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Ehescheidung. a) Griechisch. 1. In Gortyna, II 45 die Hauptstelle lautet: ‚Wenn Mann und Frau sich scheiden, so soll sie ihr Eigenes haben, was sie zu dem Manne eingebracht hat, und vom Ertrage die Hälfte, wenn er aus ihrem Vermögen stammt, und von dem, was sie drin erworben, die Hälfte, was immer es ist, und fünf Statere, wenn der Mann an der Vereinsamung schuld ist (αἴτιος). Behauptet der Mann, nicht schuld zu sein, so soll der Richter unter Eid entscheiden‘. Diese Fassung eröffnet mehrere Zweifel: α) Ist die Schuld des Mannes Vorbedingung für die gesamte Erstattung (Zitelmann 119) oder nur für die Zahlung der fünf Statere (Inscr. jur. gr. 361)? Wahrscheinlicher ist das letztere, sonst wäre die Frau zu ungünstig gestellt. β) Was heißt αἴτιος? schuldig (Zitelmann 118) oder Veranlassung (Inscr. jur. gr. 361)? auch hier ist das letztere wahrscheinlicher. γ) Worüber entscheidet der Richter? über die Frage, wer ist die Veranlassung (Inscr. jur. gr. 456. Zitelmann 119) oder über die Erstattungspflicht? Jedenfalls das erstere. Demnach erhält die Frau das Eingebrachte und die Hälfte des Ertrags und Erwerbs [2012] in jedem Falle, die fünf Statere im Falle, daß der Mann auf Scheidung dringt. Die weiteren Bestimmungen sollen nur Übergriffe der Frau bei der Erstattung verhüten. Nach III 44 soll ein in der Scheidung geborenes Kind dem Mann behufs Anerkennung vor drei Zeugen hingebracht werden. Lehnt er die Annahme ab, so hat die Mutter die Wahl, es aufzuziehen oder auszusetzen. 2. In Athen erfolgte die Auflösung der Ehe durch den Mann (ἀποπέμπειν, auch ἐκπέμπειν, ἐκβάλλειν) vor Zeugen, Lys. XIV 28. Sie mußte stattfinden, wenn Ehebruch der Frau offenbar festgestellt war [Demosth.] LIX 81, bei Strafe des Verlustes der Ehrenrechte. Die Mitgift und alles, was vertragsgemäß dazu gehörte (Isai. III 35), mußte zurückerstattet werden ([Demosth.] LIX 52): ἐὰν δὲ μή, ἐπ᾽ ἐννέα ὀβολοῖς τοκοφορεῖν καὶ σίτου εἰς Ὠιδεῖον εἶναι δικάσασθαι ὑπὲρ τῆς γυναικὸς τῷ κυρίῳ Die Erstattungspflicht bestand selbst in dem Falle, daß dem Manne betrügerischerweise eine Nichtbürgerin verlobt war, [Demosth.] LIX 82f. 52, wo Phrastor diesen Anspruch nur durch eine gefährliche Anklage zurückweist. Ein in der Scheidung geborenes Kind konnte der Mann, wenn es ihm gebracht wurde, durch Aufheben anerkennen (a. O. 56f.). Gegen die Rechtmäßigkeit dieser Scheidung gab es eine Klage ἀποπομπῆς oder, wie in einer Rede des Lysias vorkam, ἀποπέμψεως, von der wir nur durch Poll. III 46. VIII 31. VI 153 Kunde haben. Wollte dagegen die Frau die Ehe lösen (ἀπολείπειν τὸν ἄνδρα), so hatte sie, angeblich persönlich (Plut. Alk. 8), dies beim Archon anzuzeigen (ἀπογράψασθαι τὴν ἀπόλειψιν πρὸς τὸν ἄρχοντα Demosth. XXX 17, kürzer ἀπολείπειν πρὸς τὸν ἄρχοντα Isai. III 78). Daß zur Trennung der Ehe der Spruch des Archon oder gar des Gerichts nötig war (Schoemann-Lipsius I⁴ 562), ist nirgends überliefert, dagegen spricht Demosth. XXX 26: μετὰ τὸ γεγράφθαι παρὰ τῷ ἄρχοντι ταύτην τὴν γυναῖκ᾽ ἀπολελοιπυῖαν. Auch für diesen Fall mußte die Mitgift erstattet werden (Isai. III 35), doch soll hier auch dem Manne nach Poll. a. O. die δίκη ἀπολείψεως zugestanden haben. Es finden sich drittens auch Beispiele der Scheidung auf Grund gegenseitigen Einverständnisses, Plut. Per. 24. Isai. II 9, während die Fälle bei Demosth. LVII 41 und XXX 7 (vgl. die Hypoth.) doch wohl der ἀπόπεμψις zuzurechnen sind. Bei Erbtöchtern endlich konnten auch Dritte die Ehescheidung herbeiführen, indem sie bei dem Archon nähere Ansprüche auf die Hand der Erbtochter geltend machten (Isai. III 64. X 19). Es kommt auch vor (Demosth. XLI 4), dass ein Vater seine Tochter seinem Adoptivsohn wegnimmt und unter Aufhebung der Adoption einem andern zur Ehe gibt. Vgl. Meier-Lipsius Att. Proz. 510f. v. d. Es De iure familiarum 49. Caillemer La restitution de la dot, Par. 1867. 3. Aus anderen Orten ist nicht viel überliefert. In Sparta war Unfruchtbarkeit der Frau Scheidungsgrund, Herodot. V 39. VI 63. In Thurioi soll die ursprüngliche Freiheit der Ehescheidung dahin beschränkt worden sein, daß dem die Scheidung beantragenden Teile nicht gestattet wurde, ein jüngeres Gemahl, als das erste, zu heiraten, Diod. XII 18. In Ephesos heißt es bei Dittenberger Syll.² 510, 59: ἢ γήμαντες καὶ διαλυθέντες μὴ ἀποδεδώκασι τὰς φερνὰς οὔσας ἀποδότους κατὰ τὸν νόμον, und [2013] danach muß in gewissen Fällen dem Ehemann Einbehaltung der Mitgift gesetzlich erlaubt gewesen sein, was für den Fall des Ehebruchs auch Achill. Tatios VIII 8 berichtet.

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft

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