.
Eumenius. 1) Gallischer Redner, dessen Werke in die Zeit von 289 bis 313 n. Chr. fallen. Es sind in der Reihenfolge der Ausgaben, die nicht mit der hsl. übereinstimmt (s. u.), folgende Stücke der Panegyrikersammlung:
II. Panegyricus auf Maximian, gehalten zur Feier des natalis urbis Romae (1. 2. 13. 14), d. h. am 21. April 289, in Gallien (4–7. 14), in derselben Stadt, in der Maximian auch den Antritt seines ersten Consulats gefeiert hatte (6; vgl. 14), also wahrscheinlich in der damaligen Hauptstadt des Westens, Trier. Dazu stimmt es, daß sie an einem Flusse lag, der in sehr trockenen Sommern aufhörte schiffbar zu sein (12), was auf die Mosel passen würde. Das Jahr bestimmt sich dadurch, daß die Rede das erste Consulat Maximians vom J. 287 (6) und die Mailänder Zusammenkunft der Kaiser im Winter 288/9 schon kennt (9), dagegen von der Quinquennalfeier Maximians, [1106] die am 1. April 290 begangen wurde – denn seine Vicennalien feierte er am 1. April 305 (Seeck Ztschr. f. Numism. XII 127) –, und von den Siegen, die Diocletian Ende 289 und Sommer 290 über die Sarmaten und Sarazenen erfocht (Seeck Gesch. d. Unterg. d. antik. Welt I² 443), noch nichts weiß. Auf diese Rede wird III 1. 5. V 1 zurückverwiesen.
III. Die einzige Rede des E., von der sich die echte Überschrift, wenn auch verstümmelt, erhalten hat. Sie läßt sich mit Ausnahme des unbekannten Vor- und Geschlechtsnamens, an deren Stelle wir Punkte setzen, etwa folgendermaßen ergänzen:
Item eiusdem [... Eumenii v(iri) p(erfectissimi)] magistri mem(oriae) et [rhetoris latini] genethliacus Maximiani Augusti.
Aus magistri memet hat der Schreiber des Cod. Venetus Marcianus 436 in Erinnerung an den Verfasser von paneg. XI magistri Mamertini gemacht, weshalb diese Rede in den Ausgaben fälschlich einem Mamertinus zugeschrieben wird. Sie ist gehalten bei dem Geburtstage der beiden Kaiser, der auf dasselbe Datum fiel (geminus natalis 1–3. 19), wahrscheinlich in den Herbst, da die gute Ernte gerühmt wird (15; vgl. Seeck Jahrb. f. Philol. 1888, 717). Die Zusammenkunft in Mailand (Winter 288/9) wird noch zu den neuesten Ereignissen gerechnet (nuper 2; proxime 8); doch ist die Quinquennalfeier Maximians (1. April 290) schon vorüber (1) und ebenso die Sarazenensiege Diocletians (5. 7), die in den Sommer 290 fallen (s. oben). Die Rede scheint also im Herbst 290 gehalten zu sein. Der Ort (vgl. 15) läßt sich nicht sicher bestimmen, lag aber in einer nördlichen Provinz (9), ist also wohl auch in Gallien zu suchen, da Maximian zu jener Zeit sich dort aufzuhalten pflegte. Daß dies der zweite Panegyricus ist, den er dem Kaiser vorgetragen hat, sagt der Redner ausdrücklich (1. 5).
