.
2) Eurytos von Oichalia. Odysseus rühmt bei den Phaiaken Od. VIII 224ff. den μέγας Εὔρυτος von Oichalia (vgl. XXI 32 und Schol.) zusammen mit Herakles als Meister des Bogens, der um seiner Kunst willen den Tod fand von der Hand des zürnenden Apollon, den er zum Zweikampf herausgefordert. Sterbend vermachte E. (XXI 13ff.) seinen Bogen seinem Sohne Iphitos; der schenkte ihn in Lakedaimon dem jugendlichen Odysseus, den er in Messene im Hause des Orsilochos traf (es ist der beim Freiermord verwandte Bogen). In der Ilias erscheint E. nur im Schiffskatalog. An den Ort Dorion im Gebiete Nestors ist etwas auffallend (darüber z. B. Niese Der Hom. Schiffskat. 22) II 594–600 die Erwähnung des Thamyris angeschlossen, den [1360] die Musen des Augenlichtes und der Sangesgabe beraubten, weil er sich vermaß, die Musen im Gesange zu besiegen, Οἰχαλίηθεν ἰόντα παρ' Εὐρύτου Οἰχαλιῆος. Die sicherlich nicht interpolierte, sondern aus altem Sagenbestande vom Verfasser des Kataloges aufgenommene Erzählung (Nilsson Rh. Mus. LX 1905, 167 u. Anm. 1. Gercke N. Jahrb. XV 1905, 400) gibt so wenig wie die Odyssee einen direkten Hinweis auf die Lage dieses Oichalia; nach dem Zusammenhang ist es das messenisch-arkadische, wogegen das Il. II 730 mit Trikke und Ithome genannte Oichalia, ,die Stadt des E.‘, in Thessalien liegt. In der alten Streitfrage – an die Frage nach dem Homerischen Oichalia knüpfte sich hernach die nach der Lage der von Herakles eroberten Stadt – entschied man sich in Alexandreia im Gegensatz zu den νεώτεροι ausschließlich für das thessalische (Schol. A Il. II 596. 730. Schol. Od. VIII 224. Apollod. bei Strab. VIII 339. Schol. Apoll. Rhod. I 87. Eustath. Od. 1899. Steph. Byz. s. Οἰχαλία), während Demetrios von Skepsis als die Stadt des Schiffskataloges 596 die messenische (an der Grenze von Arkadien gelegene) bezeichnete, Strab. VIII 339. 350. IX 438. X 448. Von den homonymen, die Strabon (vgl. Steph. Byz.) aufzählt, wird mit Welcker Ep. Cycl. I 230 das Il. II 730 genannte, bei Trikke in Hestiaiotis gelegene als der ursprüngliche Sitz des E. zu betrachten sein. In einer verödeten Stätte, dem Εὐρύτιον, sah man später das alte Oichalia, Paus. IV 2, 3. Daß auch das von Strabon und Steph. Byz. genannte trachinische Oichalia (von E. Meyer Gesch. d. A. II 197 für den Ursitz gehalten) die Erinnerung an E. bewahrte, lehrt ein in der Nähe von Hypata am Spercheios gefundener Stein, der ein monumentum Euryti erwähnt CIL III 586.[1] Athen. Mitt. IV 209ff. Hierhin gehört vermutlich der E., den Ovid. met. IX 332. 357 als Vater der Dryope nennt, vgl. Dibbelt Quaest. Coae myth. 44 u. Anm. 1. Für die Beziehung des aitolischen Oichalia zur E.-Sage dient als Zeugnis die Angabe des Aristoteles im Schol. (u. Tzetz.) Lyk. 799, daß der aitolische Stamm der Eurytanen, zu dessen Gebiet Oichalia gehörte (Strab. X 448), sich von E. als Eponymos herleitete (im Schol. ist für das Εὐρύτονος des Marcianus Εὐρύτου zu lesen). Weitere Vermutungen bei Gercke 407; s. auch Gruppe Gr. Myth. 474, 9. Im übrigen kommt für die uns vorliegenden Sagenfonnen wesentlich das messenisch-arkadische und das euboeische Oichalia in Betracht.
