.
2) Ἐφεσία), Epiklesis der Artemis von ihrem berühmten Kult in Ephesos. In der für diesen Kult bedeutsamen Inschrift Ancient greek inscript. in the Brit. Mus. III ed. Hicks (im folgenden nur Hicks zitiert) nr. 482 = CIG 2954 = Le Bas III 137—139 = Dittenberger Syll.² [2754] 656 wird Ephesos gerühmt als τροφὸς τῆς ἰδίας θεοῦ τῆς Ἐφεσίας und Artemis als προεστῶσα τῆς πόλεως, Artemis ist in Ephesos die ἀρχηγέτις Hicks 481, 20 oder προκαθηγέτις, Hicks 483, und wird oft als die ‚große‘ Göttin der Stadt gefeiert; vgl. μέγας θεός Timoth. Pers. 172, μεγάλη θεά CIG 2963 c, μεγίστη θεός Hicks 481 Z. 12. 220. 278, μεγίστη θεὰ Ἐφεσία Ἄρτεμις Hicks 481 Z. 324, θεῶν μέγιστον οὔνομ’ Ἄρτεμις Österr. Jahresh. III Beibl. 88; ebenso im Schwur von Ephesern: τὴν πάτριον ἡμῖν θεὸν τὴν μεγάλην Ἐφεσίων Ἄρτεμιν Xenoph. Ephes. de Anthia et Habrocoma I 11. Uns ist diese Bezeichnung besonders geläufig aus Apostelgesch. XIX 24ff., wo Ephesos als νεωκόρος τῆς μεγάλης Ἀρτεμίδος gerühmt, das Ansehen des Kultes in der ganzen Welt betont und der stürmische Ruf ,Groß ist die Artemis der Epheser‘ lebhaft geschildert wird.
Das Beiwort ,groß‘ teilt Artemis mit vielen anderen Gottheiten, ebenso die Beiworte κυρία Hicks 578. 586—588. 590; ἐπήκοος Hicks 596; ἁγιωτάτη Wood Discoveries at Ephesos, inscr. city 9; πάτριος oder πατρῷα Xenoph. Ephes. I 11. II 11. III 5; Σώτερια Hicks 483. 587. In Sonderkulten finden sich auch die Epikleseis Protothronia, Paus. X 38, 6 (vgl. πρωτόθρονος Kallim. hymn. III 228), und Daitis, Etym. M. 252, 11. Aber als Hauptepiklesis war auch in Ephesos selbst Ἐφεσία gebräuchlich; das lehren die Münzen mit ihren Beischriften: Ἄρτεμις Ἐφεσία, Ἄρτεμις Ἐφεσίων, Diana Ephesia oder Ἐφεσία allein, und die ephesischen Inschriften CIG 2958f. = CIL III 424f. CIG 2963 a. 2986. Hicks 481 (Z. 324). 513. 594 = CIL III 6065. Wood a. a. O. city 9. Österr. Jahresh. Beibl. I 76. II 43. 45. 49. 50. VII 42. 47. Noch häufiger begegnet die Epiklesis E., wenn außerhalb von Ephesos die Rede von der Göttin jener Stadt ist, so in Inschriften CIG 2737 b. 2823 (aus Aphrodisias). Athen. Mitt. 1891, 98 = Dittenberger Syll.² 328 (aus Nysa); bei Dichtern Autokrat, bei Aelian. hist. an. XII 9. Anth. Pal. append. ed. Cougny I 352 (Cedren. 81 p. 170). Plaut. mil. glor. 411; Bacchid. 307; in Prosa Xen. anab. V 3, 4ff. Paus. IV 31, 8 u. ö. Plut. Alex. 3. Dio Chrysost. 40 p. 162 R. Luk. Peregrin. 22. Artemid. Oneirocr. II 35. IV 4. Etym. M. s. Ἔφεσος. Anonym. de incredib. 2. Clem. Alex. Protr. IV 50. Cic. n. d. II 69; de divin. I 47. Plin. n. h. VII 127 u. ö. Liv. I 45. Aurel. Vict. de vir. ill. 7; in Epikleseissammlungen Anonym. Laur. XII 9 = Schoell-Studemund Anecd. var. I 270, vgl. Wenzel Ἐπικλήσεις VI 8ff.
Über die Bedeutung des Heiligtums, seine Rolle in der Geschichte von Ephesos und Kleinasien, die bauliche Anlage, die Zerstörungen und Erneuerungen, die Ergebnisse der Ausgrabungen u. a. s. den Artikel Ephesos. Hier sei nur kurz darauf hingewiesen, daß der Ruhm des Artemisions zu allen Zeiten gleich groß war. Äußerlich trugen dazu bei die Pracht und Größe der Tempelanlage, die Fülle der Weihgeschenke, der Reichtum an Kunstwerken der bedeutendsten Künstler, dann die zahlreichen Feste mit ihren frohen Gelagen und Schmausereien und mit den glänzenden Wettkämpfen. Innerlich aber wirkten zusammen das alte, durch alle Zeiten geachtete Asylrecht, die geschickte Finanzverwaltung, welche [2755] mit dem Heiligtum eine angesehene Bank zu verbinden verstand, und vor allem das gleichmäßige Streben aller politischen Machthaber, sich als den Schutzherrn dieses Tempels auszugeben und dadurch die führende Rolle in der Politik des südwestlichen Kleinasiens zu dokumentieren. In diesem Bestreben wetteifern in historisch bekannter Zeit mit den Griechen verschiedener Stämme auch Kroisos von Lydien, die Perser (Xerxes und seine Nachfolger), die Makedonier (Alexander d. Gr.), die Ptolemaier und die Römer. Mit vollem Recht konnten sich die Epheser noch zu Tiberius Zeit darauf berufen, daß alle Nationen die Rechte des Artemisions anerkannt hätten, vgl. Tac. ann. III 61. Derselbe Timotheos, der den berühmten Hymnos auf die Artemis B. dichtete, läßt in den Persern (v. 172 v. Wilamowitz) auch den Phryger diese Göttin als seine heimatliche anrufen. Der Kult der Artemis E. war bei Hellenen und Barbaren verbreitet (Hicks 482), und das Heiligtum von Ephesos selbst stand, wie es in Apollon. Tyan. epist. 67 heißt, Hellenen, Barbaren, Freien und Sklaven in gleicher Weise offen. Wenig Heiligtümer waren so international wie dieses.
Diese Internationalität blieb naturgemäß nicht ohne Einfluß auf den ganzen Kult. Neben dem zweifellos Griechischen findet sich ebenso zweifellos Ungriechisches, und je nach der Bewertung der einzelnen Elemente schwankt das Gesamturteil über die ganze Gestalt der Artemis E.
I. Mythen. Die Sagen, welche von Artemis E. handeln, tragen durchweg griechisches Gepräge. Zugleich aber ist es charakteristisch, daß sie der Hauptsache nach nur auswärts schon berühmte Motive nach Ephesos übertragen. All diese Sagen sind entweder von griechischen Ansiedlern aus dem Mutterland mitgebracht oder von den Ephesern frei nach bekannten Sagen nachgedichtet. Über ihren relativ jungen Ursprung kann auch der Umstand nicht hinwegtäuschen, daß zwischen diesen Sagen und religiösen Gebräuchen ein Zusammenhang hergestellt wird.
1. Längst war die Sage von Letos Herumirren, von Heras Eifersucht, von der Geburt der Artemis und des Apollon, von Ortygia usw. in allen Einzelheiten ausgeprägt, ehe darnach die Epheser ihre Lokalsagen bildeten, Ephesos sei die Geburtsstätte, Leto habe beim Koressos die Botschaft ihrer nahen Entbindung vernommen (Steph. Byz. s. Κορησσος), im Hain Ortygia sei sie entbunden unter der Palme (diese auf Münzen von Ephesos) oder unter dem heiligen Ölbaum, den man noch zu Tiberius Zeiten zeigte, die Nymphe Ortygia sei die Amme der Artemis gewesen, im Flusse Kenchreios habe sich Leto nach der Entbindung gereinigt (Tac. ann. III 61. Strab. XIV 639f.j, vom Berge Kerykeion habe Hermes die glückliche Geburt verkündet (Hesych. s. Κηρύκιον, vgl. Etym. M. und Etym. Gud.). Wie stark der ephesische Lokalpatriotismus diese Sagen als Wahrheit festzustellen suchte, beweisen u. a. der Letokult in Koressos (Steph. Byz. und Latoreia (Athen. I 31 d), das Bild der Leto auf Münzen von Ephesos und Skopas Bildwerke von Leto, Ortygia, Artemis und Apollon (Strab. XIV 640), ebenso der Kult mit seiner Feier des Geburtstags [2756] der Artemis am 6. Thargelion (Hicks 481. 482). Aber trotz alledem steht fest, daß der Göttin des Artemisions ursprünglich jedenfalls der Bruder Apollon fern stand.
