3) Q. Ennius, der Dichter.
Inhaltsverzeichnis
I. Leben.
II. Werke.
1) Bühnendichtungen.
2) Kleinere Dichtungen.
3) Die Annalen
III. Formales.
a) Prosodisches.
b) Metrisches.
c) Sprachliches.
IV. Die sonstige Tätigkeit des E.
V. Ausgaben und Hilfsmittel.
I. Leben.
Q. Ennius (der volle Name gesichert durch seine Verwendung als Akrostichon Cic. div. II 111 und durch die Herme Not. d. scavi 1903, 601, aber auch durch Pers. VI 10f. Apul. apol. 39), der ‚Vater der römischen Poesie‘, ist 239 v. Chr. geboren (Varro de poet. I bei Gell. XVII 21, 43. Cic. Brut. 42). Sein Geburtsort Rudiae (ann. 377. Cic. Arch. 22. Strab. VI 281), das heutige Rugge, liegt mitten in Calabrien (daher die Calabrae Pierides bei Hor. c. IV 8, 20 u. a. bei Nissen Landeskunde II 881f.), also auf altem messapischen Gebiet, und ist selbst Fundort messapischer Inschriften (Mommsen Unterital. Dial. 58f.). Daher heißt der Dichter nicht nur bei Suidas ein Messapier, sondern soll auch selbst erzählt haben, daß er von dem mythischen Messapus herstamme, der über Meer nach Italien gekommen ist (Serv. Aen. VII 691); diese vermutlich in den Annalen gemachte Mitteilung hat Silius in der phantastischen Stelle XII 387ff. aufgenommen und weiter gesponnen, anscheinend nicht ohne Verwendung Ennianischer Ausdrücke (miscere acies v. 394 und Aen. VII 703f., vgl. Serv. a. a. O.). Will man überhaupt über die Nationalität des E. etwas zu entscheiden wagen, so muß man wohl seinem eigenen Zeugnis trauen, dem auch der Name E. wenigstens nicht widerspricht. Verrius Flaccus (Fest. 293) nennt E. einen Griechen, Sueton (gramm. 1) einen Halbgriechen; aber da Rudiae sich bis zur augusteischen Zeit hin gräzisierte (Strab. a. O.), die ganze Gegend jedenfalls schon lange unter griechischem Kultureinfluß stand, so wird man einen Irrtum bei jenen beiden begreiflich finden, während es unwahrscheinlich ist, daß E. sich selbst als Messapier bezeichnet haben sollte, wenn er griechischer Abstammung gewesen wäre. Und die Herleitung des Namens E. aus dem Griechischen, die Crusius vorgeschlagen hat (Rh. Mus. XLVII 61f.), ist jedenfalls nicht sicher genug, um als Argument verwendet zu werden. [Daß meine Schlüsse auf die Nationalität des E. zutreffen, bestätigt mir während des Drucks ein Hinweis von Norden auf Deecke Rh. Mus. XXXVI 586f. Deecke (und vor ihm schon Fick Bezz. Beitr. III 269f.) hat für messapische Abstammung des E. das Zeugnis eines dodonäischen Proxeniedekrets angeführt (jetzt Griech. Dial.-Inschr. II 1 nr. 1339). Dort begegnet ein Γάιος Δάζουπος Ῥέννιος Βρεντεσῖνος, d. h. ein Mann mit fast gleichlautendem Gentile und charakteristisch messapischem Vornamen aus der Nähe von E.s Heimat. Die gleiche Folgerung hatte aber auch schon Mommsen Unterital. Dial. 71 aus dem Namen des sallentinischen Königs Malennius Dasummi filius (Hist. Aug. M. Anton. 1) gezogen.]
Neben der griechischen Kultur mußten sich zwei andere damals in Calabrien imponierend geltend machen: die oskische, deren Spuren uns ja in Apulien und auf der ganzen Südwestspitze der Halbinsel bis nach Sicilien hinüber begegnen, und die römische, die in Calabrien selbst fünf Jahre vor E.s Geburt durch die Begründung der Kolonie Brundisium festen Fuß gefaßt hatte. So ist es kein Wunder, daß der Dichter mit der bekannten Wendung tria corda habere sese bezeugt, daß er drei Sprachen, Griechisch, Oskisch, Lateinisch beherrsche (Gell. XVII 17); wäre das [2590] Messapische eine Kultursprache gewesen, würde er es wohl auch genannt haben.
Nach Rom brachte den Dichter im J. 204 eine uns im einzelnen nicht mehr erkennbare Verkettung von Umständen. Er hielt sich damals in Sardinien auf (wie Silius a. O. behauptet, als Centurio im römischen Heere!), und dort machte Cato, als Quaestor aus Afrika zurückkehrend, seine Bekanntschaft. Was gerade diesen bewog, den Mann mit nach Rom zu nehmen, der nachhaltiger als irgend ein anderer den römischen Geist in die Dienstbarkeit griechischer Künste zwang, ist leider nicht mehr zu erkennen (Nepos Cato 1, 4. Hieron. z. J. Abr. 1777). In Rom lebte E. wie Livius Andronicus als Philolog und Dichter: initium grammaticae mediocre extitit, si quidem antiquissimi doctorum, qui iidem et poetae et semigraeci erant, Livium et Ennium dico, quos utraque lingua domi forisque docuisse adnotatum est, nihil amplius quam Graecos interpretabantur aut siquid ipsi Latine composuissent praelegebant (Suet. gramm. 1). E. ist hier, wie in allem, der Träger hellenistischen Geistes und nur als solcher ganz verständlich: Schulmeister, Philolog und Dichter dazu war auch sein vielbewunderter Kallimachos gewesen, παισὶν βῆτα καὶ ἄλφα λέγων sang Arat von Diotimos (v. Wilamowitz Antigonos 155). Große Reichtümer zu verschaffen war keiner dieser Berufe angetan. Wenn man auch das unius ancillae ministerio contentus des Hieronymus a. O. ebenso beurteilen mag wie andere dergleichen Anekdoten über älteste römische Dichter, ja vielleicht in dem Geschichtchen bei Cicero de or. II 275 noch den Ausgangspunkt dieser Erfindung vor sich hat (Leo Plaut. Forsch. 67) – der allgemeinen Nachricht bei Cicero Cato 14: ferebat (Ennius) paupertatem et senectutem ut iis paene delectari videretur zu mißtrauen, hat man wohl umsoweniger Grund, als sie leichtlich auf eine der Stellen zurückgehen kann, wo E. von sich selber sprach. Dem bescheidenen Manne verhalf sein Wissen und seine Kunst zum Verkehr mit den angesehensten Leuten. Freilich ist auch in diesem Punkte die Glaubwürdigkeit der antiken Nachrichten sehr verschieden. P. Cornelius Scipio Nasica (cos. 191) hat nach der allerliebsten Anekdote bei Cicero de or. II 276 auf sehr freundschaftlichem Fuße mit E. gestanden. Persönliche Beziehungen zum Africanus maior mögen bestanden haben (Cic. Arch. 22); eine notwendige Voraussetzung seiner wiederholten dichterischen Verherrlichung sind sie nicht. Die Nachricht, daß E. im Scipionengrabe eine (Marmor-)Statue gehabt habe, tritt gerade bei den ältesten Gewährsmännern (Cic. a. O. Liv. XXXVIII 56) nur als ein on dit, zuversichtlicher erst bei Ovid ars am. III 409. Val. Max. VIII 14, 1. Plin. n. h. VII 114 auf; die letzteren beiden wissen sogar, daß diese Verherrlichung des Dichters auf Befehl des etwa 14 Jahre vor ihm gestorbenen Africanus erfolgt sei! Auch ist im Scipionengrab keine Spur einer solchen Statue gefunden worden; der jetzt im vatikanischen Museum auf dem Sarkophag des L. Cornelius Scipio Barbatus stehende Porträtkopf mit Lorbeerkranz (Baumeister Denkmäler III 1557) kann schon darum nicht für die ‚Statue‘ des E. erklärt werden, weil er aus Peperin ist (Helbig Führer I² 73f.). Ebensowenig [2591] haben die Grabgedichte der Scipionen mit E. zu schaffen; seine Autorschaft ist nicht nur durch die Wölfflinschen Argumente (Rev. de phil. XIV 113ff.) nicht zu erweisen, sondern schon wegen des saturnischen Metrums in hohem Grade unwahrscheinlich (beachte das Distichon auf Africanus epigr. III). Völlig sicher steht vertrauter Umgang des E. mit Ser. Sulpicius Galba (dem Prätor des J. 188, wie mich Cichorius belehrt). Denn was Cicero acad. pr. II 51 sagt: num censes Ennium, cum in hortis cum Servio Galba vicino suo ambulavisset, dixisse ‚Visus sum mihi cum Galba ambulare‘? at cum somniavit, ita narravit ‚Visus Homerus adesse poeta‘ scheint mir doch nach dem ganzen Zusammenhang der Stelle darauf zu führen, daß der Dichter solchen Spaziergang mit Galba (vermutlich in den Satiren: ibam forte …) in entsprechender Form erzählt hatte. Am vorteilhaftesten aber waren für den Dichter seine Beziehungen zu M. Fulvius Nobilior (cos. 189) und dessen Sohn Quintus. Der Vater nahm in seinem Consulat den E. mit in den Ätolischen Krieg, was er sich nachher von Cato zum Vorwurf machen lassen mußte (Cic. Tusc. I 2). Auch hier muß man sich hellenistischer Gepflogenheiten erinnern: wie in Alexanders cohors sich Dichter befanden (Curt. VIII 5), Choirilos von Iasos voran, als gewissermaßen dichterische Kriegsberichterstatter, so erfahren wir weiterhin von Simonides von Magnesia am Sipylos: ἐποποιός, γέγονεν ἐπ’ Ἀντιόχου τοῦ μεγάλου κληθέντος καὶ γέγραφε τὰς Ἀντιόχου τοῦ μεγάλου πράξεις καὶ τὴν πρὸς Γαλάτας μάχην, ὅτε μετὰ τῶν ἐλεφάντων τὴν ἵππον αὐτῶν ἔφθειρεν (Suid. s. v.) und von Leschides: ἐπῶν ποιητής, ὃς συνεστράτευσεν Εὐμενεῖ τῶι βασιλεῖ usw. (Suid. s. v.); die Neoteriker in der cohors des Memmius gliedern sich natürlich ebenfalls hier an (vgl. Reitzenstein Zwei religionsgesch. Fragen, Straßburg 1901, 51). E. entsprach den Erwartungen des Fulvius durch seine dichterische Schilderung der Einnahme von Ambrakia, die man nach den eben angeführten Analogien gern für ein Epos halten möchte (s. u.). Wieder zum Anekdotenklatsch gehört das absurde Geschichtchen von der Undankbarkeit des Fulvius bei Symmachus epist. I 20; Tatsache ist, daß der Sohn, als er 184 Triumvir coloniae deducendae war und Kolonien nach Potentia und Pisaurum führte (Liv. XXXIX 44), die Gelegenheit benützte, um E. außer den sex iugera Landes das römische Bürgerrecht zu verschaffen (Cic. Brut. 79). Darauf bezieht sich der bekannte stolze Vers ann. 377 nos sumus Romani qui fuimus ante Rudini; nach einer von Mommsen R. G. I⁸ 801 geteilten Vermutung übernahm der Dichter damals von dem jüngeren Fulvius seinen Vornamen Quintus. Endlich berichten unsere modernen Literaturgeschichten allgemein, daß A. Postumius Albinus (cos. 151) dem E. sein griechisch geschriebenes Geschichtswerk gewidmet habe; aber der sog. Anonymus Cortesianus, dem diese merkwürdige und chronologisch bedenkliche Nachricht entnommen ist (Bücheler Rh. Mus. XXXIX 623), ist eine moderne Fälschung (Traube Palaeogr. Forsch. IV 47ff. in den Abh. Akad. München 3. Kl. XXIV 1904).
Von literarischen Größen haben in näherem Verkehr mit E. nachweislich Caecilius und Pacuvius [2592] gestanden. Caecilius war contubernalis des E. auf dem Aventin (Hieron. z. J. Abr. 1838; o. Bd. III S. 1189); er wohnte jedenfalls nicht nur mit ihm zusammen, sondern war sein Jünger in Kunst und Wissenschaft (Lehrs Aristarch³ 14). Pacuvius war Neffe des E. (Plin. n. h. XXXV 19), nicht sein Enkel (Hieron. z. J. 1863), da er nur 19 Jahre nach ihm geboren war; auch er stand zu ihm im Verhältnis des Schülers (Varro Men. 356).
E. ward 70 Jahre alt (Cic. Cato 14), starb also unter dem Consulat des Q. Marcius Philippus und Cn. Servilius Caepio (Cic. Brut. 78) = 169 v. Chr.; daß das am Tage der Aufführung seines Thyestes bei den Ludi Apollinares geschehen sei, vermag ich nicht mit Vahlen aus Ciceros Worten im Brutus herauszulesen. Die Todesursache war nach Hieronymus z. J. 1849 Gicht. Daß er an dieser Krankheit litt, bezeugt der Dichter selbst sat. 64; Horaz wußte, daß E. sich durch einen guten Trunk zum Dichten anzuregen liebte (epist. I 19, 7), vielleicht auch aus den Satiren, und Serenus Sammonicus setzt (v. 706), übrigens unter wörtlicher Anspielung auf Horaz, beide Nachrichten in das Verhältnis von Ursache und Wirkung. Hieronymus fährt a. O. fort: sepultus in Scipionis monumento via Appia intra primum ab urbe miliarium. Welchen Bedenken diese Nachricht begegnet, ist oben gesagt; die ältesten Gewährsmänner sprechen übrigens nur von der Statue, nicht von dem Grabe des E. in der Scipionengruft. Vielleicht also wächst so der anderen Nachricht bei Hieronymus a. O. etwas Kredit zu: quidam ossa eius Rudiam ex Ianiculo translata affirmant. Ihrem Wortsinn nach ist sie einleuchtend von Vahlen XVIIf. erklärt: Verbrennung auf dem Ianiculum und Überführung der Asche nach der Vaterstadt; aber Mittel zur Kontrolle des sachlichen Inhalts fehlen uns natürlich. Immerhin ist beachtenswert, daß iuxta Ianiculum sepultus Hieronymus auch von dem ein Jahr nach E. gestorbenen Caecilius sagt (Vahlen XVIII).
Von der äußeren Erscheinung des Dichters gibt jetzt Kunde das in Trier aufgefundene Mosaik des Monnus (Antike Denkmäler I 1889 Taf. 49. F. Hettner Führer durch das Provinzialmuseum in Trier 67). Wie immer man über seine Zuverlässigkeit urteile, jedenfalls reicht sein Zeugnis nicht aus, um daraufhin die von andern Scipio getaufte Büste im Philosophenzimmer des Kapitolinischen Museums als E. anzusprechen (vgl. Helbig Führer I² 324ff.). Die kürzlich in Rom im Bereich der Diokletiansthermen gefundene Herme mit der Inschrift Q. ENNIVS, die guter Zeit entstammen muß (Not. d. scav. 1903, 600f.), hat leider den Kopf verloren. Von seiner geistigen Wesenheit soll der Dichter ein Bild entworfen haben in den 18 Versen, mit denen er einen Vertrauten des Servilius Geminus schildert (ann. 234ff.); dies war angeblich die Meinung Aelius Stilos (Gell. XII 4), aber er wird es sich wohl mit den Gründen für solche Ansicht nicht schwerer gemacht haben, als es antike Philologie sich auch sonst zu machen pflegt, wo sie Anspielungen auf die eigene Person aus den Dichtern herausliest.
II. Werke.
1) Bühnendichtungen.
