ART

8) Dositheus magister heisst der Verfasser einer lateinischen ars mit griechischer Übersetzung (Keil G. L. VII 376ff.), falls der Name nicht ausschliesslich dem Übersetzer oder ausschliesslich dem Bearbeiter der lateinischen ars zukommt. Die Übersetzung ist im Cod. Sangall. so eingerichtet, dass jedem lateinischen Worte das griechische beigeschrieben wurde; im Cod. Monac. 601 sowie in dem von Krumbacher herangezogenen Harleianus (vgl. Rh. Mus. XXXIX 348ff.) ist jedes Blatt in Columnen geteilt, von denen die einen das Griechische, die andern das Lateinische enthalten, eine Einrichtung, die als die ältere gelten darf. An einigen Stellen fehlt die griechische Übersetzung, sei es, dass die betreffenden Abschnitte spätere Zuthat sind, sei es, dass die Kraft des Abschreibers erlahmte. Der lateinische Text ist ein kurzer Abriss der acht Redeteile, der an manchen Stellen, von zufälligen oder doch späteren Verderbnissen abgesehen, wörtlich mit dem Anonymus Bobiensis zusammenstimmt (Jeep Rh. Mus. XLIV 25ff.; Redeteile 17), an anderen mit ihm und Charisius, zum Teil auch mit Diomedes , nahe verwandt ist (vgl. ausser Keil und Jeep noch Boelte De art. script. lat. 35ff.). Was die Übersetzung anlangt, die doch wohl von einem Lateiner herrührt (vgl. Keil 367. Hagen Litt. Centralbl. 1871, 1268), so ist sie nicht sowohl für Römer, die Griechisch lernen wollten, als für Griechen bestimmt, die Lateinisch lernen wollten, obwohl sie auch gelegentlich dem entgegengesetzten Zwecke dienen musste (Krumbacher a. a. O. 352). Jedenfalls war die bilingue Form der Grund, dass das Buch schon im Archetypus der Dositheus-Hss. (Corp. gloss. lat. III praef. X) mit einer Recension der bilinguen Hermeneumata verbunden wurde, die man jetzt als ps.-dositheanische Hermeneumata zu bezeichnen pflegt (vgl. Boucherie Not. et Extr. XXIII 2, 280. Keil a. a. O. 370. Krumbacher De codd. quibus interpret. Ps.-Dosith. nobis tradita sunt 1883, 2). Diese hermeneumata Pseudodositheana - gemeint sind die im 3. Bande des Corp. gloss. lat. 1-72 (vgl. 108-116) abgedruckten Stücke - waren in zwölf Bücher eingeteilt (vgl. Keil 374 Note): 1. und 2. glossae (2 nach Kapiteln begrifflich zusammengehöriger Wörter geordnet); 3. sententiae et epistulae Adriani (die nur hier und in einer Parallelrecension überliefert sind); 4. die fabulae Aesopiae; 5. der Tractat de manumissionibus (Krüger Coll. libr. iur. anteiust. II 151ff.; s. Art. Dositheanum fragmentum); 6. Hygini genealogia; 7. narratio de bello Trojano; 8. cotidiana conversatio. Vermutlich gehörten dazu die in einer Parallelrecension [1607] vorhandenen Abschnitte 9. Niciarii interrogationes et responsiones; 10. Carfilidis interrogationes et responsa; 11. responsa sapientum; 12. praecepta in Delphis ab Apolline in columna scripta (vgl. Corp. gloss. lat. III 384ff.), so dass die Zwölfzahl voll würde (vgl. praef. p. XVI). Die übrigen Recensionen dieses Lehrbuchs - die wichtigsten sind die hermeneumata Monacensia und Montepessulana - stehen in keiner Verbindung mit D. Über ihr Verhältnis zu der D.-Recension ist schwer zu urteilen; doch sind die capitula sicher verwandt. In beiden Recensionen ist der Stoff ein dreifacher; neben den capitula finden sich ein Lexicon und ein Gespräch. Dass der Grundstock des Lehrbuchs, zumal in den capitula, auf griechischen Einfluss hinweist, ist längst erkannt worden. So erinnert manches an Pollux, den Boucherie (Not. et Extr. XXIII 2, 281) sogar zu dem Verfasser machen wollte (vgl. dagegen Massebieau Not. XXVII 2, 457. Keil a. a. O. 373. Krumbacher De codd. u. s. w. 1). Andere denken an Pamphilus, der eine ähnliche Anordnung hatte (Schoenemann De lexic. antiquis 122). Auf Athenaeus (d. h. in diesem Falle ebenfalls Pamphilus) macht Knaack (Phil. Rundschau 1884, 372) aufmerksam (so in den Abschnitten περὶ ἰχθύωνund περὶ ἀργυρέων). Doch geben diese Spuren zu bestimmten Schlüssen keinen Anhalt. Die hermeneumata Monacensia führt Krumbacher auf antiochenischen Ursprung zurück, sicherlich wegen des Verzeichnisses antiochenischer Monatsnamen auf S. 210. Vielleicht verdient auch die Thatsache Beachtung, dass von den Fabeln der D.-Recension sich einige (Corp. gloss. lat. III 40, 53. 42, 32) genau mit dem Texte der in Palmyra gefundenen Wachstafeln decken (vgl. Philol. LIII 232. Crusius Babr. test. 2. Hausrath Untersuch. zur Überl. der aes. Fabeln 299). Die Zeitfrage findet ihre Hauptstütze in einer Notiz der D.-Recension, der zufolge die genealogia Hygini Maximo et Apro consulibus (d. h. im J. 207) niedergeschrieben wurde. Da es nun teils sicher, teils wahrscheinlich ist, dass der magister, der die genealogia schrieb, auch die übrigen Stücke dem Lehrbuche beifügte, so ist die Autorschaft des D., der doch nicht vor dem 4. Jhdt gelebt haben kann, endgültig abgethan, wenn man auch das J. 207 nicht peinlich auf jedes einzelne Stück zu beziehen braucht. Übrigens sind die ps.-dositheanischen Hermeneumata für mittelalterliche Sammlungen verschiedener Art teils vorbildlich gewesen, teils direct benutzt worden. Die wichtigere Litteratur ist in der Vorrede des dritten Bandes der Glossen verzeichnet; in demselben Bande am Schlusse steht der emendierte Text der Colloquia.
[Goetz.]

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