62) Flavius Clemens, Consul im J. 95 n. Chr., ein Verwandter des Flavischen Kaiserhauses, s. Stammtafel S. 2537. Sein Vorname wird wohl T. gewesen sein, wenigstens ist dies der Vorname aller Mitglieder der Flavischen Dynastie, deren voller Name uns bekannt ist. Sein Verwandtschaftsverhältnis zur Kaiserfamilie wird durch Suet. Dom. 15 genau bezeichnet; er ist ein patruelis Domitiani (bei Dio ep. LXVII 14, 1 ἀνεψιός Domitians), also ein Sohn von Vespasians Bruder, und
[2537]
[2538] da nach Suet. Vesp. 1 Vespasian nur einen Bruder hatte, nämlich Flavius Sabinus (Nr. 166), den Stadtpraefecten, so ist Clemens dessen Sohn und daher der Bruder des T. Flavius Sabinus (Nr. 169), des Consuls im J. 82, der nach Dio ep. LXV 17, 4 der Sohn des Stadtpraefecten war und den Suet. Dom. 10 altertum e patruelibus Domitians nennt. Nach Tac. hist. III 69 hatte der Stadtpraefect liberi, die er nebst seinem Neffen, dem späteren Kaiser Domitian, mit sich nahm, als er vom 18.–19. Dezember 69 auf dem Kapitol von den germanischen Gardesoldaten des Vitellius eingeschlossen wurde. Ausdrücklich nennt Dio a. a. O. bei dieser Gelegenheit Sabinus als den einen dieser Söhne; nur von diesem und Domitian wird hier berichtet (17, 2 ist von Domitian und seinen συγγενεῖς die Rede), daß sie sich beim Brande des Capitols in der allgemeinen Verwirrung durch die Flucht retten konnten. Tac. hist. III 74 erzählt nur von der Flucht Domitians, ebenso Joseph. bell. Ιud. IV 649. Suet. Dom. 1; vgl. Sil. Ital. III 609f. Offenbar war auch F. damals bei seinem Vater und wurde so wie sein Bruder, sein Vetter und andere (ceteri per furios casus elapsi sagt Tac. hist. III 73) gerettet, während sein Vater mit den übrigen Anhängern der Flavischen Partei den Tod fand.
Über F.s öffentliche Tätigkeit erfahren wir weiter nichts, als daß er im J. 95 Consul ordinarius mit Domitian wurde, der diese Würde zum siebzehntenmal bekleidete (nur in den Consularfasten sind beide Consuln angegeben, wo sonst dieses Jahr bezeichnet ist, finden wir bloß die Angabe von Domitians 17. Consulat). Noch in diesem Jahre ereilte ihn das Verhängnis, er wurde auf Befehl des Kaisers getötet. Diese Hinrichtung wird mit der vermuteten Christenverfolgung Domitians in Zusammenhang gebracht.
Einen direkten Beleg dafür, daß F. Christ gewesen sei, finden wir nur bei Synkell. I 650, 19, nach welchem Clemens für Christus sein Leben ließ. Da Synkellos aber sonst ganz von Eusebios abhängig ist und bei diesem nichts davon steht, so werden wir anzunehmen haben, daß Synkellos diesen Zusatz auf eigene Verantwortung gemacht hat. Wohl aber sagt Dio epit. LXVII 14, 2, daß gegen F. und seine Gemahlin Flavia Domitilla die Anklage wegen ἀθεότης erhoben worden sei, und er bezeichnet diese näher als Annahme des jüdischen Glaubens. Daß damit nicht wirklich Judentum, sondern vielmehr die christliche Religion gemeint ist, scheint fast sicher (vgl Allard Histoire des persécutions pendant les deus premiers siècles, Paris 1885, 104f.), wenngleich man nicht gut annehmen kann, daß auch Dio die beiden nicht habe unterscheiden können. Aber entweder wollte er absichtlich vermeiden, vom Christentum zu sprechen (Gsell Essai sur le règne de l’empereur Domitien, Paris 1894, 310, 4. E. G. Hardy Studies in Roman history, London 1906, 67), oder er fand diese Angabe bei einem zeitgenössischen Geschichtschreiber, dem eine solche Verwechslung eher unterkommen konnte. Noch wahrscheinlicher wird die Annahme, daß F. Christ gewesen sei, durch die Ergebnisse von Ausgrabungen, die darauf hinweisen, daß zumindest Flavia Domitilla Christin war (s. Nr. 227). Endlich wird auch die Charakterisierung [2539] des F. bei Sueton. Dom. 15 (contemptissimae inertiae) von manchen Forschern als Anspielung auf seinen christlichen Glauben gedeutet, da Trägheit und Gleichgültigkeit gegen alle öffentlichen Angelegenheiten den Christen von den heidnischen Schriftstellern immer wieder vorgeworfen wird. Allerdings gibt Sueton den Gegenstand der Anklage nicht an, sondern sagt nur, daß Domitian den F. auf einen ganz leichten Verdacht hin habe töten lassen; er erwähnt dabei gar nicht wie Dio eine gleichzeitige Anklage gegen seine Gemahlin, die (nach Dio) nach Pandataria (vielleicht richtiger Pontia) verbannt wurde. Daß sie als christliche Märtyrerin zugleich mit vielen anderen ihres Glaubens verurteilt worden sei, berichtet Euseb. hist. eccl. III 18, und die frühchristlichen Autoren zählen Nero und Domitian zu den ersten Christenverfolgern auf dem Kaiserthron, vgl. Hardy 66f. 73–75. Gsell 303ff. Allard 112–121. Renan Les évangiles (1879) 228–238. 295ff.
