12) Der berühmteste ärztliche Träger dieses Namens ist D. aus Anazarbos in Kilikien (bei Tarsos; Δ. ὁ Ἀναζαρβεύς bei Gal. XIII 589), der durch den Zusatz des von der bekannten römischen Gens entlehnten Namens Pedanius von den übrigen D. unterschieden wurde (Πεδάνιος Διοσκουρίδης Ἀναζαρβεύς in den Subscriptionen der Hss.; vgl. Phot. bibl. cod. 178, 124 a 12: ἐγὼ δὲ ἐνέτυχόν τισιν οἳ Πεδάνιον ἅμα καὶ Ἀναζαρβέα ταῖς ἐπιγραφαῖς ἐπεκάλουν). Seine Zeit wird durch die Widmung seiner Materia medica bestimmt. Diese ist gerichtet an einen Areios, der ohne Zweifel mit dem Asklepiadeer Laecanius Areios aus Tarsos, dem Freunde des C. Laecanius Bassus (Cons. 64 n. Chr., vgl. Diosc. praef. 4) identisch ist (vgl. Prosopogr. imp. Rom. II 259, wo der Irrtum zu berichtigen ist, dass dieser Laecanius Bassus der Adressat des dioskurideischen Werkes sei, Gal. XIII 857, und Art. Areios Nr. 13). Demnach lebte er unter Nero, also etwa gleichzeitig mit dem älteren Plinius. Sein Bild in ganzer Figur ist auf dem zweiten der beiden Ärztebilder des Constantinopolitanus fol. 3v erhalten. Er sitzt aufrecht in einem blauen Mantel auf einem Schemel, das linke Bein vorgestreckt, das rechte zurückgezogen. Die linke Hand hält ein Buch, während die rechte disputierend zu dem vor ihm sitzenden Galenos erhoben ist, der ihm ebenso wie Krateuas den Kopf zuwendet. Der langbärtige Kopf mit der hohen Stirn und dem feinen Profil trägt deutlich die Spuren des Porträts an sich (vgl. Montfaucon Palaeogr. ant. p. 199. Visconti Iconographie grecque I Taf. XXXV). Das wenige, das wir sonst von seinem Leben wissen, steht in der Vorrede seiner Materia medica. Er berichtet, dass er von Jugend auf grosses Interesse für botanisch-pharmakologische Studien gehabt, dass er als Militär (Militärarzt wohl unter Claudius) viele Länder gesehen und dass er auf Grund von Autopsie und mit Benützung der älteren Litteratur sein pharmakologisches Werk verfasst habe. Diese Schrift, die wie die seines Vorgängers Sextius Niger den Titel περὶ ὕλης ἰατρικῆς führte und aus fünf Büchern bestand, ist das Hauptwerk [1132] der nachchristlichen Zeit über die Materia medica geworden. Schon Galen galt es als das abschliessende Werk auf diesem Gebiet (Gal. XI 794), und es spricht für seine Achtung vor D., dass er mit Berufung auf ihn auf eigene Pflanzenbeschreibungen verzichtete (Gal. XI 805 ἡμεῖς οὖν τὰς μὲν ἰδέας αὐτάρκως ἔφαμεν εἰρῆσθαι Διοσκουρίδῃ τε καὶ ἄλλοις οὐκ ὀλίγοις, ὥστ’ οὐ χρὴ γράφειν αὖθις ὅσα τοῖς πρόσθεν ὀρθῶς εἴρηται). Es hat sich dann als solches fast 17 Jahrhunderte hindurch, während des ganzen Mittelalters im Abendlande wie im Orient, in dem grössten Ansehen behauptet, und erst der Aufschwung der botanischen Studien im 16. Jhdt. führte im Abendlande einen Wandel in dieser Wertschätzung herbei; den orientalischen Ärzten gilt sein Werk noch heutzutage als der Inbegriff alles pharmakologischen Wissens. Was die Anordnung des Stoffes anlangt, so war D. von der landläufigen, bei seinen Vorgängern beliebten Form abgewichen. Während diese die Pflanzen entweder alphabetisch angeordnet (Krateuas) oder nach rein äusserlichen Merkmalen abgehandelt hatten (Sextius Niger), bemühte er sich, die von ihm behandelten Mittel in ein bestimmtes System zu bringen. Ausgehend von der pharmakognostischen Einteilung des gesamten Arzneistoffes in folgende fünf Hauptabteilungen: 1. Genussmittel und pflanzliche Nahrungsmittel; 2. tierische Stoffe; 3. eigentliche Arzneistoffe; 4. Alcoholica; 5. Mineralien (vgl. R. Kobert Über den Zustand der Arzneikunde vor achtzehn Jahrhunderten, Halle 1887) behandelte er in Buch I die Specereien, Öle, Salben, Bäume. Buch II die Tiere, den Honig, die Milch, das Fett, die Getreide- und Gemüsearten und die Gartenkräuter. Buch III, IV die Kräuter und Wurzeln. Buch V die Weinsorten und sonstigen Getränke und endlich die Mineralien. Neben dieser Einteilung geht eine andere auf Grund der Verwendung in medicinischer Hinsicht einher; so sind z. B. zu Gruppen zusammengeordnet die adstringierenden, die Durchfall erregenden, die diuretischen Mittel, die Aphrodisiaca und Antaphrodisiaca u. s. w. (vgl. Kobert a. a. O.). Die botanischen Capitel zerfallen fast regelmässig in zwei Teile: Name der Pflanze, deren Synonyma (aber in beschränkter Zahl, zumeist griechische, 12 römische), Beschreibung, Herkunft, Zubereitung der aus ihnen gewonnenen Stoffe und ihre medicinische Heilwirkung. Die Beschreibungen galten für so vortrefflich und der Natur gemäss, dass der bekannte französische