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2) Dionysios II. oder der Jüngere, Sohn des Vorgenannten. Dionysios I. hinterliess sieben Kinder, drei von der lokrischen Doris, den D., Hermokritos und eine Tochter, vier von der Aristomacha, Hipparinos und Nysaios, Sophrosyna und Areta (Plut. Dion 6. Corn. Nepos Dio 1. Diod. XVI 6, 2. Dittenberger Syll.² 89). Der älteste Sohn war D., und diesen machten beim Tode des Vaters die massgebenden Männer, die Truppenführer, zum Nachfolger. Der Vater hat vielleicht selbst keine endgültige Bestimmung mehr getroffen; es gab manche, die auch die Kinder der syrakusischen Frau berücksichtigt wissen wollten, in letzter Stunde wurden von Dion, dem Bruder der Aristomacha, beim sterbenden Tyrannen in dieser Richtung Versuche gemacht, aber vergebens (Plut. Dion 6. Nepos Dio 2). D. ward erhoben, weil er der älteste Sohn war und weil man nur einen Herrscher und keine Teilung der Gewalt wollte. Schon die Art, wie er zur Regierung kam, bewirkte, dass er unsicherer stand als sein Vater. Er war von seiner Umgebung abhängig und fürchtete sich vor seinen Brüdern und Verwandten; es bildeten sich bald im Anschluss an den Regierungswechsel zwei Parteien an seinem Hofe, die sich unter einander befeindeten, den D. nach verschiedenen Richtungen beeinflussten und einen schwankenden, unsicheren Gang seiner Politik veranlassten (Iustin. XXI 1. Plat. epist. III 316 C. VII 329 B.).

Die erste Aufgabe der neuen Regierung war, den angefangenen Krieg mit den Karthagern zu beenden; denn es schien bei dem jungen Fürstentum gefährlich, einen grossen auswärtigen Krieg zu führen. Den Bemühungen Dions gelang es, den Frieden zu vermitteln, der wahrscheinlich auf die Bedingungen von 383/2 v. Chr. abgeschlossen wurde, mit Anerkennung der Grenze des Halykos (vgl. Nr. 1. Plut. Dion 6. Diod. XVI 5, 2).

D. war von seinem Vater sehr verschieden. Er war auf die Herrschaft gar nicht vorbereitet; denn der Vater hatte ihn aus Eifersucht von den Geschäften fern und ganz unselbständig gehalten. Er hatte sich mit harmlosen Liebhabereien, mit Schnitz- und Tischlerarbeit beschäftigt (Plut. Dion 9; vgl. apophth. reg. p. 175 D. E). Ohne Zweifel hatte er ferner eine ausgeprägte Neigung für litterarische Beschäftigung jeglicher Art, insbesondere Poesie und Philosophie, für die er mehr Sinn gehabt zu haben scheint, als für Staatsgeschäfte. So war er, als er die Herrschaft übernahm, obwohl er schon mehr als 25 Jahre alt war, dennoch ganz unerfahren. Nachdem er Herrscher geworden war, begann er zunächst seine Freiheit zu geniessen und ergab sich endloser Schwelgerei, besonders Trinkgelagen. Er soll 90 Tage lang trunken gewesen sein (Aristot. problem. 28 p. 949 a 25. Plut Dio 7. Athen. X 435 D. 437 B). Zugleich bekämpften sich an seinem Hofe die beiden Factionen. Die eine vertrat Dion, sein Schwager, der damals Platon, den berühmtesten aller Philosophen, [905] nach Syrakus berief, um durch ihn den D. seinem zügellosen Lebenswandel zu entreissen und zu einer Änderung des Regierungssystems zu bringen. Die Wiederherstellung der zerstörten hellenischen Städte, Beseitigung der Willkür und Einführung einer mässigen Freiheit für die Syrakusier waren das Hauptziel dieser Bestrebungen. Aber die Gegner, besonders die Militärs, wollten von einer Lockerung der Herrschaft nichts wissen; auf ihr Betreiben ward, als Platon kam, als Gegengewicht der verbannte Philistos zurückgerufen, der nun als angesehener Schriftsteller und Redner im entgegengesetzten Sinne wirkte (Plut. Dion 9). Anfangs schien Platons Einfluss gut zu wirken, D. hörte ihn gerne, änderte seinen Lebenswandel und interessierte sich lebhaft für die Probleme der Philosophie. Aber schliesslich siegte die andere Partei; es gelang ihnen, bei D. den Verdacht zu erwecken, dass Dion ihm nach der Herrschaft trachte; Dion ward plötzlich aus Sicilien entfernt und ging nach Griechenland. Platon ward zwar mit Achtung behandelt, verlor aber seinen Einfluss und kehrte bald nach Athen zurück. D. fürchtete den Dion und machte ihm Hoffnung auf Rückkehr und Versöhnung; er bewog auch den Platon, nochmals nach Syrakus zu kommen, um zu vermitteln. Aber die Verhandlungen zerrannen in nichts. D. hatte für Platon grosse Verehrung und wollte gerne sein Freund bleiben, aber seine Politik konnte er doch nicht ändern. Die Gegner Dions hatten zu grossen Einfluss. So zerschlugen sich die Verhandlungen; Platon geriet sogar in Verdacht, fiel in Ungnade, war thatsächlich Gefangener, und musste froh sein, nach einiger Zeit, durch Vermittelung der Tarentiner, mit heiler Haut wieder entlassen zu werden (361/360 v. Chr.).