Von Tragödien sind 20 Titel überliefert; und es scheint, [2593] als ob auch alle ohne Titel überlieferten Fragmente sich in jenen 20 Stücken unterbringen lassen. Wenigstens neun von diesen Tragödien lassen sich mit Sicherheit oder doch mit großer Wahrscheinlichkeit auf Euripides zurückführen. Für 1. Hecuba und 2. Medea ist dieser als Original direkt bezeugt (Gell. XI 4. Cic. fin. I 4), außerdem für diese beiden sowie für 3. Andromeda (frg. I = Eurip. frg. 114 N.²) und für 4. Iphigenia (frg. If. = Ἰφιγ. ἡ ἐν Aὐλ. v. 1ff.) durch Koinzidenz der Fragmente mit dem Wortlaut des Euripides gesichert. Aber auch für 5. Alexander, 6. Cresphontes, 7. Erectheus, 8. Melanippa, 9. Telephus ist Zweifel so gut wie ausgeschlossen. Für den Euripideischen Ursprung des Alexander legt wohl Varro de l. l. VII 82 genügendes Zeugnis ab. Bei Melanippa (= Μελανίππη ἡ σοφή) und Telephus beweist ihn die Berühmtheit gerade der beiden Euripideischen Stücke dieses Namens ebenso wie der gesamte Inhalt der beiderseitigen Fragmente und die Haltung der Hauptfiguren (Telephus ist nach frg. I und VIII ganz der geflickte Lumpenkönig wie bei Euripides); beim Telephus zeigen auch die einzelnen Fragmente Berührung mit den euripideischen. Die Titel Cresphontes und Erectheus begegnen nur bei Euripides; außerdem vergleicht man wohl mit Recht Erecth. frg. I und II mit Eurip. frg. 360 v. 14f. und 50 (beachte besonders aerumnâ meâ ~ τοῖς ἐμοῖς λοχεύμασιν). Hinsichtlich des Cresphontes können Ribbecks Gegengründe (Röm. Tragödie 187ff.) umso weniger besagen, als die Verse Rhetor. ad Herenn. II 38f. schwerlich ein Fragment des Ennianischen Cresphontes sind (vgl. v. Wilamowitz Anal. Eurip. 155, 5. Wecklein Festschrift f. Urlichs, Würzburg 1880, 3. Marx Proleg. 132). Ausserdem aber läßt sich Benutzung Euripideischer Originale vermuten oder wenigstens nicht widerlegen für 10. Alcmeo, 11. Andromacha, 12. Phoenix, 13. Thyestes. Bei der Andromache aechmalotos (so der Titel nach Non. 292. 402. 515) oder aechmalotis (Non. 505) zeugt Varro de l. l. VII 82 ähnlich wie beim Alexander für Euripides; sonderbar ist nur, daß weder die erhaltene Andromache noch ein anderes mit Namen zu nennendes Stück des Euripides zu Grunde liegen kann – und doch ist schwer zu sagen, wo sonst als in der Andromache E. (frg. X) das Euripideische Etymon (ἀνδρὶ μάχεται) angebracht haben könnte. Beim Phoenix fügen sich die Ennianischen Fragmente bequem in die Handlung, die für den Euripideischen Phoenix gesichert ist, ebenso die Fragmente des Alcmeo in die Handlung des Ἀλκμέων διὰ Ψωφῖδος (der Sophokleische Alkmeon scheint von Accius übertragen zu sein, Welcker Gr. Tragöd. I 279); beim Thyestes kann man den Anklang von frg. V an mehrere bekannte euripideische Stellen (Vahlen z. St.) in die Wagschale werfen (vgl. auch F. Strauss De ratione inter Senec. et antiqu. fab. Rom. intercedente, Rostock 1887, 59). Auf Aischylos führen sicher 14. Eumenides, wie die Fragmente zeigen, und wahrscheinlich 15. Hectoris lytra, da einerseits unter den Dramen dieses Titels doch wohl nur das aischyleische zur Wiedergabe reizen konnte und andererseits kaum zu glauben ist, daß E., wenn er etwa die Φρύγες des Sophokles übersetzte, diesen einen andern [2594] griechischen Titel gegeben haben sollte. Der Titel 16. Nemea findet sich nur bei Aischylos, doch sind gerade hier die Nachrichten über das griechische wie über das römische Stück besonders dürftig. Sophokleische Stücke sind mit völliger Sicherheit unter den Ennianischen nicht zu finden, denn die (freilich geringen) Fragmente des 17. Aiax klingen nur einmal an Sophokles an (frg. IV ~ v. 1411), und dessen Aias scheint schon Livius Andronicus übertragen zu haben. Der 18. Athamas hat Namensvettern bei Aischylos und Sophokles; mehr gestatten die dürftigen Fragmente nicht zu sagen. 19. Achilles stammt nach dem Zitat bei Plaut. Poen. 1 und Fest. 242 von Aristarchos von Tegea. Über das Original von 20. Telamon läßt sich nichts vermuten, da nicht einmal der Name unter den griechischen Tragödientiteln begegnet. Zu diesen 20 Stücken stellen manche Gelehrten noch einen zweiten Achilles und eine zweite Medea. Das wird für den Achilles nur damit begründet, daß neben den beiden oben angeführten Zitaten mit Achilles Aristarchi eine größere Zahl anderer steht, in denen nur von Achilles des E. gesprochen wird; man meint also, daß E. durch den Zusatz Aristarchi zwei gleichnamige Stücke, die er beide übersetzte, gegen einander habe differenzieren wollen. Aber aus dem Inhalt ist nicht sicher zu erweisen, daß die Fragmente zwei verschiedenen Stücken angehören (Vahlen CCI). Der Zusatz Aristarchi mochte also vielleicht vielmehr den Achilles des E. von dem des Livius Andronicus unterscheiden sollen oder einem anderen Zwecke dienen; seine Weglassung in der Mehrzahl der Zitate kann nicht überraschen. Was die Medea anlangt, so zitiert Nonius (und Probus zu Verg. Ecl. VI 31) wenigstens einen Teil der aus der Euripideischen Medea übersetzten Stellen aus Medea exul. Da nun für frg. XVII (Varro de l. l. VII 9 + Non. 470 Ennius Medea) asta atque Athenas antiquom opulentum oppidum contempla et templum Cereris ad laevam aspice freilich schwer zu sagen ist, wie es innerhalb der Handlung der Euripideischen Medea untergebracht werden könnte, so hat man auch hier zwischen Medea exul (= Euripides Medea) und Medea (etwa = Euripides Αἰγεύς) scheiden wollen. Aber Nonius zitiert mit dem bloßen Titel Medea (ohne exul) gelegentlich auch Fragmente, die zweifellos auf die Euripideische Medea zurückgehen (namentlich p. 84); vor allem aber scheint mir (wie Vahlen S. 162) sicher, daß Cicero nur von einer Medea des E. weiß (fin. I 4 quis enim tam inimicus paene nomini Romano est, qui Ennii Medeam aut Antiopam Pacuvii spernat aut reiciat, quod se iisdem Euripidis fabulis delectari dicat?). Ob dagegen unsere Unfähigkeit zu kombinieren wirklich in die Wagschale fallen kann?
Neben die Crepidaten tritt von Prätexten mit größter Wahrscheinlichkeit Sabinae (Rhet. Lat. 402, 30 Halm), wie zuerst Vahlen (Rh. Mus. XVI 580) erkannt hat. Über Ambracia s. u. Ganz willkürlich ist von L. Müller aus Diomedes GL I 487 eine Prätexta Marcellus für E. erschlossen.
Auf dem Gebiet des heiteren Dramas tritt E. sehr zurück. Volcacius Sedigitus nennt ihn im Kanon der Palliatendichter als Letzten und auch das nur antiquitatis causa (Gell. XV 24), und [2595] nur zwei Titel sind erhalten, Cupiuncula (cupuncula? Non. 155) und Pancratiastes (nach Philemon? der Titel auch bei Alexis und Theophilos). Die wenigen Reste dieser beiden Stücke lassen nur die Ähnlichkeit mit den Palliaten anderer Dichter, nicht aber charakteristische Eigentümlichkeiten des E. erkennen (v. 374 ein auf starkes Klopfen ärgerlich Öffnender wie Plaut. Stich. 309ff. 326ff. u. ö.; v. 373 wie Plaut. Asin. 31 ff.).
Wer Ennianische Art im Drama fassen will, muß sich also an die Tragödien halten und hier im wesentlichen an die beiden, die allein einen etwas ausgiebigeren Vergleich mit den Originalen gestatten, Iphigenia und Medea. Das Verhältnis ist hier so wechselnd wie etwa bei Plautus; teils ein wenn auch keineswegs wort- so doch sinngetreuer Anschluß an die Vorlage (Cic. fin. I 4 übertreibt), teils kühne Abweichungen in Metrum, Personen und Handlung. Die Iphigenie (vgl. Bergk Kl. Schriften I 226ff.) setzt ein mit den anapästischen Systemen des Originals, dem Gespräch zwischen Agamemnon und dem Sklaven; weiterhin ist der Zank zwischen den Brüdern (318ff.) ebenfalls in seinem ganzen Verlauf, aber auch im Metrum nachgebildet gewesen. Denn ein Irrtum ist es, wenn auch die letzten Ausgaben (v. 223 Vahl. = 192 Ribb.) unter die trochäischen Septenare noch einen iambischen Vers mischen (vgl. meinen demnächst im Rh. Mus. erscheinenden Aufsatz Zur Iphigenia des E.); die ganze Szene verlief wie bei Euripides in katalektischen trochäischen Tetrametern. Die Aussöhnung der Brüder hielt sich hier wie dort in Trimetern (v. 228f. = Eurip. 446ff.). Bei diesen Übereinstimmungen im ganzen ist es aber doch bisweilen recht schwer anzugeben, welchen einzelnen griechischen Versen die einzelnen lateinischen entsprechen; ja da für die durch eine sichere Vermutung Columnas der Iphigenie zugeschriebenen und anscheinend eng zusammengehörigen Verse 225ff. sich als vergleichbarste Stelle des griechischen Stückes 384 und 396f. darbieten (Bergk 228), so darf man wohl annehmen, daß E. in gewissem Grade ähnlich verfuhr wie etwa Vergil, als er im ersten Buch der Georgica den Arat übersetzte; die einzelnen Gedanken und Sätze des Vorbilds werden hier und da in ganz neuer Anordnung verknüpft. Aber weit einschneidender ist die Änderung, über die Gellius XIX 10 aufklärt: bei E. trat, jedenfalls an Stelle des Euripideischen Jungfrauenchors, ein zur Situation unleugbar besser passender Kriegerchor auf, für dessen Septenare (solche scheinen es nur gewesen zu sein) die Schilderung der Stimmung unter den Myrmidonen Eurip. 804ff., wie Columna vermutete, das Motiv abgegeben haben kann. So sehr in dem spitzfindigen Spiel mit den Worten otium negotium die Verse Ennianische Art zeigen (vgl. das Spiel mit frustra frustrari satur. 59ff.), so kann man doch fragen, ob E. eine so starke Änderung auf eigene Faust durchzuführen gewagt haben würde. Bergk 230 nimmt in diesem Punkt wie in andern Kontamination mit der Sophokleischen Iphigenie an und vergleicht Soph. frg. 287, das nur freilich als Trimeter schwerlich gerade einem Chorlied entstammen wird. Ob die Vermutung das Richtige trifft, bleibt durchaus fraglich; an sich könnte Kontamination nicht befremden, denn ich meine, [2596] Terenz’ Berufung auf die Kontamination bei E. (Andr. 18) kann sich leichtlich auf die Tragödie beziehen (contaminari fabulas geht voran), während ein Zweifel erlaubt ist, ob E.s Komödien als nachahmenswerte Muster hätten angeführt werden können. Im einzelnen ist auffällig die rhetorische Zuspitzung; die Antithese ist nicht nur, wo das Original sie bot, verschärft (225ff.), sondern in ausgeprägtester Form (licet zweimal am Versende) auf Kosten keineswegs überflüssiger Worte da hergestellt, wo das Original nichts derartiges hatte (228f.). Für die Medea kann ich mir einen ähnlichen Vergleich sparen in Rücksicht auf Leos Erörterungen (Plaut. Forsch. 85ff.). Am wichtigsten vielleicht ist daran der Nachweis, wie E. bei seinen Übersetzungen zugleich Philologe war und die Kommentatoren zu Rate zog: die ersten zwei Verse des Euripides ließ er weg, weil von Leuten wie Timachidas das ὕστερον πρότερον getadelt worden war, dagegen setzt er die Etymologie von Argo zu nach andern Erklärern; man wird den Schluß ziehen dürfen, daß er auch bei der Benutzung des Homer für die Annalen nicht ohne Kommentare gearbeitet hat. Metrisch weist die Medea stärkere Abweichungen vom Original auf als die Iphigenie; als Maß der gesprochenen Szenen öfters der Septenar statt des Trimeters (259ff. 266ff. 274f. 278 ~ Eurip. 530, alles wohl mit Recht der Ennianischen Medea zugewiesen, auch wo nicht direkt für sie bezeugt), aber auch statt lyrischer Maße (284ff.). Im Wortlaut bisweilen überraschend genaue Wiedergabe (266 nequaquam istuc istac ibit ~ Eurip. 365 ἀλλ’ οὔτι ταύτηι ταῦτα), aber gegenüber der sinnlich-kräftigen Ausdrucksweise des Griechen meist nüchtern-allgemeine (Eurip. 1252f. ἴδετε τὰν ὀλομέναν γυναῖκα, πρὶν φοινίαν τέκνοις προςβαλεῖν χέρ’ αὐτοκτόνον ~ 286 inspice hoc facinus; priusquam fiat, prohibessis scelus; anderes bei Leo); einmal ein arges Mißverständnis (259ff. ~ Eurip. 214ff.; vgl. Muret Var. lect. VIII 17 und andres bei Vahlen z. St.). Auch hier wieder stark rhetorische Färbung: E. läßt die großen und die kleinen Mittel spielen; Alliterationen und Parechesen (z. B. 250f., 253 era errans, 259 opulentae optimates, 287 opulentum oppidum usw.), Antithesen (besonders 272 mit Wortspiel und kunstvollem Chiasmus), Homoioteleuta (278 reimen erste und zweite Dipodie des Septenars, was das altlateinische Drama besonders liebt; Usener Jahrb. f. Philol. CVII 174ff.; vgl. die starken Homoioteleuta Eumen. frg. VII), aber auch gesuchtere σχήματα διανοίας: die παράλειψις, um derentwillen 274f. zitiert wird, steht nicht bei Euripides 476ff. Kontamination ist – abgesehen von der oben besprochenen Erwähnung Athens, über die nichts sicheres auszumachen – vielleicht einmal im kleinen zu erkennen: 273 scheint übersetzt nach Eurip. frg. 905; und solche Einarbeitung von Einzelheiten aus andern Dramen scheint noch einmal Hecuba frg. VII vorzuliegen, wo die pauperies des Talthybius, wie Vahlen richtig bemerkt, aus Troad. 415 genommen ist.
Einzelbeobachtungen solcher Art lassen sich durch alle Stücke fortsetzen. Vielleicht tut man dem Dichter Unrecht, daraufhin auszusprechen, daß durch ihn etwas kalt Verstandesmäßiges in das warme Blut der griechischen Tragödie hineingekommen [2597] ist, so daß sogar der rasende Alcmeo und die des Gottes volle Cassandra (28ff. 63ff.) etwas äußerlich wirken; man muß ihn wohl eher rühmen, daß er – der dritte römische Tragiker – nicht noch weiter hinter den Griechen geblieben ist.
Bei den Prätexten kann man sich infolge eines glücklichen Zufalls wenigstens über E.s Arbeitsweise klar werden. Das einzige Fragment der Sabinae enthält die unwillige Frage einer der Geraubten an die Sabiner: ‚wenn ihr den Schwiegersöhnen ihre Waffen im Kampf entreißt, mit welcher Inschrift werdet ihr sie den Göttern weihen?‘, d. h. ‚wollt ihr darauf setzen: von unsern Schwiegersöhnen?‘ Vahlen hat dazu solch schlagende Parallelen verglichen wie Phoeniss. 571 u. a. E. hat also zum Aufbau seiner römischen Dramen Bausteine der griechischen Tragiker in ganz ähnlicher Weise benutzt wie den Homer für die Annalen.
Auf die Metrik der Dramen komme ich unten zurück; hier nur noch ein Wort von ihrer Chronologie. Zeitlich fixiert ist der Thyestes durch die Nachricht Ciceros (Brut. 78), daß er im Todesjahr des E. an den Ludi Apollinares zur Aufführung gebracht wurde. Beträchtlich älter war der Achilles, für den durch das Zitat des Plautus († 184) der terminus ante quem gegeben ist.
2) Kleinere Dichtungen.
An erster Stelle nennen wir die Satiren, mit denen E. zum Schöpfer der Gattung geworden ist. Seine vier Bücher Satiren (Porphyr. zu Hor. sat. I 10, 47; das Zitat aus dem sechsten Buch, v. 14ff. bei Donat zu Phorm. II 2, 25 ist als Ennianisch durch unsere Hss. gar nicht, sondern nur durch die Ausgabe, vielleicht also auch durch die Hs. des Stephanus beglaubigt) waren so verschiedenen Metrums wie Inhalts, die ersten Gedichte oder besser Gedichtbücher auf römischem Boden, die den Titel saturae in dem bekannten Sinne (carmen ex variis poematibus constans Diom. GL I 485 K.) tragen durften, für die er aber auch ganz einzig paßte. Bezeugt sind von Versformen Hexameter, Sotadeen, Iamben, Trochäen; wenn Lucilius für seine frühesten Bücher Senare und Septenare verwendet, ist er gewiß von E. abhängig. Vom Inhalt ist greifbar namentlich 1) die Fabel von der Haubenlerche, die wohl E. selbst wie Gellius II 29 auf Aesop zurückführte, und 2) der Streit zwischen Tod und Leben (Quintil. IX 2, 36. Dieterich Pulcinella 78), ferner – vorausgesetzt, daß die betreffenden Fragmente mit Recht den Satiren zugewiesen sind – 3) die Geschichte vom Flötenbläser und den Fischen (~ Herodot. I 141 nach wahrscheinlicher Vermutung C. O. Müllers zu Varro de l. l. VII 35. Norden verweist auf die ‚äsopische‘ Fabel 27 Halm, wo auch die Nutzanwendung wie bei der Haubenlerche nicht fehlt) und 4) als wenigstens beiläufig erwähnt, die Sage von den Arimaspen (Müller zu Varro VII 71). Die griechischen Vorbilder sind überall deutlich; für die pompösen Verse, mit denen sich E. in Buch III begrüßen ließ: Enni poeta, salve, qui mortalibus versus propinas flammeos medullitus hatte ich mir als griechische Parallele des Dionysios Chalkus (Athen. XV 669e) δέχου τήνδε προπινομένην τὴν ἀπ’ ἐμοῦ ποίησιν notiert, das nun auch Pascal (Studi sugli scrittori Latini, Turin 1900, 46) vergleicht. Eigentlich satirische Elemente [2598] im späteren Sinne sind nicht nur in den Fragmenten nicht nachzuweisen, sondern nach Diomedes GL I 485 überhaupt nicht vorhanden gewesen. Andere Berührungen mit der späteren Satire darf man gerade in der Vorliebe für Fabeln (Lucil. 534. 985ff. M. Hor. sat. II 6, 77ff.), vielleicht in dem allegorischen Gedicht erkennen, zu dem man etwa das Auftreten der Avaritia und Luxuria Persius V 132ff. vergleichen darf, auch wenn man sich bewußt ist, daß letzteres zunächst einer kynisch-stoischen Diatribe nachgebildet ist. Über die Epigramme s. u.
Bei der Mannigfaltigkeit von Form und Inhalt, wie sie die sicher für die Satiren bezeugten Fragmente ohne weiteres an den Tag legen, kann es nicht wundernehmen, daß man auf den Gedanken verfiel, der bei L. Müller sogar in der Anordnung der Fragmente zum Ausdruck gekommen ist, es möchten auch die nicht unter dem Titel saturae zitierten kleineren Werke des E. doch einen Teil jener vier Bücher gebildet haben. Diese Vermutung findet anscheinend eine gewisse Stütze darin, daß Scipio v. 8 testes sunt campi magni (übrigens bei Cic. de or. III 167 nicht einmal ausdrücklich für den Scipio bezeugt) allerdings dem Fragment testes sunt lati campi usw., das Nonius 66 aus dem dritten Buch der Satiren zitiert, auffallend ähnlich ist und man sich das Enni poeta salve gut und gern als Einleitung eines Gedichtes wie der Scipio denken kann. Auch daran wird man erinnern können, daß wir innerhalb der Satiren formelle Berührungen mit dem Sota gefunden haben; ja wer dazu neigt, inhaltliche Beziehungen der Ennianischen Satire zu der späteren aufzustöbern, wird vielleicht auch auf den Parallelismus der Hedyphagetica mit Lucilius 1235ff. und Horaz sat. II 4 Gewicht legen. Hinzufügen mag man endlich, daß auch das 16. Buch des Lucilius den Sondertitel Collyra trug (Porphyr. zu Hor. c. I 12, 10).
Und doch reicht wohl nicht einmal das erste Argument zum Beweise aus, namentlich wenn man es mit den Gegengründen konfrontiert. Nie wird zitiert Lucilius in Collyra statt Lucilius in XVI, dagegen wiederholt Ennius in Scipione, in Sota Enni usw. Und von all denen, die E.s kleinere Gedichte erwähnen oder daraus zitieren, werden sie nie in irgendwelche Beziehung zu den Satiren gesetzt (s. z. B. Fronto p. 61 N.; vgl. Vahlen CCXVf.). Für den Euhemerus wird zudem unten nachgewiesen werden, daß er ein Prosabuch war; wie hätte er also in den Satiren eine Stelle finden können?
