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Fasti. I. Die Tage des römischen Jahres sind nach uralter Festsetzung, die die Überlieferung auf den König Numa Pompilius zurückführte (Liv. I 19, 7 idem nefastos dies fastosque fecit, quia aliquando nihil cum populo agi utile futurum erat; vgl. Macrob. Sat. I 16, 2), zwischen den Ansprüchen der Götterverehrung und denen des täglichen Lebens so geteilt, daß die Vornahme bürgerlicher und staatlicher Geschäfte an den einen nach göttlichem Rechte zulässig (fas), an den andern unzulässig (nefas) ist. Demgemäß war in den von den Pontifices aufbewahrten Listen der Rechtscharakter eines jeden Tages durch Beisetzung der Buchstaben F oder N bezeichnet, die als f(as) und n(efas), nicht als f(astus) und n(efastus dies) aufzulösen sind, wie die bei Gell. X 24, 3 überlieferte Konzeptionsformel der Kompitalien quando concepta fuerint, nefas und die Analogie der Bezeichnungen Q(uando) R(ex) C(omitiavit) F(as) und Q(uando) ST(ercus) D(elatum) F(as) beweist (s. über diese Tage Mommsen CIL I2 p. 289[1] und Art. Fissi dies). Von fas und nefas ist fastus und nefastus ebenso gebildet wie iustus von ius, es sind dies fasti die Tage quibus fas est ..., wozu man als Objekt in erster Linie lege agere verstand, da die Möglichkeit der Vornahme von Rechtsgeschäften vor dem Praetor das wesentlichste Kennzeichen des Werktages ist (Gaius IV 29 nefasto quoque die, id est quo non licebat lege agere; vgl. Macrob. Sat. I 16, 27 ad rem sane militarem nihil attinere notat Varro, utrum fastus vel nefastus dies sit, sed ad solas hoc actiones respicere privatas); darauf gründet sich die sprachlich unmögliche, aber von allen alten Grammatikern übereinstimmend angenommene Herleitung des Wortes f. von fari, entweder in der Varronischen Fassung (de l. l. VI 29f. 53; ebenso Verrius Flaccus, Fast. Praen. z. 2. Jan. Paul. p. 93, vgl. Fest. p. 165. Ovid. fast. I 47f.), die am knappsten bei Macrob. Sat. I 16, 14 steht: fasti sunt, quibus licet fari praetori tria verba sollemnia DO DICO ADDICO, his contrarii sunt nefasti, oder in der Suetonischen (bei Priscian. VIII 20. Isid. de nat. rer. I 4: orig. VI 18, 1. Corp. gloss. lat. V 568, 56): fasti dies sunt, quibus ius fatur id est dicitur, ut nefasti quibus non dicitur. Jedoch ist tatsächlich der Begriff der dies fasti ein weiterer, den engeren Sinn von Gerichtstagen hat das Wort erst erhalten, als man einen Teil der dies fasti unter dem besonderen Namen der dies comitiales (mit der Sigle C bezeichnet) zunächst für das magistratische ius cum populo agendi reservierte und damit der praetorischen Rechtweisung nur die übrigen dies fasti und die dies comitiales nur in dem Fall überließ, daß sie für die Volksabstimmungen nicht verwendet wurden (s. o. Bd. IV S. 716; etwas anders Mommsen St.-R. III 372); eine lex Clodia vom J. 696 = 58 bat (vorübergehend) den Unterschied der dies fasti und comitiales aufgehoben, indem sie bestimmte, ut omnibus fastis diebus legem ferri liceret (Cic. pro Sest. 33; vgl. de prov. cons. 46). In gleicher Weise schied man innerhalb der dem menschlichen Geschäftsverkehr entzogenen dies nefasti als besondere Unterabteilung die feriae publicae (s. Art. Feriae) ab, für die eine besondere Bezeichnung N·F·P d. h. n(efas), f(eriae) p(ublicae) [2016] geschaffen wurde (dies steckt in dem arg zerstörten Artikel des Festus p. 165 b 17), die in den erhaltenen Steinkalendern bald zu F·P, bald zu NF, ganz überwiegend aber zu NP verkürzt ist (Soltau Jahrb. f. Philol. CXXXVII 1888, 836. Wissowa Religion u. Kultus der Römer 371f.). Über diejenigen Tage, die teilweise in das Gebiet des fas, teilweise in das des nefas fallen, s. die Art. Fissi dies und Intercisi dies. Es deckt sich also die Scheidung der dies nefasti und fasti im ursprünglichen Sinne mit der von dies festi und profesti (s. Art. Festi dies) oder, wie es Tac. ann. XIII 41 ausdrückt, sacri et negotiosi dies. Da es dem Bürger vor allem darauf ankam, die negotiosi dies zu kennen, nannte man die offiziellen Listen, die alle Tage des Jahres mit Beifügung des ihren Rechtscharakter hervorhebenden Buchstabens verzeichneten, a potiori fasti (über die Nebenform fastus vom u-Stamme vgl. Neue-Wagener Lat. Formenlehre I 783f. IV 142, wo CIL X 6679[2] hinzuzufügen ist), Werktagsverzeichnisse, eine Benennung, die man nachher ganz allgemein auf jede Art von Kalender übertrug (z. B. Cic. Tusc. I 68 lunam ... quasi fastorum notantem et significantem dies. Lucan. X 187 nec meus Eudoxi vincetur fastibus annus. Colum. IX 14, 12 sequor nunc Eudoxi et Metonis antiquorumque fastus astrologorum u. a.). Wegen der gebräuchlichen Verbindung des Tagesverzeichnisses mit der Angabe der eponymen Beamten dient das Wort F. auch zur Bezeichnung der Eponymenlisten (fasti consulum), worüber unter II zu handeln ist, und da die letzteren wieder die Grundlage für die Chronikschreibung bilden (Cic. epist. V 12, 5 ordo ipse annalium mediocriter nos retinet quasi enumeratione fastorum), so geht f. im dichterischen Sprachgebrauch zuweilen geradezu in die Bedeutung ,Geschichte‘ über (z. B. Hor. sat. I 3, 112 tempora si fastosque velis evolvere mundi. Val. Flacc. II 245 durent Latiis modo saecula fastis u. a.). Hier soll von F. nur im ursprünglichen Sinne als von Tagesverzeichnissen die Rede sein, während für alle Fragen der Anordnung und Einteilung des römischen Jahres auf den Art. Kalender verwiesen sei.

Die allgemeine Überlieferung schreibt die Veröffentlichung der Tagesliste dem curulischen Aedilen Cn. Flavius im J. 459 = 394 zu (Cic. pro Mur. 25 posset agi lege necne pauci quondam sciebant, fastos enim vulgo non habebant ... inventus est scriba quidam Cn. Flavius, qui ... singulis diebus ediscendis fastos populo proposuerit; ad Att. VI 1, 8. 18. Liv. IX 46, 5. Val. Max. II 5, 2. Plin. n. h. XXXIII 17. Macrob. Sat. I 15. 9), doch hat Mommsen (Röm. Chronol. 31, 35 a) mit Recht aus Cic. ad Att. VI 1. 8 geschlossen, daß schon die 12 Tafeln den Kalender mit den Gerichtstagen enthielten und zur allgemeinen Kenntnis brachten, und darum die dem Flavius nachgesagte Veröffentlichung vielmehr auf die erste buchmäßige Verbreitung bezogen (a. a. O. 210f.). Jedenfalls gab die Publikation des Cn. Flavius nichts weiter als das, was unsere erhaltenen Steinkalender (s. u.) in großer Schrift bieten, nämlich die Nundinalbuchstaben, die den Rechtscharakter des Tages feststellenden Noten und die Namen der Kalendae, Nonae und Idus, [2017] sowie der 45 feriae publicae der ältesten Festordnung, die ja auch zur bürgerlichen Bezeichnung der betreffenden Tage dienten; das genügte für das praktische Bedürfnis der Terminkunde und der Datierung. Bald aber lockten diese Tafeln zur Kommentierung, insbesondere zur Erklärung der Monats- und Tagesnamen, sowie zur Erläuterung der ganzen Jahresordnung und besonders der Feste, und es wurden mit mehr oder minder ausführlichen Erklärungen versehene Exemplare der Tagesliste entweder inschriftlich an geeigneter Stelle öffentlich ausgestellt oder in Buchform herausgegeben. Ersterer Art waren einmal die F., welche M. Fulvius Nobilior, cos. 565 = 189, in dem von ihm erbauten Tempel des Hercules Musarum (Hülsen-Jordan Röm. Topogr. I 3, 544) auf dem Marsfeld aufstellte (Macrob. Sat. I 12, 16), und andererseits diejenigen, die in Augustus Zeit der berühmte Grammatiker M. Verrius Flaccus auf dem Forum von Praeneste in die Marmorwände eines Hemicyclium eingraben ließ (Suet. gramm. 17) und von denen uns noch bedeutende Bruchstücke erhalten sind (s. u.; über die Identität der inschriftlichen Fasti Praenestini mit denen des Verrius Flaccus s. Mommsen CIL I2 p. 230.[3] Vahlen Opusc. acad. I 44f.). Daß es von diesen F. des Verrius Flaccus auch eine Buchausgabe gab, ist zwar nirgends bezeugt, aber zu schließen aus der Tatsache, daß Ovid in seinen Fasti sich deutlich in weitem Umfange von Verrius Flaccus abhängig zeigt (H. Winther De fastis Verrii Flacci ab Ovidio adhibitis, Diss. Berolini 1885. Th. Litt De Verrii Flacci et Cornelii Labeonis fastorum libris, Diss. Bonnae 1904; dagegen mit unzureichenden Gründen H. Willemsen De Varronianae doctrinae apud fastorum scriptores reliquiis, Diss. Bonnae 1906, 32ff.). Von sonstigen Verfassern von Schriften de fastis (Paul. p. 87 fastorum libri appellantur, in quibus totius anni fit descriptio; vgl. Ovid. fast. I 657 ter quater evolvi signantes tempora fastos) kennen wir aus gelegentlichen Erwähnungen M. Junius Gracchanus (der Titel des Buches wird zwar nie genannt, läßt sich aber wohl daraus erschließen, daß Iunius Gracchanus wiederholt über Fragen der römischen Jahresordnung zusammen mit Fulvius zitiert wird, Varro de l. l. VI 33. Censor. 20, 2. 4. 22, 9. Macrob. Sat. I 13, 20f.), L. Cincius (s. o. Bd. III S. 2555), Labeo (Cornelius oder Antistius?, s. o. Bd. IV S. 1353f.), Nisus (Macrob. Sat. I 12, 30 Nisus in commentariis fastorum), Masurius Sabinus (Bremer Iurisprud. antehadrian. II 1, 363f.), de feriis handelte das 8. Buch von Varros Antiquitates rerum divinarum (Augustin. c. d. VI 3) und Spezialschriften des Iulius Modestus (Macrob. Sat. I 4, 7, vgl. I 10, 9. 16, 28) und eines Unbekannten, dessen Name in dem korrupten Titus de feriis scribens bei Macrob. Sat. I 16, 28 steckt. Von auf uns gekommenen Schriften dieser Art stellen die Fastorum libri VI des Ovid für die erste Jahreshälfte eine dichterische Bearbeitung des Fastenkommentars mit der besonderen Richtung auf die aetiologische Erklärung des Festkalenders dar, die Schrift des Ioannes Laurentius Lydus περὶ μηνῶν enthält im 4. Buche eine Erläuterung der Tagesliste des ganzen Jahres, in der manches auf gute alte Quellen zurückgeht, [2018] doch derart aus dritter und vierter Hand geschöpft und mit willkürlichen und törichten Ausführungen verschmolzen, daß bei der Verwendung der einzelnen Nachrichten größte Vorsicht geboten ist (vgl. F. Bluhme De Ioannis Laurentii Lydi libris περὶ μηνῶν observationum capita duo, Diss. Halis Sax. 1906, 84ff.). Erheblich wertvoller als unmittelbare Zeugen des wirklichen Lebens sind für uns die für den praktischen Gebrauch bestimmten Hemerologien, die uns zum Teil handschriftlich, vor allem aber in mehr oder weniger umfassenden Bruchstücken inschriftlich erhalten sind. Von den F. der ersten Art ist der Kalender des Furius Dionysius Philocalus, ein Bestandteil des sog. Chronographen vom J. 354 (s. o. Bd. III S. 2477ff.), eine für den Handel bestimmte Prachtausgabe des offiziellen Kalenders, während der laterculus des Polemius Silvius vom J. 448/9 (Mommsen Chron. min. I 511ff.) in seinem kalendarischen Teil eine durch Weglassung alles an das Heidentum Erinnernden und durch mancherlei Zusätze (namentlich Wetterprophezeiungen und Märtyrertage) umgestaltete Bearbeitung eines solchen Kalenders darstellt (beide nebeneinander abgedruckt bei Mommsen CIL I2 p. 254ff.).[4] Einige Kenntnis alter F.-Tradition schimmert auch noch in den Tageslisten durch, die sich in mittelalterlichen Handschriften von Ovids Fasten finden (Merkel Ausg. v. Ovids Fasti p. LIIIff. C. Pascal Archivio storico Italiano ser. 5 t. XL 1907, 3ff.), wenn sie auch in der Hauptsache auf Ovid fußen und sich daher auch durchweg auf die ersten sechs Monate des Jahres beschränken.

Von unschätzbarem Werte sind dagegen die auf uns gekommenen Bruchstücke inschriftlicher Fasten, die sämtlich, mit ausgezeichnetem Kommentar, von Mommsen im CIL I2 p. 205ff.[5] vereinigt sind. Manche der hier gegebenen Stücke fallen nicht unter den Begriff der F., da sie keine Tagesverzeichnisse sind, so das Verzeichnis der Festtage des Augustustempels von Cumae aus augusteischer Zeit (CIL I2 p. 229[6] feriale Cumanum = X 8375; vgl. Mommsen Histor. Schriften I 259ff.) und das Bruchstück aus Guidizzolo bei Mantua (CIL I2 p. 253),[7] das nur die Tagesziffern ohne jede weitere Bezeichnung und getrennt davon eine knappe Auswahl spezifisch ländlicher Feste enthält, wodurch es in nähere Berührung mit den Bauernkalendern, den sog. Menologia rustica (CIL I2 p. 280ff.,[8] vgl. Wissowa Apophoreton der Graeca Halensis [1903] 29ff.), tritt. Es bleiben als vollberechtigte Träger des Namens f. (ausdrücklich so bezeichnen sich die f. Maff. CIL I2 p. 222[9] = VI 2297. 32484 ... tabulis pictis et m[armorea tabul]a fast[orum A]pril(is) libert[i arb(itratu)] f(ecerunt) d(e)d(icaverunt); vgl. CIL X 6679[2] ... et ostia et fastus de sua pecun(ia) fecer[unt]) Bruchstücke von über 20 Hemerologien durchaus gleicher Anlage, aus Rom und den benachbarten Landschaften Italiens stammend, die ich hier in lokaler Anordnung verzeichne:

Rom:

f. Esquilini CIL I2 p. 210f.[10] nr. I = VI 2296. 2302 = 32489
f. Arvalium CIL I2 p. 214f.[11] nr. III = VI 2295. 32482. [2019]
f. Pinciani CIL I2 p. 219[12] nr. VI = VI 2294. 32481.
f. Maffeiani CIL I2 p. 222ff.[9] nr. IX = VI 2297. 32484.
f. Vallenses CIL I2 p. 240f.[13] nr. XII = VI 2298. 32485.
f. Paulini CIL I2 p. 242[14] nr. XIII = VI 32492.
f. Vaticani CIL I2 p. 242[14] nr. XIV = VI 2299.
f. Pighiani CIL I2 p. 246[15] nr. XVI = VI 2300.
f. Farnesiani CIL I2 p. 250 nr. XVIII = VI 2301.
f. Oppiani maiores CIL VI 32493.[16]
f. Oppiani minores CIL VI 32494.[17]
f. Suburani maiores CIL VI 32495[18] (von Mommsen zu den f. Esquil. gerechnet).
f. Suburani minores CIL VI 32496.[19]
f. aedis Concordiae CIL I2 p. 250[20] nr. XIX 1 a. b = VI 2304. 32491.
f. viae Gratiosae CIL I2 p. 251[21] nr. XIX 6 = VI 2302;
dazu kleinere Bruchstücke CIL VI 32497[22] (= I2 p. 251 nr. XIX 4). 32498 (ebd. nr. XIX 5). 32499 (ebd. p. 252 nr. XIX 8). 32500 (ebd. nr. XIX 9). 32501 (ebd. nr. XIX 12). 32502.