IV. Die einzige Rede der ganzen Sammlung, die kein Panegyricus ist, sondern eine Suasorie, gerichtet an den Praeses von Lugdunensis prima, damit er bei den Kaisern die Herstellung der Maeniana von Augustodunum zur Benutzung als Schullokal befürworte (21). Da von der Stadt als haec urbs (9) oder haec res publica (11) gesprochen wird, dürfte die Rede in Augustodunum selbst gehalten sein. Sie gedenkt am Schlusse der Wiedereroberung Brittanniens (296), der Herstellung der Ruhe in dem abgefallenen Ägypten (Frühling 297; Seeck Gesch. d. Untergangs d. ant. Welt I² 451) und des Sieges über die Perser (Sommer 297), kann also nicht vor dem Herbst 297 gehalten sein, wahrscheinlich aber auch nicht sehr viel später. Denn der Feldzug Maximians gegen die Mauren, der im Sommer 297 begonnen hatte, erscheint hier als noch nicht beendet (te, Maximiane invicte, perculsa Maurorum agmina fulminantem 21), und über ein Jahr dürfte er kaum in Anspruch genommen haben.
V. Panegyricus auf Constantius, etwas früher als die vorhergehende Rede, aber nicht sehr viel. Er redet schon von der Unterwerfung Brittanniens und Ägyptens und von dem Beginne des Maurenfeldzugs (5), weiß aber noch nichts von dem Kriege gegen die Perser, sondern setzt voraus, daß der Vertrag, den Diocletian 288 mit ihnen geschlossen [1107] hatte, noch Bestand habe (3. 10. 20). Daraus folgt nicht, daß der Krieg noch nicht begonnen hatte, wohl aber, daß die Nachricht davon noch nicht nach dem fernen Gallien gelangt war. Die Rede fällt also in den Sommer 297. Damals war Constantius in Italien gewesen, wahrscheinlich um vor der Abreise Maximians nach Africa von ihm die Regierung jenes Landes zu übernehmen. Bei seiner Rückkehr nach Gallien war ihm die Jugend von Augustodunum entgegengezogen, um sein Geleite zu übernehmen (paneg. IV 14). Dies dürfte die Gelegenheit zu dem Panegyricus geboten haben. Denn E. sagt ausdrücklich, daß er im Namen der Augustodunenser rede (21), und der Caesar hört ihn stehend an (Caesare stante dum loquimur 4), wie dies der Situation entspricht, wenn er, auf dem Marsche begriffen, von dem ihm entgegenkommenden Zuge aufgehalten und begrüßt wurde. Im Eingange erklärt der Redner, er trete post diuturnum silentium zum erstenmal wieder öffentlich auf. Dies paßt dazu, daß die nächstvorhergehende Rede, die uns von ihm erhalten ist, dem Ende des J. 290 angehört, also beinahe sieben Jahre zurückliegt.
VI. Festrede, gehalten bei der Hochzeit Constantins mit Fausta, der Tochter Maximians, bei der er zugleich von diesem den Augustustitel empfing, in Gallien (10), wahrscheinlich in Arelate, wo Constantin damals zu residieren pflegte (Seeck Gesch. d. Untergangs d. ant. Welt I² 104; Ztschr. f. Numism. XVII 48). Ihre Zeit bestimmt sich dadurch, daß der Sturz des Severus (Winter 306/7) schon vorausgesetzt (10), dagegen der Angriff des Galerius auf Italien erst erwartet wird (sicubi adhuc in longinquioribus terris aliqua obversatur obscuritas aut residuus undarum pulsus inmurmurat, necesse est tamen ad tuos nutus dilucescat et sileat 12), der jedenfalls im J. 307, wahrscheinlich im April stattfand (Seeck Geschichte I² 484). Mithin ist die Rede in den ersten Monaten 307 gehalten.
VII. Panegyricus auf Constantin d. Gr., gehalten in einer bedeutenden Stadt (1. 22) an einem großen Flusse, der oberhalb Kölns in den Rhein mündet (hic noster ingens fluvius 13), d. h. in Trier, und zwar an dem Gründungstage dieser Stadt (22; vgl. 1), der nicht sehr lange auf den Thronbesteigungstag Constantins (25. Juli) folgte (2). Da der Tod Maximians als neuestes Ereignis erwähnt wird (14–20), muß die Rede im J. 310 gehalten sein (Mommsen Chron. min. I 231).