2. Die kretische Sage erzählt, daß die Kureten auf Kreta mit den Waffen lärmten, damit das neugeborene Kind der Rhea, Zeus, den Nachstellungen seines Vaters entgehe. Auch diese Sage zogen die Epheser in ihren Kreis herüber, indem sie erzählten, auf dem Solmissos hätten die Kureten bei der Geburt der Artemis und des Apollon gelärmt, damit die eifersüchtige Hera nichts merke (Strab. XIV 640); und wenn auch nicht Rhea selbst, so ward doch eine Hypostase dieser Göttin, Ammas, als Amme der Artemis genannt (Hesych. s. Ἀμμάς). An diese Sage knüpften Lokalkulte an, ein jährliches Fest auf dem Solmissos und ein Priesterkollegium, die Kureten, welche bei jenem Feste Gelage und gewisse mystische Opfer veranstalteten (Strab. a. a. O.); das Kollegium der Kureten mit dem Protokures als Leiter, ist aus Inschriften bekannt, Hicks 449. 596 b. Österr. Jahresh. II Beibl. 44. Auch finden sich unter den Masken bei den Dionysosfesten (vgl. Plut. Ant. 24. Lukian. de saltat. 79) Kuretenmasken, Hicks 600.
3. Die bekannte Sage, daß Apollon nach der Tötung der Kyklopen bei Admetos in Thessalien dienen mußte, zogen die Epheser gleichfalls zu sich herüber, indem sie behaupteten, Apollon habe nach der Tötung der Kyklopen in Ephesos geweilt, um Zeus Groll zu besänftigen, Tac. ann. III 61. Wahrscheinlich hatten die Epheser, die gelegentlich auch in anderer Weise an Admetos anknüpften (vgl. Parthen. 5 und die Sagen von Magnesia), Admetos einst selbst zu einem Epheser gemacht. Wenn auf der Säule des Artemisions die Admetos-Alkestis-Sage dargestellt ist, wie Robert Thanatos, 39. Berliner Winckelmannsprogr. 1879, 37ff. vermutet, mag dies für die ephesische Lokalsage besondere Bedeutung gehabt haben.
4. Was von dem Verhältnis der Amazonen zum Kult der Artemis E. berichtet wird, knüpft an verschiedene Amazonensagen an (Theseus, Herakles, Dionysos). Wie die Stadt Ephesos eine Gründung der Amazonen hieß (Herakleid. Pont. frg. 34. Strab. XI 505. XII 550. Schol. Hom. Il. VI 186. Plin. V 115. Iustin. II 4, 15. Isid. Etym. XV 1, 38), so sollte auch der Kult der Artemis E. von Amazonen gestiftet sein. Man schwankte jedoch, welche Amazonen es waren, die aus der Theseussage bekannten, Pind. frg. 174 bei Paus. VII 2, 7, - die lydische Amazone Ephesos, die auch erste Priesterin der Göttin genannt wird, Etym. M. s. Ἔφεσος, vgl. Steph. Byz. s. Ἔφεσος. Eustath. Dionys perieg. 828, - Otrere. die Mutter der Penthesileia, Hyg. fab. 223. 225, - oder Hippo mit ihren Gefährtinnen, die das alte Kultbild stifteten und zu Ehren der Göttin einen Waffentanz aufführten, Kallim. hymn. III 237ff. Andere, die von der Stiftung des Kultbildes oder des ganzen Tempels durch die Amazonen sprechen, nennen keinen bestimmten Namen, z. B. Dionys. perieg. 827. Paus. IV 81. 8. Solin. 40, 2. Pomp. Mela I 88. Ampel 8, 18. Daneben bestand freilich die Auffassung, der Kult sei älter, als die Zeit der Amazonen. Er sei gleich nach [2757] der Geburt der Artemis auf Befehl der Götter gestiftet, Tac. ann. III 61. Der Autochthon Koressos und der Sohn des Kaystros, Ephesos, seien die Stifter, Paus. VII 2, 7 (selbstverständlich galt in diesem Zusammenhang Kaystros nicht für einen Sohn der Amazone Penthesileia, wie Etym. M. s. Κάΰστρος und Cramer Anecd. Oxon. I 235). Die Amazonen, so erzählte man dann weiter, hätten auf der Flucht vor Dionysos, vor Herakles oder Theseus einst Ephesos erreicht, den Altar oder den Tempel schon vorgefunden und sich dort als Schutzflehende niedergelassen; das spätere Asylrecht des Tempels habe sich schon damals bewährt, indem Dionysos bezw. Herakles oder Theseus ihnen nunmehr Frieden gewährt hätten; vgl. Tac. ann. III 61. Paus. VII 2, 7f. Herakleid. Pont. frg. 34. Etym. M. s. Ἔφεσος. Schol. Dionys. perieg. 827. Eustath. Dionys. perieg. 828. Auf Samos behauptete man, die Amazonen hätten sich von Ephesos vor Dionysos weiter nach Samos geflüchtet, Plut. quaest. Graec. 56. Die späte Version, daß die Amazonen den Tempel der Artemis E. in Brand gesetzt hätten (Euseb. Chron. II 54 Sch. Syncell. p. 334), beruht auf einem Mißverständnis von Clem. Alex. Protr. IV 53; vgl. Kukula Österr. Jahresh. VIII Beibl. 23ff. Den Ruhm der Amazonen in Ephesos beweisen nicht nur die skizzierten älteren Sagen, sondern auch die Münzen und die ephesischen Amazonenstatuen; vgl. o. Bd. I S. 1785. Man hat häufig aus diesen Amazonensagen Schlüsse auf das Wesen der Artemis E. gezogen; man hat die Amazonen als das kriegerische Gefolge einer großen asiatischen Göttermutter aufgefaßt und hat behauptet, die ältesten Priesterinnen der Artemis E. seien im Waffenhandwerk geübte Jungfrauen gewesen. Diese Anschauungen stehen, was das Wesen der Amazonen betrifft, ,den antiken Zeugnissen und Anschauungen diametral gegenüber‘ (Toepffer o. Bd. I S. 1766), und sie sind, was das Wesen des ältesten Priestertums und Kultes von Ephesos betrifft, zum mindesten unbeweisbar. Auch in Ephesos sah man in den Amazonen nur das rätselhafte, fremde, von Nordosten gekommene Weibervolk und folgte nur der in Kleinasien so häufig beobachteten Neigung, die sonst unerklärten Ortsnamen (Ephesos, Smyrna, Sisyrbe usw.) durch Amazonennamen scheinbar zu erklären und sie damit mythisch-historisch zu beglaubigen.
5. Die Heraklessage ist, soweit sie das Verhältnis von Herakles zu den Amazonen betrifft, schon erwähnt. Aber auch darüber hinaus behaupteten die Epheser, daß Herakles nach der Eroberung von Lydien die Rechte des Artemisions erweitert habe, Tac. ann. III 61. Unter den Funden von Ephesos finden sich eine größere Zahl von Heraklesdarstellungen, und es sind auch mehrere spezielle Herakleskulte von dort bekannt, wie der Herakles Ephesios (Ps.-Herakl. epist. 4) und der Herakles Apotropaios (Philostr. vit. Apollon. IV 10 p 68. VTII 7 p. 159). Aber auch bei den ephesischen Heraklessagen tritt die Abhängigkeit von Sagen des griechischen Festlandes mehrfach hervor, z. B. bei der Sage von den Kerkopen von Ephesos; vgl. Gruppe Griech. Myth. 284f.
6. Das gleiche Verhältnis gilt für den Namen [2758] Opis. Timotheos Hymn. auf Artemis E. nach Alex. Aetol. bei Macrob. Sat. V 22, 4f. (Meineke Anal. Alex. 225f.). Kallim. Hymn. III 240. Serv. Aen. XI 532 bezeugen, daß der Name Opis bezw. Upis für Artemis auch in Ephesos gebräuchlich war. Aber das entspricht nur der gleichartigen Bezeichnung der Göttin an verschiedenen Orten Griechenlands, auf Delos, Kreta usw. Ephesischen Ursprungs ist dieser Name nicht und für den Charakter der Artemis E. lehrt die Verwendung dieses Namens nichts. Näheres im Artikel Opis.
7. Die Frage, wo Artemis gewesen sei, als der Tempel abbrannte (vgl. Arnob. VI 23), beantwortete man dahin, Artemis sei in jener Nacht von Ephesos abwesend gewesen, um bei der Geburt Alexanders d. Gr. Beistand zu leisten, Hegesias bei Plut. Alex. 3. Timaios bei Cic. n. d. II 69. Darin spricht sich die allgemeine Auffassung der Artemis als Eileithyia aus. Für die ältere Zeit beweist diese Erzählung nichts.
II. Kultwesen. Das Kultpersonal war entsprechend der Größe des Heiligtums selbstverständlich zahlreich. Ein klares Bild von seiner Gliederung, die auch zu verschiedenen Zeiten verschieden gewesen sein mag, läßt sich leider nicht einmal für die Hauptämter gewinnen.
