ART

Esche. Von der Gattung Fraxinus findet sich unsere hohe E., Fraxinus excelsior L., in den Berglandschaften des Oeta, Tymphrestos, Ossa und Pelion (Neumann-Partsch Physikal. Geogr. v. Griechenl. 1885, 388 nach v. Heldreich), in den Wäldern sowohl der Ebenen als der Gebirge der Apenninhalbinsel, im nördlichen Spanien und überhaupt weiter nördlich in Europa. In Aitolien heißt sie heute φράξον (N. A. Chloros Waldverhältnisse Griechenlands, 1884, 32), in Italien frassino, in Spanien fresno, in Frankreich frêne, bei uns E. Die andere europäische Art, Fraxinus ornus L. = Ornus europaea Pers., die Blüten- oder Manna-E., wächst in den höheren Gebirgen von ganz Griechenland, doch nicht auf Kreta, ferner in Makedonien, Thrakien, Bithynien, Ionien, am Fuße des Taurus und im Libanon (E. Boissier Flora orientalis IV 1879, 39f.), im ganzen Apennin, auf Sardinien und Ischia, im Königreich Valencia, in Ungarn und südlich der Donau in Österreich. Die entsprechenden Namen sind μελιός und μέλεγος, orniello und avornello, fresno de flór. Diese Art unterscheidet sich von der ersteren, welche der Kronenblätter ganz entbehrt, durch ihre weißen Kronenblätter; ihr Laubblatt hat weniger Fiederblättchen; sie wird höchstens 15 m, während jene 28 m hoch wird, hat härteres, aber knotigeres und nicht so weißes Holz, obwohl auch das der ersteren im verarbeiteten Zustande mehr oder weniger nachdunkelt; sie gedeiht am besten in der Mittelzone der Gebirge an trockenen Stellen, während man jene als einen Baum der Niederungen, Flußauen und Gebirgstäler bezeichnen kann. Ihre Manna wird von den Alten nicht erwähnt.

I. Die Esche der Griechen.

Abgesehen von Theophrast finden wir bei den Griechen nur einen E.-Namen, μελία, und zwar in der Regel wohl nur für Fraxinus ornus. Er ist nach W. Prellwitz (Etym. Wörterb. d. gr. Spr. 1892) auf eine Grundform σμελϝία zurückzuführen, ist verwandt mit lit. smelus = aschgrau, falb und bedeutet nach der aschgrauen Farbe der Rinde (bei Fraxinus omus) ,die Aschgraue'. Bei δολιχ-όσκιος, welches sich öfters bei Homer als Epitheton zu ἔγχος findet, [618] hält er es für nicht ausgeschlossen, daß der zweite Teil des Kompositum mit ahd. asc = nhd. Esche verwandt sei. Die Bezeichnung ἡ βουμέλιος (bumelia makedonisch nach Plin. XVI 63), welche von einigen Griechen (Theophr. h. pl. III 11, 4f.) und Theophrast selbst (ebd. IV 8, 2) für Fraxinus excelsior gebraucht wurde, ist wohl eher ein Kompositum mit βοῦς als, wie K. Sprengel (Erläuterungen zu Theophrasts Naturgesch., 1822. 107) lieber annehmen möchte, aus πολυμελία (= die häufige E.) entstanden, wenn auch Plutarch (symp. VI 8, 1) βούλιμος, da β = aeol. π sei, durch πολύλιμος erklärt.