Botaniker Tournefort (um 1700) bei seinen Reisen durch die Levante alle Pflanzen auf Grund seiner Beschreibung identificieren zu können glaubte (Tournefort Relation d’un voyage du Levant, Paris 1717). In Wirklichkeit sind sie so mangelhaft, dass die Bestimmung in vielen Fällen ganz unmöglich ist, und diese Mangelhaftigkeit erklärt sich teils aus der Arbeitsweise des D., teils daraus, dass rein äussere Merkmale und ganz zufällige Kennzeichen (Farbe, Grösse, Ähnlichkeit), wie sie wohl durch die bildliche Darstellung, aber nicht durch die lebendige Pflanze geboten werden, zur Beschreibung verwandt sind (vgl. M. Wellmann Das älteste Kräuterbuch der Griechen 13). Das Griechisch, das er als kleinstädtischer Grieche schreibt, ist schwerflüssig und ungelenk, und Galen wirft ihm nicht mit Unrecht vor, dass er die [1133] eigentliche Bedeutung griechischer Worte nicht verstehe (Gal. XII 330). Er selbst hat diesen Mangel zur Genüge empfunden; denn er bittet in der Vorrede den Areios und die sonstigen Leser, nicht auf die Sprache, sondern auf die Sorgfalt zu achten, die er auf die Erwerbung von Sachkenntnis verwandt habe. Die Anordnung des Stoffes, sowie die grössere Vollständigkeit der behandelten Materie sind die Vorzüge seines Werkes gegenüber den Pharmakologen der früheren Zeit. Inhaltlich aber – das hat man oft vergessen – ist sein Werk weiter nichts als der letzte Niederschlag der pharmakologischen Studien der Vergangenheit von Diokles herab bis auf Sextius Niger, dadurch für uns von unschätzbarem Werte, dass es uns in den Stand setzt, die verloren gegangenen Schriften dieses Wissenszweiges, vor allem des Krateuas und Niger, zu reconstruieren. Die von ihm benützten Autoren sind in erster Linie Sextius Niger (M. Wellmann Herm. XXIV 530ff.), dessen Werk περὶ ὕλης auch von Plinius in den auf die Botanik bezüglichen Büchern seiner Naturalis historia (Buch XX–XXVII) wörtlich ausgeschrieben ist, und daneben des Krateuas Pharmakopoe (M. Wellmann Krateuas, Abh. Gesellschaft der Wiss. Göttingen, phil. hist. Kl. N. F. II 1, 1897). Die von ihm sonst noch in der Vorrede aufgezählten älteren pharmakologischen Schriftsteller: Iollas aus Bithynien, Andreas, Herakleides von Tarent, die Asklepiadeer Iulius Bassus, Nikeratos, Petronius, Diodotos hat er nicht etwa selbst eingesehen, sondern einfach aus seinem Quellenwerk herübergenommen (Mayhoff Nov. lucubr. Plin. 7 A. M. Wellmann Herm. XXIV 548). Sonst begegnen uns innerhalb seines Werkes Schriftstellercitate nur selten (Hippokrates, Theophrast, Diagoras, Erasistratos, Andreas, Mnesidemos, Nikander, Krateuas, Iuba); durch die Wiederkehr der meisten von ihnen bei Plinius ist ihre Herleitung aus Niger gesichert. Seinem Werke ist es zu verdanken, dass durch eingehende Prüfung der einschlägigen Litteratur das wichtige Resultat gewonnen worden ist, dass der Urquell alles botanisch-pharmakologischen Wissens im Altertum das ῥιζοτομικόν des Diokles von Karystos, des Zeitgenossen des Platon, gewesen ist (M. Wellmann Das älteste Kräuterbuch der Griechen, Festgabe für Fr. Susemihl 1ff.). Das hohe Ansehen, in dem seine Materia medica im Altertum stand, zeigt sich am deutlichsten darin, dass sie von den meisten griechischen Ärzten der nachfolgenden Zeit benützt und zum Teil wörtlich ausgeschrieben worden ist. Schon eine Generation nach ihm haben die beiden grossen Pharmakologen der flavischen Zeit, Asklepiades ὁ νεώτερος (ὁ Φαρμακίων) und der jüngere Andromachos in seiner Schrift περὶ φαρμάκων σκευασίας, mit seinem Werke gerechnet (Gal. XIII 857. 694). Erotian, der Freund des vorher genannten Andromachos, citiert ihn einmal in seinem Hippokratesglossar (85, 7 K., falls das Citat nicht interpoliert ist). Für den unter Traian lebenden Pneumatiker Rufos aus Ephesos ist er schon so gut wie Autorität auf pharmakologischem Gebiet (Orib. I 359) und von ihm in seiner Botanik in Versen sicher verwertet worden. In hadrianischer Zeit wurde er von Soran (Schol. Orib. II 744. Ps.-Apul. c. 79. 109) und von seinem Namensvetter, dem Hippokratesherausgeber [1134] D. neben Theophrast, Krateuas, Niger und Pamphilos in seinem Glossar zur Erklärung des grossen Koers herangezogen (Ilberg Commentat. in hon. Ribbeckii 346); aus diesem Glossar hat sich vielfach dioskurideisches Gut (durch Vermittelung des Diogenian) in unsern Hesych herübergerettet (Strecker Herm. XXVI 275. M.