Über die einzelnen kleineren Werke des E. sei folgendes bemerkt. Über den Scipio steht die Hauptnachricht bei Suidas unter Ἔννιος: Σκιπίωνα ἄιδων καὶ ἐπὶ μέγα τὸν ἄνδρα ἐξᾶραι βουλόμενός φησι μόνον ἂν Ὅμηρον ἐπαξίους ἐπαίνους εἰπεῖν Σκιπίωνος· δῆλον δὲ ὡς ἐτεθήπει τοῦ ποιητοῦ τὴν μεγαλόνοιαν καὶ τῶν μέτρων τὸ μεγαλεῖον καὶ ἀξιάγαστον. Mit Sicherheit gehören hierher nur drei Fragmente, zwei trochäische (VI mit der schönen Schilderung der sich auf Himmel, Erde und Meer senkenden Ruhe, und VII) und der Hexameter (denn ein solcher soll es ja doch wohl sein, VIII) sparsis hastis longis campus splendet et horret. Daß das keine Prätexta war, sondern ein episches Gedicht, zeigt die Angabe des Suidas über Homer, [2599] die doch wohl das Ennianische Prooemium wiedergibt. Dann wird man aber auch nicht gut bezweifeln können, daß der Scipio vor die Annalen fällt. Denn sonst hätte E. ja wohl mit dem Scipio nur wiederholen können, was er in den Annalen gesagt hatte. Vor allem aber konnte sich so über Homer nicht mehr ausdrücken, wer, wie E. im Eingang der Annalen, sich geradezu mit Homer identifiziert hatte. Vielleicht darf man hiernach auch im Metrischen den Scipio als eine Vorstufe der Annalen ansehen: ἐτεθήπει τῶν μέτρων τὸ μεγαλεῖον, und darum vielleicht wählte er für diesen epischen Versuch noch nicht durchweg den Hexameter und fielen seine Hexameter noch so steif aus (doch s. u. S. 2623, 13). Wie er freilich Trochäen und Daktylen zu ein und demselben Epos zu verbinden wußte, das ist eine schwierige Frage. Der Anlaß zu dem Gedichte war, wenn es vor die Annalen fiel, gewiß nicht erst der Tod Scipios.
Die Mischung der Metren (Daktylen neben Trochäen) findet sich ganz ähnlich in den Resten der Ambracia wieder, die, wie oben gesagt, die Einnahme der aitolischen Stadt durch E.s Gönner Fulvius Nobilior im J. 189 schilderte. Vielleicht also braucht man sie nicht notwendig mit Ribbeck (Röm. Tragödie 207ff.) u. a. als Prätexta anzusehen, sondern kann sie demselben εἶδος wie den Scipio zuweisen, was sich aus früher erörterten Gründen empfiehlt.
All die anderen kleineren Schriften des E. sind Bearbeitungen, vielleicht auch nur Übersetzungen. Die freigeistig-rationalistische Sinnesart des E., die sich schon nach seiner Vorliebe für Euripides und der Auswahl namentlich der Melanippe ahnen läßt, dokumentiert sich hier besonders deutlich. Vielleicht gerade Euripides führte ihn auf jene ὑπομνήματα ἐν οἷς φυσιολογεῖ καὶ γνωμολογεῖ ὁ Ἐπίχαρμος, denn diese sind ja doch wohl, wie immer es um ihren Ursprung stehe, bereits von Euripides benutzt worden. E. entnahm daraus eine physikalische Erklärung von Gott und Welt (vgl. Menand. frg. 537 K.), die er in dem den Epicharmea eigentümlichen Tetrameter vortrug oder vielmehr wohl von Epicharm selber vortragen ließ (Epicharmus dicit, Epicharmus Enni appellat Varro de l. l. V 59. 68). Die Einkleidung war nach älterer Vermutung die, daß E. träumte, er sei gestorben, und nun im Jenseits dem Epicharm begegnete, der ihm seine Weisheit vortrug (Cic. Acad. pr. II 51). Daneben hat Dieterich (Nekyia 132) eine an sich sehr verlockende andere Erklärung gestellt: der Träumende sei Epicharm, die Aufschlüsse im Jenseits habe er von Pythagoras selbst erhalten. Aber wenn Cicero sich an der angeführten Stelle genau ausgedrückt hat, kann es sich nur um einen eigenen Traum des E. handeln, man müßte denn gerade gegen die Wahrscheinlichkeit annehmen, daß Cicero selbst in dem Redenden fälschlich E. statt des Epicharm gesehen habe. In jedem Fall stand das Prooemium im Zusammenhang mit jener Literatur, der auch Ciceros Somnium Scipionis (d. h. wohl Poseidonios) u. dgl. angehört. Solche Einkleidung mochte hier, abgesehen von dem Einfluß anderer poetischer Traumprooemien, von denen bei den Annalen zu reden sein wird, darum besonders naheliegen, weil in den Epicharmea die prophetische Natur der Träume besonders betont war (Tertull. de an. 46). [2600] Da die Epicharmea starke Spuren Pythagoreischer Doktrin zeigen, so ist es auch nicht unwahrscheinlich, daß die eigentümliche Seelenwanderungslehre im Eingang der Annalen mit den Epicharmstudien des E. im Zusammenhang stand (s. u.). Für die Form des Epicharmus muß noch bemerkt werden, daß wohl in ihm das Akrostichon Q. Ennius fecit angewandt war (Cic. div. II 111). Denn gerade für jene angeblichen Hypomnemata des Epicharm ist bezeugt: παραστιχίδα ἐν τοῖς πλείστοις τῶν ὑπομνημάτων πεποίηκεν, οἷς διασαφεῖ ὅτι ἑαυτοῦ ἐστι τὰ συγγράμματα (Diog. Laert. VIII. 78; vgl. Pascal a. a. O. 23f. und im ganzen Kaibel Com. Frg. 133ff. Diels Vorsokratiker 89ff. 100f.). Trifft diese Kombination das Richtige, so folgt erstens, wie Wünsch bemerkt, daß der Vers nam videbar somniare med ego esse mortuom der dritte oder vierte bezw. neunte oder zehnte des Epicharmus war. Zweitens ergibt sich chronologisch, daß, wenn Mommsen mit Recht den E. seinen Vornamen von Q. Fulvius Nobilior übernehmen läßt (o. S. 2591, 55), der Epicharmus nach 184 fallen muß.
Auch an den Euhemerus knüpfen sich nicht wenige und nicht leichte Fragen. Das eine scheint mir zunächst sicher, daß aus Ciceros Äußerung (nat. deor. I 119) Euhemero, quem noster et interpretatus est et secutus praeter ceteros Ennius (wörtlich benutzt von Lact. div. inst. I 11, 34) nicht mit Vahlen CCXXI gefolgert werden kann, E. habe neben Euhemeros als der Hauptquelle noch andere benutzt; Varro spricht rer. rust. I 48, 1 nur von einer Version und das praeter ceteros bei Cicero geht auf das Subjekt, nicht auf das Objekt (die Wortstellung ist durch den Rhythmus bestimmt). Das secutus bezieht sich wohl darauf, daß E. nicht ganz ohne Zusätze auskam, von deren Art man sich nach Z. 78 (Pluto latine est Dis pater, alii Orcum vocant) eine Vorstellung machen darf.
Auch die Frage, ob Vers oder Prosa, läßt sich wohl bestimmt beantworten. Eine gewisse Präsumption scheint bei E. natürlich zu Gunsten von Versen vorhanden zu sein; B. ten Brink (M. Terentii Varronis locus de urbe Roma, Utrecht 1855) hat daraufhin die, soweit sie sicher sind, durchweg bei Lactanz erhaltenen Reste des Euhemerus in Septenare gebracht, und noch Vahlen glaubt in diesen Resten iambisch-trochäischen (Nemethy in seiner Ausgabe des Euhemeros gar daktylischen) Rhythmus erkennen zu können. Diese Ansicht ist aus den verschiedensten Gründen unhaltbar. Das Zeugnis des Columella IX 2 Euhemerus poeta ist aus mehr als einem Grunde bedenklich (Sieroka De Euhemero, Königsberg 1869, 22. Crusius Rh. Mus. XLVII 63. Jacoby unten im Art. Euhemeros). Lactanz aber kontrastiert ausdrücklich Euhemerus-E. als sacra historia und verae litterae (I 14, 1) oder auch als antiquarum rerum scriptores (I 11, 47) und veteres historiae (I 11, 33) mit den poetarum ineptiae. Das lange frg. III gibt er als wörtliches Zitat (I 14, 1 haec Enni verba sunt), ebenso frg. VII (Ennius, cuius haec verba sunt I 11, 34). Man hat sich darüber mit der Annahme hinwegzuhelfen gesucht, Lactanz habe eine Prosametaphrase des Ennianischen Euhemerus als echt benützt. Wer wirklich an dieser [2601] ad hoc erdachten Hypothese mit ihrem unglaublichen Zickzackweg (Prosa des Euhemeros – Verse des E. – Metaphrase in Prosa) festhalten wollte, müßte jedenfalls zugeben, daß der Versuch, Spuren irgend eines poetischen Rhythmus aus dieser Metaphrase herauszufischen, verfehlt ist. Denn diese Prosa zeigt allerdings Rhythmus – aber jenen asianischen mit –⏑––⏓–⏑, –⏑––⏑ und –⏑––⏑–, der, wie ich doch gleich bemerken will, natürlich nicht erst durch Cicero in Rom vertreten war (Norden Kunstprosa 169ff.). Daß jemand, der so rhythmisierte, nicht so unsorgfältig verfahren sein wird, daneben iambisch-trochäische oder daktylische Versteile stehen zu lassen, selbst wenn das an sich möglich gewesen wäre, ist wohl selbstverständlich. So aber wird es, denke ich, nun erst möglich einer anderen Beobachtung Vahlens gerecht zu werden. Vahlen hat am Schlusse der Prolegomena allerlei einzelne sprachliche Berührungen der Fragmente des Euhemerus mit andern E.-Stellen gesammelt; man könnte wohl noch einzelnes zufügen, insbesondere aber ähnliche Übereinstimmungen mit andern zeitgenössischen Schriftstellern. Umgekehrt enthalten die Fragmente schwerlich irgend ein Idiom späterer Zeit, das sich nicht aus einer geringen Unachtsamkeit des Lactanz erklären ließe (clam Saturno Z. 76 statt Saturnum, postmodum Z. 129 statt postmodo; ganz unbegreiflich ist Schanz’ Urteil Lit.-Gesch. I² 71 ‚eine Prosa, die gar nichts Altertümliches enthält‘). Was aber mehr besagt, der Stil des Ganzen ist der alte echte lateinische Prosastil; es ist, wie ich meine, unverkennbar die eigentümlich schlichte, etwas umständliche und doch höchst eindrucksvolle Art der Darstellung, wie wir sie aus Catos Origines und ähnlichen gleichzeitigen und etwas jüngeren Fragmenten kennen. Und in Catos Reden fehlt es auch schon nicht an Spuren jener Klauseltechnik, die im Lauf des 2. Jhdts. sich mehr und mehr ausbreitet. Ihre Anwendung im Euhemerus wird für die hier vorgetragene Ansicht insbesondere noch dadurch wichtig, daß sich hier und da alte Prosodie zu manifestieren scheint (Saturnu’ regnaret Z. 68f. –⏑––⏑, Iuppiter sacrificavit Z. 101 –⏑–⏕⏑–⏑, d. h. Muta cum liquida macht keine Position, ähnlich Z. 105f.). Ob der Euhemerus wie sein Original mehrere Bücher umfaßte, ist aus des Varro Ausdruck Ennius in Euhemeri libris versis (r. r. I 48, 1) nicht sicher zu erschließen. Als Titel gibt Lactanz teils Euhemerus (I 13, 14), teils sacra historia (bes. I 11, 45 und 63 Ennius in sacra historia). Den griechischen Titel ἱερὰ ἀναγραφή gibt am genauesten sacra scriptio (I 14, 6) wieder, wie Jacoby (s. seinen Artikel Euhemeros) mit Recht hervorhebt. Der Titel Euhemerus bezeichnet entweder Euhemerus als den Vortragenden (kaum glaublich, wenn man einen Zusatz wie Pluto latine est Dis pater bedenkt) oder als Verfasser; letzteres ist das durchaus wahrscheinliche, wenn man bedenkt, daß Lactanz z. B. auch I 11, 64 Caesar in Arato zitiert oder daß Accius seine astrologische Schrift Praxidicus nannte (Röper De Ennii Scipione, Danzig 1868, 17. Crusius Philol. LVII 642ff.). Beachte auch den gleich zu erwähnenden Sota des E. und anderes.
Über die sonstigen kleineren Arbeiten des E. [2602] bleibt wenig zu sagen. Sota, d. h. Σωτᾶς, Kurzform zu Σωτάδης (Fick-Bechtel Personennamen 29), enthielt Nachahmungen des Alexandriners in dem für ihn charakteristischen Metrum; mehr läßt sich bei der Dürftigkeit der Fragmente nicht sagen. Protrepticus (Charis. p. 54) oder praecepta (Prisc. I 532 H.) in Hexametern bildet ein nicht bestimmbares griechisches Vorbild der protreptischen Gattung nach; ein etwas umfänglicheres Fragment hatte wohl den Zusammenhang ‚Unkraut unter dem Weizen rottet man sorglich aus (so soll mans auch in geistiger Hinsicht machen)‘. Von den Hedyphagetica (hediphagitica Florentinus) sind elf frei gebaute Hexameter (s. Abschn. III) durch Apuleius (apol. 39) erhalten; ob E. selbst sein Werk so betitelt hatte, läßt sich aus den Worten des Apuleius nicht mit absoluter Sicherheit erschließen. Ebensowenig ist für gewiß zu ersehen, ob uns ein zusammenhängendes Stück oder disiecti membra poetae vorliegen. Wahrscheinlicher ist mir das letztere, denn in v. 36 bleibt die einleuchtendste Herstellung Ambraciai Finis, der gegenüber Vahlens Beobachtung in his versibus sententias per versuum fines absolvi bei dem geringen Induktionsmaterial wenig besagen will. Die Frage ist darum nicht unwichtig, weil sich darnach die weitere beantwortet, wie E. bei Bearbeitung seiner griechischen Vorlage, der ἡδυπάθεια des Archestratos von Gela, verfahren ist. Ist, wie Vahlen will, das, was Apuleius gibt, ein zusammenhängendes Stück, dann hat E. hier wieder von jenem oben mit dem Verhältnis Vergils zu Arat exemplifizierten Verfahren Gebrauch gemacht, die Verse der Vorlage kaleidoskopisch durcheinander zu würfeln. Denn v. 35f. übersetzen Archestr. frg. LVI v. 1–3 Br., aber das weitere hat nur in andern Fragmenten des Archestratos Entsprechungen.
Unter die Varia stellen unsere Ausgaben mit dem Titel Epigrammata distichische Grabschriften für den Dichter selbst und für Scipio; die Authentie der ersteren ist öfters bezweifelt worden, aber die Alliteration dacrumis decoret, die Bergk erkannte (lacrimis decoret die Hss. bei Cic. Tusc. I 34. 117; sen. 73), weist sie allein wohl schon in recht alte Zeit. Die distichische Grabschrift des Metrophanes im 22. Buche des Lucilius legt den Gedanken nahe, daß auch die Ennianischen Epigramme in den Satiren ihren Platz gehabt haben könnten.
3) Die Annalen
Als das Hauptwerk des E. sah schon das Altertum die Annalen an, und tatsächlich ist er mit ihnen in ganz anderem Sinne als mit den Satiren ein Schöpfer geworden. Die spätere Satire hängt mit der des E. doch nur im allgemeinsten zusammen und bildet, ob auch einen eigenartigen, doch nur einen Teil der römischen Poesie; ohne die Annalen, darf man wohl sagen, wäre alle weitere römische Poesie gar nicht oder ganz anders geworden. In den Annalen ist die Form gefunden, die zwar ständig verfeinert und veredelt wurde, ohne die wir uns aber die römische Poesie, wie sie nun einmal ward, die daktylische und die andere, gar nicht denken können. Das historische Epos hat in griechischer Sprache schon Vertreter gehabt, die für uns allerdings meist kaum mehr als Namen sind. Ich habe die Männer, die nicht so gar lange vor E. zeitgenössische Kriege sangen, [2603] schon oben genannt. Aber auch an Rhianos hat Ribbeck gerade zum Vergleich mit E. treffend erinnert, der, da ihn Suidas einen Zeitgenossen des Eratosthenes nennt, vermutlich zu E.s Lebzeiten annosae Messanae bella nocentis und den Aristomenes besang (Meineke Anal. Alex. 190ff.). Dergleichen hat gewiß auf Naevius gewirkt, als er das bellum Poenicum schrieb, und auch dessen Vorgang war, wie es natürlich ist und von Cicero (Brut. 76) sogar wohl über Gebühr betont wird, für E. nicht verloren. Aber der kühne Plan, nicht eine ausgewählte Episode der Geschichte und etwa noch wie Naevius ihre Vorgeschichte in Verse zu bringen, sondern in chronologischer Folge die ganze Stadtgeschichte zu schreiben, hat seine Analogien doch nur auf dem Gebiete der Prosa. Den Fabius Pictor kann und wird E. gelesen haben, vielleicht auch Cincius Alimentus (Diokles von Peparethos darf man wohl ausscheiden, s. Schwartz o. S. 797f.; das Werk des Postumius Albinus mußte man, da er erst 155 Praetor war, in E.s allerletzte Lebenszeit setzen, auch ehe noch der Anonymus Cortesianus durchschaut war; alle anderen einschlagenden römischen Historiker kommen aus chronologischen Gründen nicht in Frage; über Timaios s. u.). Wenn, wie man annimmt, von des Fabius und Cincius Werken zu E.s Zeit nur die griechische Fassung vorlag, so gestattet der Titel seiner Dichtung vielleicht zu erschließen, woher E. den Faden seiner Darstellung entnahm. Der Titel war annales; das zeigt nicht nur die ungeheure Menge der Zitate (das älteste Lucil. 343), sondern auch die Nachahmung bei Accius und Furius Bibaculus (vgl. auch Hostius bei Prisc. I 270 H. und die annales Volusi Catull. 36); Romanis (Romais Reifferscheid Jahrb. f. Philol. LXXIX 157) bei Diomed. GL I 484 steht ganz vereinzelt. Wenn aber noch kein lateinisches Geschichtswerk ihm den Namen annales bot, wie konnte E. darauf verfallen? Doch nur in Erinnerung an die annales pontificum (natürlich nicht die edierten, denn die Edition fällt ja lange nach E.s Tod). Und zweierlei scheint mir einen Zusammenhang des E. mit diesen zu beweisen. Erstens haben wir noch Spuren davon, daß er praescriptis consulum nominibus (Serv. Aen. I 373) erzählte (v. 295 Quintus pater quartum fit consul 214 v. Chr. ~ Liv. XXIV 9; v. 303f. additur orator Cornelius suaviloquenti ore Cethegus Marcus Tuditano collega M. filius 204 v. Chr. ~ Liv. XXIX 13 P. Sempronio M. Cornelio coss.; v. 329 Graecia Sulpicio sorti data, Gallia Cottae 200 v. Chr. ~ Liv. XXXI 5. 6 P. Sulpicio Galba C. Aurelio coss. … P. Sulpicio provincia Macedonia sorte evenit … Aurelio Italia provincia obtigit; v. 331 egregie cordatus homo catus Aelius Sextus 198 v. Chr. ~ Liv. XXXII 7. 8). Zweitens aber erinnert v. 163 nonis Iunis soli luna obstitit, et nox auch im Wortlaut unleugbar an die bekannte Äußerung Catos bei Gell. II 28, 6: non lubet scribere quod in tabula apud pontificem maximum est, quotiens annona cara, quotiens lunae aut solis lumine caligo aut quid obstiterit; ja nicht nur eine Übereinstimmung im allgemeinen zwischen E. und den tabulae pontificum (gegenüber Cato) läßt sich hier konstatieren, sondern gerade auch [2604] bei dieser einzelnen Sonnenfinsternis trafen beide überein (Cic. rep. I 25).