Einige Bemerkungen des Theophrast (h. pl.) über die μελία können auf beide E.-Arten bezogen werden. Die Blätter (Blättchen) haben die Gestalt derjenigen des Lorbeers (vgl. Plin. XVI 63), und zwar des breitblättrigen, sind aber spitzer und am Rande etwas scharf gesägt; das ganze Blatt, welches man Blatt nennen kann, weil es zusammen abfällt, kommt aus einem einzigen Stengel, und um diesen setzen sich paarweise die Blätter, indem die vielen Paare von einander abstehen wie beim Spierlingsbaum (Sorbus domestica L., III 11, 3); die Wurzeln sind dicht, dick und oberflächlich; in einer dünnen Hülse (Flügelfrucht) befindet sich eine nußartige Frucht (Same) wie die Mandel, von Geschmack etwas bitter; der Baum trägt auch andere Erzeugnisse, z. B. die βρύα wie der Lorbeer, aber dichter, und jedes einzelne ist kugelig wie das der Platane; diese sitzen teils um die Frucht, teils und zwar zumeist davon entfernt (ebd. 4). Mit diesen βρύα meint er offenbar die Klunkergallen, welche bei den genannten E.-Arten durch eine Gallmilbe, Phytoptus fraxini, hervorgebracht werden und mit denen die Kronen der Bäume oft wie besät sind. Auf beide Arten kann man es wohl beziehen, wenn er sagt, daß die Blätter der Korkeiche (den Blättchen) der μελία ähnelten (III 17, 1), diese im Sommer Früchte gebe (ebd. 4, 4; vgl. Plin. XVI 106), zu denjenigen Bäumen gehöre, welche am schnellsten wüchsen (ebd. 6, 1), und in Makedonien sowohl im Gebirge als in der Ebene vorkommt (ebd. 3, 1). Doch gibt es von der μελία zwei Arten; die eine (Fraxinus excelsior) ist hoch und schlank (vgl. Plin. ebd. 63); ihr Holz ist weiß, faserig, weicher, weniger knorrig und weniger kraus (krummfaserig?); bei der weißen (von weißem Holz) sind die Blattstiele lang (?) und mehr Paare (Blättchen); auch sind die einzelnen (Blättchen) länger und schmäler, von Farbe lauchgrün; ihre Rinde ist glatt, trocken, dünn und rötlich (ebd. 11, 3): die glatte wächst meist an tiefen und feuchten Stellen; einige nennen die eine (diese) Art βουμέλιος (z. B. die Makedoner ebd. 4); die βουμέλιος ist größer, ihr Holz lockerer und daher weniger kraus; sie wächst in der Ebene und ist rauh (ebd. 5). Die Bemerkung (ebd.), daß die in den Bergen wachsende schönfarbig, glatt, fest und zäh, die in der Ebene wachsende farblos, locker und rauh sei, scheint sich auch nur auf Fraxinos excelsior zu beziehen, da diese ja auch im Gebirge wachsen kann und Theophrast im folgenden diesen Unterschied bei allen Bäumen macht, die sowohl in der Ebene als im Gebirge wachsen. So sagt auch Plinius (XVI 73f.) im Anschluß an Theophrast, daß die ornus die Berge [619] und die fraxinus wasserreiche Berge liebe, wenn auch beide in die Ebene hinabstiegen. Nur macht er (ebd. 63) die Unterscheidung des Theophrast zwischen der in der Ebene und der im Gebirge wachsenden E. zum Merkmal einer neuen, zu der zwischen μελία und βουμέλιος hinzukommenden Unterscheidung, indem er zugleich die Worte etwas ändert: alii situ divisere, campestrem enim esse crispam, montanam spissam. Doch beruhen die bei ihm vorhergehenden Worte, daß die auf der troischen Ida wachsende E. der cedrus so ähnlich sei, daß, wenn die Rinde entfernt sei, die Käufer betrogen würden, ebenso