.
134) Διονύσιος ὁ Θρᾷξ, alexandrinischer Grammatiker, einer der bedeutendsten Schüler des Aristarch. Über sein Leben und seine Schriften hat am ausführlichsten gehandelt M. Schmidt Philol. VII 360–382. VIII 231-253. 510–520. D. stammte aus Thrakien (Byzanz), weshalb er gewöhnlich mit dem Beinamen ὁ Θρᾷξ angeführt wird. Über sein Verhältnis zu seinem Lehrer Aristarch wird in den Scholien zur Techne p. 160, 32 Hilg. folgende Anekdote erzählt: ἐκεῖνος μὲν γὰρ μαθητὴς ἦν Ἀριστάρχου, ὃς καὶ τὸν ἑαυτοῦ διδάσκαλον ζωγραφήσας ἐν τῷ στήθει αὐτοῦ τὴν τραγῳδίαν ἐζωγράφησε διὰ τὸ ἀποστηθίζειν αὐτὸν πᾶσαν τὴν τραγῳδίαν. Später lehrte D. in Rhodos (vgl. Strab. XIV 655. Athen. XI 489 a), wo der ältere Tyrannion zu seinen Schülern zählte (Suid. s. Τυραννίων . . . εἶτα διήκουσε καὶ Διονυσίου τοῦ Θρᾳκὸς ἐν Ῥόδῳ). Da Aristarch ungefähr um 140 v. Chr. gestorben ist und andererseits die Blütezeit des Tyrannion ἐπὶ Πομπηίου τοῦ μεγάλου fällt (womit das erste Consulat des Pompeius im J. 70 gemeint ist), so werden wir uns die Lebenszeit des D. etwa zwischen 170 und 90 v. Chr. zu denken haben. Sicher fehlerhaft ist die Zeitangabe in dem Artikel Διονύσιος Θρᾷξ des Suidas: ... ὃς ἐσοφίστευσεν ἐν Ῥώμῃ ἐπὶ Πομπηίου τοῦ μεγάλου καὶ ἐξήγήσατο Τυραννίωνι τῷ προτέρῳ. Hier genügt nicht die Änderung ἐν Ῥόδῳ für ἐν Ῥώμῃ, wie Reinesius vorgeschlagen hatte; denn es ist völlig ausgeschlossen, dass D. erst zur Zeit des Pompeius als Lehrer thätig war. Die Worte ὃς ἐσοφίστευσεν – τοῦ μεγάλου sind wahrscheinlich an falsche Stelle geraten und werden vielmehr, wie Clinton vermutet hat, auf Tyrannion zu beziehen sein (vgl. Suid. s. Τυραννίων). Dabei sind vielleicht auch einige Worte über D.s Lehrthätigkeit in Rhodos ausgefallen, so dass die ganze Stelle etwa folgendermassen herzustellen wäre: ⟨ὃς ἐπαίδευσεν ἐν Ῥόδῳ⟩ καὶ ἐξηγήσατο Τυραννίωνι τῷ προτέρῳ, ὃς ἐσοφίστευσεν ἐν Ῥώμῃ ἐπὶ Πομπηίῳ τοῦ μεγάλου. Vgl. A. Hillscher Jahrb. f. Philol. Suppl. XVIII 360.