Latium:

f. Tusculani CIL I2 p. 216[23] nr. IV = XIV 2575.
f. Praenestini CIL I2 p. 230ff. nr. XI (dazu neugefundene Bruchstücke Notiz. d. Scavi 1897, 421ff. 1904, 393ff.).
f. Antiates CIL I2 p. 247[24] nr. XVII = X 6638.

Sabina:

f. Amiternini CIL I2 p. 243ff. nr. XI = IX 4192.
f. Sabini CIL I2 p. 220[25] nr. VII = IX 4769.
Bruchst. von Montebuoni CIL I2 p. 252[26] nr. XIX 10 = IX 4770.

Etrurien:

f. Caeretani CIL I2 p. 212f.[27] nr. II = XI 3592.

Umbrien:

Bruchst. von Urbino CIL I2 p. 252[26] nr. XIX 11 = XI 6050.

Picenum:

f. Cuprenses CIL I2p. 251[21] nr. XIX 2 = IX 5286.

Samnium:

f. Allifani CIL I2 p. 217[28] nr. V = IX 2318.

Apulien :

f. Venusini CIL I2 p. 220f.[25] nr. VIII = IX 421.

Der Erhaltungszustand ist ein sehr verschiedener, vollständig auf uns gekommen ist nur ein Exemplar, die f. Maffeiani. Der Zeit nach gehören sie alle in die Zeit nach Caesars Kalenderreform (708 = 46), die datierbaren Exemplare reichen etwa vom Beginne der Herrschaft des Augustus (727 = 27; das älteste Exemplar scheinen die f. Venus. zu sein, die sicher bis über 738 = 16 hinaufragen, während die f. Esq., Caeret. und Vatic. sicher nach diesem Jahre abgefaßt sind, vgl. Wissowa Gesamm. Abhandl. 276) bis unter die Regierung des Claudius (die f. Ant. sind, wie das mit ihnen vereinigte Beamtenverzeichnis zeigt, im J. 51 n. Chr. in Stein gehauen, Mommsen CIL I2 p. 207);[29] die Aufstellung erfolgte, soweit sich darüber Klarheit gewinnen läßt, teilweise jedenfalls auf Anordnung von municipalen Behörden (das gilt namentlich von den mit Beamtenverzeichnissen und historischen Aufzeichnungen verbundenen f. Venus. und Cupr.), aber auch von Priesterschaften (f. [2020] Arval.) und privaten Kollegien (f. Ant. und Maff.). Die Einrichtung ist in der Grundlage durchweg die gleiche, die erste Kolumne bilden in stetiger Wiederholung die Buchstaben von A bis H zur Bezeichnung der Tage der achttägigen römischen Woche (in den f. Sab. gehen diesen die Buchstaben A bis G zur Bezeichnung der siebentägigen Planetenwoche voraus), es folgen die dierum vocabula cirilia (Varro de l. l. VI 12), nämlich K·(Kalendae) NON·(Nonae) EID·(Idus) und die stets in der gleichen festen Abkürzungsform auftretenden Namen der 45 Festtage ältester Ordnung wie AGON(ium) CAR(mentalia) LVPER(calia) QVIR(inalia) usw., dahinter die Angabe des rechtlichen Tagescharakters vermittels der Noten F = dies fasti (an Zahl 43), C = dies comitiales (mit Einrechnung des unsicheren 15. September 192), EN = dies endotercisi (intercisi, an Zahl 8), N = dies nefasti (57, einschließlich des 6. April und 14. Juni, deren Zeichen nicht sicher steht) und NP (an Zahl 52; in den f. Pigh. NF) für die (ebenfalls nefasten) feriae publicae (in den f. Tusc. fehlt dies Zeichen, da hier neben den benannten Tagen die Note regelmäßig nicht gesetzt ist, in den f. Pinc. und Venus. werden die Zeichen N und NP nicht geschieden), dazu noch die besonderen Bezeichnungen der drei fissi dies (s. d.). Daß man in der Bewahrung des Tagescharakters sehr konservativ verfuhr, zeigt schon die Beibehaltung der unverständlich gewordenen Bezeichnungen der dies fissi und intercisi sowie auch das Festhalten an der Scheidung von dies fasti und comitiales zu einer Zeit, in der die Comitien gar keine Bedeutung mehr besaßen. In der Tat ist bis auf Caesars Kalenderreform der ursprüngliche Tagescharakter durchweg unverändert erhalten geblieben, und auch Caesar hat ihn nicht angetastet, nur die Zahl der F-Tage um die zehn von ihm neu hinzugefügten Tage vermehrt (Macr. Sat. I 14, 12 adiectos omnes a se dies fastos notavit, ut maiorem daret actionibus libertatem). Bald darauf aber wurde es Brauch, Gedenktage aus dem Leben der Machthaber, zunächst des Caesar, dann des Octavian, durch dauernde Aufnahme unter die feriae publicae zu feiern, und so wurde denn, soweit diese Gedenktage nicht zufällig auf ältere Festtage (N oder NP) fielen, eine größere Zahl von bisherigen dies fasti oder comitiales in nefasti (mit dem Zeichen NP) verwandelt: in der Zeitspanne, über welche uns die erhaltenen Steinkalender Auskunft geben, sind auf diese Weise nahezu 30 Tage des Jahres zu ständigen Feiertagen gemacht und dem Geschäftsverkehr entzogen worden, und dieser Brauch nahm in der Folgezeit derart zu, daß er zu einem ernsten Übelstande wurde (vgl. z. B. Tac. ann. XIII 41 nach der Eroberung von Artaxata im J. 58 n. Chr.: ut inter festos referretur dies, quo patrata victoria, quo nuntiata, quo relatum de ea esset, aliaque in eandem formam decernuntur, adeo modum egressa, ut C. Cassius de ceteris honoribus adsensus, si pro benignitate fortunae dis gratiae agerentur, ne totum quidem annum supplicationibus sufficere disseruerit eoque oportere dividi sacros et negotiosos dies, quis divina colerent et humana non impedirent) und man sich [2021] von Zeit zu Zeit zu der radikalen Maßregel genötigt sah, die Kalendertafel zu revidieren und einen großen Teil der neugeschaffenen Festtage wieder in Werktage zu verwandeln: in diesem Sinne ist z. B. Claudius (Cass. Dio LX 17, 1 πολλὰς μὲν θυσίας πολλὰς δὲ καὶ ἱερομηνίας ἔπαυσεν · τό τε γὰρ πλεῖστον τοῦ ἔτους ἐς αὐτὰς ἀνηλίσκετο καὶ τῷ δημοσίῳ ζημία οὐκ ἐλαχίστη ἐγίγνετο) und nachher namentlich Vespasian mit großer Energie vorgegangen (Tac. hist. IV 40 fastos adulatione temporum foedatos exonerarent modumque publicis impensis facerent), ebenso Nerva (Cass. Dio LXVII1 2, 3), und in gleicher Weise ist es zu verstehen, wenn Marc Aurel die Zahl der Gerichtstage wieder auf 230 brachte (Hist. aug. M. Ant. philos. 10, 10 fastis dies iudiciarios addidit, ita ut ducentos triginta dies annuos rebus agendis litibusque disceptandis constitueret), d. h. etwa auf dieselbe Zahl, die sie im vorcaesarischen Kalender gehabt hatten (43 fasti + 192 comitiales = 235). Freilich traten mit den Geschäfts- und Gerichtstagen nicht nur die sakralen Festtage in Konkurrenz, sondern in sehr weitem Umfange auch die Spieltage, die zwar rechtlich den Charakter eines Tages als fastus oder comitialis nicht verändern, tatsächlich aber den Ausfall der Gerichtstermine herbeiführen (Cic. Verr. act. I 31; vgl. Ovid. fast. IV 187f. von den Megalesia: scaena sonat ludique vocant, spectate, Quirites, et fora Marte suo litigiosa vacent).

Die bisher erwähnten Bestandteile der Steinkalender, die sozusagen ihren obligatorischen Grundstock bilden, sind, abgesehen von kleinen, mehr zufälligen Abweichungen und Versehen, in allen in gleicher Weise und übereinstimmender Fassung erhalten und heben sich überall durch größere Dimensionen der Buchstaben von den sonstigen Eintragungen ab; dieselbe Größe der Schriftzüge zeigen noch die in den meisten F. (nicht in den f. Maff.) am Ende der einzelnen Monatstafeln gegebenen Gesamtzahlen der Tage jedes Monats und die in einigen Fällen (f. Tusc. Sab. Farn.) nach den Idus sich findenden Angaben der Gesamtzahl der Tage zwischen den Idus und den folgenden Kalenden; dagegen ist da, wo regelmäßig die Abstandsziffer des einzelnen Tages von den nächsten Kalendae, Nonae oder Idus beigesetzt ist, dafür meist eine kleinere Schrift gewählt. Diese nämliche kleinere Schrift zeigen auch sämtliche sonstigen Bestandteile der Hemerologien, deren Umfang und Auswahl in den verschiedenen Exemplaren sehr verschieden ist: von den mit nur sehr spärlichen Eintragungen versehenen f. Maff. und Tusc. bis zu den sehr reich ausgestatteten f. Amit. und gar den kommentierten f. Praen. können wir eine ganze Reihe von Zwischenstufen verfolgen. Bei der Bestimmung dieser F. für die Regelung des praktischen Geschäftslebens ist es verständlich, daß alle, auch die knappsten Ausfertigungen vollständige Eintragungen der Spieltage (nebst den zugehörigen epula und merkatus) geben, die ja für den Gerichtsverkehr ebenso ausscheiden wie die mit N oder NP bezeichneten dies nefasti. Die meisten Exemplare geben auch mit ziemlicher Vollständigkeit die Notizen über die seit Caesars Kalenderreform neu eingesetzten feriae (wobei sie freilich [2022] teilweise, z. B. die f. Caer. Esqu. Allif. Tusc. Pinc., es unterlassen, die alte Tagesnote in die neue NP umzuwandeln, Mommsen CIL I2 p. 205f.),[5] in der Regel in der Form feriae ex s. c. quod eo die ..., zuweilen (z. B. in den f. Maff. Ant.) nur durch Angabe des betreffenden Ereignisses. In letzterem Falle unterscheiden sich diese Notierungen nicht von denen bloßer Erinnerungstage, deren Aufzeichnung in den F. den rechtlichen Tagescharakter nicht beeinflußte; wenn z. B. die f. Ant. zum 2. August notieren Divus Iulius Hisp(aniam) vicit, zum 3. August Ti. Aug(ustus) in [Il]lyrico vic(it), so ist trotz der gleichen Form der Eintragung die Rechtslage beider Tage eine ganz verschiedene, der erste trägt als feriae das Zeichen NP, der zweite ist ein dies comitialis. Von Eintragungen der letzteren Art kennen wir aus republikanischer Zeit als von Staats wegen erfolgt nur die Eintragung von vitiosi dies (s. d.), z. B. des dies Alliensis (18. Juli, vgl. Lucan. VII 409 et damnata diu Romanis Allia fastis. Flor. I 7, 7), die Neigung, Ereignisse aus dem Leben einzelner Personen den F. beischreiben zu lassen, tritt erst im Übergange zur Monarchie auf: M. Antonius läßt zum Feste der Lupercalia in den F. notieren, daß er als Consul auf Geheiß des Volkes dem Caesar die Königswürde angeboten und dieser sie abgelehnt habe (Cic. Phil. II 87), Cicero beantragt im J. 711 = 43, daß zur Erinnerung an die Befreiung des D. Iunius Brutus aus Mutina dessen Name in den F. zu dem Tage, der zugleich sein Geburtstag ist, eingetragen werden soll (Cic. epist. ad Brut. I 15, 8). Unter den Kaisern finden wir solche Eintragungen häufig, sie erstrecken sich auf Geburts-, Todes- und Gedenktage von Mitgliedern des kaiserlichen Hauses und sind wohl auf Anordnung des Senates in die offiziellen Exemplare der F. aufgenommen worden, aus denen dann die Verfertiger von Privatfasten nach Belieben ihre Auswahl trafen. Das letztere gilt auch von den Eintragungen der Hemerologien über die natales templorum, d. h. die Jahresopfer, die in den einzelnen Tempeln am Jahrestage ihrer Stiftung (bezw. ihrer Neueinweihung nach einer von Grund auf erfolgten Restauration) gefeiert wurden; auch hier müssen die offiziellen Fastenexemplare durch Streichungen der Tage von zerstörten, Zufügung der von neuerrichteten Tempeln, Umänderung des Datums bei Wiederherstellungsbauten vollständig und auf dem laufenden gehalten worden sein; von den erhaltenen Hemerologien lassen die f. Maff. und Tusc. diese Tempeltage fast ganz aus (die Maff. erwähnen nur den Tag der Mens in Capitolio am 8. Juni), andere scheinen annähernde Vollzähligkeit dieser Notizen anzustreben. Die offizielle Form dafür ist die Angabe des Gottes (gegebenenfalls unter Beifügung des Kultbeinamens) im Dativ mit Zufügung der Ortslage des Tempels nach sehr exakter, offenbar auf amtlicher Quelle beruhender Bezeichnungsart (s. darüber H. Jordan Ephem. epigr. III p. 63ff.): Herculi Magno Custodi in circo Flaminio. Nur vereinzelt fehlt die Ortsangabe (z. B. in den f. Caer. zum 31. März Lunae statt Lunae in Aventino, zum 23. April Veneri statt Veneri Erucinae extra portam Collinam), und dann können diese Notizen leicht verwechselt werden mit einer andern [2023] Art von Angaben, die in vielen Hemerologien ziemlich regelmäßig wiederkehrt, nämlich einer Erklärung der alten feriae publicae durch Nennung des Inhabers in der Form feriae Iovi (als Beischrift zu EID = Idus) oder auch nur Iovi: in letzterer Fassung fällt diese Erklärung mit der Angabe des Tempeltages formell zusammen und man kann es z. B. der Notiz Volcano in den f. Pinc. zum 23. August nicht ansehen, ob es eine Erklärung des Festnamens VOLC(analia) sein soll (feriae Volcano) oder der Stiftungstag des Volcanustempels im Circus Flaminius (Volcano in circo Flaminio). Trotz solchen durch Lässigkeit und Willkür, namentlich aber auch durch Raumrücksichten hervorgerufenen Abweichungen im einzelnen zeigen doch auch diese fakultativen Eintragungen unter sich in Bestand und Fassung so durchgehende Übereinstimmung, daß an ihrer Herleitung aus einer gemeinsamen Quelle, d. h. einem offiziellen Fastenexemplar, ein Zweifel nicht bestehen kann. Fraglich ist es, ob dieses offizielle Exemplar auch die astronomischen Hauptdaten des Jahreslaufes enthielt; von den erhaltenen Steinkalendern geben nur die f. Venus. (vereinzelt die f. Ant.) derartiges, nämlich den Eintritt der Sonne in die Tierkreiszeichen (Sol in Cancro), die Jahrpunkte (solstitium, confec(tum)) und Jahrzeitpunkte (Vergili(ae) exori(untur)). Jedenfalls außerhalb der offiziellen Fastentradition aber liegen die Zusätze der kommentierten Fastenexemplare, von denen uns in den bedeutenden Bruchstücken der praenestinischen Fasten ein sehr wertvolles Beispiel erhalten ist: der Grundstock sowohl der obligatorischen wie der fakultativen Bestandteile ist hier derselbe wie in den andern Steinkalendern, hinzu treten aber (außer einigen auf praenestinische Lokalfeste bezüglichen Notizen, CIL I² p. 339) erläuternde Anmerkungen, für die allein der Verfasser, in diesem Falle also Verrius Flaccus (s. o.), die Verantwortung trägt, Erklärungen der Monatsnamen, der Tagessiglen, der verschiedenen Rechtsgeltung der Tage, der Festnamen und Festbräuche usw.: die Grenze zwischen den sog. fakultativen Bestandteilen der F. und den kommentierenden Notizen des Redaktors streng im Auge zu behalten (die genaue Beobachtung des Sprachgebrauchs ermöglicht eine sichere Scheidung, vgl. z. B. Wissowa Gesamm. Abhandl. 271f.), ist von großer Wichtigkeit, da es sich in dem einen Falle um amtlich festgestellte Tatsachen, im andern um subjektive Erklärungsversuche handelt.