auf einer Verwechselung mit der σμῖλος des Theophrast (h. pl. III 10, 2), d. h. der Eibe, wie die folgenden, daß nach der Behauptung der Griechen die Blätter der E. für das Zugvieh (Pferde und Esel) tödlich, für die übrigen (!) Wiederkäuer aber unschädlich seien. Auch die Notiz des Theophrast (IV 5, 3), daß bei Pantikapaion (auf der Krim) die μελία wild wachse und zum Nutzholz gehöre, bezieht sich jedenfalls auf Fraxinus excelsior. Die andere Art, Fraxinus ornus, beschreibt er folgendermaßen: Sie ist niedriger und von nicht so schönem Wuchs, ihr Holz rauher, härter und gelblicher (III 11, 3; vgl. Plin. XVI 63); die rauhe Art wächst an trockenen und felsigen Stellen (ebd. 4), womit es freilich schlecht stimmt, daß sowohl die μελία als die βουμέλιος sehr häufig an Flüssen wachsen sollen (IV 8, 2; nach Geop. II 8, 2 ist sogar die μελία im Gebirge an feuchten Stellen anzupflanzen). Wenn er sagt, daß im Gegensatz zu der weißen die Blattstiele kurz und die Zahl der Blättchenpaare geringer sei (III 11, 3), so ist nur die zweite Eigenschaft für Fraxinus ornus charakteristisch. Auch andere Bemerkungen beziehen sich wohl auf diese E. Man fällt die μελία nach der Weinlese und dem Frühaufgang des Arktur (V 1, 2), der 10–15 Tage vor der Herbstgleiche eintrat; da das Holz sehr feucht ist, werden κλινάρια (kleine Bettgestelle ?), die nachgeben sollen, daraus gefertigt (ebd. 6, 4), mitunter auch Hammer und Bohrer (Griffe; ebd. 7, 8); man nimmt davon, weil es zäh und fest ist, das runde Holz (allerhand Drechselwerk) beim Schiffsbau, bei den Trieren macht man daraus das στερέωμα, woran der Loskiel sich befindet, und die Kranbalken, weil diese Dinge stark sein müssen (I 7, 3). Nicht sicher zu entscheiden dürfte es sein, auf welche Art sich die Behauptung der Bewohner der (troischen) Ida (bei Theophr. h. pl.) bezieht, daß die μελία weder Früchte noch Blüten hervorbringe (III 11, 4), und daß sie mehrere und tiefe Wurzeln habe (ebd. 6, 5), da in der Troas heute keine E.-Art gefunden ist. Doch läßt sich die angebliche Blütenlosigkeit auf Fraxinus excelsior deuten, und diese findet sich heute nicht weit von der Troas auf der Insel Lesbos, besonders in der oberen und unteren Region des Berges Lepetymnos, und zwar unter dem Namen μελεός (Paleologos C. Candargy La végétation de l'île de Lesbos, Lille 1899, 35). Freilich nennen Vergilius (ge. II 111) und Palladius (XIV 64) die orni unfruchtbar. Von dem Holz der Fraxinus excelsior gemacht mag auch der Schaft der pelischen Lanze des Achilleus gedacht sein (Hom. Il. XXII 133. Schol. Il. VI 201. Ovid. ars amat. I 696; heroid. 3, 126; vgl. Hesych. s. Πηλιάδα [620] und Plin. XVI 62), da sie wegen ihrer Schwere nur von Achilleus geschwungen werden konnte, von Cheiron, der Ortsgottheit des Pelion, dem Peleus geschenkt war und vom Gipfel des Pelion stammte (Hom. Il. XVI 143f. Schol. Il. VI 201). Aber die Fraxinus ornus scheint von Homer gemeint zu sein, wenn er die Knoppereiche, Quercus aegilops L., die E. und die Kornelkirsche, Cornus mas L., als Bäume eines Waldes nennt, der vom Orkan durchtobt wird (Il. XVI 767), der verwundete Imbrios niederstürzt wie eine E., die auf dem Gipfel eines hohen Berges mit der Axt gefällt wird und ihr zartes Laub zur Erde neigt (ebd. XIII 178), die Türschwelle im Palast des Odysseus von ihrem Holze ist (Od. XVII 339), ebenso die Lanzenschäfte (Il. V 655. XIII 715. XIX 361), ja μελίη geradezu wie bei der schon erwähnten pelischen die Lanze bezeichnet (Il. II 543. XX 277. 