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Endymion Ἐνδυμίων, ein ursprünglich göttliches Wesen, in der Erde (Höhle? Grab?) hausend gedacht wie Hyakinthos.
§ 1. Lokalisiert ist E.:
a) in Elis. Ein μνῆμα des E. stand am Anfang der Laufbahn in Olympia, Paus. VI 20, 9. V 1, 5. Die Legende begründete dies wohl damit, daß E. dort seine Söhne um die Herrschaft wettlaufen ließ (Paus. V 1, 4. 8, 1), er also als Stifter dieses Agons galt. Ibykos (frg. 44 Bgk.) hat E. König von Elis genannt, so auch die Mythographen. Die Elfenbeinstatue des E. im Thesauros der Metapontier in Olympia (Paus. VI 19, 11) könnte eben diesem Stifter des Olympischen Agons gelten, aber wahrscheinlich ist mir, daß E. auch in dieser achaeischen Colonie selbst verehrt wurde.
Auch daß E. einst in Aitolien gewesen, wäre wohl zu vermuten, weil einer seiner Söhne Αἰτωλός heißt (Apollod. I § 57. Paus. V 1, 4) und der Gelehrte Nikander die E.-Sage im 2. Buche seiner Αἰτωλικά behandelt hat; vgl. Ephoros bei Strab. X 463.
Endlich darf man ihn wohl auch für Thessalien erschließen, s. § 3 a. E.
b) In Sparta. Das hatte Theon zu Apoll. Rhod. IV 57, vgl. Schol. Theocr. III 49, aus einem; Mythographen entnommen, leider ist es ohne Autornamen erhalten: φασὶ δὲ . οἱ μὲν Σπαρτιάτην οἰ δὲ Ἠλεῖον.
c) In Arkadien, wie aus Plut. Numa 4 zu entnehmen ist. Bestätigt wird es durch die Tradition, daß E. Hyperippe, eine Tochter des Arkas, geheiratet habe, Paus. V 1, 4.
d) In Karien bei Herakleia, in der Nähe von Milet, war im Berge Λάτμον sein ἅδυτον nach Paus. V 1, 5, sein Grab nach Strab. XIV 636, also Grabkult in einer Höhle. Auch ein Sohn E.s Φθίρ wird genannt zur Erklärung des bei Homer Il. II 868 erwähnten Φθιρῶν ὄρος in Schol. A ἢ ἀπὸ Φθιρὸς τοῦ Ἐνδυμίωνος und Schol. zu Theodosius Canones Bekker An. Gr. III 1200, 14 = Grammatici Graeci IV 1 p. 321, 15 Hilgard.
§ 2. Die älteste Überlieferung über E. findet sich in den Hesiodeischen Gedichten, bezieht sich [2558] also nicht auf den asiatischen E. Im reichen Schol. Apoll. Rhod. IV 57 (Theon, vgl. Schol. Theocr. III 49) werden zwei Hesiodeische Versionen gegenüber gestellt, die zweite als die der Großen Eoien bezeichnet, die erste also wohl aus den Katalogen. Danach war E. Sohn des Aethlios (= Apollod. Bibl. I § 56 Wagn.) und der Kalyke, und Zeus gab ihm das Vorrecht, ,selbst zu sein Verwalter seines Todes‘, d. h. doch wohl, er brauche gar nie zu sterben. Ebenso Pisander, Akusilaos, Pherekydes, Nikander im zweiten Buche der Aitolika und Theopomp ὁ ἐποποιός. In den Großen Eöen dagegen sei E. von Zeus (doch wohl hier sein Vater) in den Himmel erhoben worden, habe sich, in Hera verliebt, an ihrem Wolkenabbilde vergriffen und sei in den Hades gestoßen worden. Ebenso Epimenides (Schol. Apoll. Rhod. p. 487, 4 Keil), der aber als Strafe für diesen Frevel den ewigen Schlaf des E. angab (vgl. § 5). Andere (p. 487, 7) erzählten, E. sei wegen seiner Gerechtigkeit vergöttert worden, habe sich aber von Zeus den ewigen Schlaf erbeten; vgl. Apollod. Bibl. I § 56. Zenob. III 76. Von der Liebe der Selene wird hier nichts erwähnt. Daß sie diesen ältesten (peloponnesischen) Sagen fremd war, jedenfalls der hesiodischen, wird dadurch bestätigt, daß das zitierte Apolloniosscholion jenen gegenüberstellt (p. 487, 1): περὶ δὲ τοῦ τῆς Σελήνης ἔρωτος ἱστοροῦσι Σαπφὼ καὶ Νίκανδροσ ἐν β’ Εὐρωπείας (Εὐρώπης). Diese Sage scheint also in Asien entstanden zu sein. Auch bei den Mythographen wird sie niemals ausdrücklich für den elischen E. bezeugt; daß sie von ihnen neben seinen peloponnesischen Beziehungen erwähnt wird, wie bei Apollod. Bibl. I § 56. Paus. V 1, 3 ist natürlich und praktisch, beweist aber selbstverständlich nichts. Die Sage von Selene und E. kann für die Peloponnes auch nicht Boeckhs Vermutung gewinnen, daß die bei Paus. V 1, 4 genannten 50 Töchter der Selene und des E. als die 50 Monate des olympischen Festcyklus zu deuten seien (Explicationes Pind. 138).