Domitilla war selbst auch mit dem Kaiserhause verwandt, Dio ep. LXVII 14, 1. Philostr. v. Apoll. VIII 25; s. Nr. 227. Aus der Ehe mit ihr stammten mindestens sieben Kinder, wie wir aus dem von ihrer Amme gesetzten Grabdenkmal erfahren, CIL VI 8942; vgl. dazu die Anmerkung Mommsens, der den Ausführungen de Rossis (Bull. di arch. crist. 1875, 67ff.) im Gegensatz zu seinen eigenen früheren Aufstellungen beistimmt. Von diesen Kindern ist eine Tochter CIL VI 948 (vgl. 31212) erwähnt, ihr Name aber nicht erhalten. Außerdem erfahren wir von zwei Söhnen, die beim Tode ihres Vaters noch ganz jung waren; der Kaiser hatte sie adoptiert und zur Thronfolge ausersehen; dabei erhielten sie die Namen Vespasianus und Domitianus (s. Nr. 78 und 205, Suet. Dom. 15. Mit ihrer Erziehung wurde Quintilian beauftragt (inst. or. IV pr. 2), wofür ihm F. die ornamenta consularia verschaffte, Auson. gratiar. actio (VIII) 7, 31.
Clemens wurde nach Ablauf seines Consulates, aber noch im J. 95 getötet; das sagt Suet. a. a. O. mit den Worten tantum non in ipso consulatu occisus und so ist auch die nicht ganz genaue Angabe Dios (ep. LXVII 14, 1), daß ihn Domitian noch während seines Consulates (ὑπατεύοντα; gemeint ist im Jahre seines Consulates) hinrichten ließ, zu verstehen; ähnlich Philostr. a. a. Ο. ὕπατον (anstatt genauer ὑπατικόν). Unter Domitian hatten die Consulate in der Regel viermonatliche Dauer (vgl. Gsell 303. 59, 2), so daß F. bis 30. April im Amte gewesen sein dürfte (Suet. Dom. 13 sagt, daß der Kaiser keines seiner Consulate über den 1. Mai hinaus bekleidet hat; CIL III 37 nennt ihn als cos. XVII noch am 14. März 95) und in einem der folgenden Monate des J. 95 getötet wurde.
Seine Hinrichtung ist summarisch erwähnt bei Eutrop. VII 23, 3 (Domitian) consobrinos suos interfecit und bei Plin. paneg. 48 (illa immanissima belua, d. i. Domitian, … cum … propinquorum sanguinem lamberet).
[Stein.]
Nachträge und Berichtigungen
S. 2536ff. zum Art. Flavius:
62) T. Flavius Clemens. Das Praenomen wurde durch die Fasten von Ostia bekannt, Inscr. It. XIII 1, p. 194, 7. Vidman p. 16. Domitian wurde am 13. Januar 95 durch L. Neratius Marcellus abgelöst, mit dem F. bis 31. April im Amt war; am 1. Mai folgten ihnen als Suffektkonsuln A. Lappius Maximus II und P. Ducennius Verus.
[Rudolf Hanslik.]
62) T. F. Clemens, cos. ord. im J. 95 n. Chr. S XII.
[Hans Gärtner.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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