Priesterinnen: nach Plut. an seni respubl. gerenda sit 24 p. 795 E war jede Priesterin zuerst Novize (μελλιέρη), dann ausübende Priesterin (ἱέρη), endlich als gewesene Priesterin (παριέρη]) Lehrerin der Novizen. Aus Inschriften ist nur die ἱέρη oder ἱέρεια bekannt. Die Priesterin mußte Jungfrau sein (Strab. XIV 641); da aber die Würde keine lebenslängliche war, konnte sie auch κοσμήτειρα werden, sich verheiraten und ihren Stolz darin sehen, daß auch ihre Töchter wieder Priesterinnen wurden; vgl. CIG 2986. 3001–3003. Hicks 579 und für die scheinbar selbständige Stellung der späteren Zeit Hicks 481 Z. 162 und CIG 2982. Neben der Priesterinnenwürde war besonders angesehen das Ehrenamt der κοσμήτειρα τῆς Ἀρτέμιδος, welche offenbar den reichen Schmuck der Göttin zu hüten hatten; CIG 2823. 3002. 3003. Hicks 655. Dieser Schmuck, zu dessen Vermehrung u. a. auch gewisse Strafgelder bestimmt waren (Hicks 481 Z. 220. 369), war kostbar und abnehmbar (Dio Chrysost. XXXI 595 R.) und wurde bei Prozessionen von den κοσμοφόροι bezw. den τὸν ἱερὸν κόσμον βαστάζοντες herumgetragen; CIG 2963 c. Österr. Jahresh. VII 212; Beibl. 44. Über sonstiges weibliches Kultpersonal sind wir nicht näher unterrichtet.
Männliches Kultpersonal brauchte das Artemision sowohl für niedere Dienste wie auch für die leitenden Staats- und Bankgeschäfte. In letzterer Beziehung tritt besonders der Megabyzos hervor. Diese Oberpriesterwürde war zweifellos in den Zeiten der Perserherrschaft geschaffen, genoß einst großes Ansehen und bestand noch zur Zeit des Antonius; vgl. Xen. anab. V 3, 6. 7. Diog. Laert. II 51. 52. Plut. Alex. 42. Appian. bell. civ. V 9. Plaut. Bacchid. 308. Plin. n. h. XXXV 93. 132 u. a. In der Zeit, da das Ansehen schon gesunken war, mußte der Megabyzos (jetzt vielleicht sogar eine Mehrzahl von Megabyzoi) mit Rücksicht auf die Priesterinnen Eunuch sein und wurde deshalb von auswärts herangezogen; vgl. [2759] Ps.-Heraklit. epist. 9 und Strab. XIV 641, der übrigens andeutet, daß die Rolle der Megabyzoi allmählich in Vergessenheit geriet; das Wort Megabyzos sank zur einfachen Bezeichnung eines Eunuchen herab (z. B. Quintil. inst. orat. V 12, 22). Näheres in den Artikeln Megabyzos und Myxos.
Das Kollegium der Essenes hatte teils bürgerliche Aufgaben, wie das ἐπικληρῶσαι εἰς φυλὴν καὶ χιλαστύν (Hicks 447. 451. 455. 457. 467) und die Annahme von Geld (Österr. Jahresh. II Beibl. 48), teils religiöse Pflichten, z. B. der Artemis zu opfern (Hicks 448). Während ihrer einjährigen Amtsdauer mußten sie sich des geschlechtlichen Verkehrs enthalten, streng abgeschieden leben und gemeinsam in dem Hestiaterion (vgl. Philostr. vit. soph. 23) speisen, weshalb sie auch ἱστιάτορες hießen, Paus. VIII 13, 1. Daß jenes ἁγιστεύειν keine leere Formel war, lehrt die Betonung der frommen Beobachtung der Gebräuche in der Wendung: ἐσσηνεύσας ἁγνῶς καὶ εὐσεβῶς, Hicks 578. Die Bedeutung des Wortes ἐσσήν ist strittig. Da die Biene (μέλισσα) das Wahrzeichen von Ephesos ist, mehrfach sonst Priesterinnen μέλισσαι heißen (s. oben Bd. III S. 448) und ἐσσήν als Bienenkönig erklärt wird (z. B. Suid. Etym. M.), so ist häufig die Vermutung ausgesprochen worden, in Ephesos hätten die Priesterinnen Melissai und ihr Oberhaupt Essen geheißen; doch ist bisher kein sicherer Beweis dafür erbracht, vgl. oben Bd. III S. 449. Andererseits führt die Bedeutung von ἐσσήν = König (z. B. Kallim. hymn. I 66) und die Angabe ἐσσήν· ὁ βασιλσὺς κατ’ Ἐφεσίους (Etym. M. 383, 30) zu der Vermutung, daß in Ephesos die Würde des Essen einst vielleicht identisch war mit der Würde des Basileus, die im Geschlecht der Androkleidai erblich blieb; vgl. Strab. XIV 633. Diog. Laert. IX 6. Achill. Tat. VII 12. Hicks 528, auch oben Bd. I S. 2146.
Das Kollegium der Kureten mit seinem Protokures an der Spitze (Hicks 449. 596 b. Österr. Jahresh. II Beibl. 44) führte seinen Namen, wie dies gelegentlich vorkommt, von dem Namen der Gottheiten, denen es diente, den kretischen Kureten (s. oben Mythen nr. 2). Die Inschriften beweisen aber, daß das Kollegium wenigstens in späterer Zeit auch Beziehungen zum Artemision hatte.
Über das sonstige männliche Kultpersonal des Artemisions, das sich vollständig erst nach einer zusammenfassenden Publikation aller ephesischen Inschriften wird übersehen lassen, handelt am eingehendsten Hicks a. a. O. S. 80ff. Dort findet sich das Nähere über die 20 Akrobatai, die bei den Opfern für Artemis beschäftigt waren (Hicks nr. 481 Z. 330. 375ff. nr. 589 b. Hesych ἀκρ[ιτ]οβάται), über die 12 Neopoiai mit ihrer Obsorge für Reparaturen des Tempels, Aufstellen von Dekreten, die richtige Rücklieferung der Prozessionsbilder u. a. Neben den einfach als ἱερεύς bezeichneten Priestern (Hicks 571. 573 vgl. 556; auch Achill. Tat. VII 12 spricht einfach von dem ἱερεὺς τῆς Ἀρτέμιδος) finden sich οἱ χρυσοφοροῦντεσ τῇ θεῷ Ἀρτέμιδι ἱερεῖς καὶ ἱερονεῖκαι (Hicks 481 Z. 308. 327), die in anderen Inschriften auch kurz als die χρυσοφόροι (Hicks 571. 604. 618 b) oder als συνέδριον χρυσοφόρων (Österr. Jahresh. II [2760] Beibl. 44) bezeichnet werden; sie trugen bei Prozessionen die heiligen Bilder (Hicks 481 Z. 290. 308). Ebenso wurden bei solchen Gelegenheitert der ἱερὸς κόσμος von den schon erwähnten κοσμοφόροι, die δεῖπνα von den δειπνοφόροι (Hicks 577), dann die im Kult der Artemis Daitis (Etym. M.) verwendeten Dinge, Salz und Eppich, von den ἁλοφόροι und σελεινοφόροι, und das heilige Gewand (σπεῖρον) von den σπειροφόροι getragen,, (vgl. Heberdey Österr. Jahresh. VII 212 und Beibl. 44. Weitere Funktionen werden erfüllt von den bei Hicks a. a. O. besprochenen σπονδοποιοί, σπονδαῦλαι, ἐπιθυμίατροι, ἱεροκήρυκες, ἱεροσαλπίγκται, σκηπτοῦχοι mit ihrem ἀρχισκηπτοῦχος, φύλακοι mit dem παραφύλαξ θεολόγοι, ὐμνῳδοί, dann den xκαθάρσιοι (Reiniger der Kultbilder, Hicks 481 Z. 176. 196), dem οἰκόμος, der auch beim Opfer mitwirkte (Hicks 448) und den παιδονόμοι (Hicks 481 Z. 170. 174).
Abgesehen von dem eigentlichen Kultpersonal gab es, wie bei vielen Tempeln und Asylen, Hörige, Sklaven und Sklavinnen der Göttin. Über deren Stellung vgl. Schoemann Griech. Altertümer⁴ II 224f. Hicks a. a. O. S. 86. In Ephesos gehörte zu den ἱεροὶ παῖδες τῆς θεοῦ u. a. der Baumeister Demetrios ipsius Dianae servus, Vitruv. VII praef. 16, vgl. Haussoullier Rev. de Philol. XXI 1897, 112; oben Bd. IV S. 2850 Nr. 121. Über die Art, wie speziell Sklavinnen in dieses Verhältnis zur Artemis E. übergingen, erzählt Achill. Tat. VII 13: suchte eine Sklavin im Tempel vor ihrem Herrn Schutz, so richteten οἱ ἄρχοντες; der schuldlos befundene Herr erhielt seine Sklavin zurück, nachdem er geschworen hatte, die Sklavin wegen ihrer Flucht nicht zu strafen; ward aber der Herr als schuldig erkannt, so ging die Sklavin in den Besitz der Göttin über. Daß aus solchem Asylrecht mancherlei Konflikte entstehen konnten, zeigen Plut. Alex. 42 und Cic. in Verr. II 1, 85.
