Fideicommissum ist eine Art von Vermächtnissen, die zunächst im Gegensatze zu den legata standen (s. Legatum) und erst durch Iustinian mit diesen zu einem einheitlichen Vermächtnisbegriffe verschmolzen worden sind, Cod. VI 43, 2. Inst. II 20, 3. Diese Verschmelzung wurde jedoch von Iustinian nur als allgemeiner Grundsatz ausgesprochen, nicht aber durch eine Verarbeitung der in seine Sammlungen aufgenommenen Texte über f. und legata im einzelnen durchgeführt, vielmehr blieb dem Leser der Texte diese Durchführung überlassen, so daß der für das geltende Recht beseitigte Unterschied in den römischen Rechtsbüchern noch in voller Schärfe vor uns liegt.
Die Bedeutung dieses Unterschieds hat sich im Laufe der Zeiten durchaus verändert. Zur Zeit der Verschmelzung durch Iustinian sah man ihn (Cod. VI 43, 2 pr.) nur noch in der stilistischen Form des Vermächtnisses. Das legatum wurde directis verbis (iubeo u. dgl.) angeordnet, das f. dagegen verbis precativis (peto, rogo, volo dari, mando, fidei committo), eine Unterscheidung, die mit der spätrömischen stilistischen Formfreiheit der letztwilligen Verfügungen als Überbleibsel älterer Zustände im Widerspruche stand und daher zur völligen Vernichtung reif war. Ursprünglich aber griff der Gegensatz viel tiefer, wie auch der Name f. beweist (Plut. Cic. 41 ἐν πίστει κληρονόμος). Während nämlich erst später beide Vermächtnisarten auf zwingender Anordnung (legare) beruhten, man aber auch von beiden sagen konnte, daß sie der Gewissenhaftigkeit (fidei) des Belasteten anvertraut wurden, waren ursprünglich nur die F. Verpflichtungen, die der Erblasser nicht unter Rechtszwang stellte, sondern lediglich dem Gewissen des Belasteten anvertraute (tantum fidei commissa, non iuris necessitati) vgl. Inst. II 23, 1 nullo vinculo iuris, sed tantum pudore eorum qui rogabantur continebantur; [2273] auch Cic. de fin. III 64 commendationes morientium. Einen Anlaß zu solchen rechtsungültigen Bestimmungen, wie sie sogar noch heutzutage vorkommen, gab jedoch nicht bloß das Bestreben der Erblasser, die von ihnen Belasteten gegen rücksichtslose Beitreibungen der letztwilligen Gabe zu sichern, oder auch die Absicht, den beim Tode Begünstigten nach außen hin zu verbergen (Quintil. decl. 325), sondern noch weit mehr das Bedürfnis, mit derartigen Vergabungen die unbequemen Grenzen zu überschreiten, die das alte ius civile durch Formvorschriften und Inhaltsbeschränkungen den Vermächtnissen strenger Observanz zog. Zum Teil umging man diese Schranken durch ein f. im Hinblick auf die neueren Verkehrsbedürfnisse, die das alte Recht nicht beachtet hatte. So z. B., wenn die für ein Testament erforderliche Zahl römischer Bürger in der Provinz fehlte (Inst. II 25 pr.), oder wenn jemand sich der griechischen Sprache bei seinen Anordnungen bediente. Zum Teil freilich wählte man diese rechtsungültige Form letztwilliger Verfügungen geradezu in der Absicht, gesetzlichen Verboten auszuweichen (f. tacitum in fraudem legis), Dig. XXXIV 9, 18 pr., z. B. um den peregrini, den Proskribierten (in Verr. II 1, 123ff.), den Latini Iuniani, den caelibes und orbi, oder auch den Frauen über das in der Lex Voconia (s. d.) gesetzte Maß hinaus Zuwendungen zu machen; vgl. Cic. de fin. II 55. Quintil. inst. or. IX 2, 73ff.