[WS 1] Wellmann Herm. XXXIII 371, 1). Galens Schrift περὶ κράσεως καὶ δυνάμεως τῶν ἁπλῶν φαρμάκων ist vom 6. Buche an im Grunde genommen nichts weiter als eine Umsetzung der pharmakologischen Doctrin des Anazarbeers in das von Galen vertretene System der Arzneimittellehre. Der Arzt, dem wir zusammenhängende Excerpte aus seinem Werke verdanken, ist der Leibarzt des Iulian Oreibasios. Buch XI–XIII seiner συναγωγαὶ ἰατρικαί sind ein verkürzter D., verkürzt insofern, als er sich im Gegensatz zu Galen auf die Beschreibungen der Pflanzen, Droguen und Mineralien beschränkt hat. Die späteren griechischen Ärzte: Aetios (6. Jhdt.), Alexander von Tralles (6. Jhdt.), Paulos von Aigina (7. Jhdt.) und Symeon Seth (1080) kennen ihn zum Teil nur noch aus Mittelquellen (vgl. Phot. bibl. I 123 b 31). In der pharmakologischen Litteratur der Römer findet er anfänglich keine Berücksichtigung; die Compilation des Plinius, das Receptbuch des Scribonius Largus, die Medicina Plinii vertreten seine Stelle. In den Schriften des Serenus Sammonicus, Marcellus Empiricus, Cassius Felix und Theodorus Priscianus ist er nicht benützt. Der einzige Römer der älteren Zeit, der ihn citiert, ist seltsamerweise der Geoponiker Gargilius Martialis aus dem 3. Jhdt., der ihn an nicht weniger als achtzehn Stellen in seinen medicinae ex oleribus et pomis neben Plinius und Galen anführt. Doch ist die Bedeutung des Martialis für die Geschichte der Textesüberlieferung des D. damit nicht erschöpft. Es lässt sich nämlich in hohem Grade wahrscheinlich machen, dass dieser geistig angeregte Mann, dessen hohes Interesse für die Medicin durch die Aufnahme der medicinischen Heilkräfte der einzelnen Gewächse in sein landwirtschaftliches Werk gewährleistet wird, der Verfasser einer lateinischen Übersetzung bezw. Umarbeitung des D. gewesen ist, derselben, die nach den Ausführungen von H. Stadler (Archiv f. lat. Lexikographie X 403ff.) dem von Kästner (Herm. XXXI 578ff.) herausgegebenen liber Dioscoridis de herbis femininis (mit 71 Capiteln, von denen die grössere Mehrzahl eine frei gehaltene lateinische Umarbeitung des D. ist mit mancherlei Zusätzen, unter anderem mit mehrfacher Hinzufügung der Synonyma der Afri, Punici, woraus schon Stadler auf einen africanischen Ursprung des Schriftchens geschlossen hat; neben D. sind noch andere Quellen in dem Schriftchen benützt, Ps.-Apuleius ist von der Anwartschaft ausgeschlossen) und den Pflanzenartikeln im 17. Buch der Origines des Isidor von Sevilla (c. 7–11) zu Grunde liegt. Die Vorrede dieser lateinischen Übersetzung, die viel freier gehalten war als die des Cod. Monacensis und von der die Schrift de herbis femininis natürlich nur einen dürftigen Auszug darstellt, ist uns, wie V. Rose (Herm. VIII 38 A.) gesehen hat, in einer Londoner Apuleius-Hs. (Harl. 4986 f. 44v) erhalten. Aus dieser Vorrede lernen wir, dass der libellus botanicos [1135] ex Dioscoridis libris in latinum sermonem conversus auf die Bäume und Pflanzen beschränkt, mit Abbildungen versehen und an einen Marcellinus gerichtet war, mit dem der Verfasser durch Gleichartigkeit der Studien verbunden war. Ich stehe nicht an, diesen Marcellinus mit dem Geschichtschreiber Fabius Marcellinus zu identificieren, der wie Gargilius Martialis über die Geschichte der Kaiserzeit geschrieben hat (Hist. Aug. Prob. 2, 7 u. ö.). Diese lateinische Umarbeitung des Martialis ist vermutlich diejenige, die schon Cassiodor seinen Klosterbrüdern zum Studium empfahl (de inst. div. litt. c. 31: quod si vobis non fuerit graecarum litterarum nota facundia, inprimis habetis herbarium Dioscoridis qui herbas agrorum mirabili proprietate disseruit atque depinxit), dagegen haben mit ihr nichts zu thun die von Ps.-Apuleius de herbis (5. Jhdt.) in einzelnen wenigen Hss. erhaltenen Pflanzenbeschreibungen, die sicher auf den griechischen D. direct zurückgehen. Mögen sie in späterer Zeit interpoliert sein oder mögen sie von dem Verfasser des Schriftchens selbst herrühren, sicher sind sie wegen ihres Alters von Bedeutung für die Textgeschichte des D. Zu den Quellen des Ps.-Apuleius, die griechische, nicht lateinische waren, gehört eine Schrift der Art, wie sie der Verfasser des carmen de herbis (3. Jhdt.) voraussetzt. Beide – Ps.-Apuleius und das Carmen de herbis – haben in der Überlieferung des interpolierten D. deutliche Spuren hinterlassen. Im 6. Jhdt., zur Zeit der Gothenherrschaft in Italien (V. Rose Anecdota II 115. 