Literatur: Mommsen Römische Chronologie2, Berlin 1859; CIL I2 p. 205ff., Marquardt Röm. Staatsverw. III2 281ff. C. Jullian bei Daremberg et Saglio Dictionn. II 1042ff. Wissowa Religion u. Kultus d. Römer 365ff.
[Wissowa.]

II. Fasti bezeichnet allein oder mit den Zusätzen consulares, consulum, magistratuum synekdochisch die römische Eponymenliste, weil diese eine regelmäßige Beigabe zum römischen Kalender war, seit derselbe in Buchform erschien; vgl. Mommsen Röm. Chron.2 208: ,Wo wie in der römischen Gemeinde das einzelne Jahr nicht durch eine Ziffer, sondern durch Beamtennamen bezeichnet ward, war es eine praktische Notwendigkeit, dem Juristen und dem Geschäftsmanne überhaupt neben dem Verzeichnis der Tage des Jahres auch ein Verzeichnis der Individualnamen des Jahres [2024] in die Hand zu geben‘. Zur Zeit Ciceros gab es bereits ,Taschenkalender mit Verzeichnissen der Consuln und zum Nachtragen leer gelassenem Raume‘, wie Mommsen a. a. O. aus Cic. ad Att. IV 8 b, 2: non minus longas iam in codicillorum fastis futurorum consulum paginulas habent quam factorum schließt. Als Individualnamen des Jahres kamen seit der Veröffentlichung des Kalenders nur die Consuln in Betracht, in der Kaiserzeit in der Regel nur mehr die an jedem ersten Januar antretenden Consuln; vgl. Mommsen St.-R. I3 601, 2. II3 90ff. Es war daher natürlich, daß man in der Kaiserzeit die dem Kalender beigefügte Eponymenliste f. consulares, den Consulnkalender, nannte; vgl. Hist. aug. Hel. 5, 13: nam ipsi sunt, qui primi duo Augusti appellati sunt, et quorum fastis consularibus sic nomina praescribuntur ... dignitas valuit, ut fasti consulares nonnulli ab his sumerent ordinem consulum. Außerdem finden wir den gleichbedeutenden Zusatz consulum bezeugt in der Schrift de praenominibus c. 2: animadverto enim in consulum fastis perplexum usum praenominum et cognominum fuisse. dictum Postumum Cominium Auruncum et Postumum Aebutium Heluam. Der Schreiber dieser Zeilen muß eine sehr ausführliche Liste vor sich gehabt haben, die wir schwerlich als eine Beigabe zu einem Kalender annehmen können. Die Eponymenlisten in Kalendern dürften von Haus aus nicht umfangreicher gewesen sein als die Tabelle, welche dem Kalender des Chronographen vom J. 354 beigegeben war (vgl. o. Bd. III S. 2478f.); vgl. auch die f. Hydatiani (s. o. Bd. III S. 2454ff.). Höchst wahrscheinlich sind die in der Schrift de praenominibus zitierten Namen aus der capitolinischen oder einer ebenso reichhaltigen Liste geflossen, so daß also bereits römische Schriftsteller Eponymenlisten, die vom Kalender losgelöst waren, mit dem Ausdruck f. bezeichnet haben dürften. Vielleicht sind auch solche selbständige Beamtenlisten mit zu verstehen bei Tac. ann. III 17. 18. Plin. n. h. XXXIV 137; vgl. Horat. od. IV 14, 4. In der republikanischen Zeit erscheint f. in der Bedeutung Eponymenliste zuerst bei Cicero. Zu der oben angeführten Stelle kommen noch pro Sestio 33 und ad fam. V 12, 5. Bei Cicero ist wohl durchweg an Eponymenlisten in Kalendern zu denken.

Zurückzuführen sind diese Eponymenlisten zweifelsohne auf die Aufzeichnungen der Pontifices, die selbstverständlich eine Eponymenliste angelegt haben müssen, welche neben den Namen der Consuln noch jene der Decemvirn und Consulartribunen, vielleicht auch jene der Dictatoren und magistri equitum enthielt. Ob noch weitere Beamte in derselben vorausgesetzt werden dürfen, soll hier unerörtert bleiben, doch glaube ich als sicher annehmen zu können, daß in ihr die eponymen Beamten mit dem Praenomen und Gentilnamen bezeichnet und im Nominativ gegeben waren; vgl. Schön Die Differenzen zwischen der capitol. Magistrats- und Trinmphliste 35. Als Kalender in Buchform herausgegeben wurden – jedenfalls erst nach der Aedilität des Cn. Flavius im J. 450 = 304 –, bildete die Eponymenliste einen ebenso notwendigen Anhang zu denselben, wie früher zu dem Kalender der Pontifices. Zum Zwecke [2025] der Datierung genügte die Angabe eines Namensbestandteiles der eponymen Beamten. Schon aus räumlichen Rücksichten wird man sich bereits in den republikanischen Kalendern auf die Wiedergabe einer möglichst einfachen Liste, wie sie uns im Chronographen vom J. 354 vorliegt, beschränkt haben. Allerdings werden die ältesten Exemplare gewöhnlich nur die Gentilnamen verzeichnet haben, Gleichnamigkeit erscheint auch in dem Falle selten; vgl. Mommsen St.-R. I³ 600. Daß die ältesten Beamtenlisten nur den Aufzeichnungen der Pontifices entnommen sein konnten, ergibt sich aus dem Stande der ältesten römischen Geschichtsforschung; vgl. Dionys. I 73: παλαιὸς μὲν οὖν οὔτε συγγραφεὺς οὔτε λογογράφος ἐστὶ Ῥωμαίων οὐδὲ εἶς· ἐκ παλαιῶν μέντοι λόγων ἐν ἱεραῖς δέλτοις σωζομένων ἕκαστός τι παραλαβὼν ἀνέγραψεν.

Aber nicht bloß in Kalendern ist die Eponymenliste der Pontifices veröffentlicht worden, sondern auch in eigenen Beamtenverzeichnissen, die unter dem Namen libri magistratuum bekannt sind. Wir haben dieselben in zwei Gruppen zu sondern. Die einen enthielten sämtliche hervorragende Beamten, die andern bloß die zur Datierung notwendigen. Zu jenen gehören die libri lintei, welche in dem Tempel der Moneta auf dem Capitol aufbewahrt wurden; vgl. Liv. IV 7, 12. Sie werden nur von Livius aus Licinius Macer angeführt, und zwar nur im IV. Buche (7, 12. 13, 7. 20, 8. 23, 3. 4), doch ist an ihrer Existenz nicht zu zweifeln; vgl. Teuffel-Schwabe5 § 79 und Unger Jahrb. f. Philol. 1891, 650ff. Neben Consuln wird aus ihnen ein praefectus annonae (Liv. IV 13, 7) angeführt. Zu den ausführlichen Beamtenlisten gehören auch die libri magistratuum, welche Livius XXXIX 52, 4 erwähnt: hic Νaevius est tribunus plebis P. Claudio L. Porcio consulibus. Unger vermutet a. a. O. 317, 25, daß an dieser Stelle ebenfalls die libri lintei zu verstehen seien. Ausdrücklich werden die libri lintei libri magistratuum genannt bei Liv. IV 20, 8: quodque magistratuum libri, quos linteos in aede repositos Monetae Macer Licinius citat, wo unnötigerweise zwischen libri und quos ein librique vermutet worden ist; vgl. Schwegler Röm. Gesch. I 17, 2. Peter Hist. Rom. rell. I p. CCCXXXXIV. Unger a. a. O. 317, 26. Dagegen sind kürzer gefaßte Beamtenlisten gemeint bei Liv. IV 7, 10: idque monumenti est consules eos illo anno fuisse, qui neque in annalibus priscis neque in libris magistratuum inveniuntur; credo quod tribuni militum initio anni fuerunt, eo, perinde ac si totum annum in imperio fuerint, suffectorum iis consulum praetermissa nomina. Diese Argumentation, die Livius sicherlich aus Licinius Macer herübergenommen hat, läßt schließen, daß der sullanische Annalist bereits kürzer gefaßte selbständige Listen kannte, die sich auf jene Namen beschränkten, die unbedingt zur Datierung notwendig waren, mag es auch mit den Ersatzconsuln des Licinius Macer zum J. 310 wie immer bestellt gewesen sein; vgl. Seeck Die Kalendertafel der Pontifices 43f. Wie es scheint, waren in solchen Beamtenlisten sämtliche Consulartribunen aufgezählt, so daß also in ihnen die Beschränkung in der Aufzählung der eponymen Beamten nicht so weit ging wie [2026] beim Chronographen. Es ist ferner höchst wahrscheinlich, daß sämtliche libri magistratuum die Nominativform der Originalliste beibehielten und die Namen der Consuln in einer Zeile ohne Kopula gaben zur Bezeichnung der Einheit der obersten Leitung (vgl. dazu Mommsen St.-R. I3 30). In dieser Hinsicht waren sie die Vorläufer der capitolinischen Magistratsliste, die inhaltlich von den kürzer gefaßten libri magistratuum allerdings dadurch abwich, daß sie sich nicht auf die Wiedergabe der zur Datierung notwendigen Beamten beschränkte (s. u.). Im großen und ganzen dürften sich die Eponymenlisten in den republikanischen Kalendern zu den libri magistratuum ebenso verhalten haben, wie der Chronograph zu der capitolinischen Liste. Diese weist durch die regelmäßige Aufnahme der Cognomina fast durchweg die tria nomina auf, während wir in den libri magistratuum die Cognomina in der älteren Zeit, wenn überhaupt, so gewiß nur in den seltensten Fällen voraussetzen dürfen; jüngeren Listen haben sie sicher auch nicht gefehlt, da dieselben zweifellos bereits von der annalistischen Literatur beeinflußt waren.

Es lag nahe, die Bezeichnung für die Eponymenliste im Kalender auch auf die kürzer gefaßten libri magistratuum zu übertragen. Bei römischen Schriftstellern lesen wir den entsprechenden Ausdruck f. magistratuum nur einmal und auch da erst infolge einer Konjektur Mommsens, deren Berechtigung nicht unangefochten geblieben ist. Livius schreibt IX 18, 12 nach der hsl. Überlieferung: paginas in annalibus magistratuum fastisque percurrere licet consulum dictatorumque. Mommsen schlug (Röm. Chron.2 208) in annalibus fastisque magistratuum vor und hat fast allgemein Zustimmung gefunden. Er hält annales magistratuum für unverständlich, während magistratuum als Zusatz zu f. keine besonderen Schwierigkeiten mache. Livius würde also in annalibus fastisque magistratuum in der gleichen Bedeutung gebrauchen, wie neque in annalibus priscis neque in libris magistratuum (IV 7, 10). Unger hält a. a. O. 647 an dem hsl. magistratuum fastisque fest, indem er auf den liber annalis des Atticus hinweist, insbesondere auf die von Cornelius Nepos (Att. 18) gebrauchten Worte magistratus ordinavit. Darnach glaubt Unger die Schrift des Atticus einen annalis magistratuum nennen zu können, wohl mit Unrecht; denn annalis und magistratuum sind Zusätze zu liber und weisen auf verschiedene Abschnitte im römischen Kalender hin. Daß in einem liber annalis auch die eponymen Beamten mit angeführt waren, ist selbstverständlich, doch bildeten das Wesentliche eines Annalenwerkes die historischen Beigaben. Das ist auch bei dem liber annalis des Atticus der Fall, wie aus der Charakterisierung dieser Schrift durch Cicero klar hervorgeht; vgl. Brut. 14: (libro) quo iste omnem rerum memoriam breviter et, ut mihi quidem visum est, perdiligenter amplexus est und orat. 120 ... quem laborem nobis Attici nostri levavit labor, qui conservatis notatisque temporibus, nihil cum illustre praetermitteret, annorum septingentorum memoriam uno libro colligavit. Nicht viel ausführlicher als bei Atticus waren die Berichte in den prisci annales gegeben; vgl. [2027] Peter a. a. O. p. XXVff. Für solche annales ist der Ausdruck paginas percurrere licet consulum dictatorumque keineswegs auffällig, wie Unger meint; vgl. Liv. IV 20, 9: pestilentia inopiaque frugum circa A. Cornelium consulem fuit, adeo ut quidam annales velut funesti nihil praeter nomina consulum suggerant.

Der Ausdruck f. magistratuum bei Livius würde nur eine Eponymenliste bezeichnen und gäbe uns keinen Beleg dafür, daß wir f. in der allgemeinen Bedeutung ,Liste‘ bereits bei den alten Schriftstellern vorfinden. In unserer Zeit und schon lange vorher aber ist diese Bedeutung fast allgemein für f. gebräuchlich geworden. Wir nennen das Triumphverzeichnis auf der Regia gewöhnlich f. triumphorum oder triumphales. Wir sprechen von f. praetorii, f. tribunicii und f. censorii, obwohl in die eponymen Beamtenkalender die Praetoren, Tribunen und Censoren nicht aufgenommen worden waren. Auch in den vom Kalender losgelösten Eponymenlisten finden wir die Praetoren und Tribunen nicht verzeichnet. Wohl haben auch diese Magistrate und ebenso die Priestercollegien eigene Verzeichnisse geführt und denselben die eponymen Beamten beigefügt (vgl. Liv. XXXIX 52, 4), doch für dieselben wie in den Publikationen von De Boor, Wehrmann und Nicolini die Bezeichnung f. censorii, praetorii und tribunicii zu verwenden, ist ebensowenig antiker Sprachgebrauch wie f. triumphorum (triumphales).

