ART

4) Bischof von Lyon um 440. Aus vornehmem gallisch-römischem Geschlecht, zog er sich, nachdem er in öffentlichen Ämtern tätig gewesen war und auch eine Familie gegründet hatte, mit der Gemahlin Galla und seinen Söhnen nach der Mönchskolonie auf der Insel Lerinum zurück, vielleicht um 420, später nach der Nachbarinsel Lero; etwa 434 wurde er in Lyon, wohl seiner Vaterstadt, Bischof und ist daselbst, hochangesehen und im Verkehr mit allen Größen des südlichen Gallien, um 450 gestorben. 449 hat er noch gelebt; denn Polemius Silvius widmet ihm seinen zu Anfang des J. 449 geschriebenen Laterculus; die gallische Chronik von 452 (ed. Mommsen Chron. min. I 662) verlegt seinen Tod wie den seines Freundes Hilarius von Arles in das J. 449, Gennadius de vir. ill. 63 in die Regierungszeit von Valentinian und Marcian, also zwischen 450 und 455; mit ,ca. 450‘ werden wir der Wahrheit ganz nahe kommen. Von dem hohen Ansehen, das E. in jenen Kreisen genoß, die Gallien für ein wissenschaftlich interessiertes Mönchtum erobern wollten, zeugt vor anderem die Widmung der zweiten Hälfte von Cassianus Collationes an ihn und an Honoratus. Die Briefsammlungen von Sidonius Apollinaris, Hilarius, Rusticus, Paulinus Nolanus, Salvianus bestätigen es; für Claudianus Mamertus de statu animae II 9 ist E. magnorum saeculi sui pontificum longe maximus. In seiner literarischen Hinterlassenschaft (Migne Lat. 50) können wir außergewöhnliche Größe nicht entdecken. Sein Auszug aus Cassianus beiden Hauptwerken ist eine bescheidene Leistung gewesen, wenn es das Exzerpt war, das in griechischer Übersetzung dem Photios (bibl. 197) vorgelegen hat, und von dem auch einiges auf uns gekommen ist (s. Schoenemann Biblioth. patrum lat. II 1794, 673). Als Stimmungsbilder nicht übel, auch mit rhetorischem Geschick ausgearbeitet sind de laude eremi, dem Presbyter Hilarius gewidmet, und de contemptu mundi et saecularis philosophiae, an einen gewissen Valerianus gerichtet. Eine Passio Agaunensium martyrum, die ihm abzusprechen kein Grund vorliegt, ist ein Beitrag zu der damals aufblühenden hagiologischen Literatur. Durch zwei Werke hat er aber einen sehr lange nachwirkenden Einfluß auf die lateinische Theologie gewonnen, die bis tief ins Mittelalter hinein direkt oder indirekt von ihm zehrt, nämlich die seinen Söhnen Veranus und Salonius gewidmeten formulae spiritalis intellegentiae und Instructionum libri II; Beiträge zum Schriftverständnis, halb Hermeneutik, halb Exegese schwieriger Stellen, das erste mehr in der Form eines Lexikons, das andere in der damals aufkommenden Art der quaestiones et responsiones. Für uns beschränkt sich der Wert dieser Bücher, da E. in den hermeneutischen Grundsätzen wie im exegetischen Detail von Älteren, namentlich griechischen Meistem abhängig ist, fast auf ihre aus der Menge von genau angeführten Zitaten sich ergebende Wichtigkeit für die Geschichte des lateinischen Bibeltextes. Dafür [884] sind auch die Varianten der Handschriften bedeutsam, und es ist zu bedauern, daß in der neuen, leider noch unvollendeten E.-Ausgabe im Corp. script. eccl. lat. (pars I ed. Wotke 1894) das Material allzu sparsam dargereicht wird. Eine Menge von Schriften, namentlich Homilien und Kommentare, sind dem E. irrtümlich zugeschoben worden; das meiste bei Migne a. a. O. gedruckt.
[Jülicher.]

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