§ 3. Die mutterländische Sage hat fünf verschiedene Frauen um E. gesammelt. Von einer Naiade, oder nach einigen von Iphianassa hat er den Sohn Aitolos, Apollod. Bibl. I § 57. Andere zählt Paus. V 1, 4 auf aus einer mythographischen Quelle: οἱ μὲν Ἀστεροδίαν ..., οἱ δὲ τὴν Ἰτώνου τοῦ Ἀμφικτυόνος Χρομίαν, ἄλλοι δὲ Ὑπερίππην τὴν Ἀρκάδος.
Als Söhne des E. werden außer Aitolos (vgl. Ephoros bei Strab. X 463. Apollod. Bibl. I § 57) bei Paus. V 1, 4 aufgeführt Paion, nach dem die makedonische Landschaft Paionia genannt sei, und Epeios, von dem die Epeier in Elis heißen; denn Epeios habe im Wettlauf um die Herrschaft gesiegt. E.s Tochter sei Eurykyda (s. o.) gewesen, die dem Poseidon den ?λεῖος, den Vater des Augeias, geboren habe, Paus. II 1, 4. 8.
Dem E. selbst gaben als Eltern die Hesiodeischen Kataloge (frg. 11 Rz.² in Schol. Apoll. Rhod. IV 57) den Zeus und die Kalyke, Tochter des Thessalers Αἴολος und der Ἐναρέτη (Apollod. Bibl. I § 51 wohl aus Hesiods Katalogen), oder als Vater den Aethlios, Sohn der Deukaliontochter Protogeneia und des Zeus, Apollod. BibL I § 56 + § 49. Paus. V 1, 3. [2559]
Diesen genealogischen Verknüpfungen gemäß nimmt E. in der Konstruktion der ältesten Geschichte eine wichtige Stellung ein: er habe die Aioler von Thessalien nach Elis geführt. E. dürfte demnach auch mit Thessalien in fest lokalisierten Sagen Beziehungen gehabt haben, was um so wahrscheinlicher ist, als seine Gattin Chromia Tochter des Itonos heißt, des ursprünglichen Eponymen der thessalischen Stadt Ἴτων, und E. auch für Aitolien in Anspruch zu nehmen ist (s. o. § 1 a).