Von seiner schriftstellerischen Thätigkeit wird in dem Artikel ganz allgemein gesagt: συνέταξε δὲ πλεῖστα γραμματικά τε καὶ συνταγματικὰ (? συγγράμματα?) καὶ ὑπομνήματα. Wie alle Mitglieder der aristarchischen Schule beschäftigte er sich hauptsächlich mit Homer. Wie Aristarch scheint er die homerischen Gedichte sowohl in Einzelschriften (συγγράμματα) als in fortlaufenden Commentaren (ὑπομνήματα) erläutert zu haben. Von Einzelschriften [978] werden erwähnt Περὶ προοτήτων von Didymos zu Il. II 111 und Πρὸς Κράτητα von Didymos zu Il. IX 464. In den Scholien zur Odyssee XXII 9 findet sich ein Citat Διονύσιος ὁ Θρᾷξἐν ταῖς Μελέταις (vgl. auch Zenob. Miller. II 96 und Zenob. Paris. V 71); es ist aber nicht ersichtlich, ob die Μελέται sich nur mit Homer befassten oder allgemeineren Inhalt hatten. Die andern Citate dürften zum grössten Teil aus ὑπομνήματα zu den homerischen Gedichten stammen. Für die späteren Grammatiker zählten seine Schriften zu den wichtigsten Quellen der aristarchischen Homerkritik. Die meisten Erwähnungen des D. stammen aus dem Viermänner-Commentar, der Hauptquelle der Homerscholien. Didymos citiert ihn zu Il. I 607 (XV 86). XVIII 207. 576. XXIV 110; Aristonikos zu Il. VIII 221. XII 301. XV 86. 712. XVI 810. XVII 24. 125. 218. XIX 49. XXII 379; Herodian zu Il. II 262. i 269. V 138. XII 20. 158. XXIII 160; Nikanor beruft sich auf ihn zu Il. XV 741 (Eust. 1040, 36) und zu Od. II 96. Einmal wird er auch in dem Homerlexikon des Apollonios Sophistes angeführt (p. 91, 27 zu Il. IV 242). Ausser andern Stellen der Homerscholien, die sich nicht mit Sicherheit auf einen der vier Gewährsmänner zurückführen lassen, beziehen sich noch auf die Homercommentare des D. zwei Citate bei Athen. XI 492 a (zu Il. XI 635) und XI 501 b (zu Il. XXIII 270). Die Fragmente zeigen, dass D. alle Fragen der homerischen Kritik und Exegese behandelte und überall auf Aristarchs Lesarten und Erklärungen Bezug nahm. Er erläutert Aristarchs kritische Zeichen und Lesarten zu Il. I 607. VIII 221. XII 301. XV 86. XVI 810. XVII 24. 125. 218. XIX 49. XXII 379. Doppellesarten des Aristarch erwähnt er zu Il. IX 464. XVIII 207; vgl. über diese Ludwich Aristarchs hom. Textkr. II 93f. Athetesen werden von ihm erwähnt zu Il. XV 712. XXIV 514 (Schol. T). Od. XV 31. XVI 239. Die Lesart ὁμοστιχάει Il. XV 635 erklärte er für βάρβαρον (Schol. B); vermutlich verlangte er ὁμοστιχέει. Zu Il. II 111 misst Didymos ihm die Schuld bei an einem sehr verbreiteten Irrtum der Schule über eine Lesart des Aristarch (vgl. Lehrs Arist.³ 17). Fragen der Prosodie behandelt er zu Il. II 262. 269. V 138. XII 20. 158. XIII 41. 103 (Cram. An. Par. III 285, 16). XXI 122 (ebd. 291, 27). XXIII 160. Worterklärungen werden von ihm erwähnt zu Il. IV 242 ἰόμωροι (Apoll. Soph. 91, 27). V 894 ἐννησίῃσι (Etym. M. 344, 10). XI 424 πρότμησις. XV 633 ἕλικος (Schol. B T). XVI 106 φάλαρα (Schol. B). XVIII 613 ἑανόν (Etym. M. 279, 18). XXII 68 ῥετέων. XXIII 270 ἀμφίθετος (Athen. XI 501 b = Eust. 1299, 57). Seinem Lehrer Aristarch gegenüber bewahrt er seine Selbständigkeit, nicht selten weicht er in Lesarten und Erklärungen von ihm ab, z. B. Il. XV 741. XXIII 160. XXIV 110. Besonders in Accentfragen entfernte er sich oft von Aristarch und liess sich in weiterem Masse als dieser von der Analogie bestimmen, anders zu accentuieren als der Sprachgebrauch es zuliess. So verlangte er im Gegensatz zu Aristarch die Schreibung αἰδῶ ἠώ statt αἰδῶ ἠῶ (Hered. zu Il. II 262), ἄρχειον statt ἀρχεῖον (Il. II 269), ταρφείας statt ταρφειάς (Il. XII 158), und tadelte Aristarch, weil er θώων [979] schrieb und nicht θωὼν, wie es die Analogie verlangt (Cram. An. Par. III 285, 16). In Übereinstimmung mit Aristarch hielt D. Athen für das Vaterland Homers. Interessant ist die von Athen. XI 489 a gebrachte Nachricht, dass D. in Rhodos nach den Versen Homers (Il. XI 632–635) ein Modell des Trinkbechers Nestors anfertigte, wozu die Schüler das Geld beisteuerten, – ein Beispiel von Anschauungsunterricht im Altertum.
