Dominium ist ein hausherrliches Recht, d. h. das Herrschaftsrecht an einer Sache, wie es dem selbständigen Römer an seinem Hause zusteht, also das Eigentum, vgl. Ulp. Dig. L 16, 195, 2 pater autem familias appellatur, qui in domo dominium habet. Zuweilen heisst das Eigentum schlechtweg D. (vgl. Ulp. Dig. XXIX 5, 1, 1 domini appellatione continetur, qui habet proprietatem. Nerat. Dig. XLI 1, 13 pr. dominium mihi, id est proprietas adquiritur). In der Regel aber wird das Eigentum rei d. genannt, so namentlich in der rubrica Dig. XLI 1 de adquirendo rerum dominio, s. Acquisitio. Hierdurch wird es von dem Gesamtherrschaftskreise unterschieden, der als universum d. bezeichnet ist, Dig. L 16, 70, 1. In gleichem Sinne heisst es Cod. Theod. IX 42, 4 bona capite damnatorum fiscali dominio vindicare. In diesem Sinne bedeutet wohl D. so viel wie Vermögen, vgl. auch Afric. Dig. XXVIII 5, 49 (48) pr. Titius hereditatis meae dominus esto. Zugleich aber erklärt sich die Hinzufügung des Wortes rei zu D. auch daraus, dass D. in einem andern weiteren Sinne ,das Recht aus der Zugehörigkeit eines Stückes, d. h. einer Sache oder eines Rechts, zu dem Vermögen des Berechtigten‘ bezeichnet. Die bekannte Definition Windscheids (Windscheid-Kipp⁸ I 750 § 165, 1); D. im weiteren Sinne ist ,civilrechtliche Zuständigkeit eines Rechts‘, verwechselt die Zuständigkeit [1303] des Rechts mit dem Rechte, das aus dieser Zuständigkeit folgt. In diesem Sinne giebt es neben dem rei d. auch ein d. ususfructus (Dig. VII 6, 3), d. h. das Recht aus der Zuständigkeit eines Niessbrauches, und in gleichem Sinne redeten deutsche Gesetzbücher von einem Eigentum an Rechten, eine Redeweise, die die Wissenschaft des römischen Rechtes grundsätzlich vermeidet. Die Römer dagegen scheuten sich nicht, das Recht aus der Zuständigkeit des Eigentums, die mit dem Eigentume selbst identisch ist, in einem wohlverständlichen Pleonasmus als d. proprietatis zu bezeichnen (Gai. II 30. Dig. VII 1, 15, 6. 4, 17), namentlich da, wo sie die Herrschaftsrechte des Eigentümers denen des Niessbrauchers gegenüberstellten. Auch der Gegensatz des Geschäftsherren zu dem Vertreter in Geschäften und Rechtsstreitigkeiten forderte dazu heraus, dem ersteren den Namen eines dominus zuzusprechen, Dig. II 14, 13 pr. 1. III 3, 1 procurator est qui aliena negotia mandatu domini administrat. Auch hier bezeichnet D. das Recht aus der Zugehörigkeit eines Geschäftskreises zu dem Vermögen des Berechtigten.
Der volle Rechtsschutz des Eigentumes war nur den cives durch das ius civile gewährt und zwar nur an italischen Grundstücken. Den Peregrinen dagegen konnte ein dem Eigentume ähnliches Recht zustehen, das jedoch kein durch Gesetz gewährleistetes d. legitimum oder iustum (= d. ex iure Quiritium, Cod. VII 25) war (Varro r. r. II 10, 4), sondern nur durch obrigkeitliche Gewalt dem Berechtigten den Genuss der Sache gab (sog. in bonis habere, s. Bona). Ein solches unvollkommenes Eigentum wurde jedoch nicht blos Peregrinen gewährt, denen das Recht zu civilen Erwerbsgeschäften fehlte (s. Commercium), sondern auch Bürgern, wenn ihnen nach dem Civilrechte kein Eigentum zustand, der Praetor es aber für angemessen fand, sie dennoch gleich Eigentümern zu schützen. Beispiele sind die Gewährung einer Erbschaft durch den Praetor, ebenso der Erwerb einer vom Praetor verkauften Concursmasse, s. Bonorum possessio und Bonorum emptio. So namentlich auch wenn ein civis von einem Peregrinen eine Sache erwarb. Dann schützte ihn das praetorische Recht so lange, bis er durch Ersitzung (s. Usucapio) volles quiritisches Eigentum erlangte. Das praetorische Eigentum stand dem civilen vornehmlich darin nicht gleich, dass der Jurisdictionsmagistrat, der es schutzlos liess, keine eigentliche Gesetzwidrigkeit, sondern höchstens einen blossen Verstoss gegen sein eigenes Edict beging. Ausserdem aber gewährte das civile Eigentum, obwohl es neben dem praetorischen als nudum ius Quiritum gekennzeichnet wurde, dennoch manche Rechte, die das praetorische nicht gab. So konnte der dominus legitimus den freigelassenen Sclaven zum römischen Bürger machen, während der praetorische ihm nur eine unvollkommene Rechtsstellung gewährte, die durch die lex Iunia Norbana (s. d.) eine gesetzliche Regelung erfuhr, s. Latini Iuniani. Ulp. III 1, 4. Nach Gai. II 40 entstand dieser Begriff des praetorischen Eigentums erst später, jedenfalls nicht eher, als bis der obrigkeitliche Schutz, auf dem er beruhte, durch Edicte geregelt war und auch diese Edicte unabänderlich geworden waren.