322. XXII 133. 225. 328; Od. XIV 281. XXII 259. Anth. Pal. VI 52. Lucian. adv. ind. 7. Nonn. Dionys. XLV 13 usw.) und mancher Held ἐϋμμελίης genannt wird (Il. IV 47. 165. VI 449. XVII 9. 23. 59; Od. III 400. Hesiod. scut. 368. Apoll. Rhod. I 96. 1043. Orph. Arg. 861. Anth. Pal. XVI 6, 5. Hesych. s. εὐμελίω). Von derselben Art waren jedenfalls die E. in einem von Apollon bewohnten Hain der Stadt Klaros nicht weit vom kleinasiatischen Kolophon (Nic. frg. 20. Paus. VII 5, 10) und hatte die Stadt Μελία in Karien (Hekataios bei Steph. Byz.) ihren Namen. Ein Talent = 35,94 kg ihres zu Keilen verwandten Holzes kostete nach einer attischen Tempelbaurechnung vom J. 329/8 v. Chr. (IG II 834 b Col. I Z. 9) 1 Drachme 2 Obolen = ca. 1,33 ℳ. (vgl. den Holzpreis im Edikt des Diocletian unten II a), während nach derselben Urkunde 1 Talent unbestimmten Brennholzes sogar mit 1½ Drachmen bezahlt war (Ἐφημ. ἀρχ. IΙΙ 1883, 120 Z. 47). Sie konnte im Oktober (Geop. III 13, 4) im arbustum zur Stütze der Reben, weil sie keinen großen Schatten verbreitet, angepflanzt (ebd. IV 1, 2) und auf sie Lorbeer gepfropft werden (ebd. X 76, 4). Ihr Laub fressen die Ziegen (Eupolis bei Macrob. VII 5, 9 und Plut. symp. IV 1, 3). Von den Hippokratikern wurden ihre Samen in Wein innerlich bei Gebärmutterschmerzen und Harnzwang (Ps.-Hipp. II 554 K.) und die Sägespäne zu Räucherungen bei Frauenkrankheiten (ebd. 567) angewandt. Dioskurides (I 108) sagt: ‚Sie ist ein bekannter Baum; der Saft der Blätter und diese selbst in Wein getrunken und aufgelegt helfen gegen Bisse der Sandviper, Vipera ammodytes (vgl. eupor. II 115 und Geop. XIII 8, 9; äußerlich gegen die der Hornviper, Cerastes aegyptiacus, die Blätter oder die Asche der E., Diosc. eup. II 117); die Asche der Rinde in Wasser aufgestrichen hilft gegen Aussatz (mit Iris- oder Zedernöl, eup. I 129 = Paul. Aeg. VII 3); die Späne des gedrechselten Holzes sollen tödlich sein‘.

Aus ihnen läßt Hesiod (op. 147 und bei Eustath. p. 1262, 11 u. 1859, 24; vgl. Palaeph. 36) das dritte, das eherne und kriegerische Menschengeschlecht erschaffen sein, jedenfalls zum Teil wegen der Verwendung des Holzes zu Lanzenschäften. Einer dieser Menschen war noch Talos, der Wächter des Minos (Apoll. Rhod. IV 1638ff.). Diese Abstammung wird aber auch allen Menschen [621] zugesprochen (Hesych. s. μελίας καρπός). Da in der nordischen Mythologie der erste Mensch nach der E. mit dem Namen Askr bezeichnet werde und bei den Griechen auch der Glaube an die Geburt der ersten Menschen aus Eichen (vgl. Art. Eiche Bd. V S. 2025–2027) in die ältesten Zeiten zurückreiche, so meint Jos. Murr (D. Pflanzenwelt in d. gr. Mythol., 1890, 28f.), daß eine den Indoeuropäern gemeinsam auf die E. (Fraxinus excelsior) bezügliche anthropogonische Anschauung in Griechenland auf die dort am meisten verbreitete Art (Fraxinus ornus) dieser Baumgattung übertragen worden sei. Unter den Nymphen gab es wie Dryaden oder Hamadryaden (von δρῦς = Eiche) auch Μελίαι (Nonn. Dion. XIV 212. Long. III 23. Hesych. s. Μηλιά. Eustath. p. 1963, 40), welche die Gaia aus den Blutstropfen des Uranos bei seiner Entmannung durch Kronos geboren hatte (Hes. theog. 