Vgl. Mommsen Röm. Chron.2 208ff.; St.-R. I3 600ff. Becker Röm. Altert. I 17. Schwegler Röm. Gesch. I 17f. Unger Die Glaubwürdigkeit der capitolinischen Consulntafel, Jahrb. f. Philol. 1891, 647. Teuffel-Schwabe5 § 75. Schanz Gesch. d. röm. Lit. I2 24. Schön Die Differenzen zwischen der capitolinischen Magistrats- und Triumphliste 35.

A. Fasti Capitolini.

Die berühmteste römische Eponymenliste ist uns zum Teil in den sog. f. Capitolini erhalten. Wir verstehen darunter die Fragmente einer Magistratsliste bis zum J. 766 d. St., welche auf den Außenwänden der Regia zur Zeit des Augustus eingetragen wurde. Zu den capitolinischen Fasten rechnet man weiter die Bruchstücke eines Verzeichnisses der römischen Triumphatoren, das mit dem J. 735 d. St. schließt und gleichfalls auf der Regia eingegraben war. Die Benennung rührt von dem jetzigen Aufbewahrungsort der Bruchstücke im Konservatorenpalast auf dem Kapitole her. Von den bisher gefundenen Fragmenten gehören 49 der Magistratsliste an; davon sind 46 im CIL I² p. 16ff. veröffentlicht. Die 3 übrigen Fragmente kamen erst nach dieser Publikation (1893) zum Vorschein. Das eine derselben ist publiziert in den Notizie degli scavi 1899, 384, im Bull. com. 1899, 205ff. und im Arch. Anz. 1900, 6, eingehender besprochen ist es von Hülsen Beiträge z. alt. Geschichte II 248ff. Die beiden andern sind ediert in den Notizie degli scavi 1904. 8–10 und Röm. Mitt. XIX (1904) 117ff. Von der Triumphliste sind 38 Bruchstücke gefunden worden; davon sind 37 im CIL I² p. 43ff. publiziert, das letzte, erst kürzlich gefundene, in den Notizie degli scavi a. a. O. und in den Röm. Mitt. a. a. O. Über die früheren Publikationen der [2028] capitolinischen Fasten vgl. die Zusammenstellung im CIL I² p. 12–14 und dazu Schön Das capitolinische Verzeichnis der römischen Triumphe, 1893. Der wichtigste Fund wurde im J. 1546 gemacht, 30 Bruchstücke der Magistratsliste und 26 der Triumphtafel. Sie kamen zuerst in das Haus des Kardinals Farnese, bald nachher in den Konservatorenpalast auf das Kapitol, wo sie kurze Zeit darauf nach den Anordnungen von Michel Angelo in die Rückwand der nach ihnen benannten Sala dei fasti eingemauert wurden.

a) Ort der Eintragung und räumliche Verteilung der Inschriften. Gefunden wurden die meisten Fragmente auf der Ostseite des Forums zwischen dem Faustinen- und dem Kastortempel. Daß die Inschriften die Wände eines öffentlichen Gebäudes schmückten, darüber herrschte von Anfang an kein Zweifel, doch schwankte man bis in die allerjüngste Zeit noch zwischen dem Heroon des Divus Iulius, der Regia und dem Kastortempel. Heute steht es wohl nach den von Henzen und Detlefsen im CIL I¹ p. 422[30] = I2 p. 5 vorgebrachten Gründen zweifellos fest, daß auf den Außenwänden der Regia die Magistratsliste und die Triumphaltafel eingegraben waren; vgl. Hülsen Arch. Jahrb. 1889, 247. Unberechtigte Zweifel äußerten noch nach Henzen und Detlefsen Lanciani (Bull. d. Inst. 1871, 266; Not. d. scav. 1882, 219) und Jordan (Herm. VII 270; Topogr. I 2, 301). Die Regia hatte in der republikanischen Zeit mehrmals durch Brand gelitten und mußte daher wiederholt neu aufgebaut werden. Der berühmteste Neubau erfolgte durch Domitius Calvinus im J. 718 = 36. Diesem Neubau weisen Henzen und Detlefsen die Bruchstücke der capitolinischen Fasten zu. Daß wir deswegen eine Bauweise mit massiven Marmorblöcken bei der Regia annehmen müssen, hat Jordan Top. I 2, 301 mit Unrecht bedenklich gefunden; vgl. G. Schön Wien. Stud. XXIV 329. Domitius hat den Neubau auf Aufforderung des Augustus übernommen; daher ist es selbstverständlich, daß er ihn in dessen Sinne ausführen mußte.

Über die Gestalt der Regia ist in der letzten Zeit eine Reihe trefflicher Untersuchungen erschienen: Nichols La Regia, Röm. Mitt. 1886, 94–98; The Regia, the atrium Vestae and the fasti Capitolini, Archaeologia Lond. vol. L 1887, 227–250. Jordan Gli edifizi antichi fra il tempio di Faustina e l'atrio di Vesta, Röm. Mitt. 1886, 99–111, Top. I 2, 298–304. 423–429. Hülsen Die Regia, Arch. Jahrb. 1889, 228–253. Seitdem sind die Fundamente der Regia bloßgelegt worden. Diese zeigen, daß ,die Regia ein Trapez bildete, an dessen kleinster, nach Osten liegender Seite der Eingang war, von dem wie von der Treppe noch deutliche Reste vorhanden sind‘. Die Westseite war nur 2 m von der Hinterwand des Heroon des Divus Iulius entfernt. Die Nordmauer der Regia lag an der Via sacra; längs derselben liefen drei Stufen einher (Richter Top. 359). Hülsen hat a. a. O. 246 eine Rekonstruktion des Teiles der Regia, auf welchem die F. eingegraben waren, gegeben. Dieselbe ist auch dem CIL I2 beigefügt und gibt uns ein recht anschauliches Bild über die Verteilung der Inschriften. [2029]

Aus den aufgefundenen Fragmenten ergibt sich, daß die Magistratsliste auf vier zweispaltigen Tafeln eingegraben war. Die zwei ersten Tafeln befanden sich auf einer Schmalwand, die dritte und vierte auf einer Längswand der Regia. Auf der letzteren waren auch sämtliche Triumphinschriften auf den Pilastern, durch welche die Wand gegliedert war, eingehauen. Die Verteilung der Inschriften auf zwei Wandflächen steht durch die Auffindung des Kopfstückes des ersten Triumphalparastaten im J. 1872 zweifellos fest. Da an demselben die Vorder- und linke Nebenseite bearbeitet, die rechte aber rauh ist, so muß er seinen Platz entweder an der Nordost- oder Südwestecke der Regia gehabt haben. Aus den erhaltenen Resten läßt sich nämlich weiter mit Sicherheit konstatieren, daß die dritte Magistratstafel zwischen dem ersten und zweiten Triumphalparastaten angebracht war, die vierte zwischen dem dritten und vierten. Der Raum zwischen dem zweiten und dritten Triumphalpfeiler war demnach unbeschrieben; über seine Ausfüllung läßt sich nichts Sicheres vermuten. Ferner zeigt die dritte besterhaltene Magistratstafel, daß ihre Inschriftfläche von einer Aedicula mit kanellierten korinthischen Pilastern umrahmt war. Die gleiche Umrahmung ist auch für die vierte Magistratstafel anzunehmen. Die Triumphinschriften waren auf den einzelnen Pilastern in folgender Weise verteilt: drei bis vier Zeilen standen auf dem Ansatze der Pilasterkapitelle. Hierauf folgten sechs beschriebene Marmorblöcke, von denen die obersten 2 je O,44 m hoch waren, die folgenden 3 je 0,59 m und der letzte 0,64 m. Die Gesamthöhe der beschriebenen Fläche betrug demnach 3,29 m + O.06 m (bezw. 0.07 m). Der erste Pfeiler enthielt die Triumphe von Romulus bis zum J. 452 d. St., der zweite von 453–532, der dritte von 533–625, der vierte von 628–735. Insgesamt waren auf den Pilastern ungefähr 660 Zeilen eingegraben; vgl. CIL I2 p. 6ff.[31] und Schön Das capitol. Verz. 66ff. Die Inschriften der beiden letzten Magistratstafeln begannen erst auf den dritten Marmorblöcken und waren auf die nächsten vier Schichten verteilt, so daß die Höhe ihrer beschriebenen Fläche 2,41 m betrug. Die erste Spalte der dritten Magistratstafel enthielt die Beamten von 462–532, die zweite jene von 533–600. Auf der vierten Tafel standen die Beamten von 601–704 und 705 bis ungefähr 745. Der Schluß der capitolinischen Magistratsliste (746–766) war auf dem Rande zwischen der vierten Magistratstafel und dem vierten Triumphalpfeiler eingetragen. Die Schrift begann in gleicher Höhe mit der eingerahmten Magistratstafel und füllte bis zum J. 766 die drei oberen Schichten aus. Der Eintrager stieß mit dem J. 766 auf die am Rande neben dem J. 737 eingegrabene Notiz über die fünften Säkularspiele. Diese Notiz wird entweder im J. 737 oder bald hernach eingehauen worden sein. Der unter derselben noch zur Verfügung stehende Raum wurde für die Weiterführung der Beamtenliste nicht mehr benützt, und es ist auch nicht das geringste Anzeichen vorhanden, daß die Beamtenliste an einer andern Stelle der Regia eine Fortsetzung gefunden hätte. Unter Domitian wurden anschließend an die Notiz über die fünften Säkularspiele die sechsten vom J. 841 verzeichnet. [2030] Zugleich mit den Säkularspielen des J. 737 wurden gewiß auch die vier vorausgehenden neben den J. 298, 408, 518, 628 eingetragen. Erhalten ist nur die Angabe für 518. Die erste und zweite Magistratstafel standen auf der schmäleren Ost- oder Westwand zwischen unbeschriebenen Pilastern. Für diese Tafeln wurde im CIL I2 p. 9f.[32] (vgl. Hülsen a. a. O. 250) eine geringere Schriftkolumnenhöhe angenommen als für die dritte und vierte. Daß diese Annahme unrichtig war, hat der im J. 1899 gemachte Fastenfund gezeigt; vgl. Hülsen Beitr. z. alt. Gesch. II 255ff. Hülsen hat auf Grund dieses Fundes eine neue Rekonstruktion der beiden ersten Tafeln versucht. Nach ihm seien die Inschriften auf fünf Schichten verteilt gewesen, die von oben nach unten folgende Höhenmaße gehabt hätten: 0,44 m + 0,65 m + 0,41 m + 0,55 m + 0,57 m = 2, 62 m. Es würden demnach die Schriftkolumnen höher sein als bei der dritten und vierten Tafel. Die erste Tafel enthielt wahrscheinlich die Aufschrift in größeren Buchstaben und die Beamten von 1–318 und 319–364, die zweite jene von 365–409 und 410–461. Außer Beamtennamen enthielt die Magistratsliste noch vereinzelte historische Bemerkungen. Von 10 zu 10 Jahren waren die Jahre ab urbe condita angegeben. Mit Einschluß der Randbemerkungen umfaßt die Magistratstafel über 1300 Zeilen.

Nach Hülsen müßten wir für die erste und zweite Tafel noch eine weitere Verschiedenheit gegenüber der dritten und vierten annehmen. Henzen und Detlefsen hatten für die ersteren gleichfalls eine architektonische Umrahmung – Aedicula mit korinthischen Pilastern – angenommen (CIL I1 p. 420).[33] Dagegen nahm Hülsen Arch. Jahrb. 1889, 250f. Stellung. Die Gründe, welche er wegen der Disharmonie zwischen den Aediculae und den Pilastern vorbrachte, haben durch den Fund aus dem J. 1899 ihre Stichhaltigkeit verloren, doch findet Hülsen seine Ansicht bestätigt durch den rechts und links von der Schrift erhaltenen Rand dieses Bruchstückes (Beitr. z. alt. Gesch. II 254). Über den oberen Abschluß der F.-Mauer haben uns die Ausgrabungen gleichfalls Aufschluß gegeben. ,Ein Fries mit Bukranien und Festons wurde gekrönt durch ein Konsolengesims‘, Hülsen Arch. Jahrb. 1889, 249; vgl. über diesen bei den Bauten des Augustus öfters angewendeten Fries Petersen Ara Pacis Augustae 38ff. und Tafel II. Über den Abschluß der Mauer unterhalb der beschriebenen Blöcke haben wir keine Anhaltspunkte.

Die ersten zwei Tafeln hat Hülsen der Westwand zugewiesen, die dritte und vierte sowie sämtliche Triumphinschriften der Südwand (a. a. O. 240ff.; Herm. XXIV 188f.; CIL I2 p. 5).[34] Ich habe mich in den Wiener Studien XXIV 332ff. gegen diese Zuteilung ausgesprochen. Naturgemäß gehörte die Magistratsliste auf jene Wand, auf welcher der Oberpontifex seine Kundmachungen für das Volk auf Tafeln, die durch eine Aedicula geschützt gewesen sein dürften, ausgehängt hatte. In der Umrahmung der Magistratstafeln schien mir eine Erinnerung an jene Aedicula vorzuliegen, weshalb ich (a. a. O. 333) die architektonische Umrahmung auch bei den ersten zwei Tafeln voraussetzen wollte. Wer die öffentliche Aushängung [2031] der pontificalen Kundmachungen nicht anerkennen wollte, wird mir doch zugeben, daß man mit der Eintragung der Magistratsliste auf der Wand begonnen haben wird, an welcher sich der Eingang zum Amtslokal des Pontifex maximus befand. Nach den letzten Ausgrabungen haben wir denselben an der Ostseite zu suchen. An dieser Stelle würden wir ihn auch wegen der nahen Beziehungen des Oberpontifex zu dem Hause der Vestalinnen eher voraussetzen als an der Westseite. Für die Eintragung der F. ist die Ostwand der Westwand auch deswegen vorzuziehen, weil diese nur 2 m von der Hinterwand des Heroon des Divus Iulius entfernt war. Als die zweite Wand kann dann nach dem Kopfstück des ersten Triumphalpilasters nur die Nordwand in Betracht kommen. Zu dieser Wand führten von der Via sacra drei Stufen empor, so daß an dieser Stelle die Inschriften leicht zugänglich und bequem zu lesen waren. Auf der Sacra via bewegten sich ferner die Triumphzüge, und so war die angrenzende Wand jedenfalls die geeignetste zur Anbringung der Triumphinschriften. Erst von diesem Gesichtspunkte aus gewinnt die auffällige Tatsache, daß das Verzeichnis der Triumphe vor der dritten Magistratstafel beginnt, ihre einfachste und natürlichste Erklärung.

