ART

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2) Phretrie in Neapel. Sie ist bezeugt a) durch ein griechisches Grabepigramm des 1. oder 2. Jhdts. n. Chr., das in einer 1790 vor der Neapler Porta S. Gennaro aufgedeckten Grabgrotte mit roter Farbe an die Wand gemalt war. Mit Faksimile publiziert von Ignarra (De phratriis, primis Graecorum politicis societatibus, Neapel 1797, 125ff.), von dem alle späteren Publikationen (Welcker Rh. Mus. III 1845, 254ff. Franz CIG III 5818. Kaibel Epigr. graec. 561; IG XIV 783. Beloch Campanien2 44 nr. 17) abhängen; b) durch drei zusammengehörige lateinische Inschriften der späteren Kaiserzeit (etwa 3. Jhdt. n. Chr.) auf einer kolossalen, bei der Porta Appia gefundenen Basis, die aber vermutlich [1135] nicht stadtrömisch, sondern aus dem nahen Bovillae verschleppt ist. Zuerst von Fabretti publiziert, seitdem häufig; am bequemsten Wilmanns nr. 664. CIL VI 1851.[1] Dessau nr. 6188. Alle drei Inschriften sind Ehreninschriften, die von den Albani Longani Bovillenses decuriones bezw. municipes gestiftet sind und zwar eine für P. Sufenas P. f. Pal. Severus Sempronianus fretriaco Neapoli(tano) Eunostidon, die beiden anderen für P. Sufenas P. f. Pal. Myron fretriaco Neapoli(tano) Antinoiton et Eunostidon. Die Tatsache, daß in dem zweiten Falle derselbe Mann als Angehöriger von zwei Phretrien genannt wird, schafft eine Schwierigkeit. Handelt es sich um die Neuerrichtung einer Phretrie oder nur um eine Umnennung? Franz (CIG III p. 716f. und p. 1254) und Beloch (a. a. O. 42) vertreten den letzteren Standpunkt, weil niemand zwei Phretrien zugleich angehören könne, während Kaibel (IG XIV p. 191) zwei verschiedene Phretrien annimmt und die Tatsache vergleicht, daß ein Bürger honoris causa das Bürgerrecht verschiedener Städte haben könne. Ich stimme Franz und Beloch zu, hauptsächlich auch deshalb, weil es bei der starren Zähigkeit, mit der sich die alte Verfassung von Neapel bis ins 4. Jhdt. n. Chr. behauptet hat, unwahrscheinlich ist, daß jemals eine Vermehrung der ursprünglichen Zahl der Phretrien (vermutlich 12, bekannt sind bisher 10 Namen, abgesehen von den Antinoitae) stattgefunden hat. Der Sachverhalt wäre dann also, daß in hadrianischer Zeit die alte Phretrie der Eunostidon in eine Phretrie der Antinoiten umgenannt ist, doch so, daß die Fretriaci ihren alten, durch eine Tradition von Jahrhunderten geheiligten Namen nebenbei weiterführten. Auch ein Rückschluß auf die Chronologie der drei bovillanischen Ehreninschriften wäre dann zulässig: die des P. Sufenas Severus Sempronianus müßte später sein als die beiden anderen und in eine Zeit gehören, als man die Bezeichnung Antinoitae wieder hatte fallen lassen. Wichtiger ist das Vorkommen des Namens Εὐνοστίδαι in Neapel an sich. Daß die neapolitanischen Eunostiden nach dem tanagräischen Heros Eunostos heißen, hat schon Fabretti erkannt; er hat aber nicht gesehen, daß es sich um eine Phretrie handelt, sondern eine sodalitas pudicitiae angenommen! Richtiger hat Ignarra (das zweite Kapitel seines Buches S. 115ff. behandelt die Εὐνοστίδαι) geurteilt, der für die Beziehungen von Boiotien, insbesondere Tanagra, zu Neapel weitere Beweise beizubringen sucht (vgl. Franz p. 716f.). Die Beziehungen, die uns der Name lehrt, führen aber vielmehr von Tanagra nach Kyme. Denn die neapolitanischen Phretrien, die die Einteilung der gesamten Bürgerschaft bildeten, sind nicht in Neapel gewachsen, sondern von Kyme, der Mutterstadt Neapels, übernommen, ohne daß der spätere Zuzug, den die Tochterstadt empfangen hat, Änderungen in Bezug auf Zahl und Namen bewirkt hätte. Seiner Bildung nach ist der Name patronymisch von Eunostos als dem θεὸς πατρῷος der Phretrie abgeleitet, gerade so wie die Phretrie der Εὐμελεῖδαι nach dem θεὸς πατρῷος Eumelos heißt (IG XIV 715). Der Name beweist also die Beteiligung von Boiotern, vermutlich hauptsächlich Tanagräern, an der Gründung von Kyme (vgl. [1136] auch v. Wilamowitz Herm. XXI 1886, 110). Daß in hadrianischer Zeit mit dem Namen der Phretrie auch ihr θεὸς πατρῷος Eunostos dem Antinoos wenigstens vorübergehendweichen mußte, ist ein naheliegender Schluß. Wie Eunostos in blühender Jugend freiwillig in den Tod gegangen ist, so hat auch Antinoos sein junges Leben selbst als Opfer dargebracht; diese Ähnlichkeit hat wohl den Anknüpfungspunkt dafür geboten, daß man, als der Antinooskult eine die Welt beherrschende sentimentale Mode wurde, in Neapel den Eunostos durch Antinoos ersetzte (vgl. Franz a. a. O. p. 1254). So bietet die Gleichung Eunostidon = Antinoiton über das örtliche Interesse hinaus einen kleinen aber lehrreichen Beitrag zur Erkenntnis der Art, wie der Antinooskult sich einzunisten verstand.
[Schiff.]
Anmerkungen (Wikisource)
Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 1851.

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