[1304] Dem blos praetorischen Eigentume verwandt, wenn auch nicht völlig gleichartig und jedenfalls in den Quellen nicht gleichgestellt ist die eigentumsähnliche possessio, die am Provincialboden gewährt wurde (vgl. über sie namentlich Weber Die röm. Agrargeschichte, Stuttgart 1891, 119ff.). Auch hier gab nicht das Gesetz, sondern der Schutz der Obrigkeit dem Berechtigten die Eigentumsvorteile.
Im spätrömischen Rechte gewährten grundsätzlich die ständig gewordenen Satzungen des Edicts dieselbe Rechtssicherheit, wie die Gesetze. Dem entsprach Iustinians Vorschrift, die den Gegensatz des gesetzlichen und des blos praetorischen oder provincialen Eigentums völlig aufhob (Cod. VII 25 de nudo ex iure Quiritium tollendo constitutio unica), freilich ohne in seiner Sammlung die Spuren dieses alten Gegensatzes völlig verwischen zu können. Über die Unterscheidung der Erwerbsarten des D. nach ihrer Begründung durch das ius civile und das ius naturale s. Acquisitio, Ulp. XIX und Varro r. r. II 10, 4, ein Gegensatz, der nicht mit dem bereits erwähnten des civilen und des praetorischen Erwerbes zu verwechseln ist, Inst. II 1, 11ff. Einzelne Erwerbsarten s. unter Occupatio, Adluvio, Avulsio, Alveus derelictus, Insula, Species nova, Accessio, Confusio, Thesaurus, Mancipatio, Traditio, Usucapio, Adiudicatio, Bonorum sectio, Commissum.
Das Eigentum des römischen Rechtes gilt im allgemeinen als eine schrankenlose Herrschaftsbefugnis über eine Sache, die angeblich durch wenig Rücksichten auf andere Rechtsgenossen oder auf das Gemeinwohl eingeengt war. Hierin liegt deshalb eine starke Übertreibung, weil schon in alter Zeit sog. Legalservituten bestanden, die die Eigentumsausübung in gesetzliche Grenzen einschlossen, und namentlich das Nachbarrecht schon in den zwölf Tafeln eine Entwicklung besass, die im Hinblicke auf die Culturstufe, in der sie galt, verhältnismässig gross erscheint, vgl. Tab. VII. Bruns Fontes⁶ 26ff. Beispiele solcher Eigentumsschranken sind Vorschriften über Höhe und Zwischenraum der Häuser, Verbote einer Verunstaltung der Bauten durch Herausbrechen von Materialien, Vorschriften über das Behauen von Bäumen und über das Auflesen des auf das Nachbargrundstück gefallenen Obstes u. a. m., vgl. Rein Privatrecht 1858, 204ff. Der Schutz des Eigentums war sowohl gegen Vorenthaltung der Sache gewährt (rei vindicatio), als auch gegen Eigentumsstörungen (actio negatoria), namentlich gegen Anmassung von Servituten, wenn auch der richtigen Meinung nach nicht blos gegen diese Art des Eingriffes, Dig. VI 1. Cod. III 32. Dig. VII 6. VIII 5. Diese Klagen standen, so lange der Gegensatz des civilen und des praetorischen Eigentums unausgeglichen war, nur dem civilen Eigentümer zu; dem praetorischen war wohl statt dessen die actio Publiciana gegeben (Dig. VI 2, s. Publiciana actio), die nach dem Wegfalle des erwähnten Unterschiedes nur noch dem bonae fide possessor unter gewissen Voraussetzungen zustand. Übrigens ist es nicht zweifellos, ob nicht auch dem praetorischen Eigentümer die rei vindicatio gegeben wurde, da diese nur [1305] rem suam esse voraussetzte, nicht rem suam esse ex iure Quiritium Gai. IV 92. In der ältesten Zeit fand der Rechtsschutz des D. eine Ergänzung im Religionsschutze, der namentlich die Heiligkeit der Grenzen wahrte, Fest. p. 368 Termino sacra faciebant, quod in eius tutela fines agrorum esse putabant. Denique Numa Pompilius statuit eum, qui terminum exarasset, et ipsum et boves sacros esse. Über die Rechte an den Sachen anderer Eigentümer s. Ius in re, Emphyteusis, Pignus, Servitus, Superficies. Über den Unterschied des rei d. von possessio s. Possessio. Über die res extra commercium, die zugleich extra Patrimonium, d. h. dem Eigentume entzogen waren, s. Commercium und Inst. II 1, 7ff., auch Sacrum und Religiosum.
Litteratur. Danz Lehrb. d. Gesch. d. röm. R.² I § 120ff. Jörs in Birkmeyers Encyklopädie 108ff. Windscheid-Kipp Pandekten⁸ I 755ff. s. Anm. zu § 167. Dernburg Pand.⁶ I 53ff. Puchta-Krüger Institutionen10 I 161ff. Sohm Institutionen8. 9 301ff. v. Czyhlarz Institutionen⁴ 87ff. R. Leonhard Institutionen 247ff.
[R. Leonhard.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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