b) Abfassungszeit. Für die Zeit der Eintragung der capitolinischen F. erhalten wir durch den von Domitius Calvinus besorgten Neubau der Regia im J. 718 (Cass. Dio XLVIII 42) den Terminus post quem. Meines Erachtens war schon bei der Aufführung des Neubaus die Eintragung der Inschriften geplant. Jordan scheint mir (Top. I 2, 301) mit vollem Recht zu bemerken, ,daß die architektonische Gliederung der erhaltenen Blöcke eigens für die Eintragung der F. geschaffen zu sein scheint‘; vgl. O. Hirschfeld Herm. IX 98. Nach Dio Cassius könnte man die Einweihung der Regia auch dem J. 718 zuweisen, doch ist die Annahme nicht unbedingt notwendig, weil ja Dio die Nachricht über den Beginn des Baus und die Einweihung desselben, trotzdem beide Ereignisse zeitlich getrennt waren, zusammengefaßt haben kann. Wäre von Domitius die Eintragung veranlaßt worden, dann würden wir voraussetzen dürfen, daß die Liste zur Zeit der Einweihung bereits fertig gestellt war, so daß wir am Schluße der zweiten Spalte der vierten Magistratstafel für etwa 25 Jahre einen Nachtrag anzunehmen hätten. Dasselbe würde für den entsprechenden Teil der Triumphaltafel gelten. Aus den Buchstabenformen ist ein solcher Nachtrag nicht zu erkennen, da dieselben noch in dem Fragmente zum J. 742 keine wesentliche Verschiedenheit aufweisen. Dagegen ist die auf dem Rande eingetragene Liste, soweit sie erhalten ist, durch die Schrift auf den ersten Blick als ein Nachtrag erkenntlich. Es wäre also bereits durch die Schrift etwa das J. 745 als ein Terminus ante quem anzunehmen. Gewichtige Gründe veranlassen uns aber, die Eintragung des Hanptteils der Magistratsliste nicht lange nach 718 vorauszusetzen. Domitius hat zwar mit der Eintragung der F., wie ich in den Wiener Studien XXIV 325ff. näher ausgeführt habe, wenig oder gar nichts zu tun, da sicherlich Augustus, welcher dem Domitius den Neubau der Regia aufgetragen [2032] hatte, die Publikation veranlaßt hat (s. u.); aber es spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, daß Augustus seinen zugleich mit dem Neubau der Regia gefaßten Plan nicht allzulange nach demselben zur Ausführung bringen ließ. Für diesen Zeitpunkt der Eintragung spricht nämlich ein geradezu zwingender Grund, den uns die eingegrabene Liste selbst an die Hand gibt. Infolge desselben haben wir das J. 724 als den Terminus ante quem für die Eintragung anzunehmen. In der Magistratsliste ist nämlich der Name des Triumvirn M. Antonius in den J. 707 und 717 auf Rasur gesetzt, ebenso der Name seines Großvaters in den J. 655 und 657. Daß wir es mit einer beabsichtigten Erasion zu tun haben, ist klar. Nun war über M. Antonius im J. 724 die damnatio memoriae ausgesprochen worden (Dio LI 9). Daher hat Borghesi (Oeuvr. IX 1, 6) angenommen, daß die Magistratsliste zwischen den J. 718 und 724 eingegraben worden sei. Für die Triumphliste gilt das gleiche Argument nicht; denn in ihr ist sowohl der Name des Triumvirn M. Antonius im J. 714 als auch der seines Bruders im J. 713 unangetastet geblieben.

Eine von Borghesi abweichende Anschauung vertritt Hirschfeld im Hermes IX 93ff., vgl. ebd. XI 154ff. Er sucht nachzuweisen, daß die Eintragung sowohl der Magistratstafel als auch der Triumphliste erst zur Zeit der Übernahme des Oberpontificates durch Augustus oder bald nach derselben erfolgt sei, etwa zwischen 742 = 12 und 747 = 7. Gegen seine Ausführungen wendet sich Mommsen Herm. IX 267ff. (wiederholt Röm. Forsch. II 58ff., wo auch der zweite Artikel Hirschfelds berücksichtigt ist). Mommsen bespricht a. a. O. 76ff. ausführlich die Erasion des Antoniernamens und zeigt, daß dieselbe nur dann erklärlich ist, wenn der Hauptteil der Magistratsliste bereits im J. 724 eingetragen war. Vornehmlich an diesem epigraphischen Argumente scheiterte die sonst trefflich begründete Kombination Hirschfelds betreffs der Magistratsliste; einer späteren Eintragung der Triumphliste stimmte auch Mommsen bei. Er weist sie vor allem aus dem Grunde, weil in derselben keine Erasion des Antoniernamens vorkommt, der Zeit zwischen 735 und 742 zu. Einen kleinen Nachtrag über die Abfassungszeit der capitolinischen F. hat noch Hülsen Herm. XXIV 185ff. gegeben. Er führt aus, daß der Schluß der vierten Magistratstafel nicht das J. 742 sei, womit er die von Mommsen (Röm. Forsch. II 66ff.) gegen das von Hirschfeld angenommene Epochenjahr 742 vorgebrachten Bemerkungen ergänzt; vgl. CIL I2 p. 7.[35]

Gegen die Eintragung der Magistratsliste nach dem J. 742 dürften weiter auch die am Rande eingegrabenen Notizen über die Säkularspiele sprechen. Die Eintragung dieser chronologischen Notizen wird wahrscheinlich durch die im J. 737 gefeierten Säkularspiele veranlaßt worden sein, und es dürfte dieselbe auf den besonderen Wunsch des Augustus erfolgt sein. Wäre die Magistratsliste erst nach dem J. 737 eingegraben worden, dann wüßte ich keinen Grund, warum die wenigen Notizen nicht in die Tafel selbst aufgenommen worden wären; vgl. Mommsen a. a. O. II 60ff.

Die von Mommsen vertretene Anschauung, [2033] daß die Magistratsliste vor dem J. 724 eingegraben wurde, daß der Schluß wahrscheinlich sukzessive nachgetragen worden sei und daß die Eintragung der Triumphliste zwischen 735 und 742 erfolgte, ist fast allgemein angenommen worden; vgl. CIL I2 p. 10,[36] 2. Sie dürfte auch, nach dem jetzt vorliegenden Material wenigstens, unanfechtbar sein. Die gleichen Schriftformen bis 742 erklären sich wohl dadurch, daß die Inschriften bis auf den kleinen Nachtrag von 746 ab unter fachmännischer Aufsicht von ein- und derselben Offizin eingetragen wurden. Wenn Hirschfeld beide Listen dem Augustus zuschreiben will, so behält er auch bei der von Mommsen vertretenen Anschauung vollkommen recht, wie im folgenden näher ausgeführt werden wird.

c) Redaktion. Seitdem der Zeitpunkt der Eintragung der capitolinischen F. Gegenstand eingehender Untersuchungen geworden war, ist man auch der Frage nach der Schlußredaktion näher getreten. Schon früher hatte Petavius den berühmten Antiquar der augusteischen Zeit M. Verrius Flaccus als den Redaktor vermutet. Dagegen meinte Mommsen (Röm. Chron.2 111): ,die der Chronologie zur Liebe hineingesetzten antiquarischen Undinge verraten keinen Gelehrten, sondern einen handwerksmäßigen Kalendermacher‘; vgl. dazu Wachsmuth Einleitg. in das Studium der alten Geschichte 633. Verrius Flaccus lehnt Mommsen schon aus dem Grunde ab, weil er im praenestinischen Kalender die Jahre varronisch zählt. Hirschfeld greift auf Verrius Flaccus zurück (Herm. IX 102). Derselbe könnte, wie er meint, in verschiedenen Werken zwei verschiedene Aeren angewendet haben. Überhaupt sei es zweifelhaft, ob sich die Notiz Suetons de gramm. 17: statuam habet Praeneste in inferiore fori parte circa hemicyclium, in quo fastos a se ordinatos et marmoreo parieti incisos publicarat auf den Kalender beziehe. Ganz vorzüglich passe der Ausdruck fastos ordinare auf die Redaktion der Eponymenliste und man könne vermuten, daß ,die Worte et marmoreo parieti incisos sich nicht auf das Hemicyclium in Praeneste, sondern auf die Marmorwand der Regia in Rom beziehen‘ (S. 104). Hirschfelds Vermutung fällt, wie Mommsen Röm. Forsch. II 80 hervorhebt, von selbst, wenn die Magistratsliste um das J. 720 eingegraben worden ist; vgl. Vahlen Opusc. acad. I 44f. und o. S. 2017. Seit die capitolinische Magistratstafel mit dem Neubau der Regia durch Domitius Calvinus örtlich in so enge Verbindung gebracht wurde, war für Vermutungen in der Redaktionsfrage eine neue Grundlage geschaffen. Es lag nahe, dem Erbauer der Regia bei der Redaktion eine Rolle zuzuweisen. So schreibt Mommsen a. a. O. 76: ,dies zwingt ja nicht zu der Annahme, daß schon er (Domitius) auf die Fronte derselben die Magistratstafel hat einhauen lassen; aber nachdem erwiesen ist, daß diese Tafel vor 724 sich an dem Platze befand, ist die Kombination unabweislich‘. Man könnte noch darauf hinweisen, daß Domitius dem Pontificalcollegium angehörte. Wer dem Domitius die Zusammenstellung der Liste besorgt haben könnte, darüber äußert sich Mommsen nicht. Daß er sie für eine bloße Kopie der im Archiv des Pontificalcollegiums aufliegenden Beamtenliste gehalten [2034] habe, wird man trotz der günstigen Urteile, welche er gelegentlich über die capitolinische Liste gefällt hat, nicht annehmen dürfen. Vielmehr bezeugen zwei spätere Aussprüche von ihm (Röm. Forsch. II 80; CIL I2 p. 81),[37] daß er seinen in der Röm. Chron.2 111 vertretenen Standpunkt aufrecht hielt. Eine wesentlich verschiedene Anschauung in der Redaktionsfrage vertritt Unger a. a. O. 289, 1. Er findet es ganz selbstverständlich, daß der verantwortliche Verfasser der auf der Regia zwischen 717 und 724 eingetragenen Magistratsliste nur der damalige Oberpontifex Lepidus (710–742) gewesen sein kann, ,der wirkliche‘ sei ,wohl einer seiner Schreiber, ein Pontifex minor‘ gewesen. Mommsen und Unger haben das eine gemeinsam, daß sie einen ,verantwortlichen‘ und einen ,wirklichen‘ Verfasser annehmen. Während Mommsen von der Voraussetzung ausging, daß der Erbauer eines öffentlichen Gebäudes auch den Schmuck desselben besorgen ließ, vertritt wieder Unger den Standpunkt, die Redaktion einer Magistratsliste, welche auf den Außenwänden der Amtswohnung des Pontifex maximus veröffentlicht werden sollte, könne nur ein Werk des jeweiligen Oberpontifex gewesen sein. Unter gewöhnlichen Verhältnissen könnte man beiden Anschauungen einen großen Grad von Wahrscheinlichkeit nicht absprechen. Allein Mommsen und Unger haben ganz außer acht gelassen, welche Rolle zu jener Zeit Augustus im Staat spielte und in welchem Verhältnisse gerade damals Domitius und Lepidus zu dem jungen Caesar standen. Selbst wenn die Publikation keinen andern Zweck verfolgt hätte, als den, ein Verzeichnis der obersten republikanischen Beamten recht übersichtlich und für jedermann leicht zugänglich zu geben, so wäre sie doch ein so hervorragendes Ereignis gewesen, daß man sich dieselbe schwer zu einer Zeit, in welcher sich bereits so ziemlich das ganze politische und literarische Leben Roms um die Person des jungen Caesar drehte, ohne seine Mitwirkung entstanden denken könnte. Schon Hirschfeld hat (Herm. XI 163) Augustus in den Mittelpunkt unserer F.-Publikation gestellt. Er wollte allerdings seine Vermutung als Argument für eine spätere Eintragung der Magistratsliste benützen, indem er mit Unrecht dem Augustus eine intensivere Beschäftigung mit antiquarischen Fragen vor 724 absprach. Als den Urheber der Magistratsliste nimmt auch Gardthausen (Augustus und seine Zeit I 2, 897) den jüngeren Caesar an. Den gleichen Standpunkt vertritt endlich Bormann in der Festschrift für Benndorf 286, bei voller Aufrechthaltung von Mommsens Zeitansätzen, und vor allem K. Wachsmuth a. a. O. 301.

In der Tat sprechen ganz gewichtige Gründe dafür, daß Augustus die Publikation der Magistratsliste auf der Regia veranlaßt hat; vgl. meine Ausführungen in den Wiener Studien a. a. O. Daß er sich bereits zur Zeit des Neubaus der Regia ganz eingehend mit antiquarischen Fragen beschäftigt habe, ist uns bei Cornelius Nepos (Att. 20) ausdrücklich überliefert: quamquam vel ante hanc sponsalem non solum, cum ab urbe abesset, numquam ad suorum quemquam litteras misit, quin Attico non scriberet, quid [2035] ageret, in primis quid legeret quibusve in locis aut quamdiu esset moraturus, sed etiam, cum esset in urbe et propter infinitas suas occupationes minus saepe quam vellet Attico frueretur, nullus dies intercessit, quo non ad eum scriberet, cum modo aliquid de antiquitate ab eo requireret, modo aliquam quaestionem poeticam ei proponeret, interdum iocans eius verbosiores eliceret epistulas. Über die Zeit der Verlobung, von welcher Nepos spricht, vgl. Gardthausen a. a. O. I 2, 747: ,das erste Mal spielte Antonius wahrscheinlich bei seinem Aufenthalte in Tarent 717 = 37 den Vermittler, indem er den reichen Pomponius Atticus bewog, seine ungefähr 14jährige Tochter dem siegreichen Feldherrn des Caesar (Agrippa) zu vermählen. Nicht lange danach wurde ihm seine erste Tochter geboren, die kaum ein Jahr alt war, als man sie dem späteren Kaiser Tiberius verlobte‘. Ganz besonders sprechen für Augustus als verantwortlichen Verfasser der capitolinischen F. jene Gründe, welche Mommsen und Unger für Domitius einer- und Lepidus andererseits voraussetzen. Der Neubau der Regia war indirekt ein Werk des Augustus. Dieser hatte seinen Unterfeldherrn Domitius einen Triumph feiern lassen, der von Rechts wegen ihm zukam. Er hatte also auch das Verfügungsrecht über die Beutegelder, die Domitius zweifellos auf seine Initiative hin zum Neubau der Regia verwenden mußte. Besonders angenehm mochte der Auftrag dem Domitius nicht gewesen sein, wie ich a. a. O. 329 vermutet habe. Daß Augustus die Regia als seinen Bau betrachtete, wenn er auch, wie sonst öfters, seinen Namen nicht durch ihn verewigen ließ (vgl. Mommsen Res gestae Augusti p. 78. 83), beweist wohl auch der Umstand, daß er später Beutegegenstände aus seinen siegreich geführten Kriegen zur Ausschmückung der Regia hergab; vgl. Schön a. a. O. 330. Wenn also der Erbauer der Regia bei der verantwortlichen Redaktion in Betracht kommt, dann können wir für dieselbe Augustus gewiß mit gleichem Recht wie Domitius, wenn nicht mit größerem, in Vorschlag bringen, sollte aber die Publikation vom Pontificalcollegium ausgegangen sein, dann steht die Person des Augustus erst recht im Vordergrund. Lepidus, der von 710–742 Oberpontifex war, hatte sich dem Caesar im J. 718 in Sizilien ergeben müssen. Das Leben wurde ihm geschenkt, doch mußte er bis zu seinem Lebensende in Circei als Verbannter leben. Aller politischen Würden entkleidet, war er im Besitz des Oberpontificats geblieben, weil Caesar dasselbe aus religiösen Bedenken nicht annahm, obwohl ihm das Volk die Würde im J. 718 und später noch öfters angetragen hatte. Wenn nun um 718 ein Pontifex die Eintragung der Magistratsliste veranlaßt hat, dann werden wir zwischen dem Scheinoberpontifex Lepidus und dem allmächtigen Pontifex Caesar eine leichte Wahl zu treffen haben.