§ 4. Vom kleinasiatischen E. ist außer der äußerlichen Anknüpfung an den mutterländischen (Paus. V 1, 5) nur sein Grab(?)kult im Latmon bekannt und die Sage von der Liebe Selenes zu ihm. Das Latmongebirge wird ausschließlich genannt, wo überhaupt ein Lokal angegeben ist, Theocr. XX 37. Apoll. Rhod. IV 57. Kallimachos Coma Berenices (Catull. 66, 5). Cic. Tusc. I 92. Ovid. de arte am. III 83; trist. II 299. Luc. dial. deor. 11. Offenbar ist die Sage dort entstanden, wo man den Mond auf jenem finstern Berge ruhen und wohl hinter ihm verschwinden sah, in dem man den E. hausen und doch nicht lebendig leben glaubte; vgl. Welcker Griech. Götterlehre I 557. Bei poetischer Ausbildung dieses Motivs mußten sich von selbst einstellen die Schönheit und Jugend des E., und die Begründung, warum er bei Nacht droben auf dem Berge schlafe; er sei Hirte (Theocr. XX 38) oder Jäger (Schol. Apoll. Rhod. IV 57). In Schol. Apoll. Rhod. IV 57 (Theon) ist Sappho (frg. 134 Bgk.) als ältester Zeuge dieser Fabel angeführt. Auch Nikander ?ν β’ Εὐρωπείας (? Εὐρώπης) cod.) wird dort zitiert. In Apollod. Bibl. I § 56 scheint Selenes Liebe mit dem Geschenk des ewigen Schlafes an E. in Zusammenhang gebracht zu sein; aber es ist wohl nur äußerliche Kontamination. Die Geschichte bei Serv. Georg. III 391, E. sei von Selene zuerst abgewiesen, dann aber von ihr geliebt worden, als er die weißesten Schafe geweidet, könnte wohl auf einen alexandrinischen Dichter zurückgehen, wenn nicht Konfusion vorliegt.
§ 5. Vom Schlafen E.s wissen die Hesiodeischen Gedichte (s.§ 2) nichts, wohl aber scheint seine Fortexistenz eigenartig erklärt worden zu sein. In den Katalogen gab ihm Zeus ,sich selbst Verwalter des Todes zu sein‘, falsch erklärt Ὄτε θέλοι ὀλέσθαι, vielmehr ist zu verstehen, er werde nie sterben, da er Herr über seinen Tod ist. In den Großen Eoien ward er in den Himmel erhoben, also unsterblich, dann aber in den Hades verstoßen. Das ewige Schlafen E.s ist nur ein anderer Ausdruck für das Fortleben des nicht mehr sichtbaren E., wie Barbarossa im Kyffhäuser. Ps.-Epimenides in Schol. Apoll. Rhod. IV 57 hat es dann mit der Sage der Großen Eoien verbunden, indem er den ewigen Schlaf als Strafe über E. verhängen ließ.
§ 6. Im 4. Jhdt. hat Likymnios von Chios den schlafenden E. spielend verwendet, indem er Hypnos zu seinem Liebhaber machte, der, um stets seine schönen Augen zu sehen, ihn mit offenen Augen schlafen ließ, bei Athen. XIII 564 C (Bergk PLG III 1250). Vgl. Nonn. Dionys. XLVIII 637. Diogenian. IV 60. Robert Bild und Lied 49f.
§ 7. Rationalistische Deutungen gab Mnaseas [2560] im ersten Buche seiner Εὐρώπη (FHG III 149, 1; vgl. frg. 4) bei Schol. Germ. Arat. p. 196 Basil. = Schol. Apoll. Rhod. IV 57 p. 487, 15 Keil (wo auch anderes derart) auf E. als Astronomen. Vgl. Plin. n. h. II 6. Mythogr. Vatic. I 229 und p. 198.
§ 8. E.s Schlaf wurde sprichwörtlich gebraucht, Plat. Phaed. 72 C. Aristot. Eth. Nicom. X 8. Schol. Apoll. Rhod IV 57 p. 487, 21. Suid. s. Ἐνδυμίων. Zenob. III 76. Diogen. IV 60.
§ 9. Auf Bildwerken erscheint der schlafende E. seit hellenistischer Zeit. Den einsam auf dem Gebirge entschlummerten Jäger zeigt das schöne Relief des Kapitolinischen Museums in Rom (Helbig Führer nr. 470), abgebildet bei Braun Zwölf antike Basreliefs Taf. 9 = Roscher Mythol. Lex. I 1246. Schreiber Hellenist. Reliefbilder Taf. 13. Brunn-Bruckmann Denkm. 440. Das Motiv des mit offenen Augen schlafenden E. (Likymnios, s. § 6) hat ein hellenistischer Maler darzustellen versucht, wiederholt auf pompeianischen Wandgemälden (Helbig nr. 957. 960) und Sarkophagen, Robert Bild u. Lied 50. Besonders auf Sarkophagen ist Selene dargestellt, wie sie den schlummernden E. beschleicht (O. Jahn Archäol. Beiträge 51ff. Taf. III 1). Robert Sarkophagreliefs III Taf. 12, 13 S. 61 ff.
[Bethe.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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