VIII. Dankrede an Constantin d. Gr., weil er Augustodunum die Steuerschulden der letzten fünf Jahre geschenkt (10. 13), seine künftige Steuerlast vermindert (11. 12) und es zugleich nach seinem eigenen Geschlechtsnamen in Flavia Aeduorum umbenannt hatte (1. 14), gehalten, als der Kaiser fünf Jahre regiert hatte (13), d. h. nicht sehr lange nach dem 25. Juli 311. Auf das J. 312 führt es, daß ein neuer Census kürzlich in Augustodunum gehalten (5), aber noch nicht für das ganze Reich zum Abschluß gekommen ist, da im laufenden Jahre die Steuern noch nach der früheren Einschätzung bezahlt werden müssen (12). Denn nach der Ordnung Diocletians hatte im J. 312 ein Census begonnen und endete Anfang 313 (Seeck Deutsche Ztschr. f. Geschichtswissensch. XII 279. 284). Der Ort [1108] der Rede war eine Stadt, in der Constantin sich oft aufhielt (2) und der Augustodunum durch seine Gnade ähnlich zu werden hoffte (1), also eine große und glänzende Residenz, wahrscheinlich Trier. Dazu paßt es, daß der Kaiser, ehe er im Sommer 312 den Krieg gegen Maxentius begann, sich in den rheinischen Provinzen aufgehalten hatte (paneg. IX 5).
IX. Festrede, gehalten während der Spiele, mit denen Constantin im Spätsommer oder Herbst 313 seine Siege über Maxentius und die Rheingermanen in Trier feierte. Denn daß die gefangenen Germanen zur Belustigung des Volkes wilden Tieren vorgeworfen werden, wird als noch fortdauernd im Praesens berichtet (23), und daß dies in Trier geschehen sein muß, ergibt sich aus den Datierungen der Gesetze Constantins (Seeck Ztschr. f. Rechtsgesch. X Roman. Abteilung 209).
Diese acht Reden umfassen wahrscheinlich alles, was E. publiziert hat; denn ob er auch seine Schuldeklamationen dieser Ehre für würdig hielt, ist mindestens zweifelhaft. Aus ihnen ergibt sich für die Lebensgeschichte des Redners das Folgende.
Da schon der Schreiber des Urcodex die Überschriften aller dieser Reden zerstört fand, kennen wir den Namen des Verfassers nur aus der Grußformel am Schlusse des Kaiserbriefes, den er in die Suasorie IV 14 eingelegt hat. Sein Großvater war ein Athener gewesen, der längere Zeit in Rom als griechischer Rhetor gewirkt hatte und dann auf einer seiner Kunstreisen in dem gallischen Städtchen Augustodunum Aeduorum hängen geblieben war. Hier war er noch über sein achtzigstes Jahr hinaus als Lehrer der griechischen Redekunst tätig gewesen (IV 17) und wahrscheinlich mit dem Bürgerrechte der Stadt beschenkt worden. Jedenfalls besaß es unser E., da er Augustodunum wiederholt seine patria nennt (IV 2. 11. 16. VII 22. VIII 1; vgl. V 21). Dieser muß nicht sehr lange vor 260 n. Chr. geboren sein; denn zur Zeit des Claudius Gothicus (268–270) war er noch Knabe (VIII 4), und im J. 310 nennt er sich einen mediae aetatis homo (VII 1), der aber doch schon dem Schlusse seines Lebens nahe steht, da er zweifeln muß, ob er den Besuch Constantins in Augustodunum noch erleben werde (VII 22). Dies paßt recht gut auf einen Fünfziger. Damals besaß er fünf Kinder (VII 23), von denen der älteste Sohn schon 297 in das Alter eingetreten war, um an die Übernahme eines Lehramtes zu denken (IV 6). Doch wählte er die Advokatenlaufbahn und hatte es 310 zur höchsten Staffel derselben, der Stellung eines advocatus fisci, gebracht (VII 23).