Genealogie: Sohn des Melaneus oder Melas (Gen. Μέλανος Pherekyd. Schol. Soph. Trach. 354 nicht zu korrigieren), der, nach Ant. Lib. 4 Sohn des Apollon und König der Dryoper, seinem Sohne zuliebe teils nach Messenien (Paus. IV 2, 3, vgl. 33. 5), teils nach Euboia (Steph. Byz. s. Ἐρέτρια) verpflanzt wird, und (Paus.) der Oichalia, nach Hesiod. frg. 110 Rz. (Schol. Soph. Trach. 266) der Stratonike; Gemahlin (Hesiod.) Antiope (so Bentley nach Schol. Apoll. Rhod. I 87. Diod. IV 37 für Ἀντιόχη des Schol. Soph.); Kinder nach Hesiod Didaion (s. Rzachs Note), Klytios, Toxeus, Iphitos, Ιoleia (dieselben Namen, ungenau wiedergegeben, auf einem korinthischen Krater, Mon. d. Inst. VI 33), bei Diod. IV 37 Toxeus, Molion, Klytios (?), Hyg. fab. 14 nennt die Argonauten [1361] Klytios und Iphitos, Ant. Lib. als Schwester des E. Ambrakia. Nach dem Schol. Soph. nannte Kreophylos nur zwei Söhne, Aristokrates deren drei: Toxeus, Klytios, Deion. Plut. Thes. 8 nennt als Sohn Deioneus. Bei Ovid. a. a. O. ist E. Vater der Dryope, die Steph. Byz. s. Δρυόπη Tochter des Eurypylos nennt, vgl. Dibbelt a. a. O. 23, 4.
Der Erzählung Homers von E. und Apollon hat die spätere Sage keine wesentlich neuen Züge hinzugefügt. Nach Apoll. Rhod. I 88. Luc. Pisc. 6 hat der Gott selbst dem E. den Bogen (bezw. die Kunst, Schol. D Il. V 392) gegeben, aber die Gabe bringt ihm den Tod, weil er mit dem Geber streitet, vgl. Eustath. Od. 1593, 20ff. Schol. Aristoph. Ran. Arg. IV. Daß dem Kampfe des E. mit Apollon besondere Gründe historischer Art zu Grunde liegen, hat schon O. Müller Dorier I 294. 413 ausgesprochen. Diese Sage stirbt ab; an Apollons Stelle tritt Herakles als dorischer Bogenschütze dem hellenischen gegenüber, wie auch anderwärts Herakles Apollons Funktion übernimmt (v. Wilamowitz Herakles I1 317f.). Herakles tritt zu E. in Beziehung einmal durch den Herdendiebstahl und den damit zusammenhängenden Frevel an Iphitos, sodann durch die Οἰχαλίας ἅλωσίς. Diese Sagen sind ursprünglich nicht verknüpft gewesen; vgl. Weniger in Roschers Lex. II 313. v. Wilamowitz a. a. O. Keine Spur der Verknüpfung zeigen (ganz abgesehen von den Homerischen Gedichten) die dürftigen Angaben über des Kreophylos Οἰχαλίας ἄλωσις (Ep. Gr. Fr. Kinkel 60–62; Inhalt bei Welcker Ep. Cycl. I 229f. Gercke a. a. O.). Das Lokal war doch wohl (so auch v. Wilamowitz a. a. O. 318) Oichalia auf Euboia; vgl. Paus. IV 2. 3. Strab ΙX 438. X 448 (Gercke entscheidet sich für das Festland), so auch Hekataios (Paus. a. a. O.), Sophokles in den Trachinierinnen und die νεώτεροι (Schol. A Il. II 596) im allgemeinen. Der erste einheitliche Bericht über die Einnahme von Oichalia ist der des Herodoros (über dessen Bedeutung für die Geschichte der Sage Gercke 401f.) im Schol. Eur. Hipp. 545: Iole wird von ihrem Vater als Preis im Bogenwettkampf ausgesetzt, aber dem siegreichen Herakles verweigert; darum nimmt Herakles Oichalia mit Gewalt und tötet die Brüder, während E. nach Euboia entflieht. Hier ist als Lokal das arkadische Oichalia gedacht, wo die Handlung auch in der nicht leicht wiederherzustellenden Erzählung des Pherekydes (frg. 34) gespielt zu haben scheint, mit der besonderen Wendung, daß Herakles des E. Tochter nicht für sich, sondern für seinen Sohn Hyllos zur Frau begehrte; vgl. Luetke Pherecydea (Diss. Gött. 1893) 39. In dem pragmatischen Zusammenhang, in den des Herakles Parerga allmählich gebracht worden sind, erzählt Apollod. II 6, 1–3: E. hat seine Tochter Iole als Preis ausgesetzt für den, der ihn und seine Söhne im Bogenwettkampf besiegt. Herakles siegt, erhält aber das Mädchen nicht, da E. und seine Söhne (mit Ausnahme des Iphitos !) fürchten, Herakles möchte hernach die mit ihr gezeugten Kinder wieder töten (vgL Diod. IV 31, 2. Schol. Soph. Trach. 