23) Cn. Domitius Ahenobarbus, Sohn von Nr. 27 (Cic. Phil. II 27. Tac. ann. IV 44. Suet. Nero 3. L. f. auf den Münzen; irrig oder in den Hss. verderbt Dio L ind.: Γ. υἱ. Γιν. ἐγγ.) und Porcia, der Schwester Catos. Im J. 704 = 50 klagte er als junger Mann den Cn. Appuleius Saturninus an (Cael. bei Cic. ad fam. VIII 14, 1, s. o. Bd. II S. 260 Nr. 27), anscheinend deshalb , weil dieser geholfen hatte, die Wahl seines Vaters zum Augur zu verhindern. Im folgenden J. 705 = 49 war er mit seinem Vater in Corfinium (Sen. de benef. III 24), wurde mit ihm von Caesar begnadigt (Caes. bell. civ. I 23. 2) und reiste dann zu seiner Mutter nach Neapel, wobei er am 8. März durch Formiae kam (Cic. ad Att. IX 3, 1; vgl. VIII 14, 3). Er hat also nicht seinen Vater nach Massalia begleitet, sondern sich wohl sofort an Pompeius angeschlossen. Jedenfalls nahm er an dem Bürgerkrieg teil und kehrte dann nach Italien zurück, ohne seinen Frieden mit dem neuen Herrscher gemacht zu haben; denn etwa im Mai 708 = 46 richtete Cicero den Brief ad fam. VI 22 an ihn, um ihn in seinem und der Seinigen, besonders seiner Mutter und seiner Gattin Interesse zu bestimmen, die vollständige Begnadigung nachzusuchen. Es scheint dies aber nicht geschehen zu sein, da Cic. Phil. II 27 von einer spoliatio dignitatis des D. unter Caesar spricht. Im J. 709 = 45 liess Cicero ihm seine Lobschrift auf Porcia, die Mutter des D., zugehen (ad Att. XIII 37, 3. 48, 2). Seine Beteiligung an der Verschwörung gegen Caesar ist fraglich. Cic. Phil. II 27. 30 stellt ihn mit den Bedeutendsten unter den Verschworenen zusammen, und er ist mit den übrigen nach der Lex Pedia verurteilt worden (Suet. Nero 3. Appian. bell. civ. V 55). Auch bei den Verhandlungen in Brundisium im Herbst 714 = 40 klagte ihn Octavian als einen der überführten und verurteilten Caesarmörder an, aber der Vermittler L. Cocceius Nerva erwiderte: Ἀηνόβαρβος δὲ οὐκ ἔστι τῶν ἀνδροφόνων, ἡ δὲ ψῆφος αὐτῷ κατ’ ὀργὴν ἐπῆκται• οὐδὲ γὰρ τῆς βουλῆς πω τότε μετεῖχεν (Appian. V 61. 62). Daher wird D. von Dio XLVIII 7, 5. 29, 2. 54, 4. Zonar. X 21 zu den Mördern gerechnet, von Suet. a. O. als unschuldig bezeichnet. Bei seiner ganzen politischen Vergangenheit, bei seiner Verwandtschaft (von mütterlicher Seite) und Freundschaft mit M. Brutus und bei seiner Haltung in der nächsten Zeit musste D. jedenfalls der Teilnahme an der Verschwörung verdächtig erscheinen, auch wenn er nicht daran teilgenommen hatte. Im Sommer 710 = 44 rüstete er mit Brutus und Cassius an der Küste Campaniens Schiffe aus (Cic. ad Att. XVI 4, 4) und folgte dann dem ersteren nach Makedonien; dort brachte er Ende des Jahres einen Teil der Reiterei, die der Consul P. Dolabella nach Syrien führte, zum Abfall (Cic. Phil. X 13), und von dort aus bewarb er sich im J. 711 = 43 um eine Stelle [1329] in dem Collegium der Pontifices (Cic. ad Brut. I 5, 3; Antwort des Brutus ebd. 7, 2. Cic. ebd. 14, 1). Im J. 712 = 42 wurde er von den Caesarmördern mit 50 Schiffen in das ionische Meer geschickt, wo er sich mit denen des L. Statius Murcus vereinigte; mit ihrer 130 Schiffe betragenden Flotte besiegten sie um die Zeit der Schlacht bei Philippi im Herbst den Cn. Domitius Calvinus Nr. 43, als er den Triumvirn Verstärkungen zuführen wollte (Appian. IV 86. 100. 108. 