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Ebusus, Hauptinsel der zu den Balearen (s. d.) gehörigen Gruppe der Pityusen (s. d.), jetzt Ivíza. Die ältesten Nachrichten über Balearen und Pityusen gehen auf das Geschichtswerk des Timaios zurück (Diodor. V 16. Geffcken Timaios 154); wie weit er dabei Angaben des Pytheas benutzt hat oder andere (massaliotische?) Quellen, bleibt unsicher. Die Fichteninsel Pityussa ist darnach entfernt von den Heraklessäulen eine Fahrt von drei Tagen und drei Nächten, von Lybien einen Tag und eine Nacht, von Iberien einen Tag; sie ist an Größe Korkyra ähnlich; Strabon gibt ihr einen Umfang von 400 Stadien, bei gleicher Länge und Breite (III 167, wo die römische Schreibung Ἔβουσος auf Poseidonios als Quelle weist; daher Βεῦσος bei Dionys. perieg. 457 mit dem Commentar des Eustathios und Avien. descr. orb. II 621). Ihre Fruchtbarkeit ist mäßig, für den Weinbau geeigneten Boden hat sie nur wenig, die Olive gedeiht auf den wilden Ölbaum gepfropft; berühmt wegen ihrer Weichheit ist ihre Schafwolle. In weiter, von Hügeln umgebener Ebene liegt ihre von den Karthagern 160 Jahre nach der Gründung Karthagos – also um die Mitte des 7. Jhdts v. Chr. – gegründete Stadt mit Namen Ἔβεσος (die Form auch bei Dio XLIII 29, 2 mit der Variante Ἔβεσος, vielleicht nur in Erinnerung an Ephesos und das griechische Eresos; αἱ Γυμνήσιαι καὶ Ἔβυσος Strab. II 123 = III 159; Βυσσός Herodian bei Steph. Byz. s. v. = I p. 208 Lentz). Sie hat treffliche Häfen und hohe Mauern und eine Menge wohlgebauter Häuser. Es bewohnen [1904] sie Barbaren, d. h. Nichtgriechen, von verschiedener Herkunft; am meisten Phoiniker; also außer ihnen einheimische Iberer. Diese Schilderung entspricht genau der Natur und dem Grad der geschichtlichen Entwicklung, der für das 4. Jhdt. vorauszusetzen ist. Denn die karthagische Gründung schließt eine schon vorher vorhandene einheimische Ansiedelung keineswegs aus. Zeugnisse der karthagischen Herrschaft sind die bis etwa in das 5. Jhdt. hinauf reichenden Münzen, die dem karthagisch-sizilischen Münzfuß folgen, wie die Münzen von Gades; nur von Gades (s. d.) und E., den Hauptplätzen der karthagischen Herrschaft in Iberien, sind solche Münzen geschlagen worden (Mon. ling. Iber. nr. 112). Die Silberdrachmen ohne Aufschrift zeigen den kauernden Kabir (Eschmun?) mit drei Hörnern oder Federn auf dem Kopf und dem Hammer in der erhobenen Rechten, um die sich eine Schlange ringelt – wie auf sardischen Münzen und Denkmälern –, auf der Rückseite den streitenden Stier; es gibt auch halbe und Viertelstücke mit ähnlichen Typen. Die größeren Kupferstücke zeigen auf der Vorderseite denselben Kabiren, neben ihm je eine Anzahl verschiedener phoinikischer Buchstaben, auf der Rückseite den Stier in Angriffsstellung und die phoinikische Aufschrift ai-b-š-m.. Sie wird ’î-bûsim oder ’í-bôsem oder ’î-besim gelesen. Die gewöhnliche Deutung auf ‚Inseln der Fichten‘ oder vielmehr ,der Cypressen‘ – als Übersetzung von Pityusen – ist (nach E. Sachau) sprachlich kaum zuläßig, möglich die auf ‚Inseln des Balsams‘, für die es aber an einer einleuchtenden Erklärung mangelt. Aibusos ist vielmehr ein einheimischer, nicht phoinikischer Name. Da diese Münzen fast häufiger wie auf Iviza auf den übrigen Balearen und auf dem Festland, zusammen mit den übrigen phoinikischen Münzen, und in Süditalien vorkommen, so scheinen sie zugleich als Courant für den gesamten karthagischen Besitz, besonders auf den Inseln, gegolten zu haben. Kleine Kupferstücke mit dem völlig verwilderten Bild des