Innerhalb des Kultes ward die Forderung der Jungfräulichkeit streng betont. Das lehren schon die Vorschriften über die Priesterinnen, Essenes und Megabyzoi. Jungfrauen verehren die Göttin ganz besonders, vgl. z. B. Aristoph. Nub. 600. Autokrates bei Aelian. n. an. XII 9. Verheiratete Frauen durften bei Todesstrafe den Tempel nicht betreten und Hetären durften nur hinein, wenn sie zuvor ihr Verhältnis gelöst hatten, Artemid. IV 4. Ganz besonders lehrreich ist die Schilderung bei Achill. Tat. VII 13–VIII 14. Darnach war in alten Zeiten freien Frauen das Betreten des Tempels verboten (anders ist es bei dem von Xen. Ephes. I 3 geschilderten Feste); nur Männer, Jungfrauen und vor ihrem Herrn Schutz suchende Sklavinnen durften hinein. Für die Probe der Jungfräulichkeit gab es zwei Mittel: in einer Höhle hinter dem Artemision hatte Pan seine Syrinx geweiht und dann die Höhle der Artemis unter der Bedingung übergeben, daß Frauen sie nicht betreten sollten; hier schloß man die zu Prüfende ein; war sie noch Jungfrau, so ertönte die Syrinx und die Tore öffneten sich von selbst, andernfalls blieb die Syrinx stumm, man hörte nur Seufzer, und wurde dann nach drei Tagen die Höhle geöffnet, so war die schuldige Frau spurlos verschwunden (VIII 6. 13f.). Das zweite Mittel war, daß die zu Prüfende einen Eid auf ihre Jungfernschaft ablegen mußte, eine [2761] Tafel mit dem Wortlaut des Eides umgehängt erhielt und in das Styxwasser des Heiligtums hinabstieg; war der Eid richtig, so blieb das Wasser ruhig: sonst wogte es auf (VTII 12. 14).
Eine Orakelstätte war das Artemision nicht. Die Göttin konnte zwar selbstverständlich jemanden im Traume erscheinen und ihm Rat geben (vgl. z. B. Strab. I 179. Plin. n. h. XXXVI 97), aber wenn der Epheser ein eigentliches Orakel befragen wollte, so wandte er sich nach auswärts, z. B. nach Kolophon (Xen. Ephes. I 6); daß die Essener μάντεις waren, ist nur ein falscher Schluß aus der nicht hierher gehörigen Stelle bei Hesych ἐσσήτιοι· μάντεις. Dagegen ist es von vornherein wahrscheinlich, daß die niederen Wahrsager, Zauberer u. dgl., die es in Ephesos ebenso gab wie überall, sich gern auf die Artemis E. beriefen. Das gilt wohl für die sogenannten ,persischen‘ μάγοι in Ephesos (vgl. Plut. Alex. 3. Cic. de divin. I 47), für die μάντεις und ἱερεῖς mit ihren' Beschwörungsformeln in ,barbarischer‘ Sprache (Xen. Ephes. I 5), dann sicher für die Verehrer der Hekate (vgl. das Hekatesion des Thrason, Strab. XIV 641; die Hekatestatue des Menestratos, Plin. XXXVI 32) und vor allem auch für diejenigen, welche mit den Ἐφέσια γράμματα (s. d.) und den zugehörigen Amuletten usw. Geschäfte machten. Paus. lex. rhet. bei Eustath. Hom. Od. 1864, 20 sagt, daß diese Zauberworte ἐπὶ ποδῶν καὶ ζώτης καὶ στεφάνης ἐπιγεγράφθαι τῆς Ἀρτέμιδος, und zweifellos gab es wohl Artemisbildchen mit solchen Inschriften. Aber das Hauptkultbild, für welches die Worte στεφάνη und ζώνη kaum passen, trug schwerlich diese Inschrift; dem alten Wesen der Artemis E. steht dieser Annex von später Zauberei wohl fern.
Was die Opfer-, Fest- und sonstige Kultregeln betrifft, so hängt einiges mit dem Asylrecht zusammen, wie z. B. das Verbot des Waffentragens und der Schmuck der Schutzflehenden: Kränze, Zweige, Wollbinden; vgl. Etym. M. s. Ἔφεσος. Cramer Anecd. Oxon. II 435. Nach denselben Autoren wurden der Göttin keine Opfertiere bezw. keine Schafe (πρόβατα) dargebracht. Unblutige Speise- und Trankopfer, Weihrauch und Spenden anderer Art waren scheinbar das Wesentliche. Dafür sprechen die Bezeichnungen des Kultpersonals (ἐπιθυμίατροι, σπονδοποιοί, δειπνοφόροι usw.), das Fehlen der Opfertiere in der Prozession bei Xen. Ephes. I 2, die δειπνοφοριακὴ πομπή) Hicks 577, endlich die von Heberdey a. a. O. VII 21Off. erläuterten Gebräuche des Festes der Artemis Daitis. Die Kränze der Göttin (τῆς θεοῦ τὰ στέμματα) hießen bei den Ephesern κληῖδες (Hesych.).
Mystische, von dem Kollegium der Kureten veranstaltete Opfer (μυστικαὶ θυσίαι) erwähnt Strab. XIV 640 im Zusammenhang mit den Solmissoslegenden. Vielleicht beziehen sich darauf die aus Privatmitteln bestrittenen μυστήρια der Inschriften Hicks 483. 596 a. 597. CIG 3002, die wohl zu trennen sind von jenen Mysterien, welche im Dienste der Demeter Eleusinia, Karpophoros, Thesmophoros und des Dionysos Phleos von der Kultgenossenschaft τῶν πρὸ πόλεως Δημητριαστῶν καὶ Διονύσου Φλέω μυστῶν veranstaltet wurden (vgl. Strab. XIV 633. Bull. hell. I 289. Hicks 506. 595). Jedenfalls waren mit [2762] jenen mystischen Opfern Gelage und Schmausereien (συμπόσια, εὐωχίαι) verbunden, Strab. XIV 640. Hicks 483.
Von Tänzen der Mädchen zu Ehren der Artemis E. sprechen Aristoph. Nub. 599 und Autokrat, bei Aelian. hist. an. XII 9. Man hat hierauf auch die bei Poll. IV 103 erwähnte ,ionische Tanzweise‘ bezogen, welche auf Sizilien im Artemiskult gepflegt wurde. Auf Waffentänze weist die Schilderung der Amazonentänze bei Kallim. hymn. III 240ff., ferner Philostr. Apoll. Tyan. IV 2. Ebenso bezeugen die Inschriften die Pflege des Tanzes, vgl. μολπεύσαντες und μολποί, Österr. Jahresh. V Beibl. 65. VII 212; Beibl. 44.
Über die großen Feste der Göttin vgl. die Artikel Artemisia, Ephesia Nr. 3 und Ephesos. Für die Feier des Monats Artemision, das Geburtsfest der Göttin, die Prozessionen usw. sind besonders lehrreich die Inschriften bei Hicks 481. 482. Daneben finden sich manche Schilderungen einzelner festlicher Veranstaltungen, z. B. das Weihen der Kränze durch Agesilaos, Xen. hell. III 4, 18, Opfer und Pompe Alexanders d. Gr., Arrian. anab. I 18, 2, die Pompe des Megabyzos, Plin. XXXVI 93, eine Theorie aus Byzanz, Achill. Tat. VII 12. Am anschaulichsten ist die Darstellung bei Xen. Ephes. I 2f.: da zieht von der Stadt zum Tempel die Prozession der Epheser, bestehend aus Jungfrauen und Epheben; zum Schauen herbeigeströmt sind Einheimische und Fremde, manche mit der Hoffnung, für ihre Kinder bei dieser Gelegenheit den künftigen Gatten zu finden; in der Prozession werden die Heiligtümer, Fackeln, Körbe mit Spenden, Weihrauchgeräte u. dgl. getragen; auch Pferde, Hunde, Jagdgerät, zum Teil auch Waffen, doch meist nur friedliches Gerät werden mitgeführt; die Mädchen tragen zum Teil das Kostüm der Jägerin Artemis; nach dem Festzug strömt alles, Männer und Frauen, Mädchen und Epheben zum Opfer in den Tempel.