115f., vgl. über die Schiffszahl Kromayer Philol. LVI 441, 73); infolge dieses Sieges nahm D. den Imperatortitel an, den er seitdem auf seinen Münzen führt. An der Schlacht bei Philippi hat er nicht teilgenommen; wenn es bisweilen heisst, er habe sich aus dieser Niederlage gerettet, so ist das nicht wörtlich zu nehmen, sondern als ein Ausdruck für die Katastrophe der Caesarmörder. Denn nach dieser sammelten sich die Reste der Partei im ionischen Meere, so dass D. vorübergehend über 200 Schiffe gebot (vgl. Kromayer a. O. 448, 125). Als Murcus mit den seinigen zu Sex. Pompeius nach Sicilien gegangen war, setzte er mit den ihm verbleibenden 70 Fahrzeugen und zwei Legionen den Seekrieg auf eigene Hand fort, verheerte die den Triumvirn unterthänigen Küstenlandschaften, vernichtete im Hafen von Brundisium die Flotte des Octavian und belagerte Brundisium (Vell. II 72, 3. 76, 2. Tac. ann. IV 44. Suet. Nero 3. Appian. V 25f. 61. Dio XLVIII 7, 4f. Zonar. X 21). Nach der Beendigung des perusinischen Krieges im Frühjahr 714 = 40 verzichtete D. auf seine selbständige Machtstellung, trat mit Asinius Pollio in Verbindung, und Pollio vermittelte seine Aussöhnung mit M. Antonius (Vell. II 76, 2. App. V 50). Dieser kam vertrauensvoll mit nur fünf Schiffen zu der Flotte des D., wurde hier mit allen Ehren als Oberbefehlshaber aufgenommen und von D. selbst nach einem wohl an der epirotischen Küste gelegenen Orte (ἐς Παλόεντα App. V 55, vgl. Mendelssohn z. d. St. Gardthausen Augustus II 101f., 9) geleitet, wo er auch dessen Landheer übernahm (Vell. Tac. Suet. Appian. V 55f. Dio XLVIII 16, 2). Während D. bisher selbständig Münzen geschlagen hatte (in Spanien[?], Mommsen S.-Ber. Akad. Berl. 1883, 1162), setzte er jetzt den Kopf des Antonius auf die in den nächsten Monaten geprägten und auf der Rückseite über sein Schiff das sidus Iulium als Andeutung seines Parteiwechsels (vgl. Borghesi Oeuvres II 53f.). Octavian bewahrte ihm aber noch die alte Feindschaft nicht nur wegen der angeblichen Teilnahme an der Ermordung Caesars, sondern noch mehr wegen des vielen in letzter Zeit von ihm erlittenen Schadens; daher beschwerte er sich, wie schon erwähnt wurde, bei den Verhandlungen in Brundisium im September heftig über die Versöhnung des Antonius mit ihm (Appian. V 61), und um dieses Hindernis des Friedens zu beseitigen, entfernte Antonius den D., indem er ihm die Statthalterschaft von Bithynien übertrug (ebd. 63). In den allgemeinen Frieden wurde auch er aufgenommen und von der Verurteilung auf Grund der Lex Pedia und von der Acht förmlich losgesprochen (Suet. Nero 3. Appian. V 65. Dio XLVIII 29, 2); im Frieden von Misenum 715 = 39 wurde dann auch festgesetzt, dass er in einem der folgenden Jahre gemeinsam [1330] mit C. Sosius das Consulat erhalten sollte (Appian. V 73, vgl. Dio XLVIII 35, 1). Bis zu dessen wirklichem Antritt scheint er die bithynische Statthalterschaft verwaltet zu haben (vgl. Ganter Provincialverwaltung der Triumvirn [Strassbg. 1892] 34). Im J. 718 = 36 nahm er mit seinem Heere an dem ersten unglücklichen Partherfeldzug des Antonius teil (Plut. Ant. 41, 4); nach seiner Rückkehr wurde er im J. 719 = 35 von seinem Nachbar, dem Statthalter der Provinz Asia, C. Furnius, gegen Sex. Pompeius zu Hülfe gerufen; bei den Verhandlungen, die nun folgten, suchte sich ein gewisser Curius verräterisch der Person des D. zu bemächtigen, doch wurde der Anschlag noch rechtzeitig entdeckt (Appian. V 137). Am 1. Januar 722 = 32, als der Bruch zwischen den Triumvirn schon nahe bevorstand, traten D. und C. Sosius das Consulat an (Fasti Venus. CIL I² p. 66. Fasti collegii inc. ebd. p. 68. Chronogr. Cassiod. Nep. Att. 22, 3. Suet. Aug. 17 [irrig T. Domitium] vgl. Nero 3 [amplissimos