Kabiren und dem Stier haben noch bis in verhältnismäßig späte Zeit zusammen mit dem römischen Gelde cursiert. Mit Recht spricht Silius von der E. Phoenissa (III 362). In die Annexion der iberischen Halbinsel durch die Römer in den J. 218–206 v. Chr., während der E. einmal vergeblich von der Flotte des Cn. Scipio angegriffen wurde (Liv. XXII 20, 7) und später, im J. 206, die Flotte des jüngeren Mago freundlich aufnahm (Liv. XXVIII 36, 3, wo nur die Insel Pityusa genannt ist), und die Einrichtung der beiden hispanischen Provinzen sind die Balearen (s. d.) nicht mit inbegriffen gewesen. Aber es gibt seltene kleine Kupfermünzen mit von den alten phoinikischen und den späteren römischen durchaus verschiedenen, den griechischen von Unteritalien und Sizilien nachgebildeten Typen: Kopf des Poseidon mit Dreizack, R Anker zwischen zwei Delphinen und der Aufschrift auf den größeren Stücken Ebusitan(orum) (Mon. ling. Iber. nr. 112 O). Sie scheinen zunächst für E., vielleicht auch für die beiden anderen Inseln, eine unter römischem nicht mehr unter karthagischem Schutze stehende Unabhängigkeit und die Anerkennung ihrer Freiheit zur See zu bezeugen, infolge eines Bündnis-Vertrags [1905] wie mit Gades: daher civitas foederata (Plin. III 76). Als dann siebzig Jahre später, im J. 121 v. Chr., Q. Caecilius Metellus die Balearen eroberte, werden auch die Pityusen und E. ihre Selbständigkeit verloren haben. Doch machte ihre Befestigung noch dem jüngeren Cn. Pompeius Magnus Schwierigkeit, der sich ihrer in dem letzten Feldzug gegen Caesar im J. 46 zu bemächtigen suchte; denn τὰς μὲν ἄλλας 〈τῶν Γυμνησίων〉 ἀμαχί, τῆν δ[ε Ἔβεσον σύν πόνῳ παρεστήσατο κἀνταῦθα νοσήσας μετὰ τπων στρατιωτῶν διέτριψε (Dio XLIII 29, 2). Hienach erst rühmt Manilius Oceani victricem Ebusum (IV 640). Aus den Listen des Agrippa und Varros Küstenbeschreibung stammen die Notizen über die Pityusen bei Mela und Plinius: Mela III 125 Ebusos e regione promuntorii quod in Sucronensi sinu Ferrariam vocant (s. d.) eodem nomine urbem habet; Plin. III 76 Pityusae a Graecis dictae a frutice pineo; nunc Ebusus vocatur utraque (?), civitate foederata, angusto freto inter fluente. Patent XLVI m. p., absunt a Dianio DVII stadiis, totidem Dianium per continentem a Carthagine nova; tantundem a Pityusis in altum Baliares duae et Sucronem versus Colubraria (s. d.). Wahrscheinlich auf Poseidonios durch Varro vermittelt gehen die Nachrichten über die Fruchtbarkeit und die Fauna der Insel zurück: Mela a. a. O. O. frumentis tantum non fecunda, ad alia largior, et omnium animalium quae nocent adeo expers, ut ne ea quidem quae de agrestibus mitia sunt aut generet aut si invecta sunt sustineat. Plin. III 78 Ebusi terra serpentes fugat, Colubrariae parit (s. d.), ideo infesta omnibus nisi Ebusitanam terram inferentibus; dazu Mela III 126 contra est Colubraria, cuius meminisse succurrit, quod cum scateat multo ac malefico genere serpentium et sit ideo inhabitabilis, tamen ingressis eam intra id spatium quod Ebusitana humo circum signaverunt sine pernicie et grata est, isdem illis serpentibus, qui alioqui solent obvios adpetere, adspectam eius pulveris aliudve quod virus procul et cum pavore fugientibus. Plin. VIII 226 in Ebuso cuniculi moriuntur. XXX 202 Baliaris et Ebusitana (insula) scorpiones necat. Gerühmt wird ihr Reichtum an Fischen (Plin. IX 68), circa Ebusum salpa principatum obtinet, obscenus alibi et qui nusquam percoqui possit nisi ferula verberatur Feigen (XV 82 siccat honos 〈ficos〉 laudatas, servat in capsis, Ebuso insula praestantissimas