187). Solche pflegten den jungen Zeus auf dem kretischen Gebirge Dikte (Callim. h. in Ιον. 47; vgl. Schol. Apoll. Rhod. II 4). Andere Nymphen hatten den Eigennamen Μελία oder Μελίη (s. die Stellen bei Murr ebd. und Pape-Benseler Wörterb. d. gr. Eigenn., 1884), nämlich zwei thebanische, die Tochter des Okeanos und Geliebte des Apollon, und eine Tochter der Niobe (Schol. Eur. Phoen. 159), eine bithynische, die Geliebte des Poseidon und Mutter des Amykos, eine argivische, ebenfalls Tochter des Okeanos und Gemahlin des Inachos (Schol. Eur. Orest. 932 usw.) oder Seilenos, und wohl eine zweite argivische, die Tochter des Agenor. Zu Apollon steht die E. insofern in Beziehung, als ihm der erwähnte E.-Hain von Klaros heilig war (vgl. Wernicke o. Bd. II S. 56, 50ff.). Auf einem Sardonyx der Berliner Sammlung ist ein E.-Blatt in der linken Hand der Nemesis dargestellt, vielleicht als Symbol des der Vergeltungsgöttin zukommenden Speers (Imhoof-Blumer u. Keller Tier- und Pflanzenbilder auf antiken Münzen u. Gemmen. 1889 T. XXV 5).

Der Traumdeuter Artemidoros (II 25) sagt, daß die E. nur denen Gutes verheißen, die zu einem Kriege ausziehen, und den Zimmerleuten.

II. Die Esche der Römer.

Ihre fraxinus war, abgesehen von dem freieren Gebrauch der Dichter, Fraxinus excelsior und ihre ornus Fraxinus ornus. Die Etymologie von fraxinus ist nicht bekannt. Ornus, aus einer Grundform ōsinus hervorgegangen, ist mit lit. u'sis = E., ksl. jasi-ka, an. askr, mhd. asch, nhd. Esche, (Prellwitz a. a. O. s. ἀχερωίς) und mit einigen altkeltischen Wörtern, die E. bedeuten (W. Stokes Urkelt. Sprachsch., übers. von A. Bezzenberger 1894) verwandt. Ungenau wird in den mittelalterlichen Glossarien (Corp. gloss. lat.) fraxinus mit μελία (II 73, 32. 367, 3. III 264, 43. 300, 42. 358, 65. 407, 4. 428, 45) und gar ornus mit ἀγρία πίτυς, wilde Pinie? (II 140) und ὀξεα (= ὀξύη?, Rotbuche, 384, 39) geglichen, aber richtig fraxinus mit (an.) askr (V 380, 52). Ein drittes Wort, farnus, welches einen Baum bezeichnet, aus dessen Holz gemachte Dielen keine Dauer haben (Vitr. VII 1, 2. Anonym. de archit. 19; etwas anders Pall. I 9, 3), soll dem franz. frêne (fresne) entsprechend aus franus entstanden und dieses aus fraxinus zusammengezogen sein (so Gesner zu Pall. ebd. und Georges Wörterb.; [622] vgl. Schneider zu Pall. und Schuch zu Apic. 313). Damit ist es nur nicht recht vereinbar, daß Vitruv (II 9, 11) Fraxinus excelsior mit fraxinus bezeichnet. Von Apicius (313–315) wird auch die Zubereitung der fungi farnei (frühere Lesart fungi faginei), d. h. der auf den farni wachsenden Pilze angegeben; aber wenn letztere auch Pfefferlinge (Cantharellus cibarius Fries), wie J. H. Dierbach (Flora Apiciana, 1831, 24) annimmt, sein sollten, so bleibt doch farnus selbst unerklärt. Ganz unwahrscheinlich aber ist es, woran man auch gedacht hat, daß das Wort mit ital. farnia = Stieleiche, Quercus pedunculata Ehrh., gleichbedeutend sei.