Einen kunstvollen Gesamtplan kann man schon der annalistischen Abfolge wegen für das große Epos kaum voraussetzen. Diese aprioristische Annahme findet ihre Bestätigung darin, daß der Dichter sein Werk stückweise ausgearbeitet und bei verhältnismäßig unbedeutenden Ereignissen seiner Zeit mit besonderer Breite verweilt hat. Über diese Gesamtanlage des Epos hat Vahlen in einer wichtigen Abhandlung gesprochen (Über die Annalen des E., Abh. Akad. Berl. 1886), aber ohne, wie ich meine, einigen Vermutungen früherer, namentlich Βergks, gerecht zu werden. In jedem Fall empfiehlt es sich, die Verteilung des Stoffes über die 18 Bücher unter Angabe der wichtigsten Kontroversen kurz zu überblicken.
Das erste Buch begann mit dem nach der üblichen Annahme den Aitien des Kallimachos nachgebildeten Traum des E. (Dilthey De Callim. Cyd. 15f.; im allgemeinen Skutsch Aus Vergils Frühzeit 34f., wo weitere Parallelen). E. wird auf den Helikon entrückt (so Kallimachos; Lucr. I 118. Prop. III 3, 1; den Parnaß nennt Persius prol. 2 mit den Scholien zu dieser Stelle und zu VI 1, vielleicht aus metrischen Gründen; übrigens bemerken mir Norden und Jacoby, daß alle diese Stellen nicht zwingen, den Traum auf dem Helikon zu lokalisieren und das Prooemium auf Kallimachos zurückzuführen). Hier sieht er den Homer erscheinen, der ihm berichtet, daß seine Seele durch das Mittel eines Pfaus auf E. übergegangen sei (die Testimonia s. bei Vahlen zu XI und XII). Durch Persius VI 11 cor iubet hoc Enni, postquam destertuit esse Maeonides Quintus pavone ex Pythagoreo haben sich die Scholien, unter unglücklicher Einmischung der Tradition über Euphorbos-Pythagoras (vgl. Tertull. de anim. 34), verleiten lassen, im Namen Quintus ein Wortspiel zu finden und auch jene beiden als Zwischenstationen der Metempsychose anzusehen. Ähnlich hat Ribbeck Röm. Dicht. I 35 geurteilt, wohl auf Grund des Horazischen Ausdrucks somnia Pythagorea (ep. II 1, 51), der aber doch nicht mehr besagen soll, als ‚Traum von der Seelenwanderung‘. Der Pfau erscheint natürlich als der Vogel von Samos, der Heimat des Ρythagoras (Hehn Kulturpflanzen⁷ 354). Hier standen aller Wahrscheinlichkeit nach die Verse über das Verhältnis der Seele zum Leibe bei Geburt und Tod (frg. VIII–X; vgl. Lucr. I 112ff.); Homer gab eine auf das Werden des Alls gegründete Theorie der Seelenwanderung, um den merkwürdigen Einzelfall zu erklären. Wenn die betreffenden Fragmente, wie man beobachtet hat, zu Epicharmischen Resten stimmen (IX ~ frg. 172 K. VIII ~ 265 K. 22 D. X ~ 245 K. 9 D. u. a.), so braucht das weder abgeleugnet zu werden noch an der Zuteilung zum ersten Buch der Annalen irre zu machen; es ist gar nicht abzusehen, warum E. zu der Darstellung der Pythagoreischen Lehre nicht auch hier seine Epicharmstudien hätte verwenden sollen. Natürlich hat E., wenn er sich in dieser Weise als alter Homerus einführte – wie ihn später Lucilius bezeichnete (1189) –, ein nicht geringes Selbstvertrauen bekundet; aber da das übrigens nicht sicher herzustellende frg. III überliefert ist nam [2605] latos populos res atque poëmata nostra cluebant, so kann man es wohl als ein Stück der Rede Homers ansehen, auch wenn Lucrez in der beziehungsreichen Stelle I 112ff. ähnlich von E. selber spricht.
Der neue Homer hub sodann an mit Troias Zerstörung und Aeneas Flucht. Daß er dieser viel Raum gewidmet habe, auf irgend welche Stationen derselben eingegangen sei, machen keine Fragmente glaublich. Wir finden Aeneas in Hesperien, dem König von Alba – so scheint es – von seinen Ahnen berichtend und vielleicht mit dessen Tochter vermählt. Denn mit Eurydica prognata scheint in frg. XXVIII Ilia, die Tochter des Aeneas, ihre bedeutend ältere Halbschwester anzureden (Eurydica war die Gattin des Aeneas in den Kyprien, Paus. X 26, 1; anus will freilich jetzt auch Vahlen CLIV Anm. auf eine Dienerin beziehen; doch weiß ich nicht recht, warum Ilia erst bei Licht ihre Erzählung beginnen kann, wenn die Schwester schon vorher zugegen ist; im übrigen ändert sich im folgenden nichts Erhebliches, auch wenn man die andere Deutung befolgt). Dies frg. XXVIII, zu den umfangreichsten der Annalen gehörend, schildert den vorbedeutenden Traum der Ilia in Form einer nächtlichen Enthüllung an eine ältliche Confidente, wie sie E. aus der alexandrinischen Poesie her kannte. Freilich ist die Erzählung von außerordentlicher Simplizität und weit entfernt von jener Detailmalerei, wie sie ein zeitgenössischer Grieche hierbei wenigstens im Psychologischen angewendet haben würde (nur etwa tremulis anus attulit artubus lumen erinnert an das Genre). Aber diese schlichte Einfalt, die die großen Züge der Erzählung nicht durch zierlich gekräuselten Faltenwurf verhüllt, verfehlt auch heute noch die Wirkung auf den Leser nicht. Der Traum erfüllt sich an Ilia: auf Befehl des Albanerkönigs Amulius zu Antemnae (Bücheler Rh. Mus. LVII 321) in den Fluß gestürzt, wird sie die Gemahlin des Anio (Porphyr. zu Hor. c. I 2, 18). Es folgt die Aussetzung der Zwillinge, ihre Ernährung durch die Wölfin und die weitere bekannte Reihe der Ereignisse, daraus fast vollständig erhalten die Erzählung vom Stadtgründungsaugurium durch Cic. div. I 107f. (vgl. die vortreffliche Abhandlung von Vahlen S.-Ber. Akad. Berl. 1894, 1143ff.). Auch hier wirkt auf den Leser keine kleinliche Ausmalung; wenig Schmuck der Rede durch verhältnismäßig sparsam angewendete Klangfiguren, wenige und bescheidene schmückende Beiworte, ein paar Bilder, von denen aber nur eins (84ff.) näher ausgeführt ist, im ganzen der eigentlichste Ausdruck, der gewählt werden konnte – und der Leser empfindet doch die feierliche Spannung mit, in der die Volksmenge auf den Ausgang des Bruderstreites wartet. Dann ist in den Fragmenten kenntlich der Hohn des Remus und sein Tod, der Raub der Sabinerinnen und die Vergottung des Romulus, die in einer Götterversammlung dem Mars von Iuppiter zugesagt worden war (Varro de l. l. VII 6. Ovid. met. XIV 812; fast. II 485). An welcher Stelle des Buches diese Götterversammlung anzusetzen ist, läßt sich nicht entscheiden. In jedem Fall ist es interessant zu sehen, wie E. im historischen Epos den seit Homer üblichen mythologischen Apparat benützt. So [2606] übrigens nicht nur hier, sondern auch in greifbar geschichtlicher Zeit bei der Darstellung der Kriege mit Pyrrhos (v. 175f.) und mit den Puniern (Verg. Aen. I 20 und dazu Servius). Nach der Vergottung des Romulus folgte anscheinend noch die der Hersilia als Hora Quirini, und damit wird das erste Buch seinen wirkungsvollen Schluß gefunden haben, an den der von Ovids Metamorphosen XIV nicht zufällig erinnern mag.
Die Erzählung weicht von der des Fabius Pictor in nicht unwesentlichen Stücken ab. Dieser schob z. B. zwischen Aeneas und Numitor-Amulius die Reihe der albanischen Könige ein (Plut. Romul. 3). Ganz isoliert – da die Schlüsse von Holzapfel Riv. di stor. ant. 1904, 108ff. aus dem Sibyllinum bei Dio LVII 18 nicht sicher sind – steht E. bis jetzt mit seinen Angaben über das Gründungsjahr Roms. Denn wo immer v. 501 stand, man kann es, da E. von jenem Jahr bis auf seine Zeit rund 700 Jahre rechnet, nicht anders als in das erste Drittel des 9. Jhdts. legen. Über die Unmöglichkeit, Enkel des Aeneas so spät anzusetzen, wird sich E. gewiß nicht den Kopf zerbrochen haben; aber wie er sich mit den chronologischen Schwierigkeiten der Königszeit (880–510) abgefunden und woher er sein Gründungsdatum entnommen hat, möchte man wohl wissen. L. Müllers willkürliche Vermutungen hat Geffcken (Timaios Geogr. d. Westens 49f.) widerlegt; von ihm kann man auch lernen, wie sehr die Gründungslegende bei Timaios (Lykophr. 1226ff.) von E. abwich. Auffällig ist, daß, wie oben erwähnt, die Annales maximi und E. im Ansatz einer Sonnenfinsternis auf 350 d. St. übereinstimmten; nach E.s Rechnung (Vahlen rechnet zu v. 163 nicht gut nach der Varronischen Aera) würde man etwa an die Zeit von 550–520 zu denken haben, in welcher es für Rom mehrere totale Sonnenfinsternisse gab (Ginzel Spezieller Kanon der Sonnen- und Mondfinsternisse, Berlin 1899, 53f.).
Daß das zweite Buch mit Numa Pompilius begann, ist zwar nicht auf Grund der Fragmente festzustellen, hat aber doch alle Wahrscheinlichkeit für sich, ebenso daß im weiteren Verlauf des Buches Tullus Hostilius und Ancus Marcius (Anlage von Ostia v. 144f.) ihren Platz hatten. Dann brachte das dritte Buch wohl die Königszeit zu Ende (Tarquinius Priscus v. 150), das vierte und fünfte führten hinunter bis zu den Kriegen mit Pyrrhos, müssen also die Kämpfe mit den Italikern und Galliern geschildert haben, doch ist hier bei der Dürftigkeit der bestimmt diesen Büchern zugeschriebenen Fragmente nichts Einzelnes zu erkennen. Die Kriege mit Pyrrhos hatten dann ihren Platz im sechsten Buch, das mit besonderem feierlichem Prooemium begann (denn nur dann konnte der von Quintil. VI 3, 86 erzählte Witz Ciceros recht wirken, wenn der von ihm zitierte Vers Quis potis ingentis oras evolvere belli als Einleitung des sechsten Buchs allgemein bekannt war). Von Einzelheiten sind namentlich die Rede des Pyrrhos (frg. XII = Cic. off. I 38) und ein Stück aus der Rede des Appius Claudius Caecus (frg. XIII, Cic. de sen. 16) kenntlich, beide wichtig für die Beurteilung Ennianischer Art. Das erste stellt seine dichterische Kraft abermals in günstigstes Licht; Antithesen [2607] sind reichlich angewendet, aber nicht ausgeklügelte, sondern solche, die aus der Sache selbst sich ungesucht ergeben, und die Rede ist darüber nicht zu einem rhetorischen Prunkstück geworden, das in jedes Mund so gut paßt wie in keines; es ist wirklich eine Persönlichkeit, die hier spricht, knapp und energisch: der Kriegsfürst bellipotens magis quam sapientipotens – spätere Epiker mögen zehnmal glatter sein, sie sind nicht ein Zehntel so charakteristisch. Die Worte des Appius sind dadurch merkwürdig, daß seine echte Rede herausgegeben war und noch über die ciceronische Zeit bekannt blieb und deren an verschiedenen Stellen überlieferter Anfang nicht mit dem ennianischen übereinstimmt (vgl. o. Bd. III S. 2685); E. hat also hier von einem bekannten antiken Stilprinzip Gebrauch gemacht.
Wichtige Aufschlüsse hat die allmählich fortschreitende Arbeit der Erklärer für das siebente Buch ergeben. In dessen Einleitung hatte E. von dem gesprochen, der vor ihm den ersten Punischen Krieg in Saturniern gesungen hatte, und mit lebhaftem Selbstgefühl seinen Fortschritt über Naevius hinaus betont (frg. I). So für sich selbst einzutreten hatte er aber darum besonderen Anlaß, weil es den früheren Büchern an scharfen Kritiken nicht gefehlt hatte. Bereits Dacier (Fest. s. sas), klarer L. Müller (Q. Ennius 130) haben erkannt, daß frg. II nec quisquam sophiam, sapientia quae perhibetur, in somnis vidit prius quam sam discere coepit eine Beziehung auf den das erste Buch einleitenden Traum enthält: die Gegner warfen dem E. vor, daß er sein ganzes Können dem inspirierenden Traum verdanke, er erwidert etwa in dem Sinne, den Cicero rep. VI 10 mit den Worten ausdrückt: fit fere ut cogitationes sermonesque nostri pariant aliquid in somno tale quale de Homero scribit Ennius, de quo videlicet saepissime vigilans solebat cogitare et loqui. Wenn aber diese Vermutung allen Schein für sich hat, dann ergibt sich weiter, daß L. Müller mit Recht Buch I–VI zunächst gesondert als ein Ganzes veröffentlicht sein läßt. Gern wüßte man, wie E. sich im einzelnen zu Naevius verhielt; aber man kann schwerlich mehr sagen, als daß Ciceros Worte (Brut. 75) übertrieben sind qui si illum ut simulat contemneret, non omnia bella persequens primum illud Punicum … reliquisset. Denn einerseits stehen sie in einem gewissen Widerspruch mit dem gleich folgenden sed ipse dicit cur id faciat; ‚scripsere‘ inquit ‚alii rem versibus‘; et luculente quidem scripserunt, etiamsi minus quam tu polite. nec vero tibi aliter videri debet, qui a Naevio vel sumpsisti multa si fateris vel si negas surripuisti – und man wird gern glauben, daß sich E. die Gelegenheit zu solcher μίμησις nicht entgehen ließ. Außerdem aber wird nicht nur v. 223 (freilich bei Cic. inv. I 27 anonym überliefert) der Anfang des ersten Punischen Krieges bezeichnet, sondern es schildern v. 225ff. noch jetzt ausführlich den Bau der ersten römischen Flotte und die Einübung der römischen Ruderer, wie schon Columna unter Vergleich mit Polyb. I 21 erwiesen hat, und kein Fragment des 7. Buches führt bis in den zweiten Punischen Krieg hinein. Diesen behandeln vielmehr Buch [2608] VIII und IX. Denn gewiß im letzteren war das Consulat des J. 204 erwähnt (v. 303); wenn Cicero (Brut. 58) davon anscheinend unsicher schreibt in nono ut opinor annali, so sehen Vahlen (Über die Annalen usw. 15 Anm.) und Marx (DLZ 1886, 152. 1904, 2748) hierin mit Recht nur einen Kunstgriff, der dem Scheine eines wirklichen Gesprächs dienen soll. Wenn aber das Buch bis 204 führte, dann gewiß doch auch bis zum Ende des zweiten Punischen Krieges. Dies wird dadurch bestätigt, daß wir in Buch X mit Wahrscheinlichkeit auf den zweiten Makedonenkrieg zu beziehende Fragmente finden (II und IV, vgl. Bücheler Rh. Mus. XXXVI 334) und das zu diesen gehörige Prooemium bei Gell. XVIII 9, 3 doch schwerlich anderswo als im Anfang des Buches gestanden haben kann. XI und XII führten die Ereignisse herunter bis zum Kriege mit Antiochos, der durch das Fragment bei Gell. VI 2, 3 für das dreizehnte Buch gesichert ist. Zu einer erheblichen Streitfrage gibt von diesen Büchern nur das zwölfte Anlaß. Nach Gell. XVII 21, 43 hätte Varro in primo de poetis berichtet, E. sage in diesem Buch, daß er 67 Jahre alt sei. Vahlen meint, der Dichter habe den Abschluß der zweiten Hexas zum Anlaß genommen, ausführlicher von seiner Lebenslage zu reden, gleichzeitig aber, da das unus homo nobis für dies Buch bezeugt ist (Macrob. VI 1, 23), hier eine retrospektive Heldenschau veranstaltet. Aber nicht eins der übrigen von Vahlen hierher gestellten Fragmente ist mit Buchangabe überliefert und die des auf Fabius Maximus bezüglichen unus homo zweifelhaft (VII der codex Salisb. des Macrobius). Aber auch wer dies Fragment ins zwölfte Buch setzt, muß das auf beliebigem andern Wege erklären als Vahlen. Denn, wie man fast allgemein annimmt, bei Gellius kann die Buchangabe gewiß nicht richtig sein. Es ist an sich allenfalls möglich, aber sicher nicht wahrscheinlich, daß E. in den letzten drei Jahren seines Lebens, in die ja mindestens auch noch der Thyestes fällt, ein Drittel des ganzen Epos (XIII–XVIII) geschrieben habe. Aber entscheidend beweist ein anderes. Das sechzehnte Buch, in dem, wie unten zu erörtern sein wird, Kämpfe der J. 178/7 erzählt waren, Q. Ennius T. Caecilium Teucrum fratremque eius praecipue miratus adiecit (Plin. n. h. VII 101). Wie immer man über die andern Fragen denke, die sich an diese Nachricht knüpfen, es ist nach ihrem Wortlaut nicht zu bezweifeln, daß E. fünfzehn fertigen Büchern der Annalen aus Bewunderung für die Cäcilier das 16. Buch hinzusetzte; und es ist wahrscheinlich, daß das auf frischer Tat geschah, leitete doch E. die Erzählung mit den Worten ein quippe vetusta virum non est satis bella moveri (v. 410). Die Edition des 16. Buchs fällt also ihrerseits schon lange vor E.s 67. Lebensjahr und drückt daher das 12. Buch nur umso weiter zurück. Demnach muß bei Gell. XVII 21 eine Verderbnis der Buchzahl vorliegen, die sogar schon von Gellius selbst verschuldet sein mag; richtig kann nach dem Gesagten wohl nur XVII oder XVIII sein. Man darf daran erinnern, daß in E.s 67. Lebensjahr der Krieg mit Perseus begann, dessen Anfänge der Dichter also wohl noch beschrieben haben kann, wenn ihm auch [2609] die entscheidende Schlacht bei Pydna zu erleben nicht mehr vergönnt war. Im übrigen geben gerade die Fragmente der letzten beiden Bücher keinerlei Aufschluß über den Inhalt.