Solche fideicommissa in fraudem legis ,machten der Gesetzgebung viel zu schaffen‘ (Jhering Geist des römisch. Rechts III3 264) und zogen später für den, der sie übernahm (tacite promittebat se restituturum), die Strafe der Indignität nach sich, Dig. XXXIV 9, 2 pr. 10. 11 (tacitam fidem contra leges accomodare). 23 (tacite rogatus), wobei tacite nicht, wie sonst, ,stillschweigend‘ (d. h. ohne Worte), sondern ,heimlich‘ oder ,unter der Hand‘ bedeutet; vgl. auch noch Dig. XXII 2, 17, 2. XLIX 14, 3, 4. Auch wurden ganze Gruppen derartiger gesetzwidriger Bestimmungen späterhin durch Senatsschlüsse verworfen, nachdem die F. klagbar geworden waren. Aber schon vorher mochte man in vielen Fällen an der verbindlichen Kraft bloßer Gewissenspflichten zweifeln, daher es üblich war, darüber sich bei seinen Freunden einen (allerdings rechtlich unverbindlichen) Rat zu erbitten. Cic. de fin. II 55 (ein Fall der Umgehung der Lex Voconia). Val. Max. IV 2, 7. Mommsen Röm. St.-R. II2 97, 1. Auch Augustus scheint in gleichem Sinne Rechtsgelehrte um Rat gefragt zu haben, ob er Fideicommisse auszahlen sollte, Inst. II 25 pr. Schließlich befahl er aus verschiedenen Gründen (Inst. II 23, 1) den Consuln eine interpositio auctoritatis, d. h. die Gewährung einer Rechtshilfe extra ordinem, zum Schutze der f. Quintil. inst. or. III 6, 70. In dieser außerordentlichen Natur des Rechtsschutzes lag zugleich die Möglichkeit, je nach Lage des Falles die magistratische Hilfe zu gewähren oder zu verweigern.
Auf eine Vermehrung der dem Zivilrechte nicht entsprechenden Vermächtnisse ist die Einsetzung eines besonderen praetor fideicommissarius durch Claudius zurückzuführen, CIL VI 1383.[1] Mommsen Röm. St.-R. II2 97. Ulp. XXV 12.
Hierauf erfolgten einschränkende Senatsschlüsse, [2274] um dem Mißbrauche der klagbar gewordenen Verfügungsform zu steuern. Das S. C. Pegasianum unter Vespasian stellte die F. an caelibes und orbi hinsichtlich ihrer Unwirksamkeit den legata gleich, Gai. II 286. Ein S. C. unter Hadrian gab dem Fiskus ein Recht, die einem Peregrinen zugewandten F. einzuziehen, Gai. II 284. Ebenso wurden auctore Hadriano die F. an personae incertae für ungültig erklärt, Gai. II 287, vgl. auch II 289. Auf die fideikommissarischen Freilassungen, bei denen im Gegensatze zu den zivilrechtlichen nicht der Verstorbene als Freilasser galt, sondern der Belastete (Inst. II 24, 2), bezogen sich mehrere Senatsschlüsse, namentlich das Dasumianum, das Rubrianum und das Articuleianum, Dig. XL 5, 26, 7ff. frg. 36 pr. 51, 4ff. 51, 7. XXVI 4, 3, 3. Das S. C. Apronianum gab allen civitates sub imperio populi Romani das Recht auf hereditates fideicommissae, Dig. XXXVI 1, 27 (26).
Da die F. gänzlich außerhalb der Rechtsvorschriften standen, so bestand für sie ursprünglich auch nicht das Gebot einer Form, üblich aber war bei ihnen die Briefform, also eine einfache Schrifturkunde, die sog. codicilli (s. Codicillus), vgl. Cic. ad Qu. fratr. II 11. Später wurde die Errichtung von F. an eine Form geknüpft, die es ermöglichte, in sprachwidriger Weise von mündlichen codicilli zu reden (s. Codicillus).
Iustinian führte dann wieder eine Formfreiheit für das F. ein, jedoch nur bedingungsweise, Cod. VI 42, 32. Inst. II 22, 12. Das formlos errichtete Codicill sollte nur dann vor Gericht gelten, wenn der Berechtigte als Beweismittel sich lediglich einer Eideszuschiebung bediente, eine Einschränkung, die gegen die betrügerische Geltendmachung angeblicher F. mit gefälschten Urkunden oder bestochenen Zeugen einen Schutz gewährte (vgl. Cod. VI 42, 32, 1). Man nennt dies formlose F. Oralfideicomiss auf dem Boden der irrigen Ansicht, daß es Mündlichkeit verlange (vgl. v. Vangerow Pandekten II7 452 § 528), und sieht in ihm weniger die Anerkennung des allgemeinen Grundsatzes der Formfreiheit als eine eigentümliche Sonderart des F., wogegen der klare Wortlaut der Iustinianischen Bestimmung spricht, in der er erklärt, den Augustus in der Begünstigung der F. überbieten zu wollen.