III. Darstellungen der Göttin. Artemisbilder gab es in Ephesos selbstverständlich in großer Zahl und Verschiedenheit. Auf den Münzen der Stadt finden sich frühzeitig Hirsch, Köcher und Bogen, dann der Kopf der Artemis, gelegentlich eine ausschreitende Artemis Jägerin mit Hunden zur Seite, den Bogen in der vorgestreckten Linken; seit dem Ende des 2. Jhdts. v. Chr. wird das altertümliche Kultbild häufig. Unter den inschriftlich bezeugten Weihgeschenken werden silberne und vergoldete Statuen der Jägerin Artemis mit ihren Hunden und der fackeltragenden Artemis genannt (Hicks 481. Österr. Jahresh. II Beibl. 43). Literarisch bezeugt wird u. a. ein altes Artemisbild der Timarete (Plin. XXXV 147). Was an Darstellungen auf dem Boden von Ephesos gefunden ist, wird sich erst nach dem Erscheinen von Benndorfs Ephesos übersehen lassen.
Von den eigentlichen Kultbildern des Artemisions war das berühmteste ein altes Xoanon, dessen Nachbildung schon die Phokaier nach Massilia mitgenommen hatten (Strab. IV 179); es galt für eine Stiftung der Amazonen (s. o.) oder für ein Werk des alten Endoios (Plin. XVI 21Sf. Athenagor. legat. pro Christian. 17 Schw.) oder, wie so manche andere Kultbilder, für direkt vom Himmel gefallen (διοπετές Apostelgesch. XIX 35. Suid.); trotz der siebenmaligen Erneuerung des [2763] Tempels sollte dies Kultbild stets unverändert geblieben sein, da man das Holz durch Einölen vor dem Zerfall schützte (Plin. a. a. O.). Nach Vitruv. II 9, 13 war es aus Zedernholz, nach Plin. a. a. O. aus Ebenholz bezw., wie Mucianus berichtigend bemerkte, aus Rebenholz; bei Kallim. hymn. III 239 und Dionys. perieg. 829 spielen, wenn auch in etwas anderem Zusammenhang, (φηγὸς und πτελέη eine Rolle. In Wirklichkeit sah man von dem durch das Einölen schwarz gewordenen Holz wohl nur Gesicht, Hände und Füße. Alles übrige war verdeckt durch jenen kostbaren goldenen Schmuck, für den die Kosmeteirai sorgten und der bei Prozessionen abgenommen und von den χρυσοφόροι bezw. κοσμοφόροι, getragen wurde (s. o.). Den Gesamteindruck suchen nachzuahmen sowohl das Xoanon der Artemis E. in Korinth, das außer dem Gesicht ganz vergoldet war (Paus. II 2, 6), wie auch eine Reihe der erhaltenen Marmornachbildungen, bei denen Gesicht, Hände und Füße aus schwarzem Stein gebildet sind. Es könnte sogar das ,goldene‘ Kultbild von Ephesos, dessen Nachbildung aus Zypressenholz Xenophon (anab. V 3, 12) in Skillus stiftete, identisch sein mit dem alten Xoanon, wenngleich in dem Artemision von Ephesos, dem πάγχρυσος οἶκος (Aristoph. Nub. 599), selbstverständlich auch andere goldene bezw. vergoldete Statuen der Göttin standen. Die erhaltenen Marmordarstellungen der E. weisen technisch mit ihren weit vorspringenden, von vorn gesehenen Tieren direkt auf ein Vorbild aus Metall. Daß wegen des Schmuckes gerade Artemis E. πολυθύσανος (Hesych.) genannt sei und zwar im Hymnos des Timotheos, vermutet Meineke Anal. Alexandr. 227.
Allen erhaltenen Darstellungen sind gemeinsam der zylindrisch nach unten zu sich verjüngende Unterkörper, die eng geschlossenen Beine, die am Körper anliegenden Oberarme und die seitlich ausgestreckten Unterarme: alles dies ein Typus, der für manche alte Kultbilder wiederkehrt (vgl. z. B. Müller-Wieseler Denkm. I Taf. 2). Verschieden aber ist der Schmuck des Gewandes und vor allem die Gestaltung der Brüste.
Wenn das Kultbild von Massilia eine Nachbildung des ephesischen war und das Kultbild der Diana auf dem Aventin dem von Massilia glich (Strab. IV 179. 180), so hatte das alte Holzbild von Ephesos nur zwei Brüste; denn die Diana des Aventin war nicht vielbrüstig. Ebenso hat auf der puteolanischen Basis das Kultbild, das hier als Wahrzeichen von Ephesos neben der Stadtgöttin steht und ausdrücklich auf das berühmte Artemision hinweisen soll, nur zwei Brüste und einfache Gewandung; vgl. Jahn Ber. d. sächs. Ges. d. W. 1851, 146 Taf. III 9. Dementsprechend kann auch die Göttin eines Terrakottareliefs von Syrakus (Stephani Bull. de l’academ. de St. Petersbourg, classe histor.-phil. VI 1849, 282 mit Tafel) und eines Amuletts der Sammlung Nani in Venedig (Mus. Naniano di Venezia. 1815 nr. 401) als Artemis E. erklärt werden. Ferner findet sich die Artemis E. mit zwei Brüsten häufig auf Gemmen, vgl. z. B. Furtwängler Beschreibung- der geschnittenen Steine im Berliner Antiquarium nr. 2817. 2818. 2821. 3593–3595 u. ö. Müller-Wieseler Denkm. I 2, 13 [2764] (= Berlin, nr. 7215). Walther Fol Musée Fol choix d’ intailles et de camées I Taf. 10 nr. 11 (mit zottigem Fell um die Brust).
Viele Brüste hat dagegen das Kultbild, welches seit dem Ausgang des 2. Jhdts. v. Chr. auf den Münzen von Ephesos erscheint, und zwar bald alleinstehend, bald innerhalb des Tempels, oft auch mit der Beischrift E.; Head Coins of Ephesos Taf. V 2–6 = Numism. Chronicle 1880, 150. 10153 Taf. IX 2–6, vgl. 1881, 22. Head HN 497f. Imhoof-Blumer Griech. Münz. 638 Taf. VIII 20; Kleinasiat. Münz. 55ff. Taf. II 21. Catal. Brit. Mus. Ionia 71ff. Taf. XIII 1. 2. 7. 8. 12. XIV 2. 6. Gelegentlich findet sich auch Zeus Olympios mit diesem Kultbilde auf der Hand, Catal. a. a. O. 75 nr. 214. Auf Homonoiamünzen von Ephesos mit andern Städten vertritt dieses Kultbild geradezu die Stadt Ephesos; vgl. solche Homonoiamünzen mit Adramytteion (Catal. Brit. Mus. Mysia 7), Kyzikos (Catal. Mysia 60 Taf. XV 4), Pergamon (Catal. Ionia 110 Taf. XXXVIII 1; Mysia 164f. Taf. XXXIII 3–5. Imhoof-Blumer Griech. Münz. 619 Taf. VII 12), Magnesia am Maiander (Catal. Ionia 174 nr. 106), Milet (Catal. Ionia 202 Taf. XXXIX 1), Smyrna (Catal. Ionia 110 Taf. XXXVIII 2), Alexandreia (Catal. Ionia 112 Taf. XXXVIII 4. 7. 114 nr. 424. Drexler Wiener Numism. Ztschr. XXI 1889, 83ff. Taf. I 10. 17. 18), Sardes (Catal. Ionia 112 Taf. XXXVIII 3; Lydia 276), Aphrodisias (Catal. Caria 53 Taf. XLIV 1), Apamea, Kotyaion, Hierapolis, Laodikeia (Catal. Ionia 115). Charakteristisch sind für dieses Kultbild die (später zum Teil als Stützen umgedeuteten) von der Hand herabhängenden Tänien (Schreiber Archäol. Ztg. XLI 284). Auf einer Cistophorenmünze von Ephesos vertritt sogar die Hand mit der herabhängenden Tänie allein das ganze Kultbild; vgl. Imhoof-Blumer Griech. Münz 638 Taf. VIII 21. Charakteristisch ist ferner, daß trotz der Kleinheit der Darstellung und der Abnützung der Münzen (die oftmals auch an der Vielbrüstigkeit zweifeln läßt) sich häufig die aus den statuarischen Nachbildungen bekannte streifen- und felderförmige Gliederung des Gewandes und der Halsschmuck erkennen läßt; neben dem Kultbild finden sich oft Hirsche, andere Tiere, Sterne, Fluß- und Berggötter, Kinder usw., vgl. darüber den Art. Kaystros bei Roscher Myth. Lex. II 1008.