honores percucurrit]. Dio XLIX 41, 4. L ind. 2, 2. Zonar. X 28). Beide waren Anhänger des Antonius, und Sosius erklärte sich sofort am Tage des Amtsantritts für ihn und gegen Octavian; unter Verhandlungen über die Lage verging der Monat; erst im Februar antwortete Octavian, indem er alle Anklagen gegen Antonius zusammenfasste und für die nächste Senatssitzung die Vorlegung Urkundenmaterials in Aussicht stellte; die beiden Consuln warteten das nicht mehr ab, sondern verliessen die Stadt und trafen im März bei Antonius im Ephesos ein (über die Chronologie vgl. Kromayer Herm. XXXIII 42, 5. 45f.). Nach Dio L 3. 6f. waren sie von Rom heimlich abgereist, und behauptete Octavian erst nachträglich, er selbst habe sie und andere Freunde des Antonius dem Gegner zugesandt, was Suet. Aug. 17 allein aufgenommen hat. Im Lager in Ephesos forderte D. vergebens die Entfernung der Kleopatra (Plut. Ant. 56, 2), der er allein von allen Antonianern den Königstitel in der Anrede verweigerte (Vell. II 84, 2). Er erhielt anscheinend den Befehl über einen Teil der Flotte, zumal da er sich auch früher besonders zur See ausgezeichnet hatte, und liess den des Verrats verdächtigen Menodoros aus Tralles hinrichten (Strab. XIV 649, vgl. Gardthausen Augustus I 356. II 183, 9). Er war das Haupt der römisch gesinnten, gegen Kleopatras Einfluss ankämpfenden Partei unter den Anhängern des Antonius, und nach der Angabe Suetons Nero 3 hätten seine Gesinnungsgenossen im J. 723 = 31 sogar daran gedacht, ihm den Oberbefehl gegen Octavian zu übertragen. Erst kurz vor der Entscheidungsschlacht bei Actium entschloss er sich, Antonius zu verlassen; er verzweifelte an dessen Sache und liess sich fiebernd in einem kleinen Kahne zu Octavian bringen. Antonius schickte ihm sein Gepäck nach und spottete, seine Geliebte Servilia Nais habe ihn auf die andere Seite gezogen. An der Schlacht konnte D. nicht mehr teilnehmen, denn wenige Tage nach seinem Übergange erlag er seiner Krankheit (Vell. II 84, 2. Tac. ann. IV 44. Suet. Nero 3. Plut. Ant. 63, 2. Dio L 13, 6) Eine seiner Münzen (abgebildet auch bei Gardthausen Augustus I 210) zeigt auf der Vorderseite einen Tempel mit vier Säulen [1331] in der Front und die Beischrift Nept(uni), und nach Plin. n. h. XXXVI 26 stand eine grosse Gruppe des Poseidon und anderer Meeresgottheiten von Skopas in dem delubrum Cn. Domitii in circo Flaminio; die Verehrung des seebeherrschenden Gottes lag dem D. besonders nahe; wahrscheinlich hat er den Tempel als Statthalter von Bithynien erbauen und jene Marmorgruppe aus seiner Provinz nach Rom bringen lassen (vgl. u. a. Furtwängler Intermezzi 43). Den seltenen Goldmünzen des D. verdankt man ferner sein Portrait; man hat es auch in Marmorbüsten wiederfinden wollen, zuletzt in einem Kopfe des Braccio Nuovo im Vatican (Bernoulli Röm. Ikonogr. I 198-200; über ein Exemplar der Goldmünzen in Berlin Sallet Ztschr. f. Numism. XVIII 202f.; über den Marmorkopf Helbig Führer² I 32 nr. 53). Sueton begleitet den Abriss des Lebens des D. mit der Charakteristik: Omnibus gentis suae procul dubio praeferendus (Nero 3); von Neueren hat R. Schöll (Commentationes Woelfflinianae [Leipzig 1891] 397f.) eine im ganzen zutreffende gegeben, aber zum Beweis der auch von Wissowa o. Bd. IV S. 1833 geteilten Annahme, dass dieser D. der im Drama des Curiatius Maternus dargestellte (Tac. dial. 3) gewesen sei, kann diese und der Hinweis auf Shakespeare nicht genügen.
[Münzer.]
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