D. setzt im wesentlichen das System seines Vaters fort. Er hat allerdings einige Milderungen versucht. Zu Anfang der Regierung hat er viele Staatsschuldner aus der Haft entlassen und die Steuern auf drei Jahre erlassen oder ermässigt (Iustin. XXI 1), auch die Dienstpflicht erleichtert (Plut. Dion 30). Zu den Acten der Milde ist zu rechnen, dass Rhegion, das von seinem Vater mit solcher Härte behandelt worden war, unter dem Namen Phoibeia zum Teil wiederhergestellt ward (Strab. V 258). Im wesentlichen jedoch blieb alles beim alten, nur dass die Herrschaft, da sie minder einsichtig und folgerichtig geübt ward, viel mehr den Charakter der Willkür annahm. Es wird gesagt, dass D. grausamer gewesen sei, als sein Vater. Es gab viele Bestrafungen, und der Verbannten waren mehr als tausend (Iustin. XXI 2, 2. Plat. epist. VII 348 Bff. Plut. Dion 22. Polyaen. V 2, 4). Gewiss war D. von Natur durchaus nicht grausam oder blutdürstig, aber er war schwach und liess sich von seiner Umgebung leicht hinreissen (Plut. Timol. 16). Der Hofhalt ward zügelloser und verschwenderischer. D. selbst ging darin mit seinem Beispiel voran; er war ein starker Schlemmer und Zecher. Zahlreiche Höflinge umgaben ihn mit ihren Schmeicheleien, einer, Damokles, ist weltbekannt geworden (Athen. VI 249 Ef. Polyaen. V 46; s. oben Bd. IV S. 2068, 20). D. konnte ihnen nicht widerstehen; in diesem Kreise mag der Gedanke entstanden sein, dass er Sohn des [906] Apollon sei, des Gottes, den er am meisten verehrte (Plut. Alex. virt. II 5 p. 338 B. Plat. epist III 315 B. XIII 361 A).

Zum Hofstaat gehörten auch die Litteraten und Philosophen, denen D. sich selbst zurechnete. Er hat Paeane und Lieder gedichtet, einen philosophischen Tractat verfasst, auch Briefe und eine Schrift über Epicharmos werden ihm zugeschrieben (Athen. VI 250 Bf. Plato epist. III 315 B. VII 344 D. Suid. s. Διονύσιος). Unter den Philosophen, die bei ihm lebten, werden Aischines und Aristippos, Xenokrates und Speusippos genannt (Lucian. Menipp. 13; de parasit 32f. Athen. X 437 B. Plut. Dion 19; de adul. et amico 26. Plat. epist. II 314 E; vgl. Plut. apophth. reg. p. 176 C. Diog. Laert. II 61. 66ff. 83). Nicht alle wussten ihre Würde so tadellos zu erhalten, wie Platon. Besondere Vorliebe scheint D. für die Pythagoreer gehabt zu haben. Begründet wird sie durch die berühmte Erzählung von den beiden Freunden Damon und Phintias, den Helden der Schillerschen Bürgschaft, wobei es sich nach der ältesten Version nicht um einen wirklichen, sondern um einen fingierten Mordversuch handelt (Iamblichos vit. Pyth. 234ff.; vgl. 127. Diod. X 4, 3; in die Zeit des älteren D. setzen es irrig Cicero Tuscul. V 63. Polyaen. V 2, 22). Die Pythagoreer sind es auch, die D.s Freundschaft mit Platon vermittelt haben.

