Sie sind Hausgenossen der Menschen (Luc. a. a. O. 4. Plut. quaest. conv. VIII 7, 3), aber ebenso wie die Schwalben scheu (Plut. a. a. O.) und wegen ihrer Aufdringlichkeit eine lästige Plage [2745] (Aelian. nat. an. VII 19). Die Tatsache, daß nur wenige den Winter überdauern, deutet Aristoteles (hist. an. V 9, 31) dahin, daß sie Winterschlaf halten. Seine Angaben über die Entwicklung der F. (hist. an. V 19, 13) sind ungenau (die Eier, Larven und Puppen hat er nicht als solche erkannt), unrichtig ist seine Beobachtung, daß bei der Begattung das Weibchen sein Geschlechtsorgan von unten her in das des Männchens steckt (Arist. hist. an. V 8, 24); auch die Beobachtung des Plutarch (de tranqu. animi 15), daß die F. an glatten Spiegeln nicht zu laufen vermögen, entspricht nicht den Tatsachen. Ihr ärgster Feind ist die Spinne (Arist. hist. an. I 13. IX 42, 217. Plin. n. h. XXIX 87. Nicandr. Th. 735. Luc. a. a. O. 5; Darstellung der Jagd auf einem Gemälde des älteren Philostratos II 28). Frißt die Katze F., so ist sie krank (Nepual. 19). Die F. hat sechs Beine, die Vorderfüße sind länger und dienen ihr zum Reinigen ihres Körpers (Arist. de part. anim. 683 a 30. Plin. XI 258). Wie alle Insekten hat sie ein zähes Leben; sie stirbt nicht sofort, auch wenn man ihr den Kopf abgerissen hat (Luc. a. a. O. 6); ist sie im Wasser ersoffen, so kann man sie wieder lebendig machen, indem man Asche auf sie streut und sie den Sonnenstrahlen aussetzt (Plin. n. h. XI 120. Aelian. nat. an. II 29. Luc. a. a. O. 7. Isid. XII 8, 11). In der Fabel (Aesop. fab. 292. 293, bisweilen wechseln μῦς und μυῖα vgl. Crusius Unters. zu Herondas 169) und auch sonst (Hom. Il. XVI 641. Aelian. nat. an. VII 19) wird ihre Naschhaftigkeit und zudringliche Gier besonders hervorgehoben (daher dient μυῖα in der Komödie zur Bezeichnung eines Parasiten, vgl. Antiphanes frg. 195 K. Plaut. Poen. 690ff. Anth. Pal. XVI 9); mit Vorliebe umschwärmt sie den winzigen Tropfen des duftenden Honigs (Apoll. Rhod. IV 1453. Aes. fab. 293); das Öl dagegen ist für sie totbringend (Luc. a. a. O. 4. Alex. Aphr. probl. I 64). Sie ist ein Symbol der Unverschämtheit (besonders die κυνόμυια schon bei Homer) und galt als Ausbund von Dummheit (Plin. n. h. XXIX 106). Um die zudringlichen Tiere beim Mahle zu verscheuchen, bedienten sich die Alten nach orientalischer Sitte der μυισόβαι (Menander frg. 503, III 145 K. Arist. Ritt. 60; Wesp. 597. Mart. III 82, 12. Theophr. char. 25, 5). Der Sage nach war sie die sangeskundige Geliebte des Endymion, die durch ihren Gesang den schlafenden Hirten störte und von Selene aus Zorn darüber in dieses winzige Tier verwandelt worden war (Luc. a. a. O. 10). Als Wetterprophetin galt sie nur in einer Hinsicht; wenn sie nämlich ungestümer und heftiger zu stechen beginnt, so bedeutet es Sturm (Ps.-Theophr. de sign. temp. 23. Aelian. nat. an. IX 15. Geop. I 3, 9). Sie wurde wie die Fledermaus als Erscheinungsform der Seele aufgefaßt (Weicker Seelenvogel 30); in ihrer Gestalt nahen die krankheitserregenden Dämonen und Totengeister der Unterwelt den Menschen (Apul. met. II 22, vgl. Mannhardt Wald- u. Feldkunde Ι 18. 262. 280). Der Dämon der Verwesung, Eurynomos, wurde nicht nur in Gestalt eines Aasgeiers, sondern auch als Aas-F. gedacht (Paus. X 28, 7. Roscher Myth. Lex. II 3301ff.), ebenso in späterer Zeit das Gespenst Gelle (Mich. Psell. in Sathas Bibl. gr. med. [2746] aev. 575. 576). Aus dieser Vorstellung erklärt sich die Verehrung eines F. verscheuchenden Dämons Myiagros (Plin. n. h. X 75. Sol. I 10ff.), Myiodes (Plin. n. h. XXIX 106; vgl. den philistäischen Heilgott Baal Zebub, Baudissin Real-Encycl. f. prot. Theol. II3 514ff.), der in Olympia verehrt wurde (Anspielung bei Antiph. frg. 229f. K.) und vor dem Fest ein Stieropfer erhielt, worauf die F. das Festgebiet verließen (Paus. VIII 26, 7. Phot. Suid. s. v. Welcker Gr. Götterlehre II 214. Immerwahr Kulte und Mythen Ark. 243). In hellenistischer Zeit trat an die Stelle dieses Dämons Zeus Apomyios, dessen Kult von Herakles gestiftet sein soll, als er einst beim Opfer von F.