Finis ist die Grundstücksgrenze, zu deren Regelung die actio finium regundorum diente (Dig. X 1. Cod. III 39), und zwar bei unbebauten Grundstücken (praedia rustica) Dig. X 1, 4, 10. Man zählt diese neben der Erbteilungs- und der Miteigentumsklage zu den Teilungsklagen, die iudicia mixta i. e. tam in rem quam in personam waren, weil sie ein dingliches Recht (das Eigentum am Boden bis zur Grenzlinie) schützte und daneben persönliche Ansprüche (personales praestationes) verfolgte, vgl. Paul. Dig. X 1, 1 finium regundorum actio in personam est, licet pro vindicatione est. Solche Ansprüche betrafen Entschädigungen bei der ungleichen Zuteilung des Grenzlandes. Dig. X 1, 2, 1. X 1, 3, oder Ersatz von Auslagen, Dig. X 1, 4, 1, oder auch Früchte, X 1, 4, 2. Daher zählt sie F. Leonhard in Birkmeyers Encykl.2 129 zu den persönlichen [2326] Klagen; vgl. dagegen Karlowa Röm. Rechtsgesch. II 464. Daneben waren aber diese drei Teilungsklagen auch duplicia, d. h. sie ermöglichten beiden Teilen die Klägerrolle, gaben, also jedem das Recht, eine Verurteilung des andern, zu beantragen und zu erzielen, Dig. X 1, 10. Endlich war ihnen als pars formulae die adiudicatio eigentümlich (Gai. IV 42), eine Ermächtigung des iudex von Seiten des Praetors, durch den Urteilsspruch Eigentum zu verleihen. Bei der actio finium regundorum war dies namentlich für das ungewisse Grenzland wichtig, bei dem nicht zu ermitteln war, wem es gehörte. Hier mußte eine Verteilung nach billigem Ermessen Platz greifen. Dabei konnte der Teilungsrichter sogar den sicheren Besitzstand der einen Partei antasten, um zu einer angemessenen Grenze zu kommen, Dig. X 1, 2. 3.
Es handelte sich bei dieser Klage also nicht bloß um widerrechtlich oder durch Naturgewalt. (X 1, 8 pr.) verschobene Grenzen, die zu berichtigen waren, sondern daneben auch um gänzlich fehlende Grenzen, die der Richter feststellen mußte. Darauf beruht wohl der mehrfach erwähnte Gegensatz der controversia de fine und der controversia de loco. Frontin. de contr. agr. I 9, 2. 37, 19 Lachm. Cic. de leg. I 55; vgl. auch Dig. X 1, 4 pr. X 1, 7 und dazu Rudorff Ztschr. f. gesch. R.-W. X 370, 16. Hygin. de gen. contr. I 126 Lachm.
Man wird darin einen Unterschied des Prozesses de loco (ab alio possesso vindicando) und des Streits de fine (non existente constituendo) sehen dürfen, da locus ein unabgegrenztes Stück eines fundus ist (Dig. L 16, 60 pr. § 2), d. i. hier das Land an der Grenze, auf dessen Abgrenzung nach der andern Seite hin es bei dem Grenzstreit nicht ankommt (vgl. Frontin. p. 44 Lachm.). Nur auf ein solches Grenzland, das dem Kläger gehört, aber durch Grenzverschiebung entzogen ist, paßt, Dig. X 1, 1 actio finium regundorum pro vindicatione est, vgl. X 1, 4 pr. Dagegen paßt dies nicht, wenn der Umfang des Grenzlandes ungewiß ist, die Grenzlinie (finis) fehlt und vom Richter hergestellt werden soll. Hier kämpft der Kläger um eine neue Grenze (finis oder confinium).
