88) C. Flavius Fimbria, wahrscheinlich Sohn von Nr. 87, stand im Marianischen Bürgerkriege auf Seiten des Marius und Cinna (Marianorum scelerum satelles Oros. VI 2, 9; saevissimus, quippe Cinnae satelles Auct. de vir. ill. 70, 1) und schloß in Cinnas Namen 667 = 87 das Bündnis mit den Samniten unter den vom Senat abgelehnten Bedingungen ab (Licinian. 27 Bonn. = 21 Flemisch). Bei der Einnahme Roms durch die Marianer ist F. in nicht näher bestimmbarer Weise feindlich zusammengetroffen mit P. Licinius Crassus Dives und seinen Söhnen, wobei der Vater und der eine Sohn ihren Untergang fanden, während sich M. Crassus, der spätere Triumvir, retten konnte (Liv. ep. LXXX; abweichend und nicht sicher zu ergänzen Licinian. 29 Bonn. = 23f. Flemisch; vgl. die Bezeichnung des F. als aequalis et inimicus des M. Crassus Cic. Brut. 233). Auch die Brüder C. und L. Caesar wurden nach dem Einzug der Demokraten in die Stadt in ihren Wohnungen durch F. ermordet (Flor. II 9, 14. Augustin. civ. dei III 27; bei beiden der Text verderbt); gegen den Oberpontifex Q. Scaevola unternahm er bei dem Leichenbegängnis des Marius Ende Januar 668 = 86 einen Mordversuch und drohte nach dessen Mißlingen mit furchtbarem Hohne, den Scaevola anklagen zu wollen, weil er nicht still gehalten habe (Cic. Rosc. Am. 33, vgl. 34. Val. Max. IX 11, 2). Als der Nachfolger des Marius im Consulat L. Valerius Flaccus von Cinna zum Kriege gegen Mithridates nach dem Osten gesandt wurde, begleitete ihn F. als Legat (so Liv. ep. LXXXII. Oros. VI 2, 9. Auct. de vir. ill. 70, 1. Dio frg. 101, 1; dagegen praefectus equitum Vell. II 24, 1 und ταμίας Strab. XIII 594). Schon während des Marsches bis zum Bosporus kam es vielfach zu Ausschreitungen der Soldaten, zu Unzufriedenheit mit der Härte, durch die der Consul [2600] ihnen entgegentrat, mit seiner Habsucht, mit seiner militärischen Unfähigkeit, ferner zu Konflikten zwischen dem Consul und dem Legaten, der ihn an Beliebtheit beim Heere weit übertraf; in Byzanz und Chalkedon brach aus kleinem Anlaß der Zwist von neuem und heftiger aus; F., von seinem Vorgesetzten entlassen, brachte die Soldaten auf seine Seite, stellte sich an ihre Spitze und verfolgte Flaccus bis Nikomedia, wo er im Anfang 669 = 85 erschlagen wurde; an seiner Stelle übernahm F. den Oberbefehl. Die Berichte über diese Vorgänge und ihre Ursachen (bei Liv. ep. LXXXII. Oros. VI 2, 9. Vell. II 24, 1. Auct. de vir. ill. 70, 1f. Strab. XIII 594. Diod. XXXVIII 8, 1. Plut. Sulla 23, 6. Memnon 34, 1f., vgl. 40, 1 [FHG III 543, vgl. 546]. Appian. Mithr. 51f. Dio frg. 101, 1–5) sind teilweise sehr ausführlich und nicht in allen Einzelheiten gleichlautend (vgl. Reinach Mithradates Eupator [deutsche Ausg.] 185–187); daß politische Gegensätze mitspielten, ist möglich, aber die Vermutungen Bernhardts (Chronol. d. Mithrid. Kriege [Diss. Marburg = Progr. Dortmund 1896] 15f.), wonach Flaccus sich mit Sulla geeinigt und F. zu seinem Sturze nur durch das Interesse der demokratischen Partei geführt worden wäre, sind doch nicht genügend begründet. F. bewies sich als ein tüchtiger Feldherr; er unterwarf in den nächsten Monaten ganz Bithynien, brachte dem gleichnamigen Sohne Mithridats eine schwere Niederlage bei und hätte den König selbst in Pergamon gefangen genommen, wenn nicht der zur aristokratischen Partei gehörige Flottenführer L. Lucullus ihm seine Mitwirkung versagt hätte (Liv. ep. LXXXIII. Oros. VI 2, 10. Vell. II 24, 1. Frontin. strat. III 17, 5. Auct. de vir. ill. 70, 2. Plut. Sulla 23, 6; Lucull. 3, 5–8. Memnon 34, 2f. Griech. Bilderchronik CIG IV 6855 d = IG XIV 1297 Z. 15ff.). Die Überlieferung, die hauptsächlich auf Poseidonios zurückgeht, ist sowohl dem Demokraten, wie dem Griechenfeinde abgeneigt und hat deshalb von den bedeutenden Erfolgen des F. weniger gesprochen als von seiner grausamen Bestrafung der von Rom abgefallenen Kleinasiaten; außer anderen Zügen (Diod. XXXVIII 8, 2–4. Dio frg. 101, 6) hat namentlich die verräterische Einnahme und barbarische Zerstörung von Ilion seinen Namen bei der Nachwelt berüchtigt gemacht (Liv. ep. LXXXIII und frg. 20 aus Augustin. civ. dei III 7. Obseq. 56. Oros. VI 2, 11. Auct. de vir. ill. 70, 3. Strab. XIII 594. Appian. Mithr. 53. Dio frg. 101, 7. Griech. Bilderchronik a. O.). Es ist aber nicht zu leugnen, daß einerseits Mithridates, anderseits aber auch Sulla sich durch die Fortschritte des F. gefährdet sahen und sich deshalb im Sommer 669 = 85 schneller, als es sonst geschehen wäre, zu dem Abschluß des Friedens von Dardanos einigten (vgl. u. a. Licinian. 33 Bonn. = 26 Flemisch. Plut. Sulla 23, 6. 24, 5). Das kurze Nachspiel dieser Beendigung des Krieges war das Ende Fimbrias noch im Laufe desselben Jahres: F. wurde von dem in Asien eingetroffenen Sulla angegriffen und bei Thyatira eingeschlossen; sein Heer verließ ihn, wie es den Flaccus auf seine Lockung hin verlassen hatte; nach vergeblichen Versuchen seine Soldaten festzuhalten und den Gegner zu beseitigen, mußte sich F. im Asklepiostempel zu [2601] Pergamon mit Hilfe eines Sklaven selbst den Tod geben (Liv. ep. LXXXIII. Oros. VI 2, 11. Vell. II 24, 1. Auct. de vir. ill. 70, 4. Diod. XXXVIII 8, 4. Strab. XIII 594. Plut. Sulla 25, 1–3; Luc. 7, 6. Appian. Mithr. 59f., vgl. bell. civ. I 421. Griech. Bilderchronik a. O., vgl. Reinach a. O. 202, 1). Die ruchlose Verwegenheit (ultimae audaciae homo Liv. ep. LXXXIII, vgl. Oros. VI 2, 9. Dio frg. 101, 1), die sich bis zur Tollheit steigerte (longe audacissimus … et insanissimus Cic. Rosc. Am. 33), äußerte sich bei F. nicht nur in seinen Taten, sondern auch in seinen Reden (insanus inter disertos Cic. Brut. 233).
[Münzer.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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