-Schwärmen belästigt wurde (Paus. V 14, 1 = Clem. Alex. Protr. II 33 P. Etym. M. s. ?πόμυιος. Kalkmann Paus. 77. Aelian. nat. an. V 17). Einen Nachklang hat diese Sage in dem aus Varro stammenden Bericht (Plin. n. h. X 79. Plut. quaest. Rom. 90) gefunden, daß es in dem Haupttempel des Herakles auf dem Forum boarium keine F. gebe (dasselbe wird von dem Tempel der Aphrodite auf Paphos bei Apoll. h. mir. 8 und von einem Berge der Insel Kreta berichtet, vgl. Plin. n. h. XXI 79). Neben Zeus galt auch Apollon als Vertreiber der lästigen Tiere (vgl. Aelian. nat. an. XI 8. Herakl. Pont. bei Clem. Alex. Protr. II 35 P. = FHG II 197), die in manchen Gegenden in solchen Massen aufgetreten sein sollen, daß sie die Bewohner zum Verlassen ihrer Wohnsitze zwangen (Aelian. nat. an. XI 28). Zum Schutz gegen F. wandte man allerlei zum Teil apotropäisch wirkende Pflanzenmittel an: man räucherte mit Dosten (Geop. XIII 12, 5. Theoph. Nonn. 266; auch mit Kupfervitriol, Geop. XIII 12, 2. Theoph. Nonn. a. a. O.), man bestrich die Wände mit Koriandersamen und Öl (Theoph. Nonn. a. a. O.), man besprengte sie mit dem Dekokt der Hollunderblätter (Geop. XIII 12, 2. Plin. n. h. XXIV 53). Als fliegentötende Mittel galten folgende: Lorbeer mit schwarzem Nießwurz in Milch oder Honigwasser aufgeweicht (Geop. XIII 12, 1, vgl. Aet. tetr. XIII 43), Nießwurz in Milch aufgeweicht und als Sprengmittel verwandt (Plin. n. h. XXV 61. Aet. a. a. O. Theoph. Nonn. 266), Räucherungen mit Schwarzkümmel (Plin. n. h. XX 184. Aet. a. a. O.), Milch mit gelbem Schwefelarsenik (Theoph. Nonn. 266). Das Vieh schützte man durch Einreibungen mit einer Abkochung der Frucht des Lorbeerbaumes oder mit Löwenfett (Aet. a. a. O. Geop. XIII 12, 3. Nepual. 61). In der animalischen Medizin fand die F. vielfach Verwendung. Frische F.-Köpfe wurden gegen Alopekie empfohlen (Varro bei Plin. n. h. XXIX 106), ebenso F.-Blut oder Asche ohne Zutat oder mit Frauenmilch und Kohl oder mit Honig vermischt (Plin. n. h. XXIX 106. Theoph. Nonn. 44. Theod. Prisc. XII 36. 40). F.-Asche bei Ausfall der Haare an den Augenwimpern (Plin. n. h. XXIX 115), rote F. bei Lähmung (Plin. n. h. XXX 92), bei Furunkel und Hautausschlag (Plin. XXX 108. 121); gegen Blutgeschwüre zerrieb man eine ungrade Anzahl F. mit dem Heilfinger (Plin. n. h. XXX 108); der Consul C. Licinius Mucianus trug eine lebendige F. in einem leinenen Lappen als Amulett gegen Triefäugigkeit (Plin. n. h. XXVIII 29). Gegen Harnleiden des Viehs half eine lebendige F. (Mulom. [2747] Chir. 998. Pelag. VIII 162, 64 I.); eitrige Ohren der Hunde wurden zum Schutz gegen F. mit bitteren Mandeln eingerieben (Col. r. r. VII 13). Über die F. im Sprichwort vgl. Köhler Das Tierleben im Sprichwort 52f. Am bekanntesten ne musca quidem (οὐδ' ὅσον μυῖα bei Plut. de inim. util. 8. Herondas I 15), gebraucht zur Bezeichnung des Domitian, der in der ersten Zeit seines Principats nicht einmal so viel galt wie eine F. (Suet. Dom. 3). Über bildliche Darstellungen, besonders in der Kleinkunst vgl. Arch. Anz. V 94 (F. auf einem Goldmedaillon, wohl apotropäisch). Gaz. arch. IV 36ff. Imhoof-Blumer und O. Keller Tier- und Pflanzenbilder auf Gemmen und Münzen Taf. XXIII 29. 30. 39. XXIV 37. Ein kleines Viergespann von Marmor, das von einer F. mit den Flügeln bedeckt wurde, rührte von Myrmekides und Kailistrates her (Plin. n. h. XXXVI 43. Plut. de comm. not. 44). Ein ähnliches Motiv wird bei Plin. n. h. XXXIV 83 erwähnt.
[M. Wellmann.]
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