1. Fraxinus eigentlich = Fraxinus excelsior L. Sie ist ein ansehnlicher (Enn. frg. 140, 3 Baehr.), der schönste Baum des Waldes (Verg. Ecl. 7, 65. 68), gewaltig (ebd. Ge. II 65), hochgewachsen (Hor. c. III 25, 16), kann ein hohes Alter erreichen (ebd. I 9, 12) und einen sehr großen (?) Schatten verbreiten (Stat. Theb. IV 281. IX 494). Sie ist hoch (Plin. XVI 62. Seren. Samm. 382), der Stamm glattrund, ihre Blätter sind gefiedert (Plin. ebd.); diesen ähneln (?) die Blätter des gelben Enzians, Gentiana lutea L. (ebd. XXV 71). In ihrem Blatt (ihrer blattartigen Flügelfrucht) steckt der Same (ebd. XXIV 46). Sie schlägt früh (?) aus und verliert früh ihre Blätter (ebd. XVI 83; vgl. Theophr. h. pl. I 9, 6); sie hat schon Blätter, wann die Schlangen aus ihrem Winteraufenthalt hervorkommen, und verliert sie, wann jene sich verkrochen haben, so daß die Schlangen nicht zu fürchten sind, so lange jene beblättert ist und den Menschen Schatten gewährt (ebd. XVI 64. XXII 95). Ganz unbegründet ist, was Plinius (XVI 64) weiter über diesen Punkt sagt: ‚So groß ist ihre Kraft (der E. gegenüber den Schlangen), daß die Schlange selbst den Schatten morgens und abends, wann er am längsten ist, meidet, ja sogar ihn schon von weitem flieht; ich habe selbst gesehen, daß, wenn man um ein Feuer und eine Schlange das Laub streut, sie lieber in dieses als in jenes flieht‘. Die Schlange kriecht nämlich in solchem Falle der Wärme und dem Lichte des Feuers zu (mehr bei H. O. Lenz Botanik der alten Griechen u. Römer, 1859, 510, 52). Sie wächst mehr in rauhen Gegenden, wo sich Bergerdbeeren finden (Isid. orig. XVII 7, 39). Sie findet sich im Tale von Cumae (Verg. Aen. VI 181); zahlreich an den Ufern des Clitumnus (Plin. ep. VIII 8. 4), eines Zuflusses des oberen Tiber in Umbrien; ferner findet sie sich (aber in diesen Fällen Fraxinus ornus) am oder schon mehr im Flusse Ismenos bei Theben (Stat. Theb. IX 494) und zusammen (!) mit der ornus in Arkadien (ebd. IV 281. VI 103). In einer zu Aime in Savoyen gefundenen poetischen Inschrift aus dem Ende des 2. Jhdts. n. Chr. (CIL XII 103, 1 = Buecheler Carm. epigr. nr. 19) wird Silvanus als Bewohner eines heiligen E.-Haines angerufen. Die spanische Fliege, Lytta vesicatoria, lebt besonders oft auf ihr (Plin. XXIX 94), aber nicht die Larve, sondern der Käfer; auf Kos entsteht (!), zum Teil aus ihren Blüten, die bombyx (ebd. XI 77), wohl die wilde Seidenraupe, Lasiocampa otus. Auf sie kann der Birnbaum gepfropft werden (Pall. III 25, 7. XIV 60). Im arbustum wird sie zur Stütze der Reben, und [623] weil ihr Laub den Rindern, noch mehr den Ziegen und Schafen zur Nahrung dient, sie auch in rauhen und bergigen Gegenden besser als die Ulme fortkommt, meist aus Samen gezogen (Col. V 6, 5 und bei Pall. III 10, 4; vgl. o. Bd. II S. 422, 39ff.), doch auch aus Stammsprossen (Verg. Georg. II 65), nach den