Kriegerische Neigungen hatte er nicht; er wurde schwerfällig und bequem und litt an den Augen, was man vom Trunk herleitete (Athen. VI 249 E. X 435 E. Iustin. XXI 2, 1). Er überliess die Geschäfte anderen. So kam es, dass bald ein gewisser Verfall eintrat; die Zucht und Kriegstüchtigkeit der Soldaten nahm ab, und die stählernen Fesseln der Tyrannis lockerten sich allmählich. Auch die Finanzen scheinen durch die Verschwendung des Hofes in Unordnung geraten zu sein. Wir wissen, dass D. den alten Söldnern den von seinem Vater gezahlten Sold zu kürzen beschloss, dadurch aber eine gefährliche Meuterei heraufbeschwor. Er musste seine Absicht aufgeben und den Leuten noch eine Zulage bewilligen (Diod. XVI 5, 4. Plat. epist. VII 348). Kriege hat er wenig geführt. In seine ersten Jahre fällt ein Krieg gegen die Lukaner, der ohne grossen Nachdruck geführt und nach einigen glücklichen Treffen friedlich beigelegt wurde (Diod. XVI 5, 2). Dies scheint der Krieg zu sein, der zur Zeit der ersten Anwesenheit Platons erwähnt wird (Plut. Dion 16. Plat. epist. III 317 A). Nichtsdestoweniger blieb D.s Herrschaft unerschüttert. Er hat den ganzen Umfang des väterlichen Gebietes behauptet und die alte Politik fortgesetzt; den Lakedaimoniern blieb er verbündet und schickte ihnen 366 v. Chr. eine neue Hülfsendung (Xen. hell VII 4, 12). Mit Tarent und seinen leitenden Staatsmännern, mit Archytas und Genossen, war er befreundet; er hat dorthin ein prächtiges Geschenk gestiftet (Athen. XV 700 D. Plat. epist. VII 339 D). Ebenso behauptete er die Besitzungen im Adrias; zum Schutze der Seefahrt gegen die Seeräuber hat er an der iapygischen Küste zwei Städte angelegt (Ol. 105, 2 = 359/8 v. Chr. nach Diod. XVI 5); unverändert blieben seine Beziehungen zu Neapolis (Athen. VI 250 D).

Während die Tyrannis äusserlich ihren alten Glanz bewahrte, hatte sie sich doch im Innern [907] stark gelockert. Der Tyrann wurde seinen Unterthanen verächtlich (Aristot. polit. V p. 1312 a 4. Plut. Dion. comp. 4), und mit Erfolg setzte der verbannte Dion alles zum Sturz des D. in Bewegung, nachdem seine Versuche, die Rückkehr zu erlangen, fehlgeschlagen waren. D. wusste offenbar von den Absichten Dions, ward aber doch durch die Ausführung überrascht (Corn. Nepos Dio 5, 4). Als er 357 v. Chr. mit einer Flotte von 80 Schiffen bei Kaulonia in Süditalien stand, während ein anderes Geschwader unter Philistos zu den neu gegründeten Städten an die iapygische Küste gesandt war, erhielt er die Nachricht, dass Dion bei Minoa gelandet sei. Er eilte nach Syrakus, kam aber sieben Tage zu spät; er fand die Stadt schon befreit, reissend schnell verbreitete sich der Abfall über ganz Sicilien, und nur Ortygia blieb ihm. Zunächst fing er an, mit Dion zu unterhandeln, machte Hoffnung auf Abdankung und versuchte während der Verhandlungen die Syrakusier zu überfallen, wurde aber durch Dion abgeschlagen. Dann bemühte er sich, und nicht ohne Erfolg, zwischen Dion und den Syrakusanern Misstrauen und Zwietracht zu säen. Seine Anhänger traten unter der Maske radicaler Demokraten auf, und auch später hat er die Demokraten seinen Zwecken dienstbar gemacht. Indessen erlitt nun seine von Philistos herangeführte Flotte eine entschiedene Niederlage, Philistos fiel, und nun, da auch die übrigen sicilischen Städte sich frei gemacht hatten (Nepos Dio 5, 5), erklärte sich D. bereit, die Burg mit ihrem ganzen Inhalt zu übergeben, wenn man ihm freien Abzug nach Italien und Nutzniessung seines syrakusischen Grundbesitzes gewähre. Der Vorschlag ward abgewiesen. Aber es gelang dem D., mit Familie und wertvollster Habe aus der Akropolis zu entkommen (Diod. XVI 16f. Plut. Dion 31ff. Polyaen. V 2, 7f. Aelian. v. h. X 34); er liess dort seinen Sohn Apollokrates als Befehlshaber zurück und schickte ihm bald darnach unter dem Neapoliten Nypsios neue Vorräte und Verstärkungen zu, die um die Zeit ankamen, wo Dion sich mit Herakleides und den Syrakusanern entzweit hatte und nach Leontinoi abgezogen war. Zur See erfochten die Syrakusaner auch diesmal einen Sieg, liessen sich aber gleich darnach von den barbarischen Söldnern des Nypsios überfallen, und Syrakus wäre beinahe erobert und zerstört worden, wenn nicht Dion zur Hülfe gekommen wäre. D. verständigte sich dann nochmals mit Herakleides und suchte durch diesen Dion zu stürzen, mit Hülfe zugleich des Spartaners Pharax und allerlei anderer Mittel; aber Dion behauptete sich, und nach einiger Zeit (355 v. Chr.) musste Apollokrates capitulieren, dem Dion die Ortygia übergeben und damit Syrakus ganz räumen (Plut. Dion 41ff. Diod. XVI 17).