Fraglich ist, ob die also begehrte Grenze in einer Linie bestand oder in einem Streifen von fünf Fuß Breite (s. Confinium). Aus landwirtschaftlichen Gründen ist zu bezweifeln, daß man einen so breiten Streifen der Bebauung entzogen und zur Pflugwende einer Mitbenutzung vorbehalten hat; s. auch dagegen Frontin. p. 41, 15 Lachm.: Extremitas finitima linea est, vgl. auch Hygin. p. 126, 9ff. Doch kann das Gegenteil als herrschende Meinung bezeichnet werden, vgl. Karlowa Röm. Rechtsgesch. 458ff. Dernburg Pand. I7 468. v. Czyhlarz Inst.5. 6 128. Jörs in Birkmeyers Encykl.1 145. Allein Festus p. 5. 16 und Dig. VIII 2, 14 sprechen nur von Gebäuden und gehören nicht hierher. Auf einen Grenzstreifen deuten freilich einige Stellen hin, z. B. Hygin. p. 126, 4 Lachm.: de fine si ageretur, quae res intra pedum quinque aut sex latitudinem quaestionem habet, vgl. auch Frontin. p. 39, 24 Lachm., wonach eine Lex Mamilia fini latitudinem vorschrieb. Darum sieht man in der controversia de fine ein Verfahren, [2327] das diesen breiten Grenzstreifen herstellen sollte, und nimmt an, daß die wahre controversia de fine dann nicht möglich war, wenn das streitige Land die Breite von fünf Fuß überstieg. Dann soll nur die controversia de loco möglich gewesen sein, vgl. z. B. v. Czyhlarz Institutionen5. 6 128. Jörs a. a. O. 145, 3. Dagegen ist zu behaupten, daß das Merkmal, welches die controversia de fine bei der actio finium regundorum von der gewöhnlichen vindicatio unterschied, nicht wohl in der Breite des streitigen Grenzlandes gelegen haben kann, sondern nur in seiner Ungewißheit. Dabei müssen wir aber annehmen, daß die actio finium regundorum gegebenen Falles statt der vindicatio vom Kläger gewählt werden durfte, um eine controversia de loco durchzufechten, sonst wäre sie nicht pro vindicatione gewesen, Dig. X 1, 1, und daß sie dann insoweit wegen der Früchte und dergleichen dem Rechte der rei vindicatio unterlag. Es erklärt sich dies auch sehr leicht, wenn man erwägt, daß die Grenze zwischen ungewissem und gewissem Grundeigentum oft verschwimmt und es sehr unpraktisch gewesen wäre, wenn man dem Eigentümer, der wegen Grenzverschiebung klagen und zugleich bei ungewissem Lande eine neue Grenze erbitten wollte, neben der actio finium regundorum noch eine besondere rei vindicatio zugemutet hätte (auf die Gefahr einer plus petitio weist insbesondere Puchta-Krüger Instit. II10 177 hin). Allerdings wird vielfach behauptet, daß die controversia de loco stets eine rei vindicatio war (Karlowa Beiträge zur Gesch. des röm. Civilprocesses 142ff. gegen Rudorff Ztschr. f. gesch. Rechtswissenschaft X 343ff.); Girard Manuel élémentaire du droit Romain3 628, 4 führt die für Frontin p. 43. 22 Lachm. an, aus dem freilich hervorgeht, daß nicht jeder Streit um eine Bodenfläche mit der actio finium regundorum verfolgt werden konnte, sondern nur ein solcher, in dem eine Grenzregelung in Frage kam; weil sonst plus quam de fini regundo agebatur. Man konnte also die vindicatio einer Bodenfläche ohne die controversia de fine nicht in die actio finium regundorum einkleiden, nämlich dann nicht, wenn es sich nicht bloß um Grenzland (locus), sondern um einen vollständigen fundus handelte, der dem Kläger vorenthalten war. Dagegen konnte die vindicatio des Grenzlands allerdings mit der controversia de fine verbunden werden. Dafür spricht nicht nur Dig. X 1, 4 pr. (wo nach Girard a. a. O. das Wort locus nicht in technischem Sinne gebraucht sein soll), sondern namentlich Dig. X 1, 1. Die Beseitigung des Unterschieds der beiden controversiae durch Iustinian (Girard 628, 3) braucht hienach nicht angenommen zu werden, zumal die rätselhafte finis latitudo quinque pedum nicht wörtlich zu verstehen und nicht auf einen Grenzrain zu beziehen ist, der der Bebauung durch die Nachbarn entzogen war, sondern auf die Breite des Grenzlandes, in das der Richter bei Grenzverwirrungen ohne Rücksicht auf den Besitzstand der Parteien hinübergreifen durfte, um eine angemessene Grenzlinie herzustellen, Dig. X 1, 6. Frontin. 79. Isid. orig. V 25. Ein derartiges Grenzland war somit das Gebiet der richterlichen Abgrenzung und somit der controversia de fine, wobei finis im besondere Sinne zu verstehen war. [2328] Das Recht, so weit zu gehen, hatte der Richter eben aus Rücksicht auf landwirtschaftliche Bedürfnisse, die eine derartige Vollmacht zu erheischen schienen und durch arbitri festzustellen waren; Pflugwende und Zugänglichkeit, von denen Hygin. p. 126, 5 redet, sind nur Beispiele dieser Bedürfnisse. So ist auch zu deuten Cod. Theod. II 26, 3.