Durch die Rolle, welche Augustus bei der Eintragung spielte, gewinnen wir auch Anhaltspunkte zur Eruierung des wirklichen Verfassers. Denn das ist klar, daß wir dem Augustus noch weniger als einem Lepidus oder Domitius die Abfassung der Liste zuschreiben können. Unter den Persönlichkeiten, welche Augustus mit dieser Arbeit um das J. 718 betrauen konnte, war Atticus [2036] entschieden die geeignetste. Er war es, den Augustus nach der oben zitierten Stelle aus Nepos um jene Zeit besonders in antiquarischen Fragen fast täglich zu Rate zog. Vor allem galt Atticus als Autorität in genealogischen Untersuchungen. Obenan steht unter denselben sein liber annalis, welcher nebst kurz gefaßten historischen Angaben ein Magistrats- und Triumphverzeichnis enthielt. Nepos bemerkt über die Schrift a. a. O. c. 18: et, quod difficillimum fuit, sic familiarum originem subtexuit, ut ex eo clarorum virorum propagines possimus cognoscere. Aus den Worten quod difficillimum fuit geht hervor, daß Atticus Angaben, wie sie in der capitolinischen Liste enthalten sind, noch nicht in ausgedehnterem Maß vorgefunden haben kann. Da ihm alle Quellen zu Gebote standen, welche der Redaktor der capitolinischen Liste einsehen konnte, vor allem auch die Annales maximi (vgl. Seeck a. a. O. 89ff.), so können die genealogischen Angaben dieser Liste nicht auf alte, zuverlässige Überlieferung zurückgehen. Zwischen der Publikation des liber annalis und der capitolinischen Liste liegt ein Zeitraum von etwas mehr als 10 Jahren. Auf der Regia haben wir wie im liber annalis des Atticus neben der Beamtenliste eine Triumphliste veröffentlicht. Beide Listen sind ganz auffällig mit genauen genealogischen Notizen ausgestattet. Was liegt da näher als die Vermutung, daß die genannte Schrift des Atticus die Quelle der capitolinischen F. gewesen sei. Diese Vermutung sprach zuerst Pighe Annal. Rom. 118f. aus. Ihm schloß sich mit einigem Vorbehalt an Vossius De historicis lat. 50. In neuester Zeit vertrat die gleiche Ansicht Cichorius De fastis consularibus antiquissimis (Leipziger Studien IX 1886) 249; vgl. Wachsmuth a. a. O. 634.

Könnten wir schon aus dem Verhältnis, in welchem Atticus zu Augustus stand, erschließen, daß dieser sich bei einer so wichtigen Frage, wie es die Publikation der Magistratstafel war, an jenen gewendet habe, so dürften wir noch in einem andern Umstand eine Bestätigung dieser Annahme erhalten. Die genealogischen Studien des Atticus für den liber annalis hatten berühmte Zeitgenossen desselben zu einer Bitte veranlaßt. Cornelius Nepos fahrt a. a. O. fort: fecit hoc idem separatim in aliis libris, ut M. Bruti rogatu Iuniam familiam a stirpe ad hanc aetatem ordine enumeravit, notans, qui a quo ortus, quos honores, quibus temporibus cepisset, pari modo Marcelli Claudii Marcellorum, Scipionis Cornelii et Fabii Maximi Fabiorum et Aemiliorum. Es scheint mir höchst wahrscheinlich, daß die genannten Männer dem Atticus für die Vorarbeiten zu seinem liber annalis ihre Familienarchive zur Verfügung gestellt hatten, so daß die genealogischen Monographien desselben zugleich eine Gegenleistung für diese Gefälligkeit waren. Zu den Hilfsmitteln des Atticus gehörten, wie schon betont, die Annales maximi, ein schwer zugängliches Werk, welches Atticus durch Vermittlung seines mächtigen Freundes und Gönners, des C. Iulius Caesar, benützen konnte und sicherlich auch benützt hat (O. Seeck a. a. O. 88ff.). Es war daher nur natürlich, daß der Adoptivsohn und Erbe des Iulius Caesar mit der Ausarbeitung der Liste, die eine ideale Ahnenreihe für den Begründer des [2036] Kaiserreichs darstellte (vgl. Cass. Dio LVI 34 und Schön Die Elogien auf dem Augustusforum 14ff.), seinen Freund Atticus betraute, der durch die Verlobung seiner Enkelin mit Tiberius bald nach dem Neubau der Regia mit dem Kaiserhaus in ein enges verwandschaftliches Verhältnis getreten war. Augustus hat die berühmtesten seiner idealen Ahnen auf dem Augustusforum, dem Atrium des neu geordneten Staates, noch besonders geehrt, wie ich a. a. O. näher ausgeführt habe, die vollständige Liste seiner idealen Ahnen von Romulus bis auf seine Zeit stand auf den Marmorwänden der Regia verewigt. Doch ist die Anlegung einer idealen Ahnenliste nicht der einzige und auch nicht der Hauptzweck der Eintragung der Magistratsliste auf der Regia gewesen. Derselbe ergibt sich aus dem Inhalt der Liste. Durch ihn erhalten wir einen weiteren Beleg dafür, daß Augustus der Urheber der Liste und Atticus sein Mitarbeiter war.

Mommsen schreibt St.-R. I3 602: ,Der leitende Gedanke bei der Abfassung der Magistratsliste war der, sämtliche magistratus maiores zu verzeichnen‘. Als eine Eponymenliste sei sie nicht zu betrachten, da insbesondere den Censoren die Eponymie nicht zugestanden haben dürfte und da es sehr zweifelhaft sei, ob ,die Dictatoren und Reiterführer in der offiziellen selbständigen Datierung aufgeführt werden mußten‘. Wir können daher nicht mit voller Berechtigung die capitolinische Magistratsliste eine Eponymenliste nennen, doch können wir die Bezeichnung fasti immerhin ruhig beibehalten, weil die eponymen Beamten den Hauptteil der Liste ausmachen. Wollten wir sie nach Mommsen eine Liste der magistratus maiores nennen, so wäre die Bezeichnung auch nicht ganz passend, da sie nicht sämtliche magistratus maiores, zu denen unter allen Umständen die Praetoren gehören, enthält. Welchen Zweck die Liste hatte, besagt sie selbst deutlich. In ihr haben alle jene Beamten einen Platz gefunden, welche für die Chronologie Roms zur Zeit des Augustus von Bedeutung waren: die Könige, die Consuln samt den Ersatzconsuln, die Decemvirn, Consulartribunen, Censoren und Dictatoren mit ihren Reiterobersten. Dazu kommen noch von 731 an die Kaiserdaten und hie und da einige Vermerke, die ganz augenscheinlich ,der Chronologie dienen sollen‘ (Wachsmuth a. a. O. 632f.). Daß auch die Censoren in einer Liste, die aus chronologischen Gründen angelegt wurde, am Platz waren, geht schon aus der Angabe der Lustren allein hervor. Man vgl. übrigens Cic. ad Att. XVI 13: mihi velim scribas, quibus censoribus C. Fannius M. f. tribunus plebis fuerit. Unter den chronologischen Notizen sind hervorzuheben die durch die Feier der Säkularspiele im J. 737 veranlaßten Randbemerkungen über die vorhergehenden Säkularspiele. Am bemerkenswertesten aber ist entschieden die Angabe hoc anno dictator et magister equitum sine coss. fuerunt in den J. 421. 430. 445 und 453. Diese vier sog. Dictatorenjahre sind eine Erweiterung der Beamtenliste, welche ungefähr in der Mitte des letzten Jhdts. v. Chr. vorgenommen wurde; vgl. Matzat Röm. Chron. I 345f. und Wachsmuth a. a. O. 634. Nach den astronomischen Berechnungen in jener Zeit (Matzat a. a. O. 336ff.) [2038] fehlten gegenüber der offiziellen Ära der Pontificalchronik für 3 Jahre Beamte, wenn man das dritte Decemviraljahr strich, für 4 Jahre. Durch die Einfügung von 4 Dictatorenjahren wurde der chronologische Ausgleich hergestellt. Matzat schreibt (a. a. O. 345) diese Neuerung dem Atticus zu. Sicherlich hat dieser die 4 Dictatorenjahre in seinen liber annalis bereits aufgenommen. Mit ihm verlegten auch Cicero und Varro das Gründungsjahr Roms um 3 Jahre zurück unter Billigung des mit Atticus befreundeten Caesar, der nicht unwahrscheinlich fast zur selben Zeit die allerneuesten chronologischen Forschungen bei seiner Kalenderreform verwertet hat: vgl. Matzat a. a. O. 353. Die in den Annales maximi nicht verzeichneten Dictatorenjahre wurden in die capitolinische Liste aufgenommen, und somit müßten wir wenigstens für diese Angaben bei der Suche nach den Quellen der Magistratsliste aus der Regia herausgehen. Die nächstliegende Quelle ist wieder der liber annalis des Atticus.

Gardthausen schreibt a. a. O. 897: ,Augustus folgte den alten Traditionen, wenn er eine neue Redaktion veranlaßte und die Liste ... einhauen ließ‘. Die Tradition, welcher Augustus gefolgt wäre, ist die Publikation der Annales maximi durch den Oberpontifex P. Mucius Scaevola. Dieser hatte die Eponymenliste ausschließlich der 4 Dictatorenjahre festgelegt (Matzat 335f.). Das Gründungsjahr fiel nach ihm in Ol. 7, 2, den astronomischen Berechnungen des Tarutius zufolge (Matzat 345) aber in Ol. 6, 3 = Mitte 754 bis Mitte 753 v. Chr. Da der Gründungstag Roms am 21. April gefeiert wurde, so war nach Tarutius das Gründungsjahr Roms das J. 753 v. Chr. Das ist die bekannte Varronische Ära. Von ihr weicht die capitolinische Ära um ein Jahr ab; eine unwesentliche Differenz, die wahrscheinlich auf einer abweichenden Berechnung des ersten Jahres beruhte (Matzat 337). Dieselbe vertreten zu haben, sieht Augustus nicht unähnlich (vgl. Liv. IV 20. Nepos Attic. 20), so daß Wachsmuth die capitolinische Ära nicht mit Unrecht die augustische nennen dürfte. Durchgedrungen ist sie bekanntlich nicht. Nur bei wenigen Schriftstellern der Kaiserzeit finden wir sie vertreten. Außer Solinus und Macrobius hat auch Tacitus anfangs nach ihr gerechnet; vgl. Holzapfel Röm. Chron. 181.

Wenn Iulius Caesar tatsächlich die astronomischen Forschungen des Tarutius bei seiner Kalenderreform verwertet hat, dann hätte man von ihm als Pontifex maximus auch die Richtigstellung der amtlichen Ära erwarten können. Vielleicht konnte er sein Reformwerk nicht ganz vollenden. Augustus hat bekanntlich noch eine kleine Korrektur an dem iulianischen Kalender vorgenommen. So mag denn auch die Sanktionierung der neuen Ära nur eine Ergänzung zu den Reformen des Iulius Caesar gewesen sein, bei der sich Augustus des Rates und der Hilfe des Atticus bediente, der ganz offenbar den Kalenderreformen des Iulius Caesar nicht ganz fern gestanden hat; vgl. Matzat a. a. O. 353, der, wie ich glaube, mit Recht auch aus chronologischen Gründen den liber annalis des Atticus als die Quelle der capitolinischen F. vermutet.

Außer den bereits besprochenen chronologischen [2039] Notizen enthält die Magistratsliste noch eine Reihe anderer; so in welchen Jahren die wichtigsten Kriege begannen, wann die Plebeier zum Consulate zugelassen wurden usw. Solche Bemerkungen gehören nicht in eine Eponymenliste; sie geben der Magistratstafel einen annalistischen Anstrich und gestatten uns gleichfalls einen Rückschluß auf die Beschaffenheit ihrer Quelle. Ohne Grund sind sie aus derselben nicht herübergenommen worden. Zur Zeit des Cicero dürften bereits die wichtigsten Ereignisse nicht bloß nach den Consuln, sondern auch allgemeiner nach den Jahren ab u. c. datiert worden sein. Daher brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn in einer Beamtenliste, die vornehmlich dazu bestimmt war, der neuen offiziellen Ära gegenüber der früheren die Sanktion zu geben, die wichtigsten Ereignisse bei den Jahren ab u. c. vermerkt wurden, in welche sie nach der geänderten Datierung fielen.

Noch in die Zeit des Augustus fallen die Versuche, eine neue monarchische Datierung einzuführen. Seit dem J. 781 erscheint die Tribunicia potestas in der Magistratstafel, anfangs nach dem Consulat, später – vielleicht schon im J. 742 (vgl. Mommsen St.-R. II3 795, 1) – vor demselben. Doch ist diese Datierung nicht durchgedrungen (Mommsen a. a. O. 796), obwohl der Versuch im J. 22 n. Chr. durch einen Antrag im Senat wiederholt worden war (Tac. ann. III 37). Wahrscheinlich wollte Augustus mit der republikanischen Datierung ebenso brechen wie mit der republikanischen Triumphalfeier. Für einen solchen Abschluß beider Listen hätte der auf der Regia für sie ausgesparte Raum hingereicht.

d) Glaubwürdigkeit. Unter allen Fragen, die sich an die capitolinischen F. knüpfen, nimmt die Quellenfrage den hervorragendsten Platz ein. Nach Mommsen (Röm. Forsch. II 58) ,gehört die Datierung der capitolinischen F. zu den Fundamenten unserer Wissenschaft‘, daher muß die Beantwortung der Frage, welche Glaubwürdigkeit ihre Angaben besitzen, unsere vornehmste Aufgabe sein. Von einer definitiven Lösung dieser wichtigen Aufgabe kann nach den bisher vorliegenden Untersuchungen noch nicht die Rede sein, doch dürfte ein Urteil im allgemeinen meines Erachtens bereits mit ziemlicher Sicherheit ausgesprochen werden können.