119), entstand dann, für die Studien der Barbaren bestimmt, eine wirkliche wortgetreue lateinische Übersetzung des D., voll von Romanismen und Barbarismen, in fünf Büchern, die lange Zeit hindurch im Gebrauch der italischen und fränkischen Ärzte, dann der salernitanischen Schule war und sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat. Die bekannteste Hs. dieser Übersetzung ist der berühmte, in sog. langobardischer Schrift abgefasste Cod. lat. 337 der Münchener Hofbibliothek aus dem 9. Jhdt., der sich im 16. Jhdt. in Florenz im Besitz des bekannten Commentators des D., des Professors der schönen Wissenschaften und Cancelliere del Publico Marcellus Virgilius Adrianus befand (vgl. Auracher in Vollmöllers Rom. Forschungen I 49f.; bisher ist der Text dieser für die Romanisten wertvollen Übersetzung bis zum dritten Buche ediert, der des 1. Buches von Auracher, der des 2. und 3. von H. Stadler an demselben Ort), daneben der Cod. 9332 der Pariser Bibliothèque nationale (saec. VIII). Verschieden von dieser lateinischen Übersetzung ist der sog. ‚Dyascorides‘, der als das verbreiteste pharmakologische Compendium das ganze spätere Mittelalter beherrscht hat. Dieser Dyascorides ist die in salernitanischer Zeit (‚sec. Constantinum‘ Cod. Bamb. L. III 9) entstandene alphabetische Umarbeitung des D., die durch zahlreiche Zusätze aus Gargilius Martialis, Ps.-Apuleius, Ps.-Oribasius, Isidor, Galen de simpl. VIf. u. a. bereichert worden ist (V. Rose Herm. VIII 38, 2). In Hss. nicht selten (Paris, Bologna, Rom, Erfurt und Leyden) wurde sie zuerst zu Colle in Toscana 1478 apud J. Allemannum gedruckt; benützt ist sie nicht nur in den naturwissenschaftlichen Volksbüchern des 13. Jhdts., in dem speculum naturale [1136] des Vincent von Beauvais (Vincentius Bellovacensis) und der Schrift de proprietatibus rerum des Franciscaners Bartholomäus Anglicus, sondern auch von den beiden Verfassern pharmakologisch-botanischer Lexika der Zeit, Simon von Genua und Matthaeus Silvaticus (beide aus dem Ende des 13. Jhdts.), von denen der erstere laut der Vorrede zu seinem clavis sanationis ausser dieser alphabetischen Umarbeitung des lateinischen D. auch noch eine nach Büchern geordnete Hs. des lateinischen D. benützte und ausserdem einen illustrierten griechischen D., vermutlich unsern Cod. Neapolitanus der Wiener Hofbibliothek. Wie für den lateinischen D. das Kloster von Monte Cassino von hoher Bedeutung ist (der Cod. Monacensis stammt daher), so für den griechischen D. das Kloster Bobbio. In diesem Kloster war im 8. Jhdt. eine alte griechische Hs. des ursprünglichen D. vorhanden, aus der sich leider wenige Bruchstücke des 3. Buches (c. 92. 93. 96. 97) in dem bekannten Palimpsest der Wiener Hofbibliothek Cod. lat. nr. 16 unter dem Eutychius de discernendis coniugationibus erhalten haben (vgl. Jos. v. Eichenfeld Wiener Jahrbücher der Litt. XXVI 1824, 36f.). Diese Hs., die sich später im Besitz des Augustinerklosters S. Giovanni di Carbonaria in Neapel befand, gelangte 1717 durch Vermittlung Alexandro Riccardis, des ersten Custos der Wiener Hofbibliothek, nach Wien, und aus demselben Kloster stammt die zweite berühmte illustrierte D. Hs. der Wiener Hofbibliothek, der Neapolitanus des 7. Jhdts., den Montfaucon (Palaeogr. graec. III c. 3) dort noch gegen Ende des 17. Jhdts. gesehen und der in demselben Jahre in den Besitz des Kaisers Karl VI. überging. Im 9. Jhdt. fingen die Araber an, der griechischen Medicin und Botanik ihr Interesse zuzuwenden, nachdem der Chalif Al-Mamûn (813–833), einer der eifrigsten Förderer antiker Wissenschaft, durch den Ankauf von Hss. in aller Herren Länder, in Ägypten, Syrien, Armenien und Constantinopel den Grund zu diesen Studien gelegt hatte. In Constantinopel lebte um diese Zeit der Patriarch Photios, dessen reiche Bibliothek eine Hs. des griechischen D. zu ihrem Bestande zählte, die nach der Beschreibung des Patriarchen (Phot. bibl. cod. 178 p. 123 B.) zu der nichtinterpolierten Hss.-Classe (unserm Cod. Laur. 74, 23 entsprechend) gehörte. Die erste arabische Übersetzung des griechischen D. ist das Werk des Stephanos, des Sohnes des Basilios (um 850), die später von Honain Ben Ish’aq, dem Leibarzt des Chalifen Al-Mutawakkil (847–861), revidiert wurde. Die wissenschaftliche Aufgabe, welche sich die Araber bei ihren botanischen Studien stellten, war die Deutung der dioskurideischen Pflanzen. Spuren ihrer Thätigkeit haben sich in unsern ältesten Hss. erhalten, dem Constantinopolitanus und dem Parisinus nr. 2179 (saec. IX); in beiden sind die Pflanzenabbildungen mit der Beischrift der arabischen Pflanzennamen versehen. Diese wissenschaftliche Arbeit der Araber wirkte befruchtend auf den Westen ein, auf