Zweifelhaft ist ein Commentar zu Hesiod, der auf Grund eines Citates im Schol. Procl. zu Hesiod. Erga 571 angenommen wird. Der in dem Schol. Dorvill. zu Hesiod. Erga 10 erwähnte Δ. könnte auch der Διονύσιος Κορίνθιος ἐποποιός Nr. 91 sein, der nach Suidas ein ὑπόμνημα εἰς Ἡσίοδον verfasst haben soll (Bernhardy z. St. vermutet, dass Διονύσιος ὁ Λεπτός Nr. 139 der Verfasser dieses ὑπόμνημα war). Eine Schrift des D. Περὶ Ρόδου citiert Steph. Byz. s. Ταρσός. Bei Clem. Alex. Strom. V 8 p. 672 P. findet sich eiD Citat Διονύσιος ὁ Θρᾷξ ἐν τῷ περὶ τῆς ἐμφάσεως τοῦ περὶ τῶν τροχίσκων συμβόλου. Diese Abhandlung über die ἔμφασις wird wohl ein Abschnitt einer grösseren (grammatischen?) Schrift gewesen sein. In welchem Buche D. das Wort πέλανος erklärt hatte (Phot. s. πέλανοι), wissen wir nicht.
Grosse Berühmtheit erlangte D. durch seine Τέχνη γραμματική, die erste Grammatik des Abendlandes, ein kleines Büchlein, das aber von ungeheurem Einfluss wie kaum ein anderes Buch dieser Art gewesen ist. Das von den Philosophen durch ihre Discussionen über das Wesen der Sprache begründete Studium der Grammatik (im eigentlichen Sinne) wurde von den Stoikern und dann von den älteren alexandrinischen Philologen durch ihre eindringenden Beobachtungen des homerischen Sprachgebrauchs und durch Vergleichung desselben mit dem Attischen und der Gewohnheitssprache (συνήθεια) stark gefördert und ausgebildet. Wir erfahren, dass Aristarch bereits acht Redeteile (ὀκτὼ μέρη τοῦ λόγου) unterschied, während Aristoteles und die älteren Stoiker nur drei Redeteile (ὄνομα, ῥῆμα, σύνδεσμος) kannten; vgl. Dion. Hal. de comp. vert. 2. Der erbitterte Kampf zwischen den Vertretern der Analogie und Anomalie in der Sprache führte alsdann dahin, dass die Analogisten, also Aristarch und seine Schüler, gewisse Regeln (die später sog. κανόνες) aufstellten, die die Gleichartigkeit in der Accentuation und Flexion der Wörter veranschaulichen sollten. Bei den älteren Alexandrinern aber und noch bei Aristarch bestand die Grammatik nur aus einer Reihe von Einzelbeobachtungen, die sich bei der Erklärung der Schriftsteller ergaben; ihre systematische Ausbildung durch die Aufstellung der Flexionsschemata und Regeln über Prosodie und Orthographie erhielt sie erst in den nächsten zwei Jahrhunderten durch die technische Grammatik, die sich als besonderer Zweig der allgemeinen γραμματική (d. i. Philologie) entwickelte. Den Reigen der sog. technischen Grammatiker (τεχνικοί) eröffnet Dionysios Thrax, sein Lehrbuch wurde in der Folgezeit die Grundlage der grammatischen Studien über Laut- und Formenlehre. Die Techne des D. ist aber keine systematische Grammatik der griechischen Sprache, sondern gewissermassen nur eine Einleitung (εἰσαγωγή) in die Grammatik; sie [980] giebt im wesentlichen nur Definitionen der grammatischen Kategorien und ihre Classification. Das Buch beginnt mit einer Definition der Grammatik (im weiteren Sinne): Γραμματική ἐστιν ἐμπειρία τῶν παρὰ ποινταῖς τε καὶ συγγραφεῦσιν ὡς ἐπὶ τὸ πολὺ λεγομένων. Es folgt die Aufzählung der Teile der Grammatik, deren D. sechs unterscheidet: ἀνάγνωσις κατὰ προσῳδίαν, ἐξήγησις, γλωσσῶν τε καὶ ἱστοριῶν ἀπόδοσις, ἐτυμολογίας εὕρεσις, ἀναλογίας ἐκλογισμός (Darstellung der Flexionsschemata), κρίσις ποιημάτων. Einzelne Teile werden dann näher erläutert. Der nächste Abschnitt handelt über die Buchstaben (γράμματα oder στοιχεία) und ihre Einteilung in Vocale (φωνήεντα) und Consonaten (σύμφωνα), sowie deren Unterabteilungen. Es folgt die Definition der Silbe und ihre Einteilung (βραχεῖα, μακρά, κοινή = anceps). Daran schliessen sich die Definitionen von λέξις (Wort) und λόγος (Satz) und die Auf-) Zählung der acht Redeteile (μέρη τοῦ λόγου): ὄνομα, ῥῆμα, μετοχή, ἄρθρον, ἀντωνυμία, πρόθεσις, ἐπίρρημα, σύνδεσμος, die dann der Reihe nach erläutert und classificiert werden. Vgl. Steinthal Gesch. d. Sprachwiss. II² 174ff. Wie der Titel des Buches ursprünglich lautete, steht nicht fest. Der in den Hss. und sonst gewöhnlich überlieferte Titel Τέχνη scheint ihm erst später beigelegt zu sein; neben diesem Titel finden sich auch die Überschriften Γραμματική oder Περὶ γραμματικῆς. Sextus Empir. adv. gramm. 57 citiert die erwähnte Definition von γραμματική mit den Worten: Διονύσιος μὲν οὖν ὁ Θρᾷξ ἐν τοῖς Παραγγέλμασί φησι. Danach scheint sein Exemplar des D. den Titel Παραγγέλματα ⟨γραμματικά?⟩ gehabt zu haben (Lehrs Anal. gramm. 436). Unter den alten Erklärern gab es einige, die die Richtigkeit der Überlieferung anfochten und für den Verfasser nicht Dionysios Thrax, den Schüler des Aristarch, erklärten, sondern einen andern D., der als ὁ τοῦ Πηροῦ bezeichnet wurde (Schol. Dion. Thr. p. 672 Bekk. = 124, 11. 160, 25 Hilg.). Auch in neuerer. Zeit sind Zweifel geäussert worden, ob das Buch in der Gestalt, in der es uns jetzt vorliegt, von D. herrührt, und manche haben seine Entstehung in spätere Zeit rücken wollen (z. B. Göttling Theodos. praef. p. V. Lehrs Anal. gramm. 436). Wenn auch der Text an einigen wenigen Stellen geändert zu sein scheint, so sind doch genügende Gründe gegen die Echtheit des ganzen Buches nicht vorhanden (vgl. besonders M. Schmidt Philol. VIII 510–516); vielmehr steht fest, dass das Buch schon im 1. Jhdt. v. Chr. von (Tyrannion), Varro, Asklepiades von Myrlea, Tryphon u. a. benutzt worden ist. Nur einige Zusätze sind später hinzugekommen und in den Hss. mit der Techne zusammen überliefert: 1. eine Abhandlung περὶ προσῳδιῶν, nach den Scholiasten (p. 129 Hilg.) von dem Alexandriner Theodosios, dem Verfasser der Εἰσαγωγικοὶ κανόνες, oder von Gregor von Nazianz; 2. περὶ τέχνης (stoische Definition); 3. ein metrischer Tractat περὶ ποδῶν; 4. Paradigma der Conjugation des Verbums τύπτω. Auch diese Zusätze stammen schon aus alter Zeit, da sie von den alten Scholiasten mit erklärt werden und in die armenische Übersetzung aufgenommen sind. Unter den Hss. der Techne sind die ältesten der lückenhafte Monacensis gr. 310 (saec. X), der aus ihm abgeschriebene [981] und ihn ergänzende Leidensis Voss. gr. 76 (saec. XI) und ein Grottaferratensis (saec. XI–XII). Herausgegeben wurde die Techne zuerst im J. 1715 von Fabricius Bibl. Gr. VII 26-34 aus einer Abschrift vaticanischer Hss., die Lucas Hostenius besorgt hatte, dann im J. 1816 mit Benützung jüngerer Hss. von I. Bekker Anecd. Gr. II 629–643, zuletzt mit umfangreichem kritischen Apparat und sorgfältiger Benutzung aller Commentare und Bearbeitungen und Citate bei andern Grammatikern von G. Uhlig Dionysii Thracis Ars grammatica, Lipsiae 1883 (diese Ausgabe giebt jedoch nur den nach der ältesten hsl. Überlieferung festgestellten Text, eine zweite Ausgabe mit dem emendierten Text soll nachfolgen; vgl. dazu Uhligs Abhandlung Zur Wiederherstellung des ältesten occidentalischen Compendiums der Grammatik in der Heidelberger Festschr. z. Begrüss. d. 36. Philologen-Vers. zu Karlsruhe 1882, 61–85).