E. begann seine Laufbahn als Lehrer der Rhetorik (V 1). Der spätere Kaiser Constantius, der damals noch Praefectus praetorio Maximians war (II 11), erwirkte ihm die Erlaubnis, als der natalis urbis Romae am 21. April 289 in Trier gefeiert wurde, vor dem Kaiser die Festrede zu halten (V 1). E. erwies sich dadurch dankbar, daß er auch den Frankensieg seines Gönners pries (II 11), ganz gegen die Sitte des Panegyricus, der sonst nur von den Taten der gefeierten Kaiser, niemals von denen ihrer Untergebenen zu reden pflegt. Diese oratorische Leistung führte ihn bei [1109] Maximian ein (V 1) und wurde mit dem ansehnlichen Hofamte des Magister memoriae belohnt (III Überschr. 1. IV 6. 11. 14. 15. V 1. 2. VII 23), das mit einem Gehalt von 300 000 Sesterzien (= 11 000 Mark, Seeck Wiener numism. Ztschr. XXVIII 179) ausgestattet war (IV 11). Man legte eben Wert darauf, daß die kaiserlichen Briefe und Erlasse gut stilisiert waren, und wählte daher meist Leute zu Vorstehern der Hofkanzleien, die sich literarisch bewährt hatten. Da Beherrschung des lateinischen Stils damals schon eine seltene Kunst war und am seltensten wohl in dem verwüsteten und verarmten Gallien, benutzte Maximian gern den Mann, der sich durch eine so glänzende Rede bei ihm legitimiert hatte. Im Gefolge des Kaisers machte E. 291 oder 292 noch einen Feldzug mit, bei dem der Rhein überschritten, ein Alamannenkönig gefangen und das feindliche Land bis zur Donau hin verwüstet wurde (V 2). Damit scheint seine Beamtenlaufbahn ihr Ende gefunden zu haben; in den nächsten Jahren lebte er ohne öffentliche Beschäftigung auf dem Lande (V 1. IV 15). Doch auf die Dauer wurde ihm die Untätigkeit lästig; er sehnte sich nach seinem Lehramt zurück, scheute sich aber, es zum zweitenmal zu übernehmen, weil er dadurch den hohen Rang, den er als Hofbeamter erworben hatte, zu gefährden fürchtete. Diese Bedenken wurden beseitigt, als Constantius im Sommer 297 aus Italien nach Gallien zurückkehrte und E. ihm bei seinem Empfange im Namen seiner Vaterstadt die Begrüßungsrede hielt (V 21). Damals gab die Jugend von Augustodunum dem Caesar eine längere Strecke das Geleite (IV 14), und auch E. wird bei dieser Gelegenheit mit ihm persönlich verkehrt und ihn so veranlaßt haben, ihm durch kaiserlichen Erlaß das Amt eines städtischen Rhetors unbeschadet seiner früheren Würde zu übertragen und zum Ausdruck dessen, daß sein Rang dadurch erhöht, nicht erniedrigt sei, ihm das Doppelte des Gehaltes, das er als Magister memoriae empfangen hatte, aus dem Stadtsäckel anzuweisen (IV 11. 14. 16). Doch verzichtete E. auf die 600 000 Sesterzien (= 22 000 Mark), die er so jährlich zu beanspruchen hatte, und ließ aus dieser Summe die verfallenen Maeniana wiederherstellen, die schon seinem Großvater als Schullokal gedient hatten und die er in dem gleichen Sinne benutzen wollte (IV 17). Hier lehrte er die lateinische Beredsamkeit, während neben ihm als griechischer Rhetor der greise Glaukos wirkte. Diese Tätigkeit scheint er bis an sein Lebensende fortgesetzt zu haben, und dreizehn Jahre nach ihrer Wiederaufnahme konnte er sich rühmen, daß mehrere seiner Schüler es schon zu ansehnlichen Staatsämtern gebracht hätten (VII 23). Constantin d. Gr. zog ihn mit Vorliebe als Festredner heran (is, qui semper res a numine tuo gestas praedicare solitus essem IX 1); vier Panegyriken hat er diesem Kaiser gehalten, den letzten im Herbst 313. Später wissen wir nichts mehr von E., obgleich Constantin sich bis zum J. 316 noch wiederholt in Gallien aufgehalten hat, also die Gelegenheit zu neuen Panegyriken nicht gefehlt hätte. Vermutlich ist also unser Redner nicht sehr lange nach 313 gestorben.