Iden des Februar, weil der Baum früh ausschlägt (Plin. XVII 78), in tiefen Gruben, weil sie gern oben an der Erde steht (ebd. 81) oder weil die Wurzeln nicht tief gehen (?). Sie ist des Holzes wegen von der Natur geschaffen (Plin. XVI 62), dieses ist zu sehr vielem nützlich (ebd.) und läßt sich in jeder Beziehung sehr leicht verarbeiten (ebd. 228). Von ihm sagt Vitruv (II 9, 11): ‚Es hat vielen Saft, wenig Luft und Feuer, die Beimischung des Erdigen ist mäßig; wenn es zu Bauwerk gezimmert wird, ist es zäh (und biegsam, Plin. XVI 219) und hat wegen des vielen Saftes keine Starrheit, aber wirft sich schnell (wenn es getrocknet wird, Plin. ebd.); wenn es aber durch die Länge der Zeit trocken geworden ist oder der Baum am Standort angeschnitten (geringelt, Plin. ebd. vgl. 192) wird, schwindet der Saft, es wird härter und gewinnt bei den Verbindungen und Zusammenfügungen durch seine Zähigkeit eine feste Verklammerung (vgl. Pall. XII 15, 2)‘. Ihr Holz wird besonders zu Lanzenschäften gebraucht (Ovid. met. V 9. X 93. XII 369. Stat. Theb. V 566. VII 269. 716. Isid. orig. XVII 7, 39), weil es besser als das des Haselstrauches, leichter als das der Kornelkirsche und zäher als das des Spierlingsbaumes ist (Plin. XVI 228). Deshalb wird auch dichterisch mit fraxinus die Lanze selbst bezeichnet (Accius bei Prisc. VI 69. Ovid. met. V 143. XII 122. 324. Sil. Ital. V 549. Stat. Theb. VI 103. VIII 717 usw.). Freilich wird an den meisten dieser Stellen, wo es sich um die Lanze handelt, das Wort nur im Sinne von μελία gebraucht und der Lokalität entsprechend auf Fraxinus ornus zn beziehen sein. So kann auch Ovid (met. VII 677) einen Aigineten behaupten lassen, daß ein Speerschaft von fraxinus rotgelb sei (fraxinus fulva colore). Ferner wird fraxinus (Fraxinus excelsior) auch zu Weinpfählen (Verg. Georg. II 359), zu Stielen von Ackergeräten (Col. XI 2, 92) und Radachsen (Plin. XVI 229), die Ruten werden zum Flechten von Schafhürden (Calpurn. Ecl. 1, 39) gebraucht. Die gallische (vielleicht die in Piemont und sehr selten in Frankreich vorkommende Varietät Fraxinus biloba P. P. oder Fraxinus excelsior selbst) paßt auch wegen ihrer leichten Biegsamkeit zu Wagen, wozu die Ulme nur zu schwer ist (Plin. XVI 228), obwohl bei lufttrockenem Zustande, wenigstens gegenüber der Fraxinus excelsior, dies nicht zutrifft. Im Edikt des Diocletian vom J. 301 (12, 11) ist der Maximalpreis eines Balkens von 14 cubiti = 6,22 m Länge und 48 digiti = 0,888 m quadratischen Umfangs, also von 0,31 cbm, auf 250 Denare, oder bei einem spezifischen Gewicht von 0,75 sind 232,5 kg auf 4,50 Mark, d. h. 100 kg auf 1,93 Mark festgesetzt, so daß das Langholz der E. fast den doppelten Preis als das der Eiche (vgl. Bd. V S. 2057f.) hat. Im Sommer und Herbst bis Ende Oktober werden die Rinder mit ihrem und anderem Laube gefüttert (Col. VI 3, 6; vgl. XI 2, 83).