Das Beispiel, das D. gegeben hatte, fand bald Nachahmung. Schon in der nächsten Zeit entstanden mehrere verwandte Schriften, in denen die Grammatik oder einzelne Teile der Grammatik in derselben Weise behandelt wurden, so von Chairis, einem Schüler des Aristarch (s. d.), von Tyrannion (περὶ τῶν μερῶν τοῦ λόγου), von Asklepiades von Myrlea (περὶ γραμματικῆς), von Tryphon u. a. Die Verfasser dieser Schriften wandten sich zum Teil gegen D., indem sie einzelne Definitionen, Aufstellungen und Benennungen von ihm bekämpften und ihnen eigene entgegensetzten; vgl. Sext. Emp. adv. gramm. 60ff. H. Usener Ein altes Lehrgebäude der Philologie, S.-Ber. Akad. Münch. 1892, 582ff. Alle diese Schriften sind bis auf wenige Citate verloren gegangen, nur das Buch des D. erhielt sich in hohem Ansehen und bildete in den folgenden Jahrhunderten bis gegen Ende des Mittelalter zusammen mit den Εἰσαγωγικοὶ κανόνες des Theodosios die Grundlage des grammatischen Unterrichts in den Schulen. Im 13. Jhdt. wurde es verdrängt durch die Ἐρωτηματα γραμματικά des Moschopulos u. a., in denen der Inhalt der Techne in Fragen und Antworten nach Art des Katechismus verarbeitet war. Auf diesen beruhen dann die grammatischen Arbeiten der nach Italien ausgewanderten Griechen Emanuel Chrysoloras, Theodoros Gaza, Konstantinos Laskaris, Demetrios Chalkondylas, die Vorläufer der modernen griechischen Schulgrammatiken. So hat die Techne des D. mittelbar ihren Einfluss in den Schulen bis auf den heutigen Tag behauptet. Aber auch die lateinische Grammatik ist von dem Buche stark beeinflusst worden. Schon Varro hat ihm einzelne Definitionen entlehnt; Remmius Palaemon, aus dem die späteren Grammatiker Dositheus, Diomedes, Charisius und Donatus schöpfen, und Priscianus haben ganze Abschnitte der D.schen Techne ins Lateinische übertragen. So ist auch in der lateinischen Schulgrammatik und in den von ihr abhängigen Grammatiken der neueren Sprachen vieles auf D. zurückzuführen; vgl. Uhlig Appendix Artis Dionysii Thracis, Progr. Heidelberg 1881. Selbst nach dem Orient erstreckt sich sein Einfluss; im 5. Jhdt. verfasste ein Armenier mit Zugrundelegung der Techne des D. und mit sclavischer Übertragung aller darin vorkommenden Termini eine Grammatik der armenischen Sprache, und [982] ungefähr um dieselbe Zeit entstand eine syrische Übersetzung und Bearbeitung. Beide sind von Uhlig in seiner Ausgabe benutzt (über die armenische Übersetzung handelt A. Marx daselbst p. LVIII-LXXIII).
Die Scholien zu D. enthalten zwar mancherlei triviale und ungereimte Erklärungen byzantinischer Schwätzer, sie sind aber sowohl für die Geschichte des Textes der Techne als auch für die Geschