ART

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Erysichthon (Ἐρυσίγῦων). 1) Die thessalische E.-Sage erscheint zuerst bei Hellanikos (Athen. X 416 A, FHG I 48 frg. 17): Ἑλλάνικος ἐν πρώτῳ Δευκαλιωνείας Ἐρυσίχθονα φησὶ τὸν Μυρμιδόνος, ὅτι ἦν ἄπληστος βορᾶς, Αἴθωνα κληθῆναι und kommt sonst vor der hellenistischen Zeit nicht weiter vor (abhängig von Hellanikos ist Aelian. v. h. I 27, bei dem allein noch Myrmidon als Vater des E. erscheint). Denn es ist unerweislich, daß des Achaios Satyrdrama Αἴθων (Nauck FTG2 747) die E.-Sage behandelt hat, da die Identifizierung des E. mit Aithon offenbar willkürlich ist, trotzdem sie schon bei Hellanikos auftritt (Zielinski Philologus N. F. IV 1891, 146ff. und o. Bd. I S. 1106). Ausführlich wird die E.-Sage zuerst von Kallimachos Hymn. VI 24–117 erzählt, an den Ovids schöne Darstellung met. VIII 738–878 später anknüpft (vgl. dazu R. Ehwald in Korns Kommentar³ 43): Die Pelasger hatten in Dotion (dem Lande der Δώς, vgl. Bd. IV S. 2714) der Demeter einen besonders herrlichen Hain geweiht, den sie liebte so wie ihr Eleusis, Triopion und Enna am Herzen lagen. Der Triopide E. zieht mit zwanzig riesigen Dienern aus und fällt eine in den Äther ragende Schwarzpappel, die den Nymphen besonders wert war. Demeter weiß, daß E. ein ξύλον ἱερόν gefällt hat, und verwandelt sich in die Gestalt ihrer Priesterin Nikippe und warnt den Frevler vor dem Zorn der πότνια Δημήτηρ. E. droht ihr mit der Axt und den Worten: ταῦτα d’ ἐμὀν θησεῖ στεγανὸν δόμον, ὧι ἔνι δαῖτας αἰὲν ἐμοῖς ἑτάροισιν ἄδην θὐμαρέας ἄξω (v. 54f.). Nemesis schreibt dies böse Wort auf. Demeter aber zeigt sich hier in ihrer ganzen Göttlichkeit wie ehemals in Eleusis, [572] als die Neugierde der Metaneira die Feuertaufe des Demophon verhindert hatte (Hom. hymn. Demeter 275ff.). Die aufs höchste erschreckten Diener läßt sie entfliehen. Aber dem E. ruft sie zürnend zu: ναὶ vaί, τεύχεο δῶμα κύον κύον ὦι ἔνι δαῖτας ποιήσεις · θαμιναὶ γὰρ ἐς ὕστερον εἰλαπίναι τοι (v. 63f.). Sie sendet ihm darauf schrecklichen Heißhunger, χαλεπόν τε καὶ ἄγριον λιμὸν αἴθωνα κρατερόν, den er auf keine Weise stillen kann. Niemand kann helfen; die Familie ist in Verzweiflung. Auch das Gebet des Vaters Triopas zum Poseidon hilft nichts. Der Heißhunger des E. steigert sich von Tag zu Tage; die Haustiere speist er auf wie auch alle Schätze des Hauses. Am Ende sitzt er, der Königssohn, an den Dreiwegen (wohin sonst die armen Schlucker kommen, um die der Hekate geweihten Speisen zu verzehren) und bettelt um die ἔκβολα λύματα δαιτός. Höchst wahrscheinlich hat Crusius bei Roscher Myth. Lex. I 1874 recht, wenn er diese Dichtung des Kallimachos als die älteste poetische Darstellung des triopischen Mythus ansieht. Vgl. dazu Zielinski a. a. O. 140. Von Kallimachos Zeit an erscheint die E.-Sage häufiger, so z. B. bei Lykophron 1393ff. und Nikander bei Antonin Liberalis 17 (Mythographi graeci II 1 p. 93, 8ff.), die beide die Verbindung des E. mit der Mestra (Hypermestra bei Antonin. Lib.) schon kennen. Die in hellenistischer Zeit übliche Form der Sage, in der die hingebende Liebe der Mestra (dieses und nicht Mnestra ist natürlich die richtige Namensform; vgl. den Art. Mestra) bereits eine Hauptrolle spielt, gibt am besten der Scholiast zu Lykophr. 