Lebendiger wird die Anschauung von diesem Kultbild durch die zahlreichen Nachbildungen in Statuen, Statuetten u. a. Bei diesen treten als Schmuck der eigenartigen, unterhalb der zahlreichen Brüste beginnenden Gewandung, sowie als Schmuck der Scheibe hinter dem Haupte und der Halsschilder allerhand Tiere hervor, wie Bienen, Löwen, Hirsche, Sphinxe, Greifen, ferner Nikegestalten, Sirenen, der Krebs u. a.; charakteristisch sind auch Löwen auf den Armen und ein hoher Aufsatz auf dem Haupte. Derartige Statuen und Statuetten finden sich in vielen Sammlungen, z. B. im Vatikan: Helbig Führer durch die Samml. Roms I² nr. 354. Visconti Mus. Pio-Clem. I 63 Taf. XXXII, vgl. II 55. Gerhard Ant. Bildw. Taf. 305, 1. Clarac Mus. d. sculpt. IV 561, 1198. Müller-Wieseler Denkm. I 2, 12. Baumeister Denkm. I 131 Fig. 138. Daremberg-Saglio Dictionn. II 150 [2765] Fig. 2387; in Neapel: Mus. Borb. VII 58. Clarac 564 C, 1198 A. Falkener Ephesus 286. Collignon Mytholog. figur. d. l. Grèce Fig. 41. Roscher Myth. Lex. I 588; im Lateran: Benndorf-Schöne Ant. Bildw. des Lateran. Mus. nr. 386. Menetreius Symbolica Dianae Ephes. statua in Gronov. Thesaur. graec. antiqu. VII 359ff.; in Villa Albani, drei Exemplare: nr. 658. 700. 830. Clarac 562 B, 1198 B. C. Zoega Bassiril. ant. di Roma II Taf. 107; in Dresden: Hettner Bildw. d. kgl. Antikensamml. zu Dresdens nr. 187 nebst Tafel. Clarac 561, 1195; in Athen, Nationalmuseum: v. Sybel Katal. d. Skulpt. zu Athen nr. 294; in Athen, Akropolismuseum: v. Sybel a. a. O. nr. 6097; in Frascati, Villa Rufinella, früher in Rom, Sammlung Giustiniani: Clarac 563, 1199; im Museo Capitolino, sala delle colombe nr. 49: Reinach Répertoire II 321, 4; im Museo Torlonia nr. 483: Reinach Rèpert. II 321, 6; in London, Soane Mus. 3: Michaelis Ancient marbles in Great Brit. 474; im Britisch-Museum 1430, aus Kyrene: Reinach Répert. III 68, 3; in Kopenhagen: Reinach a. a. O. III 68, 4; im Louvre, drei Exemplare: Catal. sommaire des marbres antiq. du Louvre nr. 2440–2442. Fröhner Sculpt. du Louvre nr. 92. Montfaucon Ant. expl. I 93, 1–3. Reinach a. a. O. II 322, 2; in Rom, Palazzo Sciarra: Matz-Duhn Ant. Bildw. in Rom nr. 665. Montfaucon a. a. O. I 93, 5. Reinach a. a. O. II 321. 3; in Wilton house nr. 95: Michaelis Anc. marbles 690. Montfaucon a. a. O. I 93, 4. Reinach a. a. O. II 321, 7; in Rom, Villa Wolkonsky: Matz-Duhn a. a. O. nr. 666; in Marseille: Fröhner Mus. Marseille, catal. des antiqu. p. 97 nr. 241, wo eine Abbildung bei Gilles Marseille depuis trois mille ans pl. IV zitiert wird; in Smyrna: Athen. Mitt. XII 1897, 374.
Zu den hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit aufgezählten Statuen und Statuetten kommen noch manche weitere Darstellungen der vielbrüstigen Artemis hinzu, z. B. auf Reliefs von Mossyna in Phrygien: Journ. Hell. Stud. IV 378, und Maioma in Lydien: Leemans Verhandelingen d. k. Akad. van Wetenschappen, afdeel. letterkunde, Amsterdam XVII 1888, 3 (Artemis Anaitisi; auf einem Marmorgefäß aus Laodikeia am Lykos: Athen. Mitt. 1891, 137; auf einem Mosaik aus Poggio im Mus. Chiaramonti: Visconti Opere varie II 109ff. Taf. 5; und vor allem auf Gemmen: Furtwängler Beschreibung der geschn. Steine im Antiquar, zu Berlin nr. 2616. 2819. 6741 u. ö.; Antike Gemmen Taf. XLIV 6 (= Berlin 6741); weiteres bei Stephani Compte rend. 1868, 22ff. Aus Ephesos selbst stammt das vielbrüstige Terrakottabild im British Museum: Walters Catal. of terracottas in Brit. Mus. p. 231 nr. C 452.
Die Frage, ob die zweibrüstige oder die vielbrüstige Darstellung der E. die ältere ist, wird sich erst entscheiden lassen, wenn in Ephesos ältere Artemisidole in größerer Zahl gefunden sind. In der älteren griechischen Literatur begegnet kein besonderer Hinweis auf die Vielheit der Brüste. Artemidor Oneirocr. II 35 empfiehlt das altertümliche Schema der E., Pergaia und Eleuthera speziell den Frommen und denkt dabei wohl an das Steinidol von Perge und die sich [2766] gleichende Bildung der Eleuthera und E. Ausdrücklich erwähnt aber wird die Bildung als πολυμαστός und multimammia erst durch Hieronymos Comment. in Pauli epist. ad Ephes. praefat., Migne Patrol. lat. 26, 441, und durch Minucius Felix Octav. 21. Jedenfalls war die Vielheit der Brüste in der Auffassung der Alten kein so absolut notwendiges Charakteristikum einer bestimmten Göttin, wie es uns leicht erscheint. Denn gerade wie bei der Artemis E. wechselt die zweibrüstige und die vielbrüstige Darstellung auch in andern Fällen. In Maionia in Lydien wurde Artemis Anaitis μήτηρ, μεγάλη, Ἀζιοττηνή verehrt; ihr Kultbild auf Münzen (Catal. Brit. Mus. Lydia 128ff. Imhoof-Blumer Lyd. Stadtmünz. 93) gleicht dem der Artemis E.; auf den von Leemans Verhandelingen d. Akad. Amsterdam XVII 1888, 3ff. veröffentlichten Reliefs hat die Göttin einmal viele Brüste und die felderförmig gegliederte Gewandung, sonst dagegen zwei Brüste und einfaches Gewand. Isis, die sonst regelmäßig nur zwei Brüste hat, wurde nach Macrob. Sat. I 20, 18 auch mit vielen Brüsten dargestellt. Eine geflügelte Göttin mit vielen Brüsten und der charakteristischen, in Felder geteilten Gewandung findet sich auf einer Gemme bei Furtwängler Antike Gemmen Taf, XLIV 7. Vielleicht stehen dieser Gestalt andere Flügelfiguren von Ephesos in griechischer Gewandung nicht allzu fern, wie die Flügelgestalt auf Münzen (Catal. Brit. Mus. Ionia 101 nr. 357 Taf. XIV 13) oder jene Artemis-Selene auf dem Relief von Ephesos, Österr. Jahresh. VII 54. Ferner kommt eine Göttin im Schema des ephesischen Kultbildes, aber mit Ähren in den Händen, bald vielbrüstig vor auf Seleucidenmünzen (Catal. Brit. Mus. Seleucid-kings 101 Taf. XXVI 10), bald zweibrüstig, mit Tieren zur Seite, auf Gemmen (King Handbook of engraved gems² Taf. 51, 1. Furtwängler Antike Gemmen Taf. XLIV 2. LXIV 80). Furtwängler hat gerade bei der Publikation der letztgenannten Gemmen (a. a. O. Bd. II S. 211) die Vermutung ausgesprochen, daß die zweibrüstige Bildung für Artemis E. die ältere sei (ähnlich urteilen Maass Orpheus 171. Gruppe Griech. Myth. I 284) und daß die vielen Brüste nur eine späte Umdeutung des Schmuckes des Idoles seien; wie leicht eine solche Weiterbildung möglich war, zeigen z. B. die Terrakottaidole aus Sizilien (Walters Catal. terracott. Brit. Mus. nr. B 396ff. Taf. XL Kekule Terrakotten von Sizilien Taf. II 12 fig. 14. 15; S. 17ff. fig. 21-25). Vielleicht aber darf als Ausgangspunkt der vielbrüstigen Bildung jenes eigenartige, in Lydien mehrfach wiederkehrende, als Demeter oder Kora erklärte Idol angesehen werden, das Münzen von Sardes (Catal. Brit. Mus. Lydia 249 Taf. XXVI 2. 259 Taf. XXVII 2. Pinder Cistophoren, Abh. Berlin. Akad. 1855 Taf. VIII 3. 4), Silandros (Catal. a. a. O. 282 Taf. XXVIII 5. Imhoof-Blumer Lyd. Stadtmünzen Taf. VI 1), Daldis (Catal. a. a. O. 72 Taf. VIII 6), Gordus Iulia (Catal. a. a. O. 93 Taf. X 3) und andern Orten zeigen. Die Darstellung der letztgenannten Gemmen, die gleichzeitig auf Demeter durch die Ähren und auf Artemis durch die Rehe hinweist, dürfte gerade jener lydischen Gottheit entsprechen, die Kern o. Bd. IV S. 2745f. geschildert hat. [2767]
IV. Verehrung der Artemis Ephesia außerhalb Ephesos. Daß Artemis E. an vielen Orten verehrt wurde, wird mehrfach besonders betont, vgl. z. B. Paus. IV 31, 8, die Inschrift bei Hicks nr. 482. Aristid. I 776 Dindf. Ein Kultbild ähnlich dem ephesischen findet sich, zumal in der Kaiserzeit, auf zahlreichen Münzen der verschiedensten Gegenden Kleinasiens und der benachbarten Inseln. In manchen Fällen hat sich freilich die alte Deutung dieser Kultbilder auf die E. als falsch erwiesen. So gleicht z. B. das Kultbild auf Münzen von Aphrodisias (Imhoof-Blumer Monn. gr. 306; Kleinasiat. Münzen 115 Taf. IV 16. Catal. Brit. Mus. Caria 29. 39. 53 Taf. V 11. VII 1. 3. XLIV 1) scheinbar dem ephesischen; daß es sich aber um Aphrodite mit zwei Brüsten und ihrem charakteristischen Bilderschmuck auf dem Gewand handelt, hat Fredrich Athen. Mitt. XXII 1897, 375ff. Taf. XI–XII festgestellt. Ebenso fallen fort die einst auf E. bezogenen Darstellungen des Heliopolitanus (vgl. Perdrizet Revue des études anciennes II 1900, 17ff. III 1901, 263f.) und der Artemis Anaitis von Hypaipa und andern Orten (Imhoof-Blumer Lyd. Stadtm. 77ff. S. Reinach Chroniques d’Orient I 154).