Aber wir müssen jetzt noch einmal auf das 15. und 16. Buch zurückkommen, bei denen sich Vahlen leider nicht hat entschließen können, fest auf die von Bergks Scharfsinn geschaffene Grundlage zu treten (Kl. Schriften I 252ff.; vgl. Havet L’histoire romaine dans le dernier tiers des annales d’E., Biblioth. de l’éc. des hautes ét. XXXV 21ff.). In v. 421 quos ubi rex epulo spexit de cotibus celsis (Buch 16 frg. XI, aus Festus p. 330 + Varro de l. l. VI 82) hat Bergk schlagend richtig den König Epulo erkannt, von dem Livius XLI 11,1 bei Gelegenheit des Histrischen Krieges unter dem J. 177 erzählt; es kann dieser Vermutung von ihrer Evidenz nichts nehmen, daß im Vindobonensis des Livius Aepulo steht, während im Farnesinus des Festus der Name mechanisch beschädigt ist. Die Heldentaten der beiden Caecilii müssen also wenigstens zum Teil jener Reihe von Ereignissen angehören, die mit der Einnahme der Hauptstadt Nesactium und dem Selbstmord des Epulo endigte. Freilich scheint sich eine nicht geringe Schwierigkeit insofern zu ergeben, als Kämpfe mit den Histrern nach Macrobius VI 2, 32 und VI 3, 1 auch im 15. Buch behandelt waren. Mit Vahlen nach Bergks Vorgang anzunehmen, daß hier nur histrische Hilfsvölker der Aitoler (Flor. I 26) gemeint seien und das 15. Buch also die Belagerung von Ambracia behandelt habe, kann ich mich nicht entschließen. Wir würden dann vermutlich bei Macrob. VI 2, 32 nicht einfach in obsidione, sondern in obsidione Ambraciae lesen; vor allem aber wäre es doch ein zu sonderbarer Zufall, wenn in den uns erhaltenen Fragmenten gerade die Hilfstruppen zweimal in bedeutsamer Rolle erschienen, jede Erwähnung der Ambrakioten selbst dagegen verloren gegangen wäre. Nicht wahrscheinlicher ist mir, daß man bei Macrobius die Buchzahl zweimal in XVI zu korrigieren haben sollte (obwohl VI 3, 1 die Überlieferung zwischen XV und XII schwankt). So kann ich nicht umhin, die einfache Lösung zu akzeptieren, die Marx a. a. O. geboten hat: E. hat den Histrerkrieg im 15. Buch besungen und dann die ἀριστεία der beiden Cäcilier als besonderes Buch zugefügt.
Damit ergibt sich die zeitliche Begrenzung für den Stoff von Buch XIV, zugleich aber auch eine Beschränkung der Kombinationen Bergks und Havets. Macrobius berichtet VI 3, 1, daß E. die Heldentaten eines Tribunen Caelius im Histrischen Kriege mit homerischen Farben (Il. XVI 102ff.) geschildert habe; Livius nennt bei Gelegenheit desselben Krieges T. et C. Aelii mit Auszeichnung (XLI 1 und 4). Der eine wie die andern haben es sich gefallen lassen müssen, von Bergk und Havet umgenannt und mit den Caecilii identifiziert zu werden (oder auch umgekehrt). Bei unserer Auffassung kann höchstens noch in Frage kommen, ob der Caelius des Macrobius mit dem C. Aelius des Livius identisch ist, wie schon Merula wollte. Aber für die Stoffbegrenzung der einzelnen Annalenbücher hat diese Frage kaum noch Interesse, ist auch bei unserer sonstigen Unbekanntschaft mit den betreffenden Personen [2610] kaum mit irgendwelcher Sicherheit zu beantworten (vgl. o. Bd. I S. 489 Nr. 13. Bd. III S. 1233 Nr. 122 und S. 1254 Caelius Nr. 1).
Nach allem, insbesondere da Buch XII keinen besonders kenntlichen Abschluß darstellte, ist es um die Annahme hexadischer Komposition für die Annalen wohl geschehen. Selbst triadische wird sich kaum behaupten lassen; denn einerseits kann die Gliederung I–III Königszeit, IV–VI Unterwerfung Italiens, VII–IX Punische Kriege aus dem Stoffe selbst geflossen sein, und andererseits ist ein eigenes Prooemium zwar für VI zu erkennen, nicht aber für IV und XIII. Ja wie man auch des Plinius librum XVI adiecit verstehe, es zeigt allein schon, daß E. auf triadische Gliederung keinen Wert legte. Im übrigen ergibt unser Überblick deutlich, wie sehr die Ausführlichkeit der Darstellung wechselte. Die Romulussage gab viel Stoff, für Pyrrhos und die Punischen Kriege floß er reichlich, aber bei dem ersten Punischen Krieg war er, wie oben gesagt, durch die Rücksicht auf Naevius eingeschränkt. Am knappsten faßte sich E. für die ersten zwei Jahrhunderte der Republik. Je näher er dagegen seiner eigenen Zeit kam, umso breiter konnte er werden, und daß er den Heldentaten der Caecilier ein ganzes Buch widmete, zeigt, wie wenig es ihm im ganzen auf kunstreiche Ökonomie oder gleichmäßige Würdigung der Ereignisse nach ihrer historischen Bedeutung ankam. Ob er die zeitlichen Lücken zwischen den einzelnen Kriegen (z. Β. zwischen VII/VIII liegen 23 Jahre) durch irgend welche zusammenhängende Darstellung füllte, ist nicht zu ersehen; auf die innere Entwicklung Roms, die Geschichte seiner Institutionen ist er außer bei der Königszeit wohl nicht eingegangen. Über die Quellen des Dichters weiß ich dem einleitend und beiläufig Gesagten nichts weiter zuzufügen. Denn daß er für die Geschichte des Pyrrhos z. Β. den Timaios trotz der Abweichungen bei andern Gegenständen oder den Hieronymus von Kardia benützt habe, ist ja gewiß möglich, aber bei solchen billigen Vermutungen irgendwie zu verweilen, hat so wenig Zweck, wie sie für die weiteren Teile der Annalen fortzusetzen. Bei den zeitgenössischen Ereignissen werden wohl auch mündliche Berichte, bei der etwaigen Schilderung der Einnahme von Ambracia und vielleicht auch sonst Autopsie als Quelle gedient haben (vgl. Mommsen R. G. I⁸ 928f.).
In jedem Falle gaben die historischen Quellen E. nur den Kanevas, auf den er seine bunten Bilder stickte. Freilich hat er nicht gar wenig Stellen, die in keiner prosaischen Chronik trockener und eintöniger zu sein brauchten; siehe außer den praescripta consulum nomina z. B. v. 120f. 144. 164. 169. 183. 223. 332 (623, wenn Ennianisch). Aber weit häufiger ist das Streben nach kräftiger poetischer Färbung der Ereignisse zu bemerken, und das führte ihn zu der Quelle, der er zweifellos ungleich mehr zu verdanken hat als allen historischen. Homer hat ihm in allererster Reihe die farbigen Fäden und die Muster geliefert, mit und nach denen er sein Kanevas füllte. Daß Homers Seele auf ihn übergegangen war, das manifestierte er äußerlich nicht nur durch den Hexameter und andere Formalien, von denen weiterhin die Rede sein wird, sondern auch dadurch, [2611] daß er ihm ganze Floskeln, Verse, Bilder und Schilderungen nachdichtete. Hier mögen zum Beweise einzelne Beispiele genügen. Die meisten Beobachtungen solcher Art hat bisher Columna angestellt; eine eingehende Behandlung, die sich auch die Frage zu stellen hätte, wie weit E. von alexandrinischer Homererklärung und -kritik Gebrauch gemacht hat, ist dringend zu wünschen. 1. Formelhaftes: pedibus magnum pulsatis Olympum v. 1 wie μέγαν δ’ ἐλέλιξεν Ὄλυμπον Il. Ι 530; dia dearum v. 22 Versschluß wie δῖα θεάων, vgl. Romule die v. 111 Versschluß ~ Λάμπέ τε δῖε Il. VIII 185; olli respondit v. 33. 119 Versanfang ~ τὸν δ’ ἠμείβετ’; divum pater atque hominum rex v. 175 Versschluß, ähnlich 580, patrem divomque hominumque 581 ~ πατὴρ ἀνδρῶν τε θεῶν τε; cum corde suo effatur v. 175 ~ εἶπε πρὸς ὃν μεγαλήτορα θυμόν; sed quid ego haec (memoro) v. 314 Versanfang (ähnlich ist wohl 204 herzustellen) ~ ἀλλὰ τίη μοι ταῦτα (φίλος διελέξατο θυμός Il. XI 407 u. ö.); insece Musa v. 326 Versanfang ~ ἄνδρα μοι ἔννεπε, Μοῦσα und ἔσπετε νῦν μοι Μοῦσαι, zugleich nach Livius Andronicus virum …, Camena, insece; cava … specus v. 440 ~ σπέος κοῖλον Od. XII 84; ο genitor noster Saturnie, maxime divom v. 456 (wenn Ennianisch) ~ ὦ πάτερ ὑμέτερε Κρονίδη, ὕπατε κρειόντων; non si lingua loqui † saperet at ora decem sint † in metrum ferro cor sit pectusque revinctum v. 561f. ~ Il. II 489 οὐδ’ εἴ μοι δέκα μὲν γλῶσσαι, δέκα δὲ στόματ’ εἶεν, φωνὴ δ’ ἄρρηκτος, χάλκεον δέ μοι ἦτορ ἐνείη; manu magna … impulit v. 569 ~ ὦσεν … χειρὶ … μεγάληι Il. XV 694; animus cum pectore latrat 584 ~ κραδίη δέ οἱ ἔνδον ὑλάκτει Od. XX 13, oft θυμὸς ἐνὶ στήθεσσιν. Bisweilen können dergleichen Beobachtungen das Verständnis des römischen Dichters sichern. Vahlen würde z. B. nicht v. 247 interpungiert haben multa tenens, antiqua sepulta vetustas quae facit, wenn er sich erinnert hätte an Od. II 188 παλαιά τε πολλά τε εἰδώς (vgl. im selben Fragment v. 238 indu foro lato sanctoque senatu ~ Od. III 127 εἰν ἀγορῆι … οὔτ’ ἐνὶ βουλῆι). Wenigstens homerisches Kolorit, wenn auch nicht Homerische Worte zeigt der suavis sonus Egeriai 119, eine Periphrase, die deutlich an βίη Ἡρακληείη, ἱερὴ ἲς Τηλεμάχοιο u. dgl. erinnert. 2. Von Homerischen Schilderungen oder Erzählungen macht E. ganz besonders viel Gebrauch, wo es sich darum handelt, Schlachten im einzelnen auszumalen. Siehe z. Β. clamor ad caelum volvendus per aethera vagit v. 531 ~ Il. XVII 425 ὀρυμαγδὸς χάλκεον οὐρανὸν ἷκε δι’ αἰθέρος, vgl. tollitur in caelum clamor v. 442 ~ αὐτὴ οὐρανὸν ἷκεν Il. II 153; iamque fere pulvis ad caelum vasta videtur v. 282 (wo wohl etwas wie sese extollere folgte) ~ Il. V 503 κονισάλωι ὅν ῥα δι’ αὐτῶν οὐρανὸν ἐς πολύχαλκον ἐπέπληγον πόδες ἵππων (bei E. könnte v. 277 unmittelbar vorausgegangen sein), vgl. auch v. 315. 608 ~ Il. II 150. XI 151 usw.; horrescit telis exercitus asper utrimque 393 ~ ἔφριξεν δὲ μάχη φθισίμβροτος ἔγχείῃσιν Il. XIII 339; pes pede premitur, armis arma teruntur v. 572 ~ ἀσπὶς ἄρ’ ἀσπίδ’ ἔρειδε, κόρυς κόρυν, ἀνέρα δ’ ἀνήρ Il. ΧIIΙ 131; concidit et sonitum simul insuper arma dederunt v. 415 ~ δούπησεν δὲ πεσών, ἀράβησε δὲ [2612] τεύχε’ ἐπ’ αὐτῶι. Aber viel interessanter als solche Einzelheiten ist, daß E. gelegentlich eine ganze homerische Versreihe auf einen seiner Helden übertragen hat. Das gilt besonders von der Schilderung des bedrängten Aias, Il. XVI 102ff., die für den von den Histrern angefallenen Tribunen Caelius (s. o.) benützt ist (ann. XV); beide Stellen sind nachher von Vergil Aen. IX 806ff. verwertet worden (Macrob. Sat. VI 3, 2ff.). Die Wiedergabe des E. (wohl, wie Vahlen meint, durch Ausfall eines Verses entstellt) kann sich durchaus neben der des Vergil sehen lassen; eine Geschmacklosigkeit wie sudor piceum flumen agit hat er glücklich vermieden. Genau dasselbe Verhältnis hat zweifellos, wie schon Columna sah, zwischen den beiden Lapithen Il. XII 131ff., den beiden Histrern im 16. Buch der Annalen und Pandarus und Bitias bei Verg. IX 675ff. bestanden (vgl. Macrob. VI 2, 32 und V 11, 26); der Ausdruck erinnert bei Vergil z. Β. in v. 682 an E. v. 490. Man kann daraus ersehen, wie es um die Verläßlichkeit der Ennianischen Detailschilderungen selbst bei Vorgängen der jüngsten Vergangenheit stand. Von andern Schilderungen Homerischen Ursprungs sei z. B. auf den Schluß des Traums v. 47ff. verwiesen haec effatus … repente recessit … Vix aegro cum corde meo me somnus reliquit ~ Il. II 70 ὣς ὁ μὲν εἰπὼν ὤιχετ’ ἀποπτάμενος, ἐμὲ δὲ γλυκὺς ὕπνος ἀνῆκεν, auf Bestattungen wie v. 155 Tarquinium bona femina lavit et unxit ~ Il. XXIV 587 τὸν δ’ ἐπεὶ οὖν δμωιαὶ λοῦσαν καὶ χρῖσαν ἐλαίωι u. a., v. 187ff. incedunt arbusta peralta securibus caedunt, percellunt magnas quercus, exciditur ilex usw. ~ Il. XXIII 114 οἳ δ’ ἴσαν ὑλοτόμους πελέκεας ἐν χερσὶν ἔχοντες … αὐτίκ’ ἄρα δρῦς ὑψικόμους ταναήκει χαλκῶι τάμνον. Von Naturschilderungen vgl. v. 434f. mit Il. VIII 485f. 3. Von der Nachahmung Homerischer Reden ist ein charakteristisches Beispiel erhalten: der vom Original abweichende Anfang der Rede des Appius Claudius quo vobis mentes, rectae quae stare solebant antehac, dementes sese flexere viai ist nicht frei erfunden, sondern den Worten der Hekabe Il. XXIV 201 nachgebildet: ὤ μοι, πῆι δή τοι φρένες οἴχονθ’ ἧις τὸ πάρος περ ἔκλε’ ἐπ’ ἀνθρώπους, die sich die Verzierung durch die Adnominatio additis litteris mentes dementes haben gefallen lassen müssen. 4. Ferner hat Homer ausgeführte Vergleiche geliefert, wie für v. 514ff. ~ Il. VI 506ff. (~ Verg. Aen. XI 492ff.) bereits Macrobius VI 3, 7 notiert hat, für v. 443ff. ~ Il. IX 4ff. auf der Hand liegt. E. verzichtet auf manchen feineren Homerischen Zug, während er andererseits manchmal der Detailausmalung neue Einzelheiten zusetzt (v. 518); im ganzen ist auch hier das Geschick des Bearbeiters zu loben. Gelegentlich hat er als Vergleich verwendet, was bei Homer im Laufe der Erzählung stand (Cyclopis venter velut olim turserat alte carnibus humanis v. 221 aus Od. IX 296f.). 5. Endlich für mythologisches Detail, das wenigstens hier und da Verwendung finden konnte, sei verwiesen auf v. 30 Assaraco natus Capys optimus isque pium ex se Anchisen generat ~ Il. XX 239 Ἀσσάρακος δὲ Κάπυν, ὃ δ’ ἄρ Ἀγχίσην τέκε παῖδα.
Neben den Homerischen Gedichten, von denen [2613] übrigens, wie von vornherein zu vermuten war und durch unsere Zusammenstellung bestätigt wird, die Ilias weitaus stärker benützt ist, hat E. natürlich auch von andern Dichtern entlehnt. Musae quae pedibus magnum pulsatis Olympum erinnert lebhafter an den Eingang der Hesiodischen Theogonie als an Homer. Von den Alexandrinern hat Kallimachos stark auf die Einleitung der Annalen gewirkt (doch s. o. S. 2604, 27); zu Ann. 49f. multa manus ad caeli caerula templa tendebam lacrumans et blanda voce vocabam hat schon Columna Apollon. Rhod. I 248 beigeschrieben αἱ δὲ γυναῖκες πολλὰ μάλ’ ἀθανάτοισιν ἐς αἰθέρα χεῖρας ἄειρον εὐχόμεναι (vgl. Il. XV 371 u. ö. εὔχετο χεῖρ’ ὀρέγων εἰς οὐρανὸν ἀστερόεντα). Aber auch Anleihen bei anderen Literaturgattungen hat E. nicht verschmäht; wie Vergil neben den alten Epen auch die archaische Tragödie benützt, so hat Ε. auch aus den griechischen Tragikern, die er so vortrefflich kannte, für sein Epos Stoff gezogen: die schönen Verse, in denen er sich selbst mit dem altersmüden Rosse vergleicht (v. 374f.), haben ihre nächste Analogie wohl im Eingang von Sophokles Elektra (vgl. v. Wilamowitz Eurip. Herakl. II² 33f.). Zu des Pyrrhos cauponantes bellum (v. 195) ist längst καπηλεύσειν μάχην Aisch. Sept. 528 verglichen worden, doch braucht gerade hier keine direkte Entlehnung vorzuliegen. In allem tritt die Ähnlichkeit mit Vergils Arbeitsweise deutlich zu Tage.
Was die Entstehungszeit der Annalen angeht, so ist bei IX der Terminus post quem durch Cicero Brut. 57 gegeben: Tod des M. Cornelius Cethegus, d. i. 196 (Liv. ΧΧΧΙII 42, 5). Wenn bei Gelegenheit seines Consulats (204 v. Chr.) von ihm mit den Worten gesprochen wird (306) is dictust ollis popularibus olim, qui tum vivebant homines atque aevom agitabant, flos usw., so möchte man sich gern von 196 möglichst weit entfernen, aber der Spielraum ist klein. Zwar gebe ich auf die Behauptung F. Schölls (Rhein. Mus. XLIV 158), daß Plautus († 184) im Truc. 929 (auro, hau ferro deterreri pote istum ne amem, Stratophanes) auf die Worte des Pyrrhus im 6. Buch (ferro, non auro vitam cernamus utrique) anspiele, bei der Geläufigkeit dieser Antithese gar nichts. Aber daß Buch XVI bald nach 177 fällt, haben wir ja früher gesehen. Ebenso daß XVII oder XVIII ins J. 172 fallen muß.