266. Schol. D Il. V 392. Schol. Od. XXI 22. Serv. Aen. VIII 291. Myth. Vat. II 159. Hyg. fab. 31. 35; anders Menekrat. Schol. Soph. [1362] Trach. 254: E. liebt seine Tochter selbst). Bald darauf stiehlt Autolykos Rinder auf Euboia (vgl. Od. XXI 22. Schol. Eustath. Od. 1899, 38. Schol. D Il. V 392); E. hat (im Gegensatz zu Iphitos) Herakles als Täter im Verdacht (der er bei Diod. wirklich ist; Odyssee: μεγάλων ἐπιίστορα ἔργων); Iphitos auf der Suche; seine Ermordung durch Herakles. Neleus von Pylos weist den Herakles, der sich von ihm reinigen lassen will, aus Freundschaft zu E. (!) ab (vgl. Schol. Il. a. a. O.). Dienst bei Omphale. Die Buße, die Herakles dem E. entrichten will, weist dieser zurück. Bei Apollod. II 7, 7 sammelt Herakles ein Heer gegen Oichalia, um an E. Rache zu nehmen (bei Soph. Trach. zwei verschiedene Motive: v. 260ff.: E. ist schuld an Herakles πάθος, d. h. seinem Knechtsdienst; v. 351ff. die Liebe zu der ihm verweigerten Iole; vgl. v. Wilamowitz a. a. O.; über Sophokles Verhältnis zu den Früheren Gercke 403f.). Mit seinen Verbündeten tötet er E. und seine Söhne und erobert die Stadt. Diodor stimmt wesentlich mit Apollodor überein, doch wird beim Zuge gegen Oichalia, wegen der Verweigerung der Iole unternommen, E. selbst nicht erwähnt. – Abweichend Skythinos von Teos bei Athen. XI 461f.: Herakles tötet den E. ,und seinen Sohn‘, weil sie Abgaben von den Euboiern eintrieben. Lysimachos frg. 8 (Schol. Eur. Hipp. 545) berichtete, die Oichalier hätten für Iphitos eine Geldbuße von 30 Silbertalenten gefordert und darum sei Herakles gegen sie gezogen.
Schwerlich in Zusammenhang mit der alten Sage steht die Angabe Späterer, E. sei Lehrer des Herakles im Bogenschießen gewesen, Theokr. 24, 106 (Eustath. Od. 299, 12). Apollod. II 4, 9. Tzetz. Lyk. 52. 458. Wie an anderen Orten so lebte auch im arkadischen Andania, von einigen für das alte Oichalia gehalten (Strab. VIII 339. 350. 360. X 448), das Andenken des E. fort; dort wurden seine Gebeine aufbewahrt und ihm noch in historischer Zeit Totenopfer dargebracht (Paus. IV 2, 2. 3, 10. 33, 5). Gercke (a. a. O. 406) denkt sich E. wie Eurytion als alten Beinamen einer Gottheit.
Kunstdarstellungen: Der schon erwähnte altkorinthische Krater zeigt Herakles mit E. und seinen Söhnen beim Gelage. Gercke betrachtet die Darstellung in Verbindung mit Soph. Trach. 262ff., wo E. trunken den Herakles höhnt und hinauswirft. Herakles weilte nach Gercke dort als Höriger (Parallele zum Dienst bei Eurystheus und Omphale). Eine attische sf. Amphora scheint nach Furtwängler in Roschers Lex. I 2206 den Bogenwettkampf darzustellen; Gercke benutzt 408f. die Darstellung zur Begründung seiner Ansicht, daß das Motiv der Mißhandlung des Bettlers in der Odyssee und der Bogenwettkampf aus dem Epos von der Einnahme Oichalias stammt. Auf den Wettkampf zwischen E. und Herakles deutet P. Hartwig Journ. Hell. Stud. XII 1891, 334 (bei Gruppe Jahresber. LXXXV [1895] 235) eine Kampfszene auf rf. Vasenfragmenten des Museums von Palermo.
[Hoefer.]
Anmerkungen (Wikisource)
Corpus Inscriptionum Latinarum III, 586.
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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