1393 wieder: ’E. τις, υἱὸς Τριόπα, ἐξέτεμε τὸ ἄλσος τῆς Δήμητρας · ἡ δὲ ὀργισθεῖσα ἐποίησεν αὐτῷ ἐκφυῆναι λιμὀν μέγαν, ὥστε μηδέποτε λήγειν τῆς πείνης· εἶχε δὲ οὗτος θυγατέρα Μήστραν φαρμακίδα, ἥτις εἰς πᾶν εἶδος ζῴου μετεβάλλετο · καὶ ταύτην εἶχε μέθοδον τοῦ λιμοῦ ὁ πατήρ · ἐπίπρασκε γὰρ αὐτὴν καθ’ ἑκάστην ἡμέραν καὶ ἐκ τούτων ἐτρέφετο · ἡ δὲ πάλιν ἀμείβουσα τὸ εἶδος φεύγουσα πρὸς τὸν πατέρα ἤρχετο · ὁ δὲ Ἐ. Αἴθων ἐκαλεῖτο ὥς φησιν Ἡσίοδος (darüber Marckscheffel Hesiodi etc. Frg. p. 388 CCLX) διὰ τὸν λιμόν. Von der sich ewig verwandelnden Mestra ist ganz abzusehen, wenn man den Ursprung der E.-Sage erklären will. Wie Zielinski a. a. O. 146ff. nachgewiesen hat, ist Mestra ursprünglich die Tochter des Aithon, einer Form des Sonnengottes, geht parallel der Medeia und hat mit E. ebensowenig anfangs zu tun wie der Name Aithon statt E., der bei Kallimachos auch gar keine Tochter hat. Die Gleichung E. = Aithon ist erst entstanden, als die E.-Sage mit dem Mestramärchen kontaminiert wurde (so nach Zielinski richtig Knaack o. Bd. I S. 1106). Der älteste Zeuge für E. = Aithon ist Hellanikos; Kallimachos hat offenbar die reinste Form der E.-Sage bewahrt; danach ist der Schauplatz der Erzählung, obwohl sie im Triopion als Legende galt, das dorische Gefilde in Thessalien. Nach der Darstellung des Kallimachos müssen wir annehmen, daß die Pelasger, die vordorischen Bewohner von Knidos, die E.-Sage ins Triopion gebracht haben. Zielinski hat nun a. a. O. 159ff. in scharfsinniger Weise die ganze E.-Sage als einen Streit des Poseidon-E. und der Demeter um das triopische Land aufgefaßt, der ganz parallel [573] der attischen Legende von dem Streit des Poseidon-Erechtheus mit Athenen ist (zunächst wird es sich aber wohl um das Δώτιον πεδίον gehandelt haben). Wohl mit Recht hat er auch an Hallirrhotios’ Frevel am heiligen Ölbaum der Athene erinnert. Danach ist also der Name E. (der Erdaufreißer) zu den bekannten Beinamen des Poseidon, wie Ἐνοσίχθων, Σεισίχθων und Ἐλελίχθων zu stellen. Es kommt hinzu, daß E. als Sohn des Triopas der Enkel des Poseidon ist (vgl. auch Schol. Vict. Il. VI 191 p. 175 Bk., wenn μητρὸς τῆς Ἐ. zu halten und nicht mit Crusius Μήστρας zu schreiben ist). Das Ende des E. wird in der ursprünglichen Form der Sage der Hungertod gewesen sein, worauf die Erzählung des Kallimachos hinweist. Für die Sagenentwicklung ohne Bedeutung sind Palaiphatos περὶ ἀπίστων 23 Festa (vgl. Zielinski 147), Agathias Anth. Pal. XI 379 und Paradoxographus Rohdii XXXIII (Zielinski 137, 2). Mit Recht hat Zielinski aber auf die Darstellung des E.-Mythus bei Ovid. met. VIII 738ff. (vgl. Ibis 423f.) großen Wert gelegt und nachgewiesen, daß das im Wahnsinn geschehene Selbstzerfleischen des E., das nur bei Ovid vorkommt, ein alter, echter Zug der Sage ist (Zielinski erinnert an Kleomenes Tod bei Herodot. VI 75) und daß bei Ovid zwei Versionen, die Kallimacheische und eine andere, kontaminiert sind. Die Einführung der Fames scheint Ovids Erfindung zu sein. Dagegen scheint die sprechende Baumnymphe (bei Ovid eine Eiche, bei Kallimachos eine Pappel) wieder altes Sagengut zu sein. Kunstdarstellungen der E.-Sage scheinen in keiner Weise bekannt zu sein.

Alles Material über E., altes und neues, hat Crusius a. a. O. abschließend gesammelt. Dazu ist aber namentlich Zielinskis vortrefflicher Aufsatz zu nehmen und Preller-Robert Griech. Myth. I4 776f. O. Gruppe Griech. Myth. 119f. Zu der Namendeutung vgl. auch Usener Götternamen 141.
[Kern.]

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