Wie die Annalen den dauernden Dichterruhm des E. begründet haben, so sind sie auch dasjenige Werk von ihm, das weitaus am stärksten und am längsten direkte Einwirkung auf die römische Literatur geübt hat. Gern wüßten wir, wie die Zeitgenossen die neue Form aufgenommen haben; der für sie besonders packende Inhalt wird das Gedicht wohl trotz des ungewohnten Versmasses bald populär gemacht haben. Die Philologen taten jedenfalls sofort das ihrige, um den Text zu sichern und dem Publikum nahe zu bringen: C. Octavius Lampadio ‚emendierte‘ die Annalen (Gell. XVIII 5,11, vgl. Fronto p. 20 N.), die Q. Vargunteius certis diebus in magna frequentia pronuntiabat (Suet. gramm. 2). Im 1. Jhdt. hat M. Antonius Gnipho das Epos kommentiert (Schol. Bern. zu Verg. Georg. II 119. Bücheler Rhein. Mus. XXXVI 334); weniger liebevoll war die [2614] Tätigkeit seines unglücklichen Konkurrenten M. Pompilius Andronicus, der sein praecipuum opusculum annalium Ennii elenchorum (Suet. gramm. 2) wohl im selben Geiste gehalten hatte, in dem die Perellius Faustus und Q. Octavius Avitus über Vergils furta schrieben. Unklar ist leider, von wessen adnotationes zu E. das anecdoton Parisinum spricht (GL VII 534).
Für uns zeugen von dem Interesse an des E. bahnbrechendem Werk deutlicher als die Grammatiker seine eigenen Zunftgenossen. Lucilius spottet wohl über die Enni versus gravitate minores (Horat. sat. I 10, 53), und wir dürfen als Beispiel dafür v. 1190 M. anführen, obwohl er sich auf den Scipio bezieht; aber doch ist ihm E. alter Homerus (was Horat. ep. II 1, 50 nicht ohne Spott vermerkt), und in Fragen der Poetik erscheinen Ilias und Annalen koordiniert (v. 341ff.; man darf vielleicht vermuten, daß diese Verse auf einen Tadel der früher von Lucilius an E. geübten Kritik replizieren: ‚ich habe das Gedicht des E. im einzelnen kritisiert, aber doch nicht seine ganze Poesie‘). Die Einzelimitationen verzeichnet jetzt Marx (Lucil. I 100); Material zu Parodien bot dem Lucilius und den späteren Satirikern offenbar E. genau so wie Homer den Sillographen. Etwa gleichzeitig haben Accius und Hostius (der doch wohl den Histrerkrieg von 129 besang) nicht nur den Titel annales von E. übernommen, sondern, wie noch an den Fragmenten kenntlich, ihn im einzelnen nachgeahmt. Für Accius vgl. Norden Aeneis 439 Anm. 2; frg. 4 Bähr. erinnert gleichzeitig an Annal. 621 und 189. Bei Hostius redet ein Versschluß wie per gentis altivolantum oder der Gebrauch von dia (s. u. S. 2625) deutlich genug. Cicero hat bekanntlich seinem Enthusiasmus für E. oft Worte geliehen und wie die andern Werke, so die Annalen viel zitiert; Einzelheiten anzuführen kann ich mir im Hinblick auf Kubik Dissert. phil. Vindob. I 257ff. und Vahlen XXXIXff. erlassen. Das Wichtigere ist mir hier, darauf hinzuweisen, wie Cicero nicht nur gelegentlich in seiner Prosa (Seneca ep. lib. XXII bei Gell. XII 2; vgl. Skutsch Arch. f. Lexik. XII 208ff.), sondern vor allem in seinen eigenen Versen durch E. beeinflußt wird. Usener hat dies kürzlich (Rhein. Mus. LVI 313) betont und Norden (Vergil 367) für eine Reihe von Einzelheiten indirekt erschlossen; in manchen Punkten greifen wir es aber noch mit Händen (Cic. frg. 3, 20 Bähr. Phoebi fax ~ ann. 434; vitalia lumina liquit frg. 3, 24 ähnlich frg. 24, 1 ~ ann. 149; frg. 3, 36 altitonans aus ann. 541; frg. 3, 57 sanctus que senatus Versschluß = ann. 238; frg. 19, 1 altisonus ennianisch; frg. 19, 4 ~ ann. 473; Arat. 5 Deltoton dicere Grai quod soliti, 17 quem veteres soliti caelestem dicere Nodum 167 ~ sat. 70 quaerunt in scirpo soliti quod dicere nodum, ann. 221; Arat. 54 ~ ann. 374; 64. 189 nox als Hexameterschluß wie ann. 420; Arat. 317f. ~ ann. 148 usw. Mehr vielleicht aber als solche Einzelheiten beweist die gesamte poetische Diktion Ciceros mit ihren gehäuften Klangspielen, ihren Archaismen, z. Β. dem oftmaligen Genetiv auf -ai, dem s-Abwurf (s. u. S. 2621) usw. Der Reatiner Varro hat E. vielfach als grammatischen Stoff benützt (Vahlen XXXff.); in seinen Dichtungen spielen die Annalen (wie übrigens auch die andern [2615] Werke des Ε., vgl. z. Β. sat. Men. 428 mit Epicharm. 46) eine ähnliche Rolle wie bei Lucilius; vgl. z. Β. sat. Men. 225 mit ann. 310 und für weiteres Büchelers Index⁴ 252. Aber daß wirklich die ganze ältere römische Poesie bis zu den Neoterikern herunter sich zu E.s Annalen nicht anders stellte, als die spätere daktylische Poesie der Griechen zu Homer, daß sie mit Stücken seines Edelmetalls ihre Werke reichlich legierte, zeigt doch keiner deutlicher als Lucrez – schon weil hier wenigstens auf der einen Seite ein wirklich umfangreiches Vergleichsmaterial vorliegt. Nicht umsonst stehen gleich im Anfang des Lucrezischen Werkes (I 112ff.) die bekannten herrlichen Verse zu Ehren des E.; wer so den E. feiert als den qui primus amoeno detulit ex Helicone perenni fronde coronam per gentes Italas hominum quae clara clueret (wobei, wie oben gesagt, auf E. angewendet ist, was dieser anscheinend von Homer gesagt hatte), bekundete damit für jeden antiken Leser schon ohne weiteres den Gegenstand seiner μίμησις. Moderne Untersuchungen (außer den feinen Bemerkungen Vahlens S.-Ber. Akad. Berl. 1896, 717ff. namentlich die fleißige Dissertation von H. Pullig Ennio quid debuerit Lucretius, Halle 1888; dort S. 8 weitere Literatur) haben außer Zweifel gestellt, daß die Diktion des Lucrez sich auf Schritt und Tritt nach E. richtet. Ihre ganze archaische Patina, inbegriffen die reiche Verwendung der Klangfiguren, verdankt Lucrezens Sprache der Nachahmung der Annalen. Dabei ist noch kaum je der Versuch gemacht worden, auf Lucrez solch subtile Prozeduren anzuwenden, wie die, mit denen jetzt Norden so vielfach das Ennianische Gold aus der Vergilischen Mischung ausgeschieden hat. Man darf wohl sagen, daß, abgesehen von der Abweichung im Periodenbau und der Verschiedenheit des Stoffs, nichts besser eine Vorstellung von Ennianischem Stil verschaffen kann, als eine genaue sprachliche Analyse des Lucrez.
Aber schon hatten die Neoteriker eine Wandlung im Verhältnis der Dichter zu E. angebahnt. Man begreift leicht, warum die cantores Euphorionis den egregius poeta verachteten (Cic. Tusc. III 45). Die Abneigung gegen die poetische Gattung der Annalen, das ἓν ἄεισμα διηνεκές, überkamen sie von ihren alexandrinischen Vorbildern; metrisch und sprachlich vermißte man an dem ersten daktylischen Gedicht in lateinischer Sprache naturgemäß die Eleganz, die man an den griechischen Vorbildern bewunderte und bei möglichster Abkehr von archaischen und archaisierenden römischen Poeten eher nachbilden zu können hoffte. Es kann keinen eigentümlicheren Gegensatz geben als zwischen Catull 64 und Lucrez; nicht um wenige Jahre, sondern um ein Jahrhundert scheinen sie sprachlich auseinander zu liegen. Und doch ist es auch für den, der danach strebt, bereits unmöglich geworden, sich im Hexameter dem Einfluß des E. zu entziehen: Formeln wie Iuppiter omnipotens (v. 171), pater divum (v. 298. 386), Komposita wie caelicola (v. 385), magnanimus (v. 85, vgl. Skutsch Aus Vergils Frühzeit 65. Norden zu Aeneis VI 307), haben jetzt die römische Poesie schon so durchsetzt, daß ihr Ennianischer Ursprung vergessen ist.
Indessen diese Wandlung des Geschmacks ist [2616] in der Geschichte der römischen Poesie zunächst eine Episode geblieben. Zweifellos ist außerhalb des Kreises der Neoteriker E. so eifrig weitergelesen worden wie bisher. Wer sich der Mode der Epyllien nicht anschloß, sondern das vaterländische Epos weiterführen wollte, konnte gar nicht anders als in den Ennianischen Gleisen bleiben. Wenn Varro vom Atax einen ganzen E.-Vers ad suum carmen transtulit (semianimesque micant oculi lucemque requirunt, Serv. Aen. X 396), so kann das mindestens ebensogut im Bellum Sequanicum als nach der gewöhnlichen Annahme, die aber durch Apoll. Rhod. IV 1525f. nur unzulänglich gestützt ist, in den Argonauten geschehen sein. Bei Furius Bibaculus greifen wir die E.-Imitation nicht nur im Titel annales, sondern auch in einer Einzelheit, wie frg. 11 pressatur pede pes (s. o. S. 2611, 64); auch der Versschluß Saturno sancte create (frg. 12) ist vielleicht Ennianisch (ann. 627); vgl. auch frg. 13 mit ann. 186. 473. Ebenso mußte für den parodistischen Stil der Satire E. unverändert seine Stellung als alter Homerus beibehalten; ebenso bekannt aber wie die Ennianische Anspielung bei Horat. sat. I 2, 37 ist die Benützung der Ennianischen Wendung s. I 4, 60, wo E. gewissermaßen als Hauptvertreter römischer Dichtung erscheint. Besonders auffällig sind ein paar Anklänge in der zweiten Epistel (I 2, 16 Iliacos intra muros peccatur et extra ~ ann. 399 aut intra muros aut extra; I 2, 69 quo semel est imbuta recens, servabit odorem testa diu ~ ann. 535 cum illud quo iam semel est imbuta veneno, nicht unwichtig zum Verständnis des E.-Verses).
An Varro und Furius schließt sich zeitlich der Mann an, der uns hauptsächlich die Stellung des E. als Vorbild für das patriotische Epos erkennen läßt, der aber zugleich, indem er sein glücklichster Nachbildner wurde und das von dem Alten dauerhaft Gewonnene mit dem durch die neue Zeit Erforderten zu einem harmonischen Ganzen verschmolz, wohl am meisten dazu beigetragen hat, daß die Nachfolgenden mehr und mehr Geschmack und Interesse an E. verloren. Vergil hat in fast allem, was er von E. übernahm, dessen Einfluß auf die römische Dichtersprache für immer gesichert, aber diese Fortdauer bezahlte E. allmählich mit dem Verlust seines direkten Einflusses auf die römische Poesie. Wieviel Vergil dem Vorgänger entlehnte, beginnt uns deutlich zu werden, seitdem sich zu den Nachrichten der Alten (Servius, Macrobius) moderne Beobachtungsmethoden gesellt haben; dafür genügt jetzt ein Verweis auf Nordens Kommentar zu Aeneis VI, der Vorbildliches geleistet hat. Wenn Vergil die Äußerung getan hat, die ihm in der Donatvita (Suet. p. 67 Reiff.) zugeschrieben wird: sese aurum colligere ex stercore Ennii, so gibt sie zwar wohl den Sachverhalt verständlich wieder, ist aber nicht gerade pietätvoll. Denn ohne E. wäre die Aeneis nicht.
Wie die Ennianischen Satiren wenigstens in der Auswahl durch Iulius Florus noch in der Augusteischen Zeit ein Lesepublikum fanden (Porphyr. zu Hor. epist. I 3), so hat sich auch auf dem Gebiet des Epos der glückliche Nachahmer nicht gleich ganz an Stelle seines Vorbilds gesetzt. Horaz setzt mit Od. IV 8, 12ff. deutlich [2617] voraus, daß die Verherrlichung des Scipio durch E. noch eine durchaus verbreitete Lektüre ist; und auch wenn sich das auf den Scipio des E. bezieht, nicht auf die Annalen, so ist der Schluß doch auch für diese sicher. Bald nach Augustus übernimmt die metrische Inschrift CIL IX 60 = Bücheler Carm. epigr. 1533, die auch sonst Anklänge an E. hat, aus den Annalen 388 den Hexameteranfang navibus velivolis, obwohl sie sonst vom s-Abwurf keinen Gebrauch macht; CIL IV 3135 (Zitat von ann. 115) ist leider zeitlich nicht genau bestimmbar, wird ja aber wohl der Zeit um Christi Geburt angehören. Ovid spielt unter Anführung desselben Annalenverses (65) zweimal auf die Götterversammlung im ersten Buch an (met. XIV 812ff.; Fast II 485ff.); daß das 14. Buch der Metamorphosen an die Komposition des ersten Annalenbuches erinnert, ward schon gesagt (o. S. 2606). Also kannte auch Ovid das Werk des E. noch wohl und durfte es als bekannt voraussetzen, wenn auch das Überlegenheitsgefühl in Dingen der Form bereits den bekannten kräftigen Ausdruck findet (trist. II 259. 425). Aber selbst für die historischen Epen des 1. Jhdts. n. Chr. ist Benützung der Annalen noch sicher zu erweisen. Wie der Satiriker der neronischen Zeit es wieder an parodistischer Benützung des E. nicht fehlen läßt (Pers. VI 9, s. o. S. 2604, 35), so genügt eine Einzelheit, um zu zeigen, daß Lucan die Annalen kannte und benützte: der Centurio Scaeva in seinem Kampf gegen eine an Zahl weit überlegene Menge (VI 192ff.) ist nicht bloß dem Vergilischen Turnus (IX 806), sondern auch dem Ennianischen Tribunen (o. S. 2609) nachgebildet, wie ein genauer Vergleich der drei Stellen zeigt. Während ich für Valerius Flaccus einen entsprechenden Beweis nicht führen kann, ist für Silius die Benützung des E. bei der Gleichheit des Stoffes und bei der Art, wie er sich rühmend über ihn XII 393ff. (gerade wie über Vergil VIII 593f.) ausläßt, eigentlich selbstverständlich; aber es läßt sich auch im einzelnen der Beweis führen. Freilich ist nicht alles, was E. Wezel De C. Silii Italici cum fontibus tum exemplis, Diss. Leipzig 1873, 17ff. beigebracht hat, beweisend; namentlich sachliche Übereinstimmungen lassen auch andere Erklärung zu. Aber nicht abzuweisen sind Ähnlichkeiten wie IV 851 teritur iunctis umbonibus umbo pesque pedem premit. IX 325 pes pede virque viro teritur mit ann. 572; denn wohl ist an der zweiten Stelle auch Furius Bibaculus (o. S. 2616, 17) oder Verg. Aen. X 361 (wahrscheinlich letzterer) benützt, aber terere stammt zweifellos aus E. Ebenso schwebt X 527ff. nicht nur Vergil VI 176ff. vor, sondern auch ann. 187ff.; daß IX 209ff. nicht aus Livius XXI 45 stammt, sondern mindestens nebenher durch ann. 280 bestimmt ist, zeigt unwidersprechlich die Formulierung. Wenn ann. 311 genügend beglaubigt ist (und an sich machen die Worte perculsi pectora Poeni durchaus den Eindruck der Echtheit), dann stammt von hier der Versschluß bei Sil. VIII 242 instincti pectora Poeni. Dies wenigstens einige der sichersten Stellen. Anderes wird sich auch hier durch weitergreifende Kombination finden lassen. So wird der Versschluß cognoscere avebat VII 22 gewiß nicht aus Lucr. II 216 (cognoscere avemus) stammen, sondern so gut wie [2618] dieser aus E. Statius äußert sich zwar in den Silven über die Annalen ähnlich wie Ovid (II 7, 77); daß aber auch er darin nach Goldkörnern zu schürfen nicht verschmäht hat, erweist der alte Interpret zu Theb. XI 56: der Versschluß carmen tuba sola peregit stammt mit seiner ganzen Umgebung aus ann. 519f.
Darüber hinaus wird sich schwerlich viel von direktem Einfluß des E. auf die römische Poesie nachweisen lassen. Die Vorstöße gegen seine Lektüre bei Martial (XI 90, 5 u. a.) und bei Quintilian (X 1, 88 u. a.) sind wohl bessere Zeichen der Zeit als die Imitationen bei Silius und Statius. Und als zur Zeit Hadrians man abermals beginnt, wie die von Martial V 10, 7 verspotteten Sonderlinge dem Vergil die Annalen vorzuziehen, als Fronto mit seinen Zöglingen den E. studiert und sogar eigenhändig den Sota abschreibt (p. 61 N.), fehlt es an den Dichtern, die noch einmal aus dem altgeheiligten Quell schöpfen könnten. Späterhin könnte höchstens Claudian in Betracht kommen. Was Birt p. CCI an E.-Nachahmungen bei Claudian notiert hat, ist freilich durchweg wenig beweisend, wie die Anspielung auf das unus homo nobis im Bellum Pollent. 142 – den Vers konnte Claudian aus Livius oder Cicero haben –; nur für eine Stelle ist solche Vermittlung vielleicht nicht jedermann wahrscheinlich: Stil. I 257 stant pulvere Syrtes | Gaetulae ~ ann. 608 stant pulvere campi Versschluß. Aber auch hier wird man damit rechnen müssen, daß Claudian das Bruchstück in einem Horazkommentar (wo wir es lesen) oder in einem Scholion etwa zu Verg. Aen. XII 408 gefunden haben kann. Ausonius hat seine Weisheit im Grammaticomastix doch wohl aus einem Grammatiker und divum domus im ordo urb. nobil. v. 1 ist aus dem Grammaticomastix v. 17 genommen.