In andern Fällen, wo das Kultbild auf Münzen dem der Artemis E. gleicht, handelt es sich, wie die Beischriften oder die Kultgeschichte lehrt, um bestimmte Kulte, denen die Epiklesis E. fremd ist, so z. B. um 1) Artemis Leukophryene in Magnesia am Maiander, Head HN 502. Imhoof-Blumer Kleinasiat. Münzen 79f. 516 Taf. III 4. 5. Catal. Brit. Mus. Ionia 173ff. Taf. XIX 4–7; 2) Artemis Klaria in Klaros und Kolophon, Head HN 494. Imhoof-Blumer Kleinasiat. Münzen 71. Catal. a. a. O. 42f. Taf. VIII 12; 3) Artemis Astyrene in Astyra und Antandros, Head HN 447. Ztschr. f. Numism. VII 24 Taf. I 14; s. o. Bd. II S. 1878; 4) Eleuthera von Lykien in Kyaneai und Myra, Catal. a. a. O. Lycia 57 Taf. XII 9. 71. Taf. XV 7; s. o. Art. Eleuthera S. 2344; 5) Artemis Anaitis in Maionia in Lydien, s. o.
Demgemäß muß es für die meisten Orte dahingestellt bleiben, ob das Kultbild der Münzen Artemis E., eine andere Artemis, Anaitis oder eine andere Göttin ist. Das gilt ganz besonders für die lydischen Städte, wie Akrasos (Percy Gardner Numism. Chronicle XV 1875, 36 Taf. II 3. Head 548. Catal. Lydia 11ff. Taf. II 4. 5. Imhoof-Blumer Lyd. Stadtmünz. 43), Aninetos (Head 548. Imhoof-Blumer Lyd. Stadtmünz. 24), Daldis (Catal. Lyd. 69f. Taf. VIII 3), Dios Hieron (Catal. Lyd. 76. Imhoof-Blumer Griech. Münz. 717), Gordus Iulia (Head 549. Catal. Lyd. 91. 93), Kilbis (Head 549. Catal. Lyd. 62ff. Taf. VII 3.8. Imhoof-Blumer Kleinas. Münz. 175: Lyd. Stadtmünz. 57). Nakrasa (Head 551. Catal. Lyd. 165ff. Taf. XVIII 1. 2. Imhoof-Blumer Lyd. Stadtmünz. 106), Nysa (Imhoof-Blumer Lyd. St. 110), Philadelphia (Catal. Lyd. 190. 201. Imhoof-Blumer Lyd. St. 123), Stratonikeia Hadrianopolis (Catal. Lyd. 286 Taf. XXVIII 9. Imhoof-Blumer Lyd. St. 35 Taf. II 15), Tabala (Head 554. Catal. Lyd. 288f.), Thyateira (Apollon und Artemis, Catal. Lyd. 319 Taf. XXXII 7), Tmolos (Imhoof-Blumer Lyd. [2768] St. 164), Tralleis (Catal. Lyd. 34 Taf. XXXV 6. XXXVII 11. Imhoof-Blumer Lyd. St. 176). In einem Teil dieser Orte ist das Kultbild vielleicht nur eine Weiterbildung des oben erwähnten sog. Demeter- oder Koraidols, in einem Teil handelt es sich wohl um Anaitis (vgl. o. Bd. I S. 2030), teilweise, wie z. B. in Thyateira, aber sicher um Artemis. Ähnliche Zweifel bestehen auch bezüglich des Kultbildes auf Münzen karischer Städte, z. B. Antiocheia am Maiander (Catal. Caria 20), Bargasa (Imhoof-Blumer Kleinas. Münz. 126), Herakleia Salbake (Catal. Car. 118ff, Taf. XX 10. Imhoof a. a. O. 132 Taf. V 1), Iasos (Head 528; vielleicht speziell Artemis Astias), Neapolis am Harpasos (Imhoof a. a. O. 148), Sebastopolis (Imhoof a. a. O. 150), Stratonikeia (Catal. Car. 155ff. Taf. XXIV 7), Tabai (Head 531. Catal. Car. 162 Taf. XXV 6). Von den Kultbildern auf Münzen phrygischer Städte ist die Beziehung auf Artemis E. gesichert für Akmonia (Head 556. Imhoof-Blumer Kleinas. Münz. 192) durch die Inschrift Revue des études anciennes III 1901, 273. Ferner kommen solche Kultbilder in Phrygien vor in Aizanoi (Head 556), Ankyra (Imhoof-Blumer Griech. Münz. 729), Eriza (Imhoof-Blumer Kleinas. Münz. 227), Hierapolis (Apollon und Artemis, Imhoof-Blumer Griech. Münz. 740 Taf. XII 23), Hieropolis (Imhoof-Blumer Kleinas. Münz. 245), Kolossai am Lykos (Head 561), Kotiaion (Head 561), Laodikeia (Imhoof-Blumer Kleinas. Münz. 270; vgl. das Marmorgefäß Athen. Mitt. 1891, 137), Synnada (Head 569. Imhoof-Blumer Kleinas. Münz. 295f.), Tiberiopolis (Imhoof-Blumer Kleinas. Münz. 300) und noch in andern phrygischen Orten. Außerhalb des Hauptverbreitungskreises dieses Kultbildes (Lydien, Karien, Phrygien) kommen in Betracht Münzen von Ionien: Metropolis (Head 502), Neapolis (Imhoof-Blumer Kleinas. Münz. 91. Löbbecke Ztschr. f. Numism. XV 43), Teos (Catal. Ionia 320. Imhoof-Blumer Griech. Münz. 653), von Orten im nordwestlichen Kleinasien: Kyme (Head 479), Kame (Head 479), Kyzikos (Mionnet Suppl. V 329, 303), Prusa am Olympos (Catal. Pontus 199), endlich außerhalb Kleinasiens Andros (Catal. Crete 88) und Gortyn auf Kreta: Münzen des Qu. Caecilius Metellus (Head 396. Ztschr. für Numism. X 119. XXI 214 Taf. V 1. Svoronos Numism. de Crete 181 nr. 190f. Taf. XVI 29f.); gerade auf diesen Münzen weist die Biene neben der vielbrüstigen Artemis darauf hin, daß es sich sicher um die Göttin von Ephesos handelt.