Um den Richter in dieser Tätigkeit nicht zu lähmen, mußte man ihn gegen den Einwand der Verjährung schützen. So ist zu verstehen Cic. de leg. I 55 usucapionem duodecim tabulae intra quinque pedes esse noluerunt (vgl. hierzu und über den ähnlichen Inhalt der Lex Mamilia Rudorff Ztschr. f. gesch. R.-W. X 347ff.). Die Ausdehnung dieses Verbots auf die longi temporis praescriptio der Provinzen mag zweifelhaft gewesen sein, drang aber im J. 330 durch, Cod. III 39, 5: quinque pedum praescriptione submota (eine Verkürzung von Cod. Theod II 26, 4, einer Vorschrift, die weniger weit ging). Iustinian gab aber der Constitution Cod. Theod. II 25, 5 in Cod. III 39, 6 eine Form, durch die er auch für die fünf Fuß die dreißigjährige Ersitzung als wirksam anerkannte, so daß dieser gegenüber der Teilungsrichter keine Grenzfestsetzungen mehr vorzunehmen befugt war.
Bei der Grenzregulierung mußte für gewisse, dem Nachbar lästige Anlagen ein Abstand gelassen werden, Dig. X 1, 13.
Über die Gewährung der actio finium regundorum an andere Berechtigte neben dem Grundeigentümer vgl. Brinz Pandekt. I2 712 § 177 a. E.
Zweifelhaft ist, ob, wie Rudorff a. a. O. annimmt, in gewissen Fällen die Agrimensores allein entschieden, oder ob sie bei allen Grenzregulierungsstreiten nur als Sachverständige zugezogen werden mußten; vgl. Cic. de leg. I 55 und die bei Puchta-Krüger Institut. II10 177 Anm. n Angeführten. Girard Manuel élémentaire du droit Romain3 627, 3 (über die Lex Mamilia). Im spätrömischen Rechte schwankte die Gesetzgebung über diesen Punkt; vgl. Cod. Theod. II 26, 3. 4. 5. Iustinian nahm die älteren Gesetze in einer Form auf, aus der hervorgeht, daß er den Feldmesser nur als Sachverständigen neben dem Richter zuließ; vgl. Puchta-Krüger Institut. II10 § 234 r–v und hiezu auch über das Wiederaufleben veralteter Rechtszustände im späteren byzantinischen Rechte. Bekker Die Aktionen des röm. Privatrechts I 236, 26, dem Girard a. a. O. 628, 3 zustimmt.
Den Ursprung der actio finium regundorum sieht Voigt (Bericht. der Sächs. Ges. d. Wiss. 1873, 71) in dem Gebiete der agri limitati. Zustimmend Cuq Les institutions juridiques des Romains 278, 1.
Literatur. Rudorff Ztschr. f. gesch. R.-W. X 343ff. und Gromatische Institutionen, Schriften der röm. Feldmesser II 433ff. Dagegen Karlowa Beiträge zur Geschichte des römischen Civilprocesses 141ff.; Röm. Rechtsgeschichte II 518. 458ff. Bekker Die Aktionen d. röm. Privatrechts I 229ff. Girard Manuel élémentaire du droit Romain3 (Paris 1901) 625ff. Cuq Les institutions juridiques des Romains (Paris 1891) 278, 1. 357. Voigt Über die agrimensorischen genera controversiarum und die actio finium regundorum, [2329] Ber. d. Sächs. Gesellsch. d. Wissensch. 1873, 71. Puchta-Krüger Institution. II10 175ff. § 234. v. Czyhlarz Institut.5. 6 128. R. Leonhard Institut. 313, 3. 432. 474 § 157 II c. Jörs in Birkmeyers Encykl.1 145. F. Leonhard ebd.2 129. Arndts Pandekten § 321. Dernburg Pandekten7 I 468 § 200. Windscheid-Kipp Pandekten II8 884 § 450.
[R. Leonhard.]
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