Wie weit die Annalen auf die historische Prosaliteratur gewirkt haben, ist eine sehr schwierige Frage. Es liegt nahe, zu glauben, daß die Annalisten das in der republikanischen Zeit und darüber hinaus so bekannte Werk nicht unbenutzt gelassen haben, und für Coelius Antipater behauptet Fronto (p. 62 N.) ausdrücklich, daß er (wenigstens im labor studiumque et periculum verba industriosius quaerendi) stark dem E. nachgeeifert habe. Die geringen wörtlich erhaltenen Fragmente des Coelius erlauben kein Urteil hierüber; daß das seltene topper sich bei ihm wie bei E. fand (Fest. 352), hat man schon öfters hervorgehoben. Besonders viel verhandelt ist neuerdings die Frage, wie Livius sich zu E. stellt (die Literatur darüber bei Norden Kunstprosa I 235. Vahlen LXIff.). Er zitiert ihn ausdrücklich nur einmal und wieder den Vers, der in aller Munde war unus homo nobis (XXX 26, 9). Daß er Sachliches aus ihm entlehnt habe, kann nicht als nachgewiesen gelten; am wenigsten führt die Ζarneckesche Formel (Commentationes Ribbeckianae 269ff.): ‚wo Livius (oder andere römische Historiker) an Homer anklingen, hat E. vermittelt‘ zu sicheren Ergebnissen. Aber die Übernahme gewisser sprachlicher Wendungen (namentlich haec ubi dicta dedit, vgl. Norden a. O.) ist höchst wahrscheinlich. Vgl. Vahlen zu ann. 167.
Urteile der Alten über die Annalen anzuführen habe ich hier meist vermieden; ich wollte die [2619] Schätzung des Werkes sich in seiner Benutzung durch die Nachahmer spiegeln lassen. Jene Urteile sind teils allgemein bekannt, alle aber in sorgfältiger Zusammenstellung bei Vahlen zu finden. Mein eigenes Urteil noch einmal zusammenfassend zu formulieren, kann ich nach allem oben Gesagten unterlassen. Wer die Grenze zwischen Genie und Talent abzustecken sich getraut, mag dem E. das eine oder das andere zuschreiben; gewiß ist, daß dieser Mann mit den Annalen ein Bahnbrecher war wie wenige in der Weltliteratur. Aber ich denke, mancher wird mit mir geneigt sein, Scaligers Wort über E. nicht bloß vom rein geschichtlichen Standpunkt des Literarhistorikers, sondern auch vom ästhetischen aus zu unterschreiben: ‚Ennius poeta antiquus magnifico ingenio. Utinam hunc haberemus integrum (d. h. natürlich die Annalen) et amisissemus Lucanum, Statium, Silium Italicum et tous ces garçons-là‘. – Quamquam interdum alium olet, tamen optume animatus est – so möchte man ein schönes Wort Varros auf ihn anwenden; weniger gern riechen wir jedenfalls das Modeparfüm der geleckten Epiker im 1. Jhdt. n. Chr.
Aber zur Würdigung des Dichters ist eins noch besonders von nöten: ein kurzer Überblick seiner auffallenderen formalen Eigentümlichkeiten. Gerade er als Bahnbrecher, auf eigene Feststellung und Neuerung beim Bau der ersten lateinischen Hexameter durchweg angewiesen, verlangt eine solche Betrachtung mehr als jeder andere römische Dichter.
III. Formales.
Die szenischen und die übrigen nicht im Hexameter gehaltenen Reste des E. stechen in formaler Hinsicht von der sonstigen zeitgenössischen Produktion nicht besonders charakteristisch ab. Die Dramen zeigen neben Iamben und Trochäen auch Anapaeste, daktylische Tetrapodien (v. 65ff.), Kretiker (bes. v. 86ff.), Baccheen (bes. v. 349ff.). Die Kretiker zeigen sich in ähnlicher Verwendung wie wiederholt bei Plautus (Cas. 623; Rud. 664) als Ausdruck der Ratlosigkeit und Hilfsbedürftigkeit; darin war schon Livius Andronicus vorangegangen (v. 20ff. Ribb.). Mit trochäischem Abschluß, wie so oft bei Plautus, scheinen die Kretiker v. 360f. verbunden. Während auch dem Soldatenchor in der Iphigenie nur Trochäen (vielleicht lauter Septenare) in den Mund gelegt sind, von einem eigentlichen Chorgesang hier also wohl so wenig die Rede sein kann wie in Plautus Rudens, ist künstlicher Aufbau noch einigermaßen in der Monodie der Cassandra (v. 63ff.) kenntlich; erst trochäische Septenare, dann die oben erwähnten Daktylen und, nach einem Senar (? vgl. D. L.-Z. 1900, 1699), Anapäste. An den iambischen Senaren fällt bisweilen die Reinheit des Baues auf. Das fünfzeilige Fragment des Athamas ist, wenn man mit dem Abwurf von auslautendem s rechnet und inibat nach Analogie von mandebăt in den Annalen v. 138 mißt, vollkommen nach griechischer Art gebaut; der Gedanke, es darum dem E. abzusprechen, absonderlich an sich, wird durch die Verse 37–39 widerlegt, die genau so gebaut sind. Prosodisch ist kaum mehr Individuelles zu vermerken. Das Iambenkürzungsgesetz steht natürlich in voller Kraft. Überaus reicher Gebrauch ist von den Klangfiguren gemacht. [2620] Beispiele sind schon oben gegeben; weiteren zum Teil sehr kunstvollen begegnet man auf Schritt und Tritt (bes. etwa 56. 97f.).
Wenn E. hier von Livius Andronicus und Naevius energisch vorgearbeitet fand, so konnte ihm die Probleme des Hexameterbaus nur eigenes Nachdenken und Formgefühl lösen und allenfalls griechische Theorie dabei helfen; ob und wie weit letzteres der Fall gewesen ist, verdiente wohl eine besondere Untersuchung. Ich betrachte hier, was mir von prosodischen, metrischen und sprachlichen Dingen besonders charakteristisch scheint.
a) Prosodisches.
Seit Ritschl (Opusc. IV 401ff.) gilt E. als der Mann, der dem prosodischen Verfall der lateinischen Sprache durch die Einführung des Hexameters Einhalt getan hat. Diese auch heute noch vielfach nachgesprochene Anschauung bedarf mancher Modifikation. Sie ist insofern gewiß richtig, als der Hexameter der Auflösung der Hebungen starken, wenn auch bei E. nicht absoluten Widerstand entgegensetzt und damit den Bereich der Iambenkürzung jedenfalls sehr einschränkt. So hat E. zwar einigemal die erste Arsis aufgelöst (ann. 340 veluti, 490 capitibus; hedyph. 36 Mitylenae, 42 melanurum, also braucht auch ann. 94 avium nicht mit Synizese gelesen zu werden), wobei ihm vielleicht falsch verstandene Homerische Anfänge wie ῥέα διελεύσεσθαι Il. XIII 144. XX 263, ῥέα μὲν γάρ XVII 461 und dgl. vorschwebten. Aber in keinem sicheren Fall hat er als solch anlautende Doppelkürze eine gekürzte iambische Silbengruppe verwendet; für Eorundem v. 200 ist Synizese nicht auszuschließen (s. u.). Dagegen für die Senkungen ist Ritschl allerdings in doppelter Weise zu berichtigen. Erstens wissen wir durch C. F. W. Müller, daß die Iambenkürzung mit Verwitterung von Endkonsonanten gar nichts zu tun hat, und alle neueren Verteidiger von Ritschls Ansicht (bes. Leo Plaut. Forsch. 226f. u. ö.) haben daran nichts ändern können (s. Skutsch Satura Viadrina, Breslau 1896, 128ff.); E. konnte also nicht aufhalten, was nicht im Werke war. Aber auch wer in der Iambenkürzung an sich einen lautlichen Verfall sieht, muß zugeben, daß E. diesem in den Senkungen nur unvollkommen entgegengearbeitet hat; er mißt im Hexameter genau wie die Szeniker in ihren Versen sīcŭtĭ (536, wo Vahlen mit Unrecht Lachmann gefolgt ist), virginĕs, ludicrĕ (von Vahlen fälschlich als Neutrum gefaßt), non enĭm rumores, glaucumque apŭd Cumas u. a. (Skutsch ΓΕΡΑΣ Festschrift f. Fick, Göttingen 1903, 142f.). Wenn auch der Prozentsatz solcher Verkürzungen nicht gerade groß ist (vgl. Ungermann E. versu hexametro inducto quatenus meritus sit, Coblenz 1866, 12f.), so ist doch irrig ein Satz wie der von Schanz Röm. Lit.-Gesch. I² 70, daß E. bei Regelung der Quantitäten ‚genau‘ zwischen daktylischer und szenischer Poesie geschieden habe. Auch die späteren Daktyliker haben ja auf das Iambenkürzungsgesetz nicht völlig verzichten wollen oder können (Skutsch ΓΕΡΑΣ a. O.).
Noch genauer trifft des E. Hexameter mit der szenischen Poesie im Abwurf des auslautenden s nach kurzem Vokal zusammen. Er ist in der Senkung hier wie dort Regel, und E. bediente sich dieses Mittels, auf das die spätere Daktylik [2621] verzichten mußte, sein gewandt zur Erzielung der nötigen Daktylen und Trochäen, namentlich im fünften Fuß. Aber ausnahmslos ist der Abwurf hier so wenig wie dort (trotz Havet Etudes romanes dédiées à G. Paris, Paris 1891, 303ff.), wenn auch die Fälle wie studiosūs quisquam 216, qualīs consiliis 222 usw. stark in der Minderzahl sind. Im übrigen ist gerade diese Einzelheit unter den prosodischen Eigentümlichkeiten des E. von besonderem Einfluß auf die späteren republikanischen Dichter gewesen. Was aus der bekannten Stelle Ciceros (orat. 161) über die ungekünstelte Aussprache seiner Zeit zu schließen ist, darüber kann man im Zweifel sein. Aber seine rhythmischen Klauseln lehren, daß er das s durchweg sprach. Auf dem Standpunkt moderner Aussprache stehen also die Neoteriker, die von dem Abwurf des s nichts mehr wissen wollen, und es folgt, daß der Dichter Cicero und Lucrez, die auf dem entgegengesetzten Standpunkt stehen, hierin reine Imitatoren älterer Dichter, natürlich in allererster Reihe des E. sind.
Dagegen zeigt sich ein merkwürdiger Fortschritt über die gleichzeitige szenische Prosodie hinaus, die uns Plautus ja mit aller wünschenswerten Ergiebigkeit repräsentiert, in der Vokalquantität der Endsilben, wo sie nicht unter dem Einfluß des Iambenkürzungsgesetzes steht. In den szenischen Resten des E. ist für uns faßbar nur die Länge des or in vereor v. 59, sonst keine der dem Plautus noch durchaus eigentümlichen Längen, aber auch keine Verkürzung derselben. So stimmen auch die Annalen in einer Reihe von Fällen gut zu Plautus. Die Endungen -at im Präsens und Plusquamperfektum, -et im Präsens und Futurum, -it im Präsens der 4. Konjugation und im Konjunktiv sind ausnahmslos wie im Drama lang (80. 158. 336. 418. 131; 166. 432. 99; 252. 342. 402. 197), ebenso -or in der ersten Person des Mediums (117). In andern Fällen dagegen zeigen die Annalen ein merkwürdiges Nebeneinander von Messungen, die wir als plautinisch, und solchen, die wir als allerfrühestens terenzisch anzusehen gewohnt sind: ponebāt 371 ~ mandebăt 138; essēt 83, fierēt 345 ~ potessĕt 222, sorōr genitōr usw. 41. 113. 442. 444. 531 ~ sūdŏr 406. In der dritten Sing. Perf. ist der Fortschritt über Plautus hinaus sogar noch entschiedener: abgesehen von Formen mit anapästischem Ausgang, in denen ja selbst die klassische Zeit noch Länge des -it zeigt (constituīt 120, voluīt 617 wenn Ennianisch; vgl. fuerīt 125), hat E. einzig und allein (und zwar ziemlich häufig) Kürze des it (89. 92. 155. 286. 375. 395. 486. 495. 530). Auch die zweite Sing. es zeigt sich 578 kurz, wenn E. nicht etwa ausū’s schrieb oder sprach. Im ganzen vgl. Reichardt Jahrb. f. Philol. CXXXIX 777ff.; auch Ungermann a. a. O. hat einige richtige Bemerkungen. Auch diese Beobachtungen widerlegen Ritschl; E. zeigt hier sogar mehr Verfall als Plautus – wenn die Kürzung der Endsilben Verfall ist.
In der Synizese weisen die Annalen und das Drama ebenfalls Unterschiede auf: dem Drama ist e͡orundem 200, wie C. F. W. Müller erwiesen hat, nicht minder fremd als insidjantes 436, Serviljus 251 (so muß man zweifellos lesen, da Serviljus sic offenbar Homerische Schlüsse wie ἐγὼν [2622] ὥς Il. VIII 538 nachahmen soll; vgl. W. Schulze Zur Gesch. lat. Eigenn. 454, 10). Die erstere Gattung von Synizesen ist eine deutliche Nachbildung griechischer Muster; für das Nähere darf ich auf meine Ausführungen in ΓΕΡΑΣ 143ff. verweisen.
Am auffälligsten aber tritt ein Unterschied zwischen dem Drama, und zwar dem eigenen des E., und seinen Hexametern hervor, wenn man die Elisionen prüft. Auf die rund 600 Verse und Versreste der Annalen kommen etwa 90 Elisionen, d. h. noch nicht einmal auf jeden sechsten Vers eine; nur ganz wenige Verse enthalten zwei Elisionen zugleich (216. 362. 396. 502. 537. 563). Dagegen enthält jeder szenische Vers durchschnittlich mindestens eine Elision, und solche mit drei Elisionen sind keine Seltenheit. Noch eigentümlicher vielleicht ist der Gegensatz in der Art der Elisionen. Der Szeniker E. schreckt, man kann sagen, vor keiner zurück; die von ĕ sind naturgemäß die häufigsten, und doch machen sie in 100 Versen, die ich probehalber durchsah, noch nicht einmal ein Drittel aus, über ein Zehntel die von ō; auch die von ī und ā sind nicht selten und selbst solche von ae finden sich wiederholt. In den Annalen dagegen betragen die Elisionen von ĕ über die Hälfte sämtlicher Fälle, und wieder über die Hälfte dieser Menge entfällt auf Elision von quĕ. Dann folgen die Elisionen von Vokal + m, noch nicht ein Viertel des Ganzen, solche von ā̆ sechsmal, von ō und von ē in Monosyllaben je fünfmal, alles übrige ganz vereinzelt, kein Diphthong elidiert. Zufall kann das trotz des geringen Beobachtungsmaterials schwerlich sein, und hier ist’s also allerdings wahr, daß E. zwischen szenischer und daktylischer Poesie genau geschieden hat. Vielleicht darf man in der Behandlung des Hexameters engen Anschluß an Griechen wie Homer und Kallimachos erkennen; bei beiden ist zwar die Zahl der Elisionen erheblich größer, aber auch da machen Partikeln auf kurz e (τε δὲ γε usw.) einen auffällig großen Prozentsatz der Elisionen aus.
Von den auffälligen Hiaten erklären sich etliche, wie ich meine, sicher durch äußerliche Nachahmung griechischen Gebrauches: hos egŏ in pugna vici (193 falls Ennianisch) ~ τὴν δ’ ἐγω̌ οὐ λύσω Il. Ι 29 u. o., entsprechend Scipiŏ invicte (Cic. orat. 152). Schwieriger ist über die Hiate bei schließendem m zu urteilen (militum octo 332, quidem unus 494; auch 271?); die Saturnier haben wohl Ähnliches, während mir für Plautus der Beweis nicht geführt zu sein scheint.
b) Metrisches.
An der Gestalt des Ennianischen Hexameters fällt vor allem auf, was ihn und infolgedessen den lateinischen Hexameter für immer vom griechischen scheidet: die entschiedene Bevorzugung der männlichen Cäsur des dritten Fußes gegenüber der weiblichen (W. Meyer S.-Ber. Akad. München 1884, 1029ff.). Auf erstere kommen etwa 88%, auf die andere etwa 10%, nur zum Teil mit beiden Nebencäsuren versehen; oft erscheint nur eine von beiden, bisweilen fehlen sie beide, so zu malerischen Zwecken 478, wo der weibliche Einschnitt (der sich im vierten Fuß wiederholt) im Verein mit der holodaktylischen Natur des Verses das Gleiten des Kieles durch die Wasserfläche ausdrücken soll, [2623] wie vielleicht auch in v. 201, der aber auch eine andere Auffassung zuläßt, mit ähnlichen Mitteln die Nachgiebigkeit symbolisiert ist. Unter dem Rest der Verse sind nicht nur solche mit männlicher Cäsur in Fuß 2 und 4 (150. 422. 423. 503) oder auch mit nur einer von beiden (183), sondern sogar völlig cäsurlose. Aber auch hier hat man gewiß nicht Nachlässigkeit des Dichters anzunehmen, sondern zum Teil klangmalerische Absichten, so gewiß 230, wo die fünf uneingeschnittenen Daktylen das taktmäßige Rudern versinnbildlichen sollen, und vielleicht auch in dem von Lucilius bespöttelten Verse Scip. 14 sparsis hastis longis campus splendet et horret, wo der Rhythmus dem Starren der schweren Lanzen entsprechend gewählt sein mag. Dagegen scheint der harte Bau von 522 nur durch das Streben entschuldbar, die vier Elemente in einem Vers zusammenzufassen. Das schlimmste bliebe 122f., wenn wir diese ‚Verse‘ wirklich mit C. O. Müller dem E. zur Last legen müßten (in der Gestalt, wie das Vahlen tut, ist das keinesfalls möglich, da der Nom. Sing. hic für die Zeit des E. keine Länge ist); immerhin würde auch hier die Ungefügigkeit der Eigennamen als mildernder Umstand geltend gemacht werden können.
Warum nun die männliche Cäsur im dritten Fuß so stark überwiegt, ist eine Frage, auf die, soviel ich weiß, noch keine befriedigende Antwort gefunden ist. Auch meine Vermutung, daß E. die erste Hexameterhälfte mit der ersten Pentameterhälfte gleichsetzen wollte, würde ich nur dann mit etwas mehr Zuversicht vortragen, wenn ich sie irgendwie durch antike Theorie zu stützen wüßte. Übrigens ist dies nicht das einzige, worin E. bewußt vom griechischen Gebrauch abbiegt: spondeische Worte und Wortschlüsse im vierten Fuß hat er häufig (Meyer 1030).