Vor Mommsen wurde den capitolinischen F. die höchste Autorität zuerkannt, seit ihm sind aber sehr abweichende Urteile über ihre Glaubwürdigkeit gefällt worden. Schon in den Urteilen des berühmten Altertumsforschers selbst zeigt sich ein sehr merkliches Schwanken. In den Röm. Forsch. I 48 erklärt er, ,daß die Tafel auf gleichzeitige Aufzeichnungen zurückgeht, aber späterhin überarbeitet und ergänzt worden ist – sehr wahrscheinlich sind alle genealogischen Notizen sowie sämtliche Cognomina erst in der späteren republikanischen Zeit aus den Stammbäumen der einzelnen Geschlechter in die uralte Liste eingetragen worden‘. Bei der Besprechung der eponymen Beamten des J. 320 kommt er (Röm. Forsch. II 224) zu der Behauptung, daß die Angaben der F.-Tafel aus den sullanischen Annalisten geflossen seien. Ähnliche Urteile finden wir noch öfter bei Mommsen. Mit ihnen steht im Widerspruche, wenn er (Röm. Forsch. I 295) [2040] schreibt: ,Wenn in unsrer gesamten Überlieferung etwas gut und zuverlässig ist, so ist dies die Magistratstafel‘: vgl. a. a. O. 313. Nach Μommsen wurde die Quellenfrage von Cichorius a. a. O. eingehender behandelt. Er betrachtet als die unmittelbare Quelle der capitolinischen F. den liber annalis des Atticus. Dieser habe seine Beamtenliste durch Verschmelzung zweier Listen gewonnen. Die eine sei die Beamtenliste des griechischen Chronographen Kastor gewesen, der dieselbe den Annales maximi entlehnt habe, in welchen die Angaben der Jahrestafeln der Oberpontifices durch unechte Zusätze erweitert worden seien. Die gleiche Liste habe Diodor von 268–327 benützt. Die zweite Quelle des Atticus sei Licinius Macer gewesen, der erste Annalist, der für die Zeit vor 400 d. St. Cognomina angegeben habe. Aus Licinius Macer stamme auch die Liste des Hydatius (= Chron. Pasch.), während jene des Chronographen vom J. 354 ein Auszug des liber annalis des Atticus sei. Dadurch erkläre sich die Übereinstimmung zwischen dem Chronographen und der capitolinischen Liste. Bedeutend modifiziert hat Cichorius seine Anschauungen in dem Artikel Annales (s. o. Bd. I S. 2256): ,so war der liber annalis des Atticus eine wohl aus der Buchausgabe der Annales maximi ausgezogene chronologisch-historische Tabelle‘. Weit ungünstiger als das erste Urteil von Cichorius lautet jenes, das Matzat (Röm. Chron. I 353) kurz in folgende Worte zusammenfaßt: ,Noch die untergehende Republik sah die ... römische Zeittafel am Forum in Marmor – scheinbar das schönste und sicherste Denkmal ihrer ruhmreichen Geschichte, tatsächlich das Endprodukt eines Verderbnisprozesses, wie ihn wohl kaum eines anderen Volkes Überlieferung durchgemacht hat, und ein Grabmonument der Wahrheit‘. Sehr starke Zweifel an der Echtheit der Magistratsliste hat kürzlich Pais in seiner 1899 erschienenen Storia di Roma geäußert. Die ausführliche Begründung haben wir erst in einem weiteren Bande zu erwarten.

Den entgegengesetzten Standpunkt vertritt Unger a. a. O. Er geht von den Voraussetzungen aus, daß die Publikation vom Oberpontifex Lepidus veranlaßt worden sei (289) und daß die Magistratsliste infolgedessen nur einen Auszug aus den Aufzeichnungen der Pontifices gebe (650). Daher sei in derselben alles echt bis auf die Angaben über die Königszeit. Beide Voraussetzungen sind, wie ich oben gezeigt habe, unrichtig. Unger sucht aber auch das früher zitierte günstige Urteil Mommsens an dem Inhalte der Liste selbst als berechtigt nachzuweisen, indem er sich bemüht, alle die Verdachtsgründe zu widerlegen, welche von Mommsen und Cichorius gegen die Glaubwürdigkeit der capitolinischen Magistratsliste vorgebracht wurden. Die bloße Aufzählung der Hauptpunkte seiner Untersuchung gibt uns einen Einblick in eine ganze Reihe von bisher angenommenen Verfälschungen und Erweiterungen der Consulntafel. Unger hält die Cognomina vor 400 d. St. nicht für erdichtet und wertlos (291–321. 465–483); er erblickt keine späteren Zusätze in den Vaters- und Großvatersnamen (483–486), in den Ersatzconsuln der ältesten Zeit (486); er findet nichts [2041] Verdächtiges in den verschollenen Geschlechts- und griechischen Beinamen (486–488), auch sind die bei Diodor fehlenden Consulartribunen keine spätere Interpolation (488–494). Von S. 625 ab wendet sich Unger gegen die von Mommsen und Cichorius vertretenen Anschauungen über das Verhältnis des Chronographen zur capitolinischen Magistratsliste. Die Übereinstimmungen zwischen beiden Listen fänden ihre Erklärung darin, daß der Vorgänger des Chronographen (Libo?) die zeitgenössischen Stammrollen ausgezogen habe, die libri lintei, über deren Glaubwürdigkeit der Schluß der Ungerschen Untersuchung (650–655) handelt. Einen ausgesprochenen Beifall hat Unger bisher nirgends gefunden. Im einzelnen enthalten seine Ausführungen manches Beachtenswerte, doch der Hauptbeweis ist ihm keineswegs gelungen; er ist wohl ebenso abzulehnen, wie die beiden selbstverständlichen Voraussetzungen Ungers. Mehr als durch Unger ist die F.-Forschung beeinflußt worden durch Mommsens Vermutung, daß Domitius als Erbauer der Regia die Eintragung der Magistratsliste veranlaßt habe (s. o.). Wer diese ,Kombination‘, die Mommsen (Röm. Forsch. II 76) für ,unabweislich‘ hält, teilt, für den liegt es nahe, mit Hülsen (Arch. Jahrb. 1889, 247) in den Regiainschriften eine ,Marmorkopie der Magistratsliste, des wichtigsten Dokumentes in der Amtswohnung des Pontifex maximus‘, zu erblicken und ihnen jene Autorität einzuräumen, welche sie in der letzten Zeit bei vielen Forschern genießen. Aber auch bei diesen ist nicht ganz der Argwohn geschwunden, der infolge der vielen abfälligen Urteile in Detailuntersuchungen hervorgerufen wurde; vgl. Holzapfel Jahresber. CXXIV 200f.

Wenn wir aber, was mir außer Zweifel zu stehen scheint, Augustus als den intellektuellen Urheber der Magistratstafel anzunehmen haben, dann verliert ihre Glaubwürdigkeit die wichtigsten Stützen. Auf dieser Anschauung fußt Wachsmuth, der a. a. O. 631 im großen und ganzen ein zutreffendes Urteil über den Wert der capitolinischen F. gefällt hat. Er erblickt in den Consular- und Triumpbal-F. einen ,verhältnismäßig recht zuverlässigen Teil der Überlieferung‘. Nur der Grundstock sei aus den Pontificaltafeln entnommen, deren ältester Teil erst durch Rekonstruktion gewonnen worden sei; erst seit dem gallischen Brande seien dieselben aus gleichzeitigen Aufzeichnungen hervorgegangen. Ihre ursprüngliche Gestalt sei in keiner der uns erhaltenen Listen wiedergegeben. Unzweifelhaft seien die auf der Regia eingetragenen Consular-F. eine offizielle Publikation, doch habe ,die offizielle Sanktion eine zur Zeit des Augustus bereits vorhandene und buchmäßig verbreitete Liste erhalten, die als die Arbeit eines antiquarischen Gelehrten gelten muß (633), wenn wir diesen auch nicht mit Sicherheit zu nennen vermögen‘. Die größere Wahrscheinlichkeit spreche dafür, daß Atticus dieser ,Gelehrte‘ gewesen sei. Nach meinen ergänzenden Ausführungen ist an der Urheberschaft des Atticus kaum zu zweifeln. Seine Beamtenliste konnte um so eher die offizielle Sanktion erhalten und zur Publikation auf der Regia bestimmt werden, als er sich bei ihrer Zusammenstellung [2042] der Annales maximi bediente. Hätte Atticus die Liste der pontificalen Publikation bloß erweitert, um dieselbe mit den Resultaten der astronomischen Berechnungen seiner Zeit in Einklang zu bringen, dann würden wir uns, abgesehen von den Dictatorenjahren, wenigstens seit dem gallischen Brande im wesentlichen auf die Angaben der Liste verlassen können. Daß die genealogischen Angaben und die vielen Cognomina nicht unverfälschte Überlieferung sind, darüber sollte bei dem heutigen Stande der römischen Geschichtsforschung kein Zweifel mehr obwalten. Allein der Verfasser der capitolinischen Magistratsliste hat die offizielle Liste der Pontifices nicht bloß erweitert, sondern auch umgestaltet, und zwar im engen Anschlusse an die sullanischen Annalisten. Ihm war es zu tun um eine vollständige, reich ausgestattete Liste, nicht um eine unverfälschte. Vor allem hat er, wie es scheint, die Vaters- und Großvatersnamen fast durchweg angeführt, um die Qualifikation der Beamten durch Ingenuität zu bezeichnen (Mommsen St.-R. I3 488, 2). Als Hilfsmittel dienten ihm hierzu außer anderen die Cognomina, von denen er manche hie und da auch solchen Männern zuteilte, denen sie selbst der verfälschten Überlieferung nach noch nicht zukamen. Ich verweise nur auf das Cognomen Ahala bei den ältesten Serviliern. So kam es, daß die capitolinische Liste alle übrigen republikanischen Listen durch die Reichhaltigkeit der Cognomina übertraf.

Ich habe in meiner Abhandlung Die Differenzen zwischen der capitolinischen Magistrats- und Triumphliste (1905) an zwei klassischen Beispielen, die dem 5. Jhdt., also der Zeit nach dem gallischen Brande, angehören, gezeigt, daß gerade die Angaben des berüchtigtsten Annalisten, des Valerius Antias, in den capitolinischen Listen erscheinen, obwohl ihrem Verfasser ebenso, wie Livius besser beglaubigte Nachrichten vorlagen. Aus den Angaben über M. Valerius Corvus (cos. 406 usw.) und L. Papirius Cursor (cos. 428 usw.) läßt sich mit Sicherheit erweisen, daß die capitolinischen Listen von den Verfälschungen der römischen Geschichte durch plures consulatus und falsi triumphi, über welche Cicero (Brutus 16) und Livius (VIII 40) Klage führen, nicht verschont geblieben sind. Wenn nicht alles täuscht, hat der Redaktor der capitolinischen Magistratsliste in den J. 435 und 453 bei der Verarbeitung seiner Quellen selbst ausgleichend mit eingegriffen. Daß er sich zur Annahme der verfälschten annalistischen Überlieferung entschloß, hat der Glaubwürdigkeit der capitolinischen F. gewaltigen Abbruch getan. Dadurch wurde die Konfusion in der römischen Beamtenliste noch vermehrt. Livius schließt seine Klage mit den Worten: inde certe et singulorum gesta et publica monumenta rerum confusa. Ich glaube (a. a. O. 74) mit Recht angenommen zu haben, daß Livius unter den publica monumenta rerum vor allem die Listen auf der Regia gemeint habe, an deren Angaben er aus leicht begreiflichen Gründen keine offene Kritik übte. Daß er achtlos an denselben vorüberging, obwohl er sie sicherlich recht genau kannte, ist bezeichnend genug. Eingehende Untersuchungen dürften uns noch weitere Aufschlüsse über die vorliegende Frage geben. Einstweilen haben wir [2043] aber keine Ursache, die capitolinischen F. höher einzuschätzen als Livius seine publica monumenta rerum.

e) Fasti triumphorum (triumphales). So wird häufig, obwohl ohne Berechtigung, das Verzeichnis der römischen Triumphe auf den Pilastern der Regia genannt. Im CIL I2 p. 43[38] wurde für die Liste die Bezeichnung acta triumphorum gewählt. Diesen Ausdruck finden wir bei Plin. n. h. XXXVII 13: verba ex ipsis Pompei triumphorum actis subiciam. Mit gleichem Rechte kann auch die oft vorkommende Bezeichnung tabula triumphalis (Triumphaltafel) angewendet werden. Atil. Fortunat. VI 625 Keil: in tabulis antiquis, quas triumphaturi duces in Capitolio figebant usw. Vgl. dazu Schön Die Elogien 4f.

Die Triumphliste weist dieselben Fehler und Vorzüge wie die danebenstehende Magistratsliste auf. Obwohl sie wahrscheinlich ungefähr 20 Jahre später eingetragen wurde als diese, erscheint in ihr auch nicht eine wesentliche Differenz gegenüber der Beamtenliste. Von den zwei einzigen im CIL I2 angenommenen Differenzen, die beachtenswert wären, ist die eine (im J. 435) nach dem jüngsten F.-Funde, die andere (im J. 453) nach meinen Ausführungen (Die Differenzen 19ff.) als nicht vorhanden zu betrachten. Allem Anscheine nach war die Eintragung der Triumphinschriften auch bereits zur Zeit des Neubaus der Regia geplant gewesen. Warum sie nicht zu gleicher Zeit mit der Magistratsliste erfolgte, läßt sich nicht mit Sicherheit erweisen. Vielleicht wurde durch den im J. 722 = 32 erfolgten Tod des Atticus die Arbeit unterbrochen. Wenn der Nachtrag erst um 740 erfolgte, dann werden wir aus guten Gründen in Verrius Flaccus jene Persönlichkeit vermuten können, die nach den Vorarbeiten des Atticus das begonnene Werk vollendete. Daß dieser Gelehrte in dem Nachtrage auf der Regia die Jahre nicht varronisch zählen konnte, wie in seinen F. zu Praeneste, ist selbstverständlich.

Zu den bemerkenswertesten Angaben der Triumphaltafel gehören die Tagdaten. Sie sind von ungemeiner Wichtigkeit für die römische Chronologie. In der letzten Zeit neigte man mehr der Anschauung zu, daß die Triumphinschriften ein verläßlicher Auszug aus den Annales maximi seien; vgl. Cichorius o. Bd. I S. 2255. Sicherlich hat der Verfasser der Triumphliste die Annales maximi benützt, aber er hat auch fast sämtliche Fälschungen, besonders jene der sullanischen Annalisten mit aufgenommen, da keiner von den zweifelhaften Triumphen, die uns vor allem aus der Zeit der Samniter- und Etruskerkriege überliefert werden, fehlt; vgl. Schön Das capitolinische Verzeichnis usw. 14ff. Die Erfinder hatten sicherlich auch den Triumphaltag bereits angegeben, dies schon deswegen, um ihre Fälschungen glaubwürdiger zu machen, wenn ihre falsi triumphi alle jene Details enthielten, welche bei den echten Triumphen in den offiziellen Aufzeichnungen der Pontifices und wohl auch in den Triumphalnachrichten im Tempel des Iuppiter Capitolinus angegeben waren. Die Erfindung machte Annalisten wie Valerius Antias gewiß keine besonderen Schwierigkeiten. Wie man einen Romulus am 1. März, einen Servius Tullius am Dedikationstage des Tempels der Fortuna Primigenia triumphieren [2044] ließ, so wird es auch in den einzelnen Gentes Erinnerungstage gegeben haben, für die man durch eine Triumphalfeier eine plausible Erklärung fand. Über den Umfang der Fälschungen in der Triumphaltafel läßt sich selbstverständlich kein bestimmtes Urteil abgeben. Ihre echten und unechten Triumphe können wir ebensowenig genau sondern, wie die echten und unechten Consulate in der Magistratstafel. Bei der Benützung ist jedenfalls große Vorsicht geboten, und man wird gut tun, in allen jenen Fällen, wo anderweitige Nachrichten gegen die Echtheit eines Triumphes sprechen, der Triumphaltafel nicht zu trauen. Ich habe zu diesem Zwecke a. a. O. die Nachrichten über römische Triumphe der republikanischen Zeit mit möglichster Vollständigkeit zusammengestellt. Zur Ergänzung der Lücken in den erhaltenen Fragmenten sowie der fehlenden Triumphe sind wir fast ausschließlich auf die Nachrichten bei römischen Geschichtschreibern angewiesen. Auf Grund derselben war es möglich, die ganze Liste, abgesehen von den Tagdaten, mit ziemlicher Sicherheit zu rekonstruieren. Eine solche Liste ist unter Mitbenützung meiner Vorarbeiten auch im CIL I2 p. 168ff.[39] wiedergegeben.