Man ist noch jetzt geneigt, die Werke des [1110] E. unter eine ganze Anzahl namenloser Autoren zu verteilen. Doch setzt dies voraus, daß es nicht nur in Gallien, sondern schon allein in dem kleinen Augustodunum sehr zahlreiche Redner gegeben habe, die nach damaligen Begriffen ersten Ranges waren, und dies ist bei der literarischen Armut jener Zeit ganz unwahrscheinlich. Hätte Nazarius so viele Nebenbuhler gefunden, die ihm nicht nur ebenbürtig, sondern weit überlegen waren, so hätte er es wahrlich nicht verdient, daß Hieronymus sowohl ihn selbst als auch seine Tochter als erste Sterne der Beredsamkeit in seiner Chronik verzeichnete (2340 Nazarius rhetor insignis habetur. 2352 Nazarii rhetoris filia in eloquentia patri coaequatur). Denn wenn Gallien, das durch ein halbes Jahrhundert andauernder Bürgerkriege verwüstet war, gleichzeitig eine solche Menge ansehnlicher Redner hervorbringen konnte, was soll man da erst von den friedlicheren Provinzen erwarten? Und wie kommt es, daß von so vielen gallischen Berühmtheiten keine aus den größeren Städten der Diözese, Trier, Lyon oder Arles, herstammt, sondern alle, soweit sie ihre Heimat nennen – und dies geschieht in nicht weniger als vier Reden IV. V. VII. VIII –, Bürger des ärmlichen und verfallenen Augustodunum sind? Und um die merkwürdigen Zufälle zu häufen, sind die Verfasser zweier Reden, III und IV, Magistri memoriae gewesen, und in zwei anderen, V und VII, ist davon gesprochen, daß sie im Palatium mit ihrer eloquentia Dienste geleistet haben, was sich gleichfalls nur auf die Vorsteher kaiserlicher Kanzleien beziehen läßt. Endlich weisen III und V auf II als auf ein Werk desselben Autors zurück, und in IX wird gesagt, daß der Verfasser schon mehrere Panegyriken auf Constantin gehalten habe, was sich ungezwungen auf VI, VII und VIII deuten läßt. Kurz, wenn man nicht zu den wunderlichsten Voraussetzungen greifen will, ist die Annahme unvermeidlich, daß alle acht Reden Werke des gleichen Verfassers sind.
