3) Lakedaimonier, Sohn des Königs Anaxandridas. Seine Geschichte erzählt in poetischer Gestaltung Herodot V 42ff., dies ist unsere älteste und in Wahrheit einzige Quelle. Aus Herodot schöpft Pausan. III 3, 10f. 16, 4. Was Diodor IV 23, 3 in entstellter Verkürzung berichtet, hat ebenfalls keinen selbständigen Wert, Iustin. XIX 1, 9 ist zweifelhaft.
D. war Sohn des Anaxandridas von dessen erster Frau, älterer Bruder des Leonidas. Unter seinen Altersgenossen war er weitaus der beste, [1559] und wäre es nach Würdigkeit gegangen, so hätte er die Krone erhalten müssen. Als nun nach dem Gesetze der Erbfolge sein älterer Stiefbruder, der untüchtigere Kleomenes, König ward, wollte er nicht in Sparta bleiben. Die Spartaner gaben ihm auf seine Bitte Leute, darunter einige Spartiaten, mit denen er zur Gründung einer Colonie auszog. Er ist also der Führer einer von Staatswegen entsandten Colonie.
Sein Ziel war Libyen. Geleitet von Theraeern, die schon früher dort Kyrene und Barka besiedelt hatten, liess er sich weiter westlich in der Nähe von Leptis, etwas östlich vom heutigen Tripolis im Stamme der Maker am Flusse Kinyps nieder und gründete eine gleichnamige Ansiedlung (vgl. Herodot. IV 198. Skyl. 109). D. versuchte damit, sich in einem Gebiete festzusetzen, das die Karthager als das ihrige ansahen; er konnte sich aber nicht lange halten, sondern ward nach drei Jahren von den Libyern und Karthagern vertrieben (Herod. V 42; vgl. Pind. Pyth. IV 70ff., wo auf dies Ereignis hingedeutet zu werden scheint). D. kehrte nunmehr mit seinen Leuten nach Hellas zurück und beschloss, sich im Westen Siciliens, im Lande des Eryx, niederzulassen, wo es noch keine griechischen Colonien gab. Nach der Erzählung liess er sich dabei von Orakeln leiten, durch die jenes Land ihm als Nachkommen und Erben des Herakles, der es einst erworben hatte, zugewiesen ward. Er führte seine Leute dahin und begann die Niederlassung. Näheres wissen wir nicht; es scheint, dass er einige Hafenplätze in Besitz nahm und eine Zeit lang behauptete (Herodot. VII 158). Dann thaten sich die Egestaeer und Phoiniker, die er verdrängen wollte, gegen ihn zusammen. In einer Schlacht, die im Gebiet Egestas geliefert sein muss, unterlag D. und fiel. Von seinen Leuten retteten sich nur wenige (Herod. V 46. VII 205.)
Herodot (V 44f.) erörtert die Frage, ob D. den Krotoniaten bei der Zerstörung von Sybaris (etwa 510 v. Chr.) geholfen habe oder nicht. Die Sybariten behaupteten, die Krotoniaten leugneten es. Mit Unrecht sind unsere Historiker meist der Behauptung der Sybariten gefolgt und haben darnach die Fahrt nach Sicilien um 510, die Gründung von Kinyps um 513 v. Chr. gesetzt. Es handelt sich, wie Herodots Worte zeigen, nur um eine Vermutung, die sich nachträglich an die Geschichte des D. angehängt hat. Man darf nicht einmal daraus schliessen, dass die Fahrt des D. nach Sicilien zur Zeit der Zerstörung von Sybaris stattfand. Bei genauerer Untersuchung wird man vielmehr bemerken, dass zu der Zeit, wo D. nach Sicilien ging, Sybaris schon einige Jahre zerstört war. Im übrigen ist eine sichere Zeitbestimmung unmöglich. Man braucht nicht anzunehmen, dass D. gleich bei der Thronbesteigung des Kleomenes Sparta verliess; denn was Herodot als Beweggrund für die Auswanderung angiebt, ist gewiss mehr poetisch als thatsächlich. Es ist wohl möglich, dass D. noch einige Jahre neben König Kleomenes in Sparta lebte, und dass sein Auszug viel näher an das J. 500 v. Chr. zu rücken ist.
D. hatte einen Sohn Euryanax, der bei dem Auszuge des Vaters wahrscheinlich in Sparta zurückblieb und zur Zeit der Schlacht bei Plataiai im Mannesalter stand (Herod. IX 10). Vgl. [1560] Grote History of Greece III 455. IV 338. V 60. Holm Gesch. Siciliens I 195f. Freeman Gesch. Siciliens (übers. von Lupus) II 72ff. Busolt Griech. Gesch. II² 756f. 769. E. Meyer Gesch. des Altertums II 806ff.
[Niese.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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