die Schulen von Salerno und Montpellier, vor allem aber auf die botanischen Studien in Spanien, als Spanien unter die Herrschaft der Mauren gekommen war. Um die Mitte des 10. Jhdts. sandte der Kaiser Romanos II., der Sohn und Mitregent [1137] des Constantinos VII. Porphyrogennetos (912–959), von Constantinopel aus dem spanischen Chalifen Abd–Arrah’mân einen griechischen, mit Illustrationen gezierten D. und auf Bitten des Chalifen den gelehrten Mönch Nikolaos, der in Cordova unter den Ärzten die Kenntnis des Griechischen und das Studium des D. verbreitete. Seit der Zeit ist die Botanik in Spanien eifrig gepflegt worden; dort ist schon im J. 1441 eine eigentliche Pharmakopoe als wissenschaftliches Corpus verfasst worden, dort haben im 16. Jhdt. Antonio de Nebrija (1518) und Andreas Laguna (1555) den D. herausgegeben und commentiert, dort haben sich nicht nur im Escorial (Escor. III R. 3 saec. XI als beste Hs.), sondern auch im Kloster der Cartuja de aula Dei Hss. des griechischen D. erhalten (Beer Die Hss. Spaniens 593), endlich stammen von dort wohl die arabischen Hss. des D., die in verschiedenen Bibliotheken ruhen (z. B. Cod. Paris. orient. 2850 saec. XII). Das Ereignis, das für die abendländische Culturentwicklung einen wichtigen Wendepunkt bedeutet, die Eroberung von Constantinopel durch die Türken (1453), ist auch für D. von der grössten Bedeutung gewesen; denn die Türken, welche die Erbschaft des Byzantinerreiches antraten, machten ihn zur Grundlage ihrer pharmakologischen Studien, die reichen hsl. Schätze waren in ihren Händen. Als sich dann um die Mitte des 16. Jhdts. zwischen Österreich und der hohen Pforte friedliche Beziehungen anknüpften, gelang es dem berühmten Staatsmann und Gelehrten Busbecq, der 1555 als Gesandter nach Constantinopel ging, zwei wertvolle Hss. des D. für Kaiser Maximilian II. zu erwerben, den bekannten Constantinopolitanus und den jüngeren Cod. med. gr. XVI (saec. XV), die beide in den Besitz der Wiener Hofbibliothek übergegangen sind. Eine dritte Hs., die in Constantinopel am 16. März 1761 vom Marchese Carlo Rinucci erworben wurde, ist der Cod. Philipps. nr. 21975 (saec. XI) in Cheltenham, und vermutlich stammt ebendaher der Cod. Athous des Klosters Lavra (saec. XII), der in seiner Anlage mit der Cheltenhamer Hs. völlig übereinstimmt. Jetzt, wo sich der Urquell der griechischen Litteratur dem Abendlande geöffnet hatte, begann in Italien und Deutschland das eifrige Studium des D. Zuerst lateinisch gedruckt (nach dem Arabischen) 1478 fol. zu Colle in Toscana, eine Ausgabe, von welcher der Druck zu Lyon 1512 wahrscheinlich nur ein Abdruck ist, während die lateinische Übersetzung von F. Ruellius (Paris 1516 fol.) Anspruch auf Selbständigkeit macht (am besten in der Ausgabe von A. Matthiolus Venedig 1554), dann griechisch Venedig 1499 apud Aldum Manutium gedruckt und später 1518 ap. Andr. Asulanum, 1529 zu Basel von J. Cornarius, dann mit der lateinischen Übersetzung zu Köln 1529, Paris 1549 und besser zu Frankfurt 1598 fol. von Jan. Ant. Sarazenus mit dessen und des Sambucus Noten, wurde er in fast alle Sprachen Europas übersetzt. Die wichtigste Aufgabe, welche die Naturforscher und Ärzte dieser Zeit sich stellten, war, die Pflanzen des D. wieder aufzufinden und ihre Heilkräfte auf dem Wege des Experimentes auszuproben. Italien ging in dieser Arbeit voran, Deutschland folgte. In Italien waren infolge der Bewegung der Renaissance die ersten öffentlichen [1138] Bibliotheken entstanden; in jeder derselben, in der Mediceischen zu Florenz, in der Vaticana zu Rom und in der Marcusbibliothek zu Venedig lagen Hss. des D. Unter den 600 Hss., die der Humanist und spätere Cardinal Bessarion für die Marcusbibliothek vermachte, befand sich eine Hs. des alphabetisch angeordneten D., der Cod. Venet. Marc. CCLXXII (15. Jhdt.). In Padua, wo im J. 1545 von der Republik Venedig der erste botanische Garten angelegt worden war, wirkte als Vorsteher des botanischen Gartens gegen Ende des 16. Jhdts. Luigi Anguillara, der sich um die Deutung der dioskurideischen Pflanzen grosse Verdienste erworben hat (vgl. Semplici Dell’ eccelente Luigi Anguillara, Vinegia 1561), hier studierte Petrus Andreas Matthiolus, der berühmte Commentator des D. (P. Andreae Matthioli Medici Senensis commentarii in libros sex D., Venetiis 1554), in naher Beziehung zu Padua stand Marcellus Vergilius, der bekannte Commentator des D., dessen Commentar und lateinische Übersetzung der Kölner Ausgabe (1529) beigegeben sind.