Was man dagegen angeführt hat, beruht zum großen Teil auf Mißverständnissen des Textes, die ich schon an anderer Stelle aufgeklärt habe (Jahrb. f. Philol. 1888, 713). Wichtiger ist, daß sich zwischen den Reden sprachliche Verschiedenheiten nachweisen lassen, nicht im Stil, der in allen durchaus der gleiche ist, wohl aber im Sprachschatz. So hat F. Rühl (De XII panegyricis latinis propaedeumata, Greifswald 1868) gezeigt, daß ut temporale, ut primum, siquidem, quasi, nihilominus zwar in III, nicht aber in II vorkommen, und will sie danach verschiedenen Rednern zuschreiben. Gerade in diesem Falle aber widerspricht ihm schon die hsl. Überlieferung. Denn bei III haben sich von der halbzerstörten Überschrift noch die ersten Worte item eiusdem erhalten, und sie besagen klar, daß die Rede von demselben Verfasser ist, wie die vorhergehende. Außerdem wird III 1. 5 auf II zurückverwiesen und dabei ausdrücklich gesagt, daß dieser Panegyricus vorzugsweise von den Kriegstaten der Kaiser gehandelt habe, was ganz richtig ist (III 5 sed de rebus bellicis victoriisque vestris, sacratissime imperator, et multi summa eloquentia praediti saepe dixerunt et ego pridem, cum mihi auditionis tuae divina dignatio eam copiam tribuit, quantum potui, praedicavi). Überhaupt [1111] verhalten sich diese beiden Reden, die ja nur durch eine kurze Zeit getrennt waren, zu einander wie Supplemente, indem die eine dasjenige, was in der anderen ausführlich dargelegt ist, übergeht oder nur flüchtig berührt, um bei dem zu verweilen, was in jener fehlt oder nur gestreift ist. Dazu kommt, daß in beiden nicht nur die gleichen Autoren, sondern auch die gleichen Schriften derselben nachgeahmt sind (Hesiods Werke und Tage, Vergil, Ovid, Sallusts Catilina, Livius, Plinius Panegyricus, Cicero, von diesem namentlich die Or. de imp. Cn. Pompei), und daß beide die Konjunktionen postquam, ubi temporale und ne finale nicht kennen. Die Identität der Verfasser ist also in diesem Falle so zweifellos, wie dies nur möglich ist, und die kleinen lexikalischen Unterschiede erklären sich aus der Natur der damaligen Schriftstellerei. Man bediente sich eben nicht mehr einer wirklich lebendigen Sprache, sondern lernte sein Latein aus Büchern und schrieb es nach klassischen Mustern, wie dies E. selbst von sich bekennt (IX 1: neque enim ignoro, quanto inferiora nostra sint ingenia Romanis. siquidem latine et diserte loqui illis ingeneratum est, nobis elaboratum, et si quid forte commode dicimus, ex illo fonte et capite facundiae imitatio nostra derivat). Daraus ergibt sich, daß jedes neue Buch, das der Redner mit der Absicht las, es nachzuahmen, seinen Sprachschatz verändern und erweitern mußte. Dieser beweist daher nicht sehr viel, und um so weniger, wenn er in späteren Schriften etwas reicher ist, als in früheren; denn das mußte bei fleißiger Übung und eifriger Lektüre von selbst eintreten.
Daß II und III von dem gleichen Verfasser sind und ebenso IV, V, VII und VIII von E., geben denn auch die meisten zu; doch wollen sie diese beiden Gruppen von einander trennen. Daß von beiden die Verfasser Gallier, von beiden Magistri memoriae bei Maximian gewesen sind, gilt noch nicht für einen genügenden Beweis ihrer Identität. Aber sie haben dies Amt auch zu derselben Zeit bekleidet, und niemals hat derselbe Kaiser gleichzeitig zwei Magistri memoriae besessen. Denn E. hat nach V 2 in diesem Amte Maximian bei einem Feldzuge begleitet, der in II und III noch nicht erwähnt ist, also später sein muß als 290, andererseits aber, wie ausdrücklich gesagt ist, auch früher war, als die Ernennung der Caesares (1. März 293); und der Verfasser von III rühmt sich seines Amtes als eines kürzlich empfangenen Lohnes für die vorher gehaltene Rede II, ist also kurz vor dem Herbst 290 zum Magister memoriae ernannt worden. Jene erste Rede (II) berichtet von den Taten, welche Diocletian und Maximian in den ersten vier Jahren ihrer Regierung ausgeführt hatten, und E. spricht V 1 zu Constantius von einem früheren Panegyricus, in dem er prima tunc in renascentem rempublicam patris ac patrui tui merita, licet dicendo aequare non possem, possem tamen recensere enumerando. Zugleich sagt er, daß dieser Panegyricus es gewesen sei, qui me in lucem primus eduxit, und der Verfasser von III ist zur Belohnung für die Rede II zum Hofbeamten gemacht worden. Diese Übereinstimmungen im Lebensgange sind denn doch zu genau, als daß sie sich bei zwei verschiedenen Männern [1112] hätten wiederholen können. Man kann also nur noch zweifeln, ob auch VI und IX von dem gleichen Verfasser sind; denn diese beiden Reden enthalten so gut wie gar keine Andeutungen über die Person ihres Autors. Doch entscheidet bei ihnen die hsl. Überlieferung.