Von größter Bedeutung war die hereditas fideicommissaria oder fideicommissa (Inst. II 23), auch Universalfideicommiss oder Gesamtvermächtnis genannt, Inst. II 23. Mit ihm legte man den Erben die Herausgabe der gesamten Erbschaft oder eines Teiles auf. Nach altem Zivilrecht war es unmöglich, die Gesamtmasse der Erbschaft hintereinander zwei verschiedenen Berechtigten zuzuwenden (semel heres semper heres), was mit der Haftung des Erben für die Schulden sicherlich zusammenhing. Die entwickelten Verkehrsverhältnisse ließen es aber erwünscht erscheinen, derartige auf eine weitere Zukunft hinblickende Bestimmungen zuzulassen. So z. B. wenn der erste Erwerber der Erbschaftsmasse aus ihr keinen Vorteil erlangen, sondern nur den Nachlaß erwerben und ordnen sollte, um ihn einem andern, dem wahrhaft Begünstigten, herauszugeben (vgl. Quint. declam. 324 necesse est infirmam personam cui restitui oportet ... quae possit esse [2275] sub tutela tua). In solchen Fällen bot die Belastung des heres fiduciarius einen Ersatz für den dem römischen Rechte fehlenden Testamentsvollstrecker. Sehr viel häufiger aber waren die Fälle, in denen der Erblasser den Genuß des Nachlasses hintereinander mehreren Personen zuwenden wollte, z. B. zunächst der Witwe und nach ihrem Tode dem Sohn. Auch die oben erwähnte Absicht der Gesetzesumgehung spielte bei diesen hereditates fideicommissae eine besonders große Rolle (vgl. die oben angeführten Beispiele).
Zunächst fehlte dem f. hereditatis, auch nachdem es klagbar geworden war, jede gesetzliche Regelung, und sein Inhalt war daher nur auf einem Umwege erreichbar, indem der erste Erwerber der Masse diese (oder einen Teil von ihr) dem zweiten in der Gestalt der einzelnen Vermögensstücke (oder eines Teils) durch venditio hereditatis uno nummo (d. h. durch Scheinverkauf) übertrug. Dafür versprach dieser ihm die Schulden ganz (oder zum Teile) abzunehmen, wogegen der Veräußerer auch noch alle späteren Eingänge zur Masse nachzuliefern sich verpflichtete. Die Häufigkeit dieser Rechtsform, die vermutlich mit der ursprünglichen Klaglosigkeit der F. Hand in Hand ging, führte zu einer Vereinfachung ihrer rechtlichen Behandlung. Nach dem S. C. Trebellianum unter Nero konnte der erste Erwerber (heres fiduciarius) durch einfache Restitutionserklärung an den Universalfideikommissar ohne weitere Umschweife diesen in die Lage eines Erben bringen, so daß alle Ansprüche der Erbschaft nur ihm zustanden, aber auch alle Schulden nur gegen ihn eingeklagt werden sollten. Das S. C. Pegasianum unter Vespasian änderte dies freilich und stellte das ius antiquum wieder her für den Fall, daß dem Fiduziar nicht die quarta freigelassen worden war (s. Lex Falcidia), auf die er nunmehr ein Anrecht erhielt. Vorausgesetzt war dabei, daß der Fiduziar ohne Zwang eintrat, indem zugleich ein Antretungszwang eingeführt wurde. Iustinian griff aber auf das Trebellianum zurück und behielt von dem Pegasianum nur das Recht des Quartabzugs und den Zwang des heres fiduciarius zur Erbschaftsantretung bei. Seitdem ist der Universalfideikommissar stets von der Restitution ab heredis loco, also ähnlich einem Nacherben, den das römische Recht grundsätzlich nicht zuließ; vgl. Gai. II 246–289. Ulp. XXV. Paul. IV 2. 3. Inst. II 23–25 und Theophil. hierzu. Dig. V 6. XXX–XXXII. XXXVI 1. XL 5. Cod. VI 42. 49. VII 4.
Literatur. Arndts in Glücks Pandektenkomm. B. 46/47. 48. Fein ebd. B. 44/45. Salkowski ebd. B. 49. Ferrini Teoria generale dei legati e dei fidecommessi 1889. v. Vangerow Pandekt. II7 399. Voigt Röm. Rechtsgeschichte II 821ff. Windscheid-Kipp Pandekten III8 545 § 623 Anm. 6; vgl. auch Dernburg Pandekten III7 1. 6ff. Girard Manuel élémentaire3 1901, 903ff. Puchta - Krüger Institut.10 477ff. Sohm Institut.11 109. 168. 559ff. v. Czyhlarz Institut.5. 6 375ff. R. Leonhard Institut. 91. 358ff. 365ff. Jörs in Birkmeyers Encykl.1 188ff. F. Leonhard ebd.2 182ff. (daselbst genauere Literaturangaben).
[Leonhard.]
Anmerkungen (Wikisource)
Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 1383.
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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