Ein weiteres wichtiges Förderungsmittel der Pflanzenkunde bildeten die Abbildungen der Pflanzen. Der Gedanke, botanische Werke zu illustrieren, war nicht neu; er stammt vielmehr aus dem Altertum. Der Rhizotom Krateuas, der Leibarzt des grossen Mithridates VI. Eupator, war der Vater des Gedankens (Plin. n. h. XXV 8); die illustrierten Herbarien des Dionysios und Metrodoros (Plin. a. a. O.) waren Neuauflagen seines epochemachenden Werkes (M. Wellmann Krateuas 20f.). Aus dieser illustrierten Pharmakopoe stammen die Abbildungen, mit denen die ältesten Hss. des D. (Cod. Constant. Neapolitanus und andere) versehen sind (vgl. M. Wellmann a. a. O.). An diesen Gedanken knüpfte das Mittelalter wieder an; schon aus dem 15. Jhdt. haben sich Pflanzenzeichnungen erhalten, von denen Meyer Gesch. der Botanik IV 273f. zu berichten weiss, aber erst durch die Erfindung des Holzschnittes und Kupferstiches wurde es möglich, die Abbildungen in wünschenswerter Weise zu vervielfältigen, und die botanische Litteratur machte von diesem Hülfsmittel den ausgiebigsten Gebrauch. Es ist von hohem Interesse zu sehen, wie selbst auf dem Gebiete der Pflanzenillustration der enge Zusammenhang mit dem Altertum fortbesteht; die Kupferstiche, die Peter Uffenbach seiner deutschen Übersetzung des Kräuterbuches des uralten und in aller Welt berühmten griechischen Scribenten Pedacii Dioscoridis Anazarbei (Frankfurt a/M. 1610) beigegeben hat, lassen vielfach mit ziemlicher Sicherheit die Abhängigkeit von den Illustrationen des Constantinopolitanus (Krateuas) erkennen.
Die culturgeschichtliche Seite ist es nicht allein, die dem Werk des D. seine hohe Bedeutung verleiht, für die Sprachwissenschaft und die Kunstgeschichte ist es nicht minder von hohem Wert. In der alphabetischen Umarbeitung des D. sind vor dem Texte umfängliche Listen von Pflanzennamen erhalten. Der Unterschied zwischen diesen Namenlisten, die zum Teil wertvolles Erbgut der älteren Pharmakologie von Diokles an bis auf D. sind, und den Synonymen des echten D. besteht darin, dass den griechischen Pflanzennamen fast [1139] regelmässig die römischen hinzugefügt sind und ausserdem häufig die gallischen, tuskischen, dacischen, dardanischen, ägyptischen, spanischen, africanischen, armenischen, syrischen, marsischen, sowie die Pflanzenbezeichnungen der Propheten, des Zoroaster, Pythagoras und Osthanes (M. Wellmann Herm. XXXIII 360f.). Früher war man hinsichtlich der Frage, ob diese Listen echt dioskurideisch seien, geteilter Meinung; Sprengel nahm sie als echt in seinen Text auf. Eine Entscheidung in dieser Streitfrage ist nur mit Hülfe der Hss. möglich; sie liefern den unanfechtbaren Beweis, dass sie aus der alphabetischen Umarbeitung interpoliert sind. Den besten Hss. des echten D. (Paris. 2179. Laur. LXXIV 23) sind sie fremd, im Vat.-Palatinus 77 stehen sie in den ältesten Blattlagen am Rande, in den Vertretern der interpolierten Hss.-Classe erscheinen sie im Texte, bald zu Anfang, bald in der Mitte, bald am Schluss der Capitel. Was die Quelle dieser Listen anlangt, so ist sie höchst wahrscheinlich das Werk des Pamphilos περὶ βοτανῶν (Ende des 1. Jhdts.), aus dem auch Ps.-Apuleius de herbis seine teils vollständiger, teils kürzer gefassten Pflanzenlisten entlehnt hat (M. Wellmann a. a. O. 369).
Endlich ist der Name des D. mit der Buchillustration im Altertum und der Geschichte der Porträtkunst aufs allerengste verknüpft. Es ist eine Thatsache, dass es schon in alexandrinischer Zeit kostbar ausgestattete illustrierte Schriftstellerausgaben gegeben hat, die nicht selten mit dem Bildnis des Autors geschmückt waren, und dass diese Sitte der Buchillustration sich von den Griechen auf die Römer vererbt hat. Für das Gebiet der Pharmakologie hat uns Plinius die wertvolle Notiz von der Existenz einer illustrierten Pharmakopoe aus der Zeit Mithridates d. Gr. überliefert. Diese, das Werk des Krateuas, ist uns in den beiden alten Wiener Hss. des D. erhalten, und von ihnen sind in letzter Linie alle späteren Bilder-Hss. des D. abhängig. In dem Constantinopolitanus haben sich ausserdem auf fol. 2v und 3y zwei Bilder in annähernd quadratischer Form auf goldenem Grunde erhalten, die von einem durch buntfarbige Blumenmuster gebildeten Rahmen eingefasst sind. Jedes dieser Bilder enthält sieben mit Beischriften versehene farbige Ärztedarstellungen, das erste die des Cheiron, Machaon, Niger, Pamphilos, Herakleides, Xenokrates, Mantias, das zweite Darstellungen des Krateuas, Galen, D., Apollonios, Nikander, Andreas, Rufos, d. h. der Koryphaeen der antiken Pharmakologie. Von den übrigen illustrierten Hss. des D. hat nur eine Hs. der Bologneser Universitätsbibliothek nr. 3632 dieselben Darstellungen erhalten (M. Wellmann Krateuas 22). Aus der völligen Übereinstimmung sowohl dieser Ärztebilder, als auch der Pflanzendarstellungen mit denen des Constantinopolitanus ergiebt sich, dass sie blosse Copien dieser Hs. sind, also erst aus dem Ende des 16. Jhdts. stammen. Die Fülle individuellen Details, welche die charaktervollen Köpfe dieser Darstellungen aufweisen, zwingt zu der Annahme, dass wir es mit Porträts zu thun haben. Die Vereinigung von 7 Figuren zu einem Bilde enthält ferner einen deutlichen Hinweis, unter wessen Einfluss die Darstellungen entstanden sind, ja es [1140] ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass sieben dieser Darstellungen, nämlich die des Cheiron, Machaon, Mantias, Andreas, Nikander, Herakleides und Krateuas direct aus dem biographischen Bilderbuch, den Hebdomaden des Varro (Plin. n. h. XXXV 11), entlehnt sind und den Anstoss zu den weiteren Darstellungen gegeben haben.