Diese beruht nur auf Hss. des 15. Jhdts., die alle aus einem jetzt verlorenen Maguntinus abgeschrieben sind. Er begann mit den vier grossen Panegyriken in folgender Anordnung: Plinius auf Traian, Pacatus Drepanius auf Theodosius, Mamertinus auf Iulian, Nazarius auf Constantin. Jeder von diesen besaß eine gute und vollständige Überschrift, die natürlich auch den Namen des Autors nicht verschwieg. Bei den acht folgenden Reden, die das Lebenswerk des E. umfaßten, hörte das auf. Sie trugen zunächst die gemeinsame Überschrift, die der Dankrede (VIII) vorausgeschickt war: panegiricus Nazarii explicit, incipiunt panegirici diversorum VII. Hieraus darf man nicht schließen, daß die folgenden acht Reden – denn wenn nicht mehr als sieben genannt werden, so beruht dies wohl nur auf einem Zählfehler – wirklich verschiedenen Autoren angehörten; dies galt auch für die vier vorhergehenden; die ganze Sammlung hätte also Panegyrici diversorum heißen müssen. Wenn der Schreiber des Maguntinus diesen gemeinsamen Titel auf die acht Schlußreden beschränkte, so beweist das zweierlei:
1. daß sie ihm in einem engeren Zusammenhange zu stehen schienen, als die vier vorhergehenden, also wahrscheinlich schon in einem abgeschlossenen Corpus vorlagen. Dies wird auch dadurch bestätigt, daß sie ohne Berücksichtigung jener vier andern als primus, secundus, tertius u. s. w. numeriert sind;
2. daß der Schreiber die Namen der Verfasser oder des Verfassers nicht kannte und deshalb den allgemeinsten Titel wählte, der ihm in den Sinn kam. Ob es einer oder mehrere waren, darüber kann das Wort diversorum offenbar nicht als Zeugnis dienen, weil der Schreiber selbst nicht darüber unterrichtet war. Er mußte sich eben die Überschriften selber machen, da sie in dem ihm vorliegenden Exemplar zerstört waren. Sie lauten nämlich vom Schluß der Dankrede an in der Reihenfolge der Hss.:
VII. Erster Panegyricus auf Constantin: Finitus primus, incipit secundus. VI. Hochzeitsrede: Finit secundus, incipit tertius. V. Panegyricus auf Constantius: Finitus tertius, incipit quartus. IV. Suasorie für die Maeniana: Finit quartus, incipit quintus. II. Panegyricus auf Maximian: Finitus quintus, incipit sextus. III. Geburtstagsrede auf Maximian: Item eiusdem magistri memet genethliacus Maximiani Augusti. IV. Letzter Panegyricus auf Constantin: Hic dictus est Constantino filio Constantii.
Von diesen Überschriften kann nur die vorletzte als überliefert gelten; die letzte ist aus dem Inhalt der Rede geschöpft, die fünf ersten sind nicht wirkliche Titel, sondern nur Nummern. Jene einzige echte Überschrift aber ist so arg verstümmelt, wie es sich nur daraus erklären läßt, daß sie in der Urhandschrift, die der Schreiber des Maguntinus benutzte, teilweise unleserlich geworden war. Jene Urhandschrift muß also arg zerstört gewesen sein, wahrscheinlich durch Feuchtigkeit, [1113] die erfahrungsmäßig auf die rote Mennige der Titel viel stärker einwirkt, als auf die schwarze Tinte des Textes. Wenn aber der Schreiber des Maguntinus jene eine Überschrift nur halb zu entziffern vermochte, so erklärt dies, warum er die andern ganz wegließ; sie waren eben noch weniger lesbar.