Während in diesen beiden Punkten E.s Vorbild für die ganze römische Daktylik entscheidend wird, ist es für einige andere Punkte ziemlich bald verschmäht worden: die vier- und mehrsilbigen Schlußworte liebt er geradezu leidenschaftlich und bildet sie mit besonderer Kunst aus (10. 23. 43. 55f. 76ff. 83 usw.); im Zusammenhang damit, aber auch ohne solchen erscheint oft Wortschluß in der fünften Hebung (23. 32. 33. 43. 52 usw.); der Schluß auf einsilbiges Wort wird nicht bloß zugelassen, wo er durch Enklise (z. Β. 30. 105) oder griechisches Vorbild (101 s. u.; 251 s. o.) entschuldigt ist, sondern auch sonst häufig (90. 92. 98. 163. 175. 177 usw.). Auffällig ist der verhältnismäßige Reichtum an Daktylen, durch den E. z. B. Catull weitaus übertrifft und worin ihn erst die Augusteer überboten haben (Drobisch Statistischer Versuch über die Formen des Hexameters, S.-Ber. Akad. Leipz. XVIII 130). E. verdankt ihn ja zum Teil gewiß der Möglichkeit, auslautendes s abzustoßen, von der er besonders für den fünften Fuß Gebrauch macht. Aber daneben hat er auch andere durch die Sprache unmittelbar gegebene oder selbstgefundene Mittel zum selben Zweck angewendet (so namentlich im fünften Fuß die Ablative dritter Deklination wie corpore agmine lumine, die neutralen Plurale corpora lumina aequora, die Infinitive wie discere spargere, besonders aber Verbindungen mit quĕ, was alles die späteren Daktyliker von [2624] ihm gelernt haben). Am Bau der Hebungen ist außer den o. S. 2620, 23 besprochenen Auflösungen bisweilen die Ausfüllung der dritten und vierten durch eine wortschließende Kürze auffällig (87. 147. 170. 492; -a des Nominativs und -us des Komparativs sind für E. so ausnahmslos kurz wie für Plautus); die Erklärung dafür aus dem zum Teil mißverstandenen Homerischen Vorbild hat Norden Vergil 438 gegeben.
Die malerischen Mittel des Ennianischen Hexameters sind, soweit sie auf der Verwendung der Cäsuren und des Daktylus oder Spondeus beruhen, soeben schon berührt worden; vgl. z. Β. noch 33 (wo die Spondeen wohl würdevoll wirken sollen). 35 (Daktylen zur Bezeichnung der Schnelligkeit). 43 (wo die alleinstehende trochäische Cäsur im vierten Fuß dem unsicheren Schritt Ausdruck leihen mag). 224 ~ 277 (Galopprhythmus, nachgeahmt von Vergil VIII 596) usf. Dazu tritt in großem Umfang die Lautmalerei, wie z. B. in den beiden letztangeführten Versen die dumpfen Vokale und das häufige t das Stampfen der Pferde ausdrücken. Daß E. in solchen Dingen das Maß überschritten hat, zeigt die bekannte Geschmacklosigkeit des taratantara 140. Aber das seit Cornificius Rhet. ad Her. IV 18 vielgeschmähte ο Tite tute Tati tibi tanta tyranne tulisti 109 ist nicht angreifbarer als des Euripides ἔσωσα σ’ ὡς ἴσασιν; wie das σ, das ἄχαρι καὶ ἀηδὲς καὶ εἰ πλεονάσειε σφόδρα λυπεῖ (Dionys. de compos. verb. 14), so soll natürlich auch das t den scharfen Vorwurf ausdrücken. In jedem Fall hat solchen Extremen gegenüber E. mit ganz ähnlichen Mitteln bisweilen in der ganzen Latinität nicht wieder übertroffene Wirkungen erzielt: wie reizend malen z. B. l und m (ἡδύνει τὸ λ Dion. a. a. O.) den Fluß und die ganze anmutige Gegend in dem Verse quod per amoenam urbem leni fluit agmine flumen 173. Außer griechischer Theorie hat auf die starke Verwendung der Allitteration natürlich auch das Vorbild der saturnischen Poesie gewirkt; eine Verbindung wie mare magnum 445 könnte aus Livius Andr. Od. 18 B. stammen. Weitere Einzelheiten aufzuzählen, darf ich hier unterlassen.
c) Sprachliches.
Eine außerordentlich geschickte Mischung von Archaismen, kühnen Neologismen und Graecismen – so habe ich die Sprache der Aeneis charakterisiert (Aus Vergils Frühzeit 65), und diese Charakteristik kann man auch auf die Annalen anwenden; nur wird man das lobende Beiwort wegzulassen haben und für Graecismen im ganzen Homerismen setzen dürfen. Nach allen drei Richtungen hin möchte ich hier wenigstens exemplifizieren, bemerke aber von vornherein, daß sich die drei Kategorien mannigfach durchschneiden, indem z. Β. bisweilen eine archaische Form die Homerimitation besonders weit zu treiben gestattete oder die letztere zu einer auffallenden Neubildung führte. α) Homerismen (vgl. oben S. 2610, 62ff. und ΓΕΡΑΣ Festschr. für Fick 145f.). Hierher die bekannten Versschlüsse endo suam do 576 ~ homer. ἡμέτερον δῶ Od. I 176 u. dgl., laetificum gau 574: gaudium = homer. κρῖ: κριθή, altisonum cael 575 wie Euphorion in Nachbildung jener homerischen Erscheinungen ἧλ für ἧλος oder ἥλιος sagte (Meineke Anal. Alex. 130; so jetzt auch Pascal Studi sugli scrittori latini [2625] 45). Auch über die Entlehnung der Genetivendung -οιο in Mettoeo Fufetioeo (v. 126) besteht jetzt wohl kein Zweifel mehr; daß es sich nicht um einen römischen Namen handelt, ist wenigstens eine gewisse Entschuldigung. Die Versschlüsse dia dearum 22, Romule die 111, als lateinisch weder lautlich noch im ersten Fall syntaktisch ganz verständlich, finden ihre volle Erklärung nur durch die Homerischen Vorbilder, s. o. S. 2611, 11. Nicht minder kraß als die genannten Fälle ist der Gebrauch des eigentlich nur demonstrativischen (22 u. ö.) und auch in diesem Sinne schon antiquierten sus für das Poesessivum suus in Analogie und zur Nachbildung von homerisch ὅς (ΓΕΡΑΣ a. a. O.). Man wird nicht leugnen können, daß in diesen Dingen E. zugleich geschmacklos und gewalttätig verfahren ist; aber dergleichen abzustreifen war für seine Nachfolger eine Kleinigkeit, und danach konnten sie sich der großen Leistung des E. für die römische Dichtersprache als eines Reingewinns erfreuen. β) Archaismen. Es soll hier natürlich nicht von dem die Rede sein, was altertümlicher ist als klassischer Brauch, sondern nur von solchen Dingen, die, wie man nach Ausweis des Plautus und ähnlicher Quellen annehmen kann, schon zur Zeit des E. antiquiert waren. Endo hatten die 12 Tafeln als lebendige Präposition und in freier Zusammensetzung mit Verben (vgl. Jordan Beitr. z. Gesch. d. lat. Spr. 260f.), für Plautus ist es wie für den Dramatiker E. völlig tot: sie kennen es nur in erstarrten Komposita wie indaudire und den allzeit erhaltenen indipisci indigere. Der Epiker E. aber hat nicht nur die Präposition indu aus alten Quellen übernommen, weil sie für den Hexameter in manchen Verbindungen viel bequemer war als in (indu foro, indu mari 238. 445), sondern er hat das Wort aus demselben Grunde auch in Komposita eingeführt, die vor ihm vermutlich nie etwas anderes als en oder in enthalten hatten (indotuetur, induvolans, induperare für ungefüges intuetur involare imperare, wofür spätere Daktyliker mit einem andern Notbehelf imperitare sagten; nebenbei bemerkt, auch das EN der Festkalender sollte man nicht endotercisus, sondern nur entercisus lesen). Ähnlich aus älteren Sprachdenkmälern herübergenommene Formen sind sapsa 430, olle, superescit 494, insece 326 (dies wohl aus der Odyssee des Livius). Selbst ähnliche Irrtümer wie bei indotuetur usw. sind auch sonst noch zu konstatieren: trochäisches haece 234, dreisilbiges duellum 559 sind auf Grund des Schriftbildes entstanden; die naturwüchsige Sprache kannte das zweite nie, das erstere jedenfalls in E.s Zeit nicht mehr. Über die mißbräuchliche Umdeutung von sis sas ist unter α gesprochen, aber auch das Demonstrativum sum sam (98. 219 usw.) ist nur eine von E. wiedererweckte Form. γ) Die Neubildungen eines Dichters pflegen im wesentlichen auf dem Gebiete der Komposition zu liegen. Und tatsächlich gehört dahin (abgesehen von ganz Vereinzeltem wie der Hypostase obvius 570, dem Adjektivum populeus, womit eine später bei den Daktylikern sehr beliebte Bildungsweise vorgeahnt ist) all das, womit die Annalen den römischen Wortschatz bereichert haben. Eine Gruppe hebt sich besonders heraus, die der Zusammensetzungen [2626] mit dem Partizipium Präsentis im zweiten Gliede. Zwar war Naevius in seinem Epos mit arquitenens vorangegangen, aber zu umfänglicherem Ausbau dieser Bildungsart führte erst der Hexameter. E. erkannte insbesondere ihre Bedeutung für die Bildung der Hexameterschlüsse; da stehen altivolantum 81, suaviloquenti 303, omnipotentis 458, sapientipotentes 181, wo freilich das gleichgebildete bellipotentes um der Antithese willen in den Versanfang wanderte, endlich altitonantis 541 (dem E. wohl mit Recht zugewiesen). Daß es sich hier in gewissem Sinne auch um Gräzismen handelt, liegt auf der Hand: Homerische Versschlüsse wie αἰετὸς ὑψιπετήεις oder wenigstens doch Homerische Beiworte wie ὑψιβρεμέτης ἡδυεπής sind nachgebildet. Die partizipiale Form drängte sich in manchen Fällen ganz von selbst auf; von den Verben der ersten Konjugation z. Β. wagte man nicht gern die sonst im zweiten Teil des Kompositums so geläufige Form auf -us zu bilden, die E. in solchem Fall nur einmal (velivolus 388) zugelassen hat. Der glückliche Griff, den E. gerade als Daktyliker mit der Schaffung solcher partizipialer Formen tat, würde jedenfalls von den Dichtern noch über Lucrez und Cicero hinaus anerkannt worden sein, wenn nicht von da an die Einschränkung des Hexameterschlusses auf zwei- und dreisilbige Worte entgegengewirkt hätte. Sonstige Neubildungen stehen vereinzelt, insbesondere sind jene eben erwähnten Komposita auf -us noch verhältnismäßig unentwickelt (doctiloquus 583, altisonum cael 575, frugifer 489 wieder deutlich nach καρποφόρος eines griechischen, freilich nachhomerischen Dichters). Über caelicola magnanimus u. dgl. s. o. S. 2615, 63. – Viel Glück haben gewisse Neuerungen in der Flexion und Syntax gemacht, die E. dem Hexameter zu Liebe einführte. So insbesondere der poetische Plural (regna scamna templa 49. 96. 141) und der poetische Singular (cervice nare tibia ungula statt des ungefügen, aber eigentlich allein berechtigten cervicibus naribus tibiae ungulae 472. 341. 299. 224 u. ö.). Auch bei diesen von den späteren Dichtern dankbar übernommenen Wagnissen schwebten dem E. wohl öfters griechische Analogien vor; vgl. darüber zuletzt Maas Archiv f. Lexikogr. XII 479ff.
Zum Schluß dieser Bemerkungen über die Formalien des Ennianischen Epos mag noch ein kurzes Wort im Zusammenhang über das rhetorische Element gesagt sein, dessen wir im Vorbeigehen schon wiederholt gedacht haben. Es spielt, so erfreulich frei auch manche Stücke der Annalen sich davon gehalten zu haben scheinen, in andern doch eine nicht geringere Rolle als in der Ennianischen Tragödie (s. o. S. 2596, 7ff.), und mit dem sonst so gesunden Körper, den das römische Epos von den Annalen erbte, ist ihm gleichzeitig auch die schlimme Krankheit der Rhetorik hereditär überkommen. Es ließe sich aus den Trümmern der Annalen eine schöne Blütenlese von Sinn- und Klangfiguren (auch abgesehen von den o. S. 2624, 22ff. berührten leichteren Parechesen) zusammenstellen. In v. 138f. (volturus … mandebat homonem; heu quam crudeli condebat membra sepulcro) hat man das berüchtigte Diktum des Gorgias von den γῦπες ἔμψυχοι τάφοι wiedererkannt (vgl. Norden Kunstprosa [2627] I 385). Antithese mit Isokolon liegt 199f. vor, sehr wirkungsvolle ἀναδίπλωσις in dem σχετλιασμός 111; 103 zitieren die Alten als Beispiel für ὁμοιόπτωτον, durch ὁμοιοτέλευτον machen einige Hexameter geradezu den Eindruck von leoninischen (169. 195). Von Paronomasien begegnen die verschiedensten Arten in teilweise sehr künstlichen Beispielen (explebant – replebant 309, repetunt – petunt 273, nare – pugnare 252, stolidi soliti 105, vgl. auch S. 2612, 48). Dies mag zur Exemplifizierung genügen.
IV. Die sonstige Tätigkeit des E.
Daß E. sich als orthographischer Reformator betätigt hat, kann nach dem unter I über seine philologische Betätigung Gesagten von vornherein nicht wundernehmen, und das Zeugnis des Verrius (Festus s. solitaurilia p. 203), daß E. die Konsonantengemination in die lateinische Schrift eingeführt hat, wird, wie Ritschl Opusc. IV 165ff. sah, durch die Inschriften bestätigt: auch die jetzt ältesten Beispiele der Verdoppelung in lateinischen Worten gehen nicht über das J. 189 zurück (Dekret des L. Aemilius Paullus CIL II 5041). Vorher findet sie sich nur einmal in einem griechischen Eigennamen (Hinnad CIL I 530 = VI 1281 vom J. 211), und auf griechisches Muster führte Verrius wohl mit Recht die ganze Neuerung des E. zurück. Daß es sich dabei um einen rein graphischen Vorgang handelt, der überhaupt nur dann verständlich ist, wenn er wiederspiegelt, was in der Aussprache schon vorher vorhanden war, wird nach den Diskussionen der letzten Jahre hoffentlich niemand mehr zweifelhaft sein (vgl. Skutsch Forschgn. I 94).
Vermutlich hat E. diese Reform an irgend einer Stelle seiner Schriften vorgetragen. Man könnte, wenn man sich an Lucilius IX erinnert, an die Satiren denken (Ribbeck Jahrb. f. Philol. LXXV 1857, 314). Aber bei Sueton. gramm. 1 wird berichtet, daß einige unserem E. zwei Bücher de litteris syllabisque, item de metris zuschrieben, und hier wäre denn wohl für die Neuerung ein besserer Platz gewesen. Freilich spricht Sueton mit einem nicht weiter bestimmbaren L. Cotta jene Bücher dem Dichter ab und einem späteren E. zu, cuius etiam de augurandi disciplina volumina feruntur. Indes scheint mindestens das erstere Werk so trefflich für unseren E. zu passen, daß man den Skeptizismus des Cotta erst dann zu teilen versucht sein könnte, wenn man seine Gründe oder wenigstens irgend etwas weiteres über den angeblichen späteren E. wüßte; doch hat auch Marx (Lucil. I p. LVIII) Konjektur Sp(urius) Ennius im Anekdoton Parisinum (GL VII 534, 4K.) kein glaubliches Zeugnis für diesen geschaffen. Für die Echtheit des Auguralbuches fehlen greifbare Argumente durchaus. Vgl. Weinberger Philol. LXIII 1904, 633ff., wo weitere Literatur.
Endlich heißt es von E. bei Isidor orig. I 21 vulgares notas Ennius primus mille et centum invenit, worauf Nachrichten über Art und Geschichte der Kurzschrift, aber auch über andere Notae folgen. Diese stammen aus verschiedenen Quellen, der erste Satz aber aus Sueton, wie die eindringende Quellenuntersuchung von Traube (Archiv f. Stenographie LIII 1901, 199ff.) sicher gestellt hat. Teuffels Bedenken, ob eine Zeit, [2628] welche kaum die ersten Anfänge kunstmäßiger Beredsamkeit sah, schon das Bedürfnis nach wortgetreuer Niederschrift der Reden gehabt haben sollte (Röm. Lit.-Gesch.⁵ 173), wird man heute kaum mehr teilen, also schwerlich mit Johnen bei Weinberger a. a. O. annehmen mögen, daß ein Mißverständnis des Isidor vorliege, der bei Sueton nur gefunden haben werde, daß E. die beiden Noten Μ und C für mille und centum erfunden habe.
V. Ausgaben und Hilfsmittel.
Nach der Sammelausgabe, die die Stephani 1564 von den Fragmenten der älteren römischen Dichter gegeben hatten, folgte 1590 die erste Spezialausgabe der E.-Fragmente durch den um die Sammlung und Erklärung der Fragmente hochverdienten Hier. Columna 1595. Auch die sich auf die Annalen beschränkende Ausgabe von Paul Merula hat Verdienste um Anordnung und Verständnis, ist aber berüchtigt durch die aus ‚L. Calpurnius Piso de continentia veterum poetarum‘ und dem ‚Glossarium Forneri‘ hinzugetanen Verse. Daß deren Echtheit neuerdings in Block (Mnemosyne XXVIII 1900, 1ff.) einen Verteidiger gefunden hat, kann auf den Philologen nur komisch wirken. Die Verdächtigkeit der Fundumstände (Lawicki De fraude P. Merulae, Bonn 1852) verurteilen sie so sicher wie die sprachlichen und prosodischen Ungeheuerlichkeiten (z. B. reliquae ⏖–, exēcrando); bestenfalls war Merula ein betrogener Betrüger. Über weitere Ausgaben berichtet Vahlen S. CXXXIII, dessen eigene Ausgabe dann 1854 die Grundlage aller E.-Studien wurde. L. Müllers Versuch, sie zu ersetzen, (Petersburg 1885) ebenso wie sein begleitendes Buch (Q. Ennius, Petersburg 1884) ist gewiß nicht ohne Verdienst im einzelnen, aber durch Willkürlichkeiten und Geschmacklosigkeiten vielfach arg entstellt; die Darstellung zu einer ‚Einleitung in das Studium der römischen Poesie‘ zu gestalten, fehlte dem Verfasser durchaus die Weite des Gesichtskreises. Die nichtszenischen Fragmente gab dann Baehrens in den Fragmenta poetarum Romanorum in seiner bekannten Weise, die der Annalen Valmaggi, Turin 1900 mit einem ganz nützlichen Kommentar heraus; die szenischen Bruchstücke sind in Ribbecks drei Ausgaben der Szenikerfragmente namentlich durch glänzende Bemerkungen von Bücheler gefördert worden. Endlich gab nach vielen Vorarbeiten, die er selbst S. CXXXVI aufzählt, Vahlen 1903 die fortan in erster Reihe zu benutzende Neuauflage der Ennianae poesis reliquiae mit inhaltreichen Prolegomena über Leben und Werke des Dichters, von denen ich im vorstehenden, bei manchem Dissens im einzelnen, ausgiebigen Gebrauch gemacht habe.
[Skutsch.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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