Sichere Kultstätten der Artemis E. sind Panormos bei Ephesos: Heiligtum der Artemis E., Strab. XIV 639. Larisa bei Ephesos: Weihinschrift, Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 1894, 120. Smyrna: Temenos der Artemis E., CIG 3155; Statuette Athen. Mitt. XXII 1897, 374. Chios: Weihinschrift, CIG 2228. Aphrodisias: eine dortige Priesterin ist zugleich κοσμήτειρα τῆς Ἐφεσίας Ἀρτέμιδος, CIG 2823. Panamara: Weihinschrift, Bull. hell. XII 1888, 269. Akmonia in Phrygien: Revue des études anciennes III 1901, 273. Mossyna in Phrygien: Reliefbild über einem Psephisma, Journ. Hell. Stud. IV 378. Pantikapaion: Weihinschrift, Latyschew Inscr. ant. orae sept. Pont. Eux. II 11 = CIG 2104 b add. [2769] Im Peloponnesos Epidauros: Weihinschrift, IG IV 1193. Korinth: Heiligtum an der Agora, Paus. II 2, 6. Alea: Heiligtum, Paus. VIII 23, 1. Immerwahr Kulte Arkadiens 140; Kopf der Artemis auf Münzen, Catal. Brit. Mus. Peloponn. 177 Taf. XXXIII 3. Megalopolis: ein Bild der Artemis E. in einem Gebäude am Markt. Paus. Vin 30, 6. Immer wahr a. a. O. 144. Skillus in Elis: Heiligtum der Artemis E. mit Hain und Kultbild aus Zypressenholz nach dem Vorbild der ephesischen Statue von Xenophon gestiftet: genaue Beschreibung der Inschrift, Feste usw. bei Xenoph. anab. V 3, 4–13; vgl. Paus. V 6, 5. Strab. VIII 387. Diog. Laert. II 51. 52. Rom: Servius Tullius sollte die Latiner bewogen haben, die Idee eines Bundesheiligtums nach dem Muster der Epheser nachzuahmen, und demgemäß den Tempel der Diana auf dem Aventin gestiftet haben, Liv. I 45. Dion. Halic. ant. IV 25f. Aurel. Vict. de vir. illustr. 7; vgl. Brunn S.-Ber. d. Bayr. Akad. d. W. phil.-hist. Kl. 1871, 532 = Kl. Schriften II 61. Das Kultbild glich dem von Massilia, Strab. IV 180. Griechische Weihinschrift vom Esquilin, IG XIV 964; dagegen vielleicht gefälscht zwei Lampen und eine Glocke, IG XIV 2405, 5. 6. 2409, 4. Fälschlich auf das Kultbild bezogene Münzdarstellungen, Saglio Rev. numis. 1891, 7. Näheres über diesen Dianakult, der tatsächlich eine Filiale des Dianakultes von Aricia war, s. o. Bd. V S. 332f. Vgl. auch Wissowa Ges. Abhandl. 134, 2. Massilia: τὸ Ἐφέσιον, Tempel der Artemis E. auf der Burg, da die Phokaier unter der Priesterin Aristarche (vielleicht die Hypostase einer Artemis Aristarche; vgl. das Aristarcheion, Tempel der Artemis Episkopos in Elis, Plut. quaest. Graec. 47) die Göttin von Ephesos zu ihrer Führerin nach dem Westen gewählt hatten. Kult und Bild der Göttin glichen dem von Ephesos, Strab IV 179f. Von Massilia aus verbreitete sich der Kult in die Kolonien dieser Stadt (Strab. IV 180), so z. B. nach Hemeroskopeion-Dianium (Strab. III 159), Emporion und Rhode (Strab. III 160) und an die Rhonemündung (Strab. IV 181). Aus Augustodunum in Gallien ist eine Inschrift erhalten, laut welcher dem Apollon das Bild der Artemis geweiht wurde, Kaibel Epigr. Graec. 798 = IG XIV 2524 = CIG 6797; die Inschrift bezeichnet Artemis als ἄνασσαν Ἐφέσου Κρήσιαν φαεσφόρον, d. h. also zugleich als Artemis E. und als kretische Göttin = Britomartis oder Diktynna. Daß der Kult der Artemis E. auch Kyrene nicht fremd war, bezeugt die dort im Aphroditetempel gefundene Statue des Brit. Mus. 1430, abgeb. Reinach Répert. III 68.
VI. Wesen der Artemis Ephesia. An der Stelle des Artemisions von Ephesos bestand wahrscheinlich schon vor der ionischen Kolonisation der Kult einer heimischen Göttin. Dafür spricht die ephesische Lokalsage, welche die Entstehung des Kultes in die fernste Vorzeit hinaufrückt, die ephesische Lokalgeschichte von Androklos Kämpfen, dann der Umstand, daß neben der Artemis E. der Bruder Apollon nur eine sekundäre Rolle hatte. Als die Göttin der vorionischen Zeit denkt man zunächst an die in ganz Kleinasien verehrte ,große‘ Göttin, für deren Kult es besonders charakteristisch ist, daß die Griechen ihn gern zu dem ihrigen machten und dabei der Göttin die verschiedensten [2770] Namen nach der einzelnen Örtlichkeit gaben. An die vielen derartig entstandenen Kulte der Dindymene, Sipylene usw. reihen sich die Kulte der Astyrene, Klaria, Leukophryene usw. an, mochten die Griechen dazu als Hauptnamen nun Meter oder Artemis oder einen andern wählen. In diesen Kreis gehört auch der Name E., der zweifellos von dem Ort Ephesos hergeleitet ist; die etymologischen Erklärungen bei Herakleides Pont. frg. 34. Etym. M. s. Ἔφεσος. Eustath. Dionys. perieg. 828 sind wertlos.
Von dem alten vorionischen Kult hat sich aber nur sehr wenig hinübergerettet in die historisch bekannte Zeit. Dazu gehört vielleicht die beliebte Bezeichnung μεγάλη, vielleicht auch die Beziehung zu Hirschen, Löwen und anderen Tieren. Andere ungriechische und deshalb oft für uralt angesehene Elemente sind erst später eingedrungen, wie z. B. unter persischem Einfluß die Megabyzoi, dann das Eunuchenwesen u. a. Das meiste Sichere, was wir von dem Kulte wissen, trägt griechisches Gepräge. Alle Sagen, die uns von Artemis E. überliefert werden, sind rein griechisch. Und ebenso sind griechisch alle speziell bekannten Züge ihres Wesens. Sie ist die Göttin der Schiffahrt, wie Artemis sonst; deshalb geleitet ihr Bild die Phokaier (Strab. IV 179), deshalb stand ihr Tempel einst am Meeresufer (Plin. II 201), und man opferte ihr vor der Ausreise (Xenoph. Ephes. I 10). Sie ist die Göttin der Jagd, wie die Münzen, die Weihgeschenke, die Prozessionskostüme u. a. deutlich bekunden, und damit auch die Herrin der Tiere. Sie ist weiter Mondgöttin mit den Symbolen Halbmond und Sternen, wie Artemis überall es war oder wurde; Schol. Aristoph. Pax 410 will auf diese Eigenschaft den Schutz des Artemisions durch die Perser zurückführen. Ferner ist Artemis E. die Schirmerin der Stadt, die Archegetis usw., der Hort der Schutzflehenden (ἱκεσία, Etym. M. s. Ἔφεσος) und die besondere Göttin der Jungfrauen, die sie mit Tänzen, Prozessionen und Opfern verehrten. Dagegen wurde der Charakter als Eileithyia und als mütterliche Göttin dem Anschein nach in Ephesos weniger betont, als in anderen Artemiskulten.
Einen ganz besonderen Zug bringt in das Wesen der Artemis E. die Angabe, daß Timotheos in seinem Hymnos die Göttin folgendermaßen bezeichnete: θυιάδα φοιβάδα (v. Wilamowitz Timoth. 107 vermutet φοιτάδα) μαινάδα λυσσάδα, Plut. de superstit. 10 p. 170 A; quomodo adulesc. poetas audire debeat 4 p. 22 A. Als Timotheos seinen Hymnos in Athen vortrug, wurde er, wie Plutarch bemerkt, wegen dieser Worte von Kinesias verspottet. Man hatte dort offenbar den Eindruck, daß diese Übertragung dionysisch-orgiastischer Ausdrücke auf Artemis zu weit gehe, so oft man sie auch selbst als die Wälder und Berge wild durchstreifende Göttin gefeiert hatte. In Ephesos aber dachte man anders. Alle Feste trugen hier den Charakter der Freude und waren mit Schmausereien und Gelagen verbunden, vgl. z. B. die δειπνοφοριακὴ πομπή, das Fest der Daitis, die vorläufig nur aus Österr. Jahresh. VII 214 bekannte συνεργεσία ἱεροῦ γεύματος und besonders die Gelage der Kureten. Wo die Lebensweise der Epheser geschildert wird, [2771] fehlt selten der Hinweis auf die lärmende Fröhlichkeit, vgl. Ps.-Herakl. epist. 7. Philostr. iun. epist. 65–67. Philostr. Apoll. Tyan. IV 2. Bei den Artemisfesten mit ihren Gelagen und der noch von Achill. Tat. VI 3 geschilderten nächtlichen Trunkenheit wurde zweifellos des Dionysos oft gedacht. Ebenso dürften die großen Dionysosfeste von Ephesos mit ihren Zügen von Göttermasken (Plut. Ant. 24. Lukian. de saltat. 79. Hicks Inscr. 600) nicht ohne gewisse Huldigungen für die Hauptgöttin der Stadt verlaufen sein; für das Fest der Katagogia ist es sogar umstritten, ob Artemis oder Dionysos die Hauptgottheit war (vgl. Maass Orpheus 57). Ob das orgiastische Element im Kult der E. griechisch oder ungriechisch sei, ist mit Sicherheit nicht zu entscheiden. Überhaupt wird das Gesamturteil über das Wesen der E. weit auseinandergehen, so lange über die Bedeutung und das Alter der vielbrüstigen Bildung keine sichere Entscheidung getroffen werden kann. Erst weitere Funde und Forschungen können darüber Aufschluß geben, ob es seit älter Zeit eine kleinasiatische viel-brüstige Göttin gab, ob es sich um die Fortbildung lydischer Steinidole oder um eine späte Umgestaltung handelt.
[Jessen.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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