Seit alter Zeit war der Name des D. an drei Schriften geknüpft περὶ ὕλης ἰατρικῆς, περὶ δηλητηρίων φαρμάκων und περὶ ἰοβόλων. Schon der Patriarch Photios (Cod. 178) las diese drei Schriften unter seinem Namen in seiner Hs., desgleichen finden sie sich in allen späteren Hss. unter seinem Namen, während sie den älteren Hss. fremd sind. Dass die beiden letzten Schriften mit unserm D. nichts zu thun haben, daran wird heutzutage nach den vortrefflichen Bemerkungen E. Meyers (Geschichte der Botanik II 107f.) niemand mehr zweifeln. Verschieden in der Sprache, verschieden im Inhalt, tragen sie das Gepräge einer jüngeren Zeit deutlich an der Stirn. Endlich führt noch eine vierte Schrift, die aus zwei Büchern bestehenden εὐπόριστα (aus dem Stegreif zu bereitende Arzneimittel), in der Überlieferung den Namen des Anazarbeers (zuerst zu Strassburg aus einem Augsburger Codex 1565 von Gesner gedruckt). C. Sprengel hat in der Praefatio seiner Ausgabe (p. XV) verschiedene Gründe für die Unechtheit dieses Werkes angeführt. In neuerer Zeit wird es allgemein für echt dioskurideisch ausgegeben nach dem Vorgange von E. Meyer, welcher die dieser Annahme im Wege stehenden Partien als spätere Einschiebsel auszuscheiden vorschlug. Allein abgesehen von der völlig willkürlichen Art dieses Verfahrens wird Meyers Vermutung dadurch widerlegt, dass Galen trotz der wiederholten Erwähnung der Verfasser von εὐπόριστα den D. als solchen nicht kennt und dass an einer bisher von keiner Seite beanstandeten Stelle (II c. 112, 311) der Kappadokier Aretaios citiert wird, der dem Ausgange des 2. nachchristlichen Jhdts. angehört (M. Wellmann Pneumatische Schule 63f.). Andrerseits kennt aber Oreibasios in dem Prooemium zu seinen εὐπόριστα πρὸς Εὐνάπιον den D. als Verfasser der Schrift, ferner führt Aetios aus Amida wiederholentlich Recepte aus dieser Schrift unter dem Namen des D. an (vgl. VI 16 = D. 103. VII 98 = D. 107). Demnach dürfen wir es als feststehend ansehen, dass die εὐπόριστα im 3. oder im Anfange des 4. Jhdts. verfasst und auf den Namen des D. gefälscht sind; denn dass der Verfasser der Anazarbeer sein will, das bekundet die Dedication seines Werkes an den τιμιώτατος Ἀνδρόμαχος, den Zeitgenossen des Anazarbeers. In Verkleidung und Absicht, sowie in der ganzen Anlage bietet das Werk eine schlagende Parallele zu der von V. Rose meisterhaft behandelten Medicina Plinii. Wie dort Plinius, so ist hier D. die Hauptquelle, daneben haben aber dem Verfasser noch andere Quellen zu Gebote gestanden; denn nur so ist es zu erklären, dass er vieles mit Plinius gemein hat, was bei D. fehlt. Wie die Medicina Plinii für die Beurteilung und Besserung des plinianischen Textes, so ist der Verfasser der Εὐπόριστα für den pharmakologischen Teil des dioskurideischen Textes von Wert. Die Schrift περὶ φαρμάκων ἐμπειρίας ist [1141] nichts als ein alphabetisches Verzeichnis der in den Schriften des D. und des Stephanus von Athen vorkommenden Krankheiten; ein lateinischer Abdruck davon erschien zu Zürich 1581 von C. Wolf.