Dies gemeinsame Schicksal der Überschriften, das nur unsere acht Reden, nicht auch die vier vorhergehenden betroffen hat, ist ein weiterer Beweis dafür, daß jene, ehe sie in den Maguntinus aufgenommen wurden, schon zu einem kleineren Corpus zusammengefaßt waren. Dieses aber kann nicht eine panegyrische Mustersammlung aus den Schriften verschiedener Autoren gewesen sein; denn was es enthielt, waren ja nicht nur Panegyriken, sondern es befand sich auch eine Suasorie darunter. Was ihm seine Gemeinsamkeit gab, war nur der gleiche Verfasser; es war das Corpus der Werke des E. Wenn also in zweien von diesen acht Reden (VI und IX) sich keine Notizen finden, welche den Autor kenntlich machen, so sind auch sie dadurch zur Genüge beglaubigt, daß sie dem gleichen Corpus angehören, Es bedarf der Beweise, um sie dem E. abzusprechen, nicht, um sie ihm zuzuschreiben. Daß in dem Gallien jener Zeit auch andere Männer Lobreden auf die Kaiser gehalten haben, kann freilich nicht bezweifelt werden; doch waren diese Produkte der Schmeichelei wohl alle so erbärmlich, daß man es nicht der Mühe wert fand, sie der Nachwelt aufzubewahren.
E. dagegen ist eine literarische Erscheinung, die für jene Zeit hervorragend genannt werden muß und nach der langen Öde des 3. Jhdts. den Beginn eines neuen Aufschwungs für die lateinische Prosa bezeichnet. Zwar zeigt er sich ganz an das hergebrachte Schema des Panegyricus gebunden, wie es uns durch die Rezepte des Menander überliefert ist O. (Kehding De panegyricis latinis 4); doch seine Disposition ist klar, der Stil rein und durchsichtig; er ergeht sich nicht in gar zu vielen gelehrten Anspielungen, ist aber dafür reich an Tatsachen und weiß sie lebendig zu erzählen; auch an Schwulst und geschmackloser Schmeichelei geht er nicht über das hinaus, was in diesem traurigen Literaturzweige nun einmal verlangt wurde; namentlich aber befleißigt er sich immer einer wohltuenden Kürze.
Editio princeps von F. Puteolanus ohne Ort und Jahreszahl (wahrscheinlich Mailand 1482). J. Cuspinianus Wien 1513. B. Rhenanus Basel 1520. J. Livineius Antwerpen 1599. Einzige kritische Ausgabe: A. Baehrens XII panegyrici latini, Leipzig 1874. – J. Burckhardt Die Zeit Constantins d. Gr.² 54. 75. F. Eyssenhardt Lectiones panegyricae, Berlin 1867. H. Rühl De XII panegyricis latinis propaedeumata, Greifswald 1868. J. Kilian Der Panegyrist Eumenius, Münnerstädt 1869. Sam. Brandt Eumenius von Augustodunum und die ihm zugeschriebenen Reden, Freiburg 1882. A. Sachs De quattuor panegyricis qui ab Eumenio scripti esse dicuntur, Halle 1885. O. Seeck Jahrb. f. Philol. 1888, 713; Commentationes Woelfflinianae 29. R. Götze Quaestiones Eumenianae, Halle 1892. M. Schanz Gesch. d. röm. Literatur III 121. C. G. Chruzander De elocutione panegyricorum [1114] veterum Gallicanorum quaestiones, Upsala 1897. O. Kehding De panegyricis latinis, Marburg 1899.
[Seeck.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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