amplissimasque) die getrocknet von dort wohl schon versendet wurden, und Meerzwiebeln (XIX 94 scillae sponte nascuntur copiosissimae in Baliaribus Ebusoque insulis ac per Hispanias). In diesen Nachrichten mag das Fabulose auf ältere Überlieferung zurückgehen (Timaios?), die Maßangaben auf Eratosthenes, wogegen das übrige teils dem Poseidonios, teils dem Varro selbst gehört. Bei Ptolemaios wird Colubraria noch mit dem griechischen Namen Ὀφιοῦσα angeführt, der gewiß längst obsolet war (Plin. III 78 Graeci Ophiussam dixere), als die kleinere der Pityusen, ἡ δὲ μείζων Ἔβυσος, ἐν ἧ πὄλις ὁμώνυμος (II 6, 73). Unter Augustus sind keine Münzen für die Balearen geschlagen worden, aber unter Tiberius Kupfermünzen mit den Köpfen des Tiberius, Germanicus und Gaius: [1906] auf der Rückseite zeigen sich noch den alten phoinikischen Kabiren und neben der phoinikischen die lateinische Aufschrift ins(ulae) Aug(ustae); der Beiname galt wohl auch für die Balearen. Bis dahin muß also die phoinikische Bevölkerung und der phoinikische Cultus noch vorhanden gewesen sein. Seit Vespasian ist die Stadt ein municipium Flavium Ebusum (CIL II 3663); die graecisierende Namensform Ebusitanus hat sich stets erhalten (CIL II 3660, 3664). Die inschriftlichen Denkmäler nennen die üblichen Magistraturen der r(es) p(ublica) Ebusitana (CIL II 3664); sechs angesehene Bürger haben der Stadt eine Wasserleitung, einer von ihnen eine erhebliche Summe (vgl. Marquardt St.-V. II² 185) zur Erleichterung der wohl aus dem Bundesvertrag mit Rom herrührenden Abgabenlast gestiftet (CIL II 3663. 3664). Am Tor der Citadelle und am ‚Tor der Schmiede‘ sind seit vielen Jahren drei verstümmelte römische Statuen aufgestellt mit ihren Basen; die eine ist die des Praetors C. Iulius Tiro Gaetulicus, von einem ebusitanischen Freunde ihm gesetzt (CIL II 3661; spätere Iulii Gaetulici Prosopogr. Julii 222) – sollte es der in den Briefen des jüngeren Plinius genannte Iulius Tiro sein, gegen den ein Prozeß wegen falscher codicilli vor Traian geführt wurde (ep. VI 31, 7) und das Exil in E. seine Strafe gewesen sein (über die Balearen als Exilort s. d.)? –: die beiden anderen sind die der Iuno Regina und die ihres Stifters, eines vornehmen Bürgers und ersten Beamten der Stadt (CIL II 3659. 3662). Die römischen Bürger von E. gehörten zur Tribus Quirina (Kubitschek Imp. Rom. trib. discr. 201; die Galeria CIL II 3661 ist; die des Praetors Tiro). Unter den Grabschriften ist die eines griechischen Arztes L. Sempronius Apollonius und seiner Söhne Apollonius und Philoxenus (CIL II 3665. 3666); in der Umgebung vornehmer Exilierter werden Ärzte nicht gefehlt haben. Hier gebürtig war vielleicht der Lubiamus Triumi Ebus(o) fil(ius) Palariacus (Baliaricus?) der Inschrift von Riva (CIL V 4992; obgleich Palariacus auch ebd. 5008 und Ebussi Ebusius 4023. 5006 vorkommen). Diese Denkmäler werden rein zufälligen Funden verdankt; eine planmäßige Untersuchung der Inselstadt und ihrer Umgebungen hat nie stattgefunden. Der Name der Insel fehlt nicht in den späten geographischen Compendien (Ebusos Iul. Honor. 33, 8 und die cosmogr. Aethici 78, 25. 102, 21; Eboso liber gener. 169, 4 Riese); den Übergang in die moderne weibliche Form zeigt der Geogr. Rav. 415. 1 Ebusa und 414, 13 Libissa. Aus der Frühzeit des Christentums sind bisher keine Denkmäler aus Iviza bekannt geworden (vgl. Hübner CIL II p. 492, 961, wo die ältere und neuere Litteratur angegeben ist, und Römische Herrschaft in Westeuropa, Berl. 1890, 230ff.).
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