Euterpe (Εὐτέρπη). 1) Muse, wie die übrigen des Systems der neun Musen in Pierien dem Zeus von Mnemosyne geboren, Hes. Theog. 53f. 77. Apollod. I 3, 1. Orph. hymn. 76, 8ff. Als luftiges Gebilde ohne individuelles Leben wird sie auch später nicht als handelnde Person in Sagen verflochten; in Genealogien wird sie, doch zum Teil nur als Variante, Mutter des Rhesos von Strymon genannt, Apollod. I 3, 2. Herakleides (so Schwartz für ἡράκλειτος) und Apollod. Schol. Eur. Rhes. 346. 393. Serv. Aen. I 469. Schol. u. Eustath. Il. X 436. Mutter des Linos (Variante) Schol. Il. a a. O. Älteste Darstellung auf der Françoisvase, wie die übrigen, mit Ausnahme der Kalliope, [1494] ohne Attribut. E. als Teilnehmerin am Kampfe der Götter gegen die Giganten am Pergamenischen Altar, Inschr. v. Pergamon nr. 94; Euturpa im Wettkampfe der Musen mit Thamyris auf dem Etruskischen Spiegel Gerhard Taf. 323; andere Spiegel mit Euturpa oder Euturpe ebd. Taf. 188. 196. Basis aus dem Musenheiligtum am Helikon IG VII 1805. Der erst in der späteren römischen Kaiserzeit völlig abgeschlossene Individualisationsprozeß (vgl. Bie Die Musen in der antiken Kunst, der S. 95f. auch die literarische Entwicklung bespricht; ders. in Roschers Lex. II 3238ff.) hatte für E. zum Resultat die Zuweisung der Aulodie. In der späteren Kunst, wie auf den römischen Sarkophagen, trägt sie die Flöte (Doppelflöte), doch s. Bie bei Roscher 3270. Sie gilt als Erfinderin der αὐλητική, Schol. Hes. Theog. 76. Fulgent. I 14. Myth. Vat. I 114. II 24. III 8, 18. Schol. Luk. Imag. 16. Von zwei Epigrammen Anth. Pal. IX 504f. weist das zweite (wohl spätere, Bie Musen 98) zwar der E. die Flöten zu, das erste (= Kallim. ep. inc. 3) als Wirkungsgebiet den tragischen Chor, während. Terpsichore die Flöten hat. Schwanken auch bei augusteischen Dichtern (Horaz). ‚Philosophische Deutungen‘ (Bie Musen 95), die ohne Einfluß auf das Bewußtsein des Volkes und der Künstler blieben, außer den oben angeführten Stellen der lateinischen Mythographen bes. bei Diod. IV 7. Cornut. 14. Plut. quaest. symp. IX 14. Schol. Apoll. Rhod. III 1; Ausgangspunkt dieser Tüfteleien ist Plat. Phaidr. 259. Ein Beispiel des im Altertum mehrfach behandelten Themas der Zusammenstellung der einzelnen Musen mit einem berühmten Vertreter ihrer Kunst bietet das Mosaik des Monnos (Trier), wo in dem am besten erhaltenen Achteck E. den Phryger Agnis (s. d.) unterweist. (Mon. d. Inst. I 47–49. Arch. Jahrb. V 1890, 3f.), in der Literatur z. B. Apostol. X 336, wo der E. Stesichoros zugeteilt wird. Für alles weitere vgl. Musen.
[Hoefer.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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