Damit hatte D. die sicilische Herrschaft verloren, aber ihm blieben noch die italischen Besitzungen, Lokroi und Rhegion. Doch ward ihm Rhegion einige Jahre später von Leptines und Kallippos entrissen (351/0 v. Chr., Diod. XVI 49, 9. Plut. Dion 58), und so war D. auf Lokroi beschränkt; man erzählt, dass die Stadt die Willkür und Lasterhaftigkeit des Tyrannen voll zu kosten hatte (Strab. VI 259. Athen. XII 541 C. Iustin XXI 2. Plut. praec. reip. ger. 28). Wahrscheinlich hat man ihn auch hier zu stürzen versucht. [908] Von Lokroi aus gelang es ihm dann noch einmal, Syrakus zu besetzen, wo nach Dions Tode und verschiedenem Wechsel Nysaios, Halbbruder des D., die Herrschaft erlangt hatte. Er vertrieb jenen, gewann zehn Jahre nach seiner Vertreibung, also etwa 346 v. Chr., die Herrschaft zurück (Plut. Timol. 1) und richtete ein hartes Regiment auf; es ist begreiflich, dass er sich an seinen Feinden zu rächen suchte. Während er aber Syrakus gewann, ging ihm Lokroi verloren; seine Besatzung ward vertrieben, die Lokrer brachten seine Frau und Kinder in ihre Gewalt und nahmen trotz der Fürbitte der Tarentiner grässliche Rache an ihnen; sie wurden entehrt, zu Tode gemartert und ihre irdischen Überreste ins Meer geworfen (Plut. Timol. 13. Aelian. v. h. VI 12 und die soeben citierten Stellen).

Die Syrakusaner verbündeten sich gegen D. mit Hiketas, der damals Leontinoi besass und mit seinem Heere vor Syrakus rückte. Er musste wieder abziehen, D. setzte ihm nach, ward aber in einem grossen Treffen geschlagen und verlor auch Syrakus an Hiketas (345 v. Chr.). Nur Ortygia blieb ihm, und hier wurde er belagert. Mit Hiketas verbündeten sich gegen ihn die Karthager, die schon im Jahr zuvor mit einer grossen Flotte auf dem Plane erschienen waren (Diod. XVI 65. 68. Plut. Timol. 2. 7). Als die Syrakusaner sich um Hülfe nach Korinth wandten und Timoleon eintraf, legte sich, um jeden Entsatz. abzuschneiden, die karthagische Flotte vor Syrakus, und die Ortygia ward nunmehr zu Lande und zu Wasser belagert. Unter diesen Umständen gab D. seine Sache verloren. Er wandte sich an Timoleon, der inzwischen seine ersten Erfolge errungen hatte, und erbot sich, ihm gegen freien Abzug nach Korinth die Inselburg mit dem ganzen Inhalt zu übergeben. Timoleon nahm das Anerbieten an, besetzte die Insel, D. ging zu ihm ins Lager und ward dann nach Korinth gebracht (Plut. Timol. 13. Nepos Timol. 2. Diod. XVI 70).

In Korinth ward D. von allgemeiner Neugierde empfangen; jeder wollte den Mann sehen, der solche Schicksale überlebt, der nicht weniger gelitten als gethan hatte. Er hat dann noch manches Jahr dort zugebracht; er befand sich in der Lage eines Verbannten, der keinen Verdacht erregen durfte, und verlebte seine Zeit so gut er konnte, unterhielt sich mit Musikern und Litteraten, zechte und tändelte mit Hetaeren. Die spätere Legende will, dass er in Armut fiel und als Schulmeister mit Unterricht sein Brot verdienen musste. Dies ist sicherlich erfunden; er war immer ein vornehmer Mann und besass gewiss das fürs Leben Nötige. Wie lange er lebte, ist unbekannt. Er traf in Korinth mit Philipp von Makedonien zusammen, also 338/7 v. Chr., und scheint auch Alexander erlebt zu haben. Plut. Timol. 14ff. Iustin. XXI 5. Lucian. Somn. 23. Cic. Tusc. III 27.

Litteratur: Holm Gesch. Siciliens i. Altertum II 156ff. 452ff., oben den Art. Dion Nr. 2 und die dort citierten Werke. Vgl. O. Krug Quellenuntersuchung zur Geschichte des jüngeren D., Diss. Kattowitz 1891.
[Niese.]

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