Der Text des echten D. ist schon frühzeitig einer systematischen Interpolationsthätigkeit anheimgefallen. Die alphabetische Umarbeitung des D. gab den Anlass dazu. Diese Umarbeitung, deren Entstehung in die Zeit nach Galen und vor Oreibasios fällt (M. Wellmann Herm. XXXIII 373f.), verdankt dem alphabetisch angeordneten illustrierten ῥιζοτομικόν des Krateuas ihre Entstehung und war naturgemäss auf den Text der von Krateuas abgebildeten Pflanzen beschränkt. Der Text des D. ist in ihr nicht selten willkürlich gekürzt, vielfach geändert, bisweilen bereichert, ja mehrere Pflanzen, die von D. nicht gekannt, aber von Krateuas mit Illustrationen versehen waren, haben aus anderen Quellen ihren Text erhalten, und zu Anfang des Textes sind die zum Teil ausführlichen Synonymenlisten eingefügt. Trotz seines hohen Alters ist der Text dieser Umarbeitung von untergeordnetem Wert; anfänglich auf die Pflanzen des Krateuas beschränkt, dehnte sie sich im Laufe der Zeit auf den ganzen D. aus. Die in Betracht kommenden Hss. zerfallen in drei Classen, deren erste durch den Archetypus der beiden aus gemeinsamer Quelle stammenden Hss. der Wiener Hofbibliothek vertreten ist, der kostbar ausgestatteten, für die Iuliana Anicia, Tochter des Flavius Anicius Olybrius, der 472 auf den weströmischen Kaiserthron kam, geschriebenen Pergament-Hs. aus dem Ende des 5. Jhdts. und des aus dem 7. Jhdt. stammenden Neapolitanus. Beide Hss. stammen aus demselben Archetypus. Die zweite Classe umfasst jüngere Hss., die Athos-Hs. vom Kloster Lavra (Pergament-Hs. saec. XII), den Marcianus XCII (Bombycin-Hs. saec. XIII), den Escor. Σ. τ. 17 (chart. saec. XV) und den Cod. Philipps. nr. 21975 in Cheltenham (saec. XI). Inhaltlich unterscheiden sich die Hss. dieser beiden Classen dadurch, dass in denen der zweiten Classe der Text auf den ganzen D. ausgedehnt ist und nach folgenden Gesichtspunkten gegliedert erscheint: περὶ βοτανῶν, περὶ ζῴων παντοίων, περὶ παντοίων ἐλαίων, περὶ ὕλης δένδρων, περὶ οἴνων καὶ λίθων. Daran schliesst sich in der Cheltenhamer und der Athos-Hs. der Text der beiden unechten Schriften des D. περὶ δηλητηρίων φαρμάκων und περὶ ἰοβόλων, des Carmen de herbis und der Eutekniosparaphrase zum Nikander, während im Constantinopolitanus das Carmen de herbis und die Eutekniosparaphrase auf den illustrierten D. folgen und der Neapolitanus nur das illustrierte Herbarium enthält. Die dritte Classe, die in zahlreichen Hss. vertreten ist (Paris, Berlin, Venedig, Rom, Escorial), enthält die alphabetische Umarbeitung des vollständigen D. Die übrigen Hss. der fünf Bücher des echten D. zerfallen in zwei Abteilungen, deren eine durch die nicht interpolierten Hss. vertreten ist, während die lange Reihe der übrigen Hss. mit Hülfe des alphabetischen D., der Paraphrase des Carmen de herbis, der Geoponici, des Ps.-Apuleius und der Krateuasfragmente interpoliert sind (Cod. Paris. 2183 saec. XV. Cod. Marc. CCLXXI saec. XV, beide aus [1142] derselben Quelle). Von den vier grundlegenden Hss. der ersten Abteilung in Paris, Venedig, Florenz und Rom, die dem 9.–14. Jhdt. angehören und deren Archetypos in Anordnung und Wortlaut im wesentlichen dem D.-Text des Galen und Oreibasios entspricht, kannte C. Sprengel aus eigener Vergleichung keine einzige, ihm standen nur die von dem Dresdener Arzt Dr. Weigel herrührenden Collationen der Wiener Hss. (besonders C und N) zur Verfügung; daraus lässt sich entnehmen, wie verändert sich der Text in einer neuen Ausgabe ausnehmen wird. Die für die Recensio in Betracht kommenden Hss. sind: 1) Cod. Paris. 2179 (P), eine leider schlecht erhaltene Pergament-Hs. des 9. Jhdts. Vorn und hinten ist sie unvollständig und im Innern durch Verlust von Blättern und Blattlagen stark beschädigt, ausserdem ist sie mit höchst ungeschickten Abbildungen versehen. Salmasius benützte sie bereits in seinen Exercitationes Plinianae. Direct aus ihr abgeleitet ist ein Cod. Marc. nr. 273 des 12. Jhdt., dessen fünftes Buch nach Florenz verschlagen ist und dort in einem medicinischen Sammelcodex (plut. LXXIV cod. 17 fol. 122f.) steht. Der Cod. Marcianus (V), gleichfalls unvollständig, kommt für eine Reihe von Capiteln, die in P fehlen, in Betracht. 2) Cod. Laur. plut. 74 cod. 23 (F, 14. Jhdt.), die einzige vollständige Hs. dieser Classe. 3) Cod. Vat. Pal. nr. 77 (H, 14. Jhdt.), dessen ältere Blattlagen dieselbe Überlieferung repräsentieren. 4) Escor. III R 3 (Pergament-Hs. saec. XI). Die letzte[WS 2] Ausgabe mit lateinischer Übersetzung und ausführlichem Commentar rührt von dem um die Geschichte der Medicin und Botanik hochverdienten Hallenser Professor Kurt Sprengel her (2 Bde. 1829. 1830). Eine neue Ausgabe mit deutscher Übersetzung, dem Text der alphabetischen Umarbeitung, sowie mit der gesamten Parallelüberlieferung wird von M. Wellmann vorbereitet. Vgl. H. Friedlaender in Ersch und Grubers Encyclopädie XXV 398f. J. Hirschberg Geschichte der Augenheilkunde 208. Meyer Geschichte der Botanik a. a. O. V. Rose Herm. VIII 38f.; Anecd. II 115. 117. M. Wellmann Herm. XXIV 530. XXXIII 360; Krateuas, Abh. Ges. der Wissensch. zu Göttingen, Philol. hist. Kl. Neue Folge II 1; Das älteste Kräuterbuch der Griechen, Leipzig 1898, 1ff. Stadler Der lateinische Dioscorides der Münchener Hofbibliothek (Allg. Med. Central-Zeitung 1900 nr. 14/15).
[M. Wellmann.]
Anmerkungen (Wikisource)
Vorlage: W.
Vorlage: letze
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