Über ihre medizinischen Eigenschaften spricht [624] besonders Plinius (XXIV 46): ,Sie besitzt bedeutende Kräfte wider die Schlangen (vgl. XVI 64 und Plin. Iun. 111, 10 Rose, auch Diosc. I 108); die Samen gebraucht man bei Leberleiden (ebenso Seren. Samm. 382) und Seitenschmerzen in Wein; sie vertreiben das Wasser unter der Haut (ebenso Seren. Samm. 500); die zerriebenen Blätter mit Wein helfen gegen Fettleibigkeit; einige haben angegeben, daß man sich vor den Hobel- und Sägespänen in acht nehmen müsse (vgl. o. Diosc. I 108).‘ Außerdem wurde hauptsächlich der Saft der jungen Zweige oder Blätter gegen Ohrenschmerz gebraucht (Seren. Samm. 162. Marc. Emp. 9, 15. 16. 9, 127). Wenn die Rinder von einer Viper gebissen sind, so schüttet man ihnen zerriebene zarte Zweigspitzen mit Wein und Öl und den ausgepreßten Saft ins Maul; die zerriebenen Zweigspitzen werden auch mit Salz auf verletzte Stellen derselben gelegt (Col. VI 17, 4 = Veget. mul. IV 21, 4; vgl. Geop. XIII 8, 9).

2. Ornus = Fraxinus ornus L. Sie gehört zu den niedrigeren Bäumen mit nicht vielem Laube, weshalb sie im gallischen arbustum, dem sog. rumpotinum (vgl. o. Bd. II S. 422, 59ff.) angepflanzt werden kann (Col. V 7, 1. Plin. XVII 201). Überhaupt eignen sich zum arbustum sehr gut die orni, welche wilde (?) fraxini sind, besonders breitere Blätter als die übrigen fraxini und kein schlechteres Laub als die Ulmen haben, da Schafe und Ziegen es sogar noch lieber fressen (Col. arb. 16, 1f.). Unfruchtbare (?) orni wachsen auf steinigen Bergen (Verg. Georg. II 111). Sie können alt sein (Hor. c. I 9, 12), wie eine bei Nemea (Stat. Theb. V 18), wo es auch vastae (große?) orni gab (ebd. 515). In Arkadien kommen sie zusammen (!) mit der fraxinus vor (ebd. IV 281. VI 103ff.). Eine ornus steht bei Theben (ebd. VI 933), gibt es auf Kreta (? Hor. c. III 27. 58), auf dem Gebirge Garganus finden sich orni (ebd. II 9, 8). Solche folgen auf ihren Gesang dem Thraker Orpheus (Ovid. met. X 101. Stat. silv. II 7, 44) und dem Hesiodos vom Helikon (Verg. Ecl. 6, 71). Die Kentauren kämpften auf dem Berge Oeta gegen die Lapithen mit orni (Stat. Achill. I 113), wobei einer große (Iuven. sat. 1, 11), ein anderer solche, welche kaum der Boreas umstürzen könnte (Lucan. Phars. VI 390), schleuderte. In einem den gallischen Göttern geweihten Haine bei Massilia befanden sich unter anderen Bäumen auch orni (ebd. III 440). Mit Eisen beschlagene orni wurden von punischen Maschinen gegen die Saguntiner geschleudert (Sil. Ital. I 337); die ornus des Achill konnte nur von ihrem Herrn geschwungen werden (Auson. ep. 24, 108). Der Birnbaum kann auf sie gepfropft werden (Verg. Georg. II 71. Pall. III 25, 7; auf unfruchtbare orni, ebd. XIV 64). Ihr Laub erhalten die Rinder in der zweiten Hälfte des Oktober, wenn keines von fraxinus vorhanden ist (Col. XI 2, 83).
[Olck.]

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