Für einige Jahre konnten auch inschriftliche Fragmente zweier weiterer Triumphlisten herangezogen werden. Das kleine Fragment der tabula Tolentinos (CIL IX 5564[40] = CIL I2 p. 75)[41] enthält kärgliche Reste von vier Triumphen aus den J. 559 und 560. Bedeutender sind die Reste der tabula triumphorum Barberiniana aus den J. 711–733. Vgl. CIL I2 p. 76–78.[42] Sie sind eingemauert vor dem Eingange in die Bibliotheca Barberiniana in Rom. Bemerkenswert ist in ihnen die Angabe palmam dedit. Vielleicht gestattet dieser Ausdruck eine Vermutung über den ursprünglichen Aufstellungsort dieser Inschriften. Vgl. CIL I2 p. 78:[43] Sane cum palma laurusque triumphales poni solitae sint Iovi in templo Capitolino, eodem quoque loco memoriae traditum fuisse, qui duces triumpho acto quibusque diebus ea obtulerint verisimile est.

Die Triumphtafel schließt mit dem J. 735. Der Triumph des Cornelius Balbus in diesem Jahre bildete den Abschluß der republikanischen Triumphalfeier. Bekanntlich hat Agrippa jeden Triumph abgelehnt und auch Augustus gestattete im J. 742 dem Tiberius den vom Senate bewilligten Triumph nicht. Von den wesentlich verschiedenen Triumphen der Kaiserzeit ist daher auf der Regia mit gutem Grunde keiner mehr verzeichnet worden.

Literatur: CIL I2 p. 1ff.[44] Mommsen Röm. Chron.2 111; Röm. Forsch. I 48. 295. 313. II 58ff. 222; R. St.-R. I³ 488, 2. 602. II³ 795ff. Borghesi Oeuvr. IX 1. 6. Hirschfeld Herm. IX 93ff. XI 154ff. Matzat Röm. Chron. 335ff. 345f. 353. Cichorius De fastis consularibus antiquissimis, Leipziger Studien IX 171–262; Art. Annales o. Bd. I S. 2248ff. Nichols Röm. Mitt. 1886, 94–98; Archaeologia Lond. vol. L 227–250. Jordan Röm. Mitt. 1886, 99–111; Top. I 2, 298–304. 423–429. Hülsen Arch. Jahrb. 1889, 228–253; Röm. Mitt. XIX (1904) 117ff.; Beitr. z. alten Gesch. II 248ff.; Herm. XXIV 185ff. Richter Topogr. 92f. 359f. Seeck [2045] Die Kalendertafel der Pontifices 88ff. Unger Jahrb. f. Philol. 1891, 289–321. 465–496. 625–655. Wachsmuth Einl. in das Stud. der alt. Gesch. 301. 631ff. Gardthausen Augustus und seine Zeit I 2, 897: G. Schön Das capitolinische Verzeichnis der röm. Triumphe, 1893; Die Elogien des Augustusforum, 1895; Der Anteil des Domitius Calvinus an der Regia und an den capitol. Fasten, Wiener Stud. XXIV 325ff.; Die Differenzen zwischen der capitol. Magistrats- und Triumphliste, 1905. Vgl. Pais Storia di Roma, 1899 und Holzapfel in Bursians Jahresber. CXXIV 200f.

B. Sonstige Consulnverzeichnisse der republikanischen Zeit.

Neben der capitolinischen Magistratstafel haben wir noch eine Reihe von inschriftlichen Fragmenten, auf denen eponyme Beamte der römischen Republik verzeichnet sind. Sie sind als f. minores (I–XVII) in CIL I2 p. 55ff.[45] veröffentlicht. Es sind teils Reste von Consular-F., welche die Namen der Consuln im Nominativ anführen, aber nicht so ausführlich wie auf der Regia, teils sind es Fragmente von Verzeichnissen von Priestercollegien, von niederen Beamten in Rom und von Munizipalbeamten, denen zur Datierung die eponymen römischen Beamten beigegeben sind. Diese Namen sind fast durchweg im Ablativ gegeben ebenso wie in den hieher gehörigen inschriftlichen Fragmenten über die Latinerfeier. Zur Rekonstruktion der Magistratsliste liefern sie nur einen geringen Beitrag. Die wichtigsten Behelfe hiefür sind die Liste des Chronographen vom J. 354, die F. des Hydatius (= Chronicon Paschale) und die Eponymenlisten, welche wir aus den römischen Geschichtschreibern gewinnen. Eine übersichtliche Zusammenstellung dieser Behelfe hat Mommsen im CIL I2 p. 98ff.[46] gegeben. Öfters und ziemlich eingehend wurde von diesen Listen der republikanische Teil des Chronographen (vgl. o. Bd. III S. 2778) und der fasti Hydatiani (vgl. o. Bd. III S. 2459) besprochen, doch sind die bisherigen Resultate nicht ganz befriedigend. Sicherlich stammt der republikanische Teil des Chronographen aus der gleichen Liste wie die capitolinische Magistratstafel, ihr gegenseitiges Verhältnis ist aber noch nicht genügend aufgeklärt. Der republikanische Teil der F. des Hydatius soll nach Cichorius (De fast. ant. 159ff.) auf Licinius Macer zurückgehen, während Mommsen für sie die gleiche Quelle annahm wie bei der capitolinischen Magistratstafel und beim Chronographen. Er vertrat diese Anschauung neuerdings ausführlich gegenüber Cichorius im CIL I2 p. 85ff.[47] Ich kann ihm nicht beistimmen. Wie wir sahen, mußte der Verfasser der capitolinischen Magistratsliste, um die magere offizielle Liste auszugestalten, die Nachrichten bei den Annalisten heranziehen. Es war für ihn das einfachste, wenn er sich zu diesem Zwecke eine annalistische Eponymenliste anlegte. Eine derartige annalistische Liste dürfte meines Erachtens den f. Hydatiani zu Grunde liegen, doch glaube ich nicht, daß sie aus Licinius Macer geflossen sei. Vgl. Schön Die Differenzen 37. Vor allem mit Hilfe des Chronographen und der F. des Hydatius läßt sich der größte Teil der capitolinischen Magistratsliste, abgesehen von genealogischen [2046] Notizen und von den Consulartribunenjahren, rekonstruieren. Eine solche Liste mit Angabe der für die Quellenfrage notwendigen Stellen fehlt uns noch, doch haben wir eine treffliche und zur Orientierung sehr brauchbare Tabelle bei Fischer Römische Zeittafeln von Roms Gründung bis auf Augustus Tod, 1846. Für die J. 506–219 v. Chr. vgl. Matzat Römische Chronologie II 1884.

C. Eponymenverzeichnisse der Kaiserzeit.

Daß auch in der Kaiserzeit nach Consuln datiert wurde und zwar in der Regel nach den consules ordinarii, ist bereits betont worden, ebenso, daß der Versuch einer Kaiserdatierung nach der tribunicia potestas nicht durchgedrungen ist. Vgl. Mommsen St.-R. I3 580. II3 90f. 795f. Ein größeres inschriftliches Verzeichnis der eponymen Beamten der Kaiserzeit steht uns bisher nicht zur Verfügung, doch ist es sicher, daß nach dem Vorbilde auf der Regia in Rom auch in der Kaiserzeit Steinlisten angelegt wurden. Ein kleiner, aber, wie es scheint, bedeutsamer Fund dieser Art ist in den letzten Jahren bekannt geworden. Es ist dies ein F.-Fund aus Teanum, Angaben über das J. 46 n. Chr. enthaltend. Hülsen vermutet (Röm. Mitt. 1904, 322ff.), daß dieses Fragment zu demselben Denkmale gehöre wie ein in der Nähe von Teanum gefundenes Fragment (CIL X 4631),[48] das jetzt verschollen ist. Dasselbe enthält Angaben aus dem J. 289 n. Chr. Ist diese Vermutung richtig, dann müßte diese Liste mindestens 244 Jahre umfassen. Mit Recht nimmt Hülsen in dem Falle an, daß dieses Denkmal die Wände eines öffentlichen Gebäudes geziert haben müsse. Ein größerer Fund eines derartigen Denkmals wäre für die Kaiserzeit von großer Wichtigkeit. Einstweilen sind für uns die wichtigsten Quellen Kalenderlisten, vor allem der Chronograph vom J. 354, dessen Liste bis zu diesem Jahre reicht, und die f. Hydatiani, die bis 468 n. Chr. reichen. Dazu kommen Nachrichten aus Schriftstellern und die unzählige Menge von Inschriften, die eponyme Beamte mit enthalten. Von modernen Zusammenstellungen vgl. vor allem Klein Fasti consulares a Caesaris nece usque ad imperium Diocletiani (44 v. Chr. bis 284 n. Chr.). Clinton Fasti Romani a. p. Chr. 15–578. Mommsen Chron. min.
[Schön.]
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S. 2051, 1 zum Art. Fasti:

Fasti Ostienses nennt man eine ursprünglich sehr umfangreiche Inschrift, von der im Laufe der Zeit größere Reste zutage getreten sind. Die früheren sind CIL XIV 244f.,[49] alle bis 1930 bekannten ebd. Suppl. 4531–4546 (vgl. 5354f.) von L. Wickert ediert; doch steht nicht bei allen die Zugehörigkeit fest. Von einem neuen, 1932 gefundenen Stück, einem Marmorblock mit 56 Zeilen (aus J. 108–113), liegt mir durch Wickerts Güte eine durchweg lesbare Photographie vor. Da sich die Fragmente auf die Zeit von 49 v. Chr. bis 154 n. Chr. beziehen und die Blöcke verschieden groß sind, so müssen wir wohl mit einer allmählichen Entstehung des Textes rechnen; hier bedarf es noch genauerer Untersuchungen an Ort und Stelle.

Der Test ist nach Jahren geordnet; voran stehen die consules ordinarii, es folgen die suffecti mit Angabe des Amtsantrittes; am Schlusse die Duoviri von Ostia, alle fünf Jahre mit dem Zusatz p(otestate) c(ensoria); einmal (J. 36 n. Chr.) folgen auf die duoviri ihre beiden Ersatzmänner, praef(ecti). Dahinter steht bei J. 30 n. Chr. IIII. k. Mai. in locum Dext[ri] IIvir(i) A. Egrilius Rufus pontif(ex) Volkani creatu[s] et A. Host[ili]us Gratus IIvir pronuntiatus; zu J. 36 lesen wir in locum A. Egrili Rufi M. Naevius Optatus pon[t]. Volkani creatus XVI. k. Au[g]. Wenn es zu J. 112 heißt: aedes Volkani vetustate corrupta ... nato opere dedicata est, so werden wir das ebenfalle auf den Tempel von Ostia beziehen müssen. S. d. Art. Ostia und vorläufig Myth. Lex. VI 362. Zwischen diesen staatlichen und städtischen Eponymen steht nun eine Auswahl von Ereignissen mit Angabe der Tagesdaten, die nur in den J. 49–44 v. Chr. fehlen. Mitgeteilt wird aus caesarischer Zeit die Flucht des Pompeius aus Italien (nach der wahrscheinlichen Ergänzung Calzas Pompeius [Italiam reliquit), Pompeius' Ermordung und der Erlaß der Miete im J. 48, Kalenderreform, Einweihung des Venustempels und Naumachie J. 46, Caesars Vermächtnis an das Volk (die Gärten trans Tiberim) J. 44. Wie man sieht, sind zu J. 47. 45 keine Ereignisse vermerkt, und das kommt auch später (z. B. J. 110) vor. Aus der Kaiserzeit erfahren wir von Triumphen der Kaiser und Prinzen, Todesfällen in der kaiserlichen Familie, Bränden Roms (J. 36 am 1. Nov. brennt der inter vitores gelegene Teil des Circus ab, und der Kaiser stiftet für die Wiederherstellung 1 Mill. Sesterzen), Speisungen, Geldspenden und Spiele, fulgura condita (o. Bd. X S. 1130). Daß am 7. Juni 20 des Germanicus ältester Sohn, der später hingerichtete Nero (o. Bd. X S. 473), die Männertoga anlegte und aus diesem Anlaß ein Congiarium gab, wird uns nicht verschwiegen. Sehr genau wird über den Untergang des Aelius Seianus und seiner Familie berichtet. Das neue Stück bringt von den politischen Ereignissen nichts (will man nicht den Tod von des Kaisers Schwester Marciana, 29. Aug. 112, hierher rechnen), sondern [65] nur noch Einweihungen und Volksbelustigungen, zu denen man auch die Beisetzung der Marciana funere censorio rechnen mag; eingeweiht wird am 11. Nov. 109 die Naumachie, Anfang J. 112 das Traiansforum und die Basilica Ulpia, am 14. Mai 113 die Traianssäule; am 22. Juni 109 die Thermen, am folgenden Tage die aqua Traiana (aquam tota urbe salientem). Erstaunlich ist die Ausdehnung der Gladiatorenspiele; nachdem am 13. März 108 ein 13 Tage dauerndes munus beendet ist, beginnt am 4. Juni ein neues, das (mit Unterbrechungen) 117 Tage dauert und bei dem 4400 Paare auftreten (s. Suppl.-Bd. III S. 767).

Die Inschrift stellt eine merkwürdige Mischung von Fasten und Annalen dar, die offenbar auf die speziellen Bedürfnisse der Bürger von Ostia und die Wünsche des allerhöchsten Kaiserhauses zugeschnitten ist, dessen Verdienste um das Volk ins rechte Licht gesetzt werden sollen. Weder auswärtige noch innere Politik interessiert offenbar die Bürger (oder soll sie nicht interessieren), um so mehr aber die großen Veranstaltungen in Rom, zu denen so mancher aus Ostia nach der Hauptstadt gepilgert sein mochte. Daß fulgura condita erwähnt werden, ist wohl ein merkwürdiger Nachklang der alten Annales. Als Quelle hat Flinck Eran. XXV 81 mit guten Gründen die Acta diuma (o. Bd. I S. 290) bezeichnet; wenn bei den caesarischen Ereignissen die Tagesdaten fehlen, so mag es daran liegen, daß die Acta jener Zeit nicht mehr aufzutreiben waren.
[W. Kroll.]
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Fasti

S VI (64,7 lies: ›S. 2015,1‹).
[Hans Gärtner.]
Anmerkungen (Wikisource)
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 289.
Corpus Inscriptionum Latinarum X, 6679.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 230.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 254.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 205.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 229.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 253.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 280.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 222.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 210.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 214.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 219.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 240.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 242.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 246.
Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 32493.
Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 32494.
Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 32495.
Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 32496.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 250.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 251.
Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 32497.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 216.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 247.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 220.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 252.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 212.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 217.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 207.
Corpus Inscriptionum Latinarum II, 422.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 6.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 9.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 420.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 5.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 7.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 10.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 81.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 43.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 168.
Corpus Inscriptionum Latinarum IX, 5564.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 75.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 76.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 78.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 1.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 55.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 98.
Corpus Inscriptionum Latinarum I, 85.
Corpus Inscriptionum Latinarum X, 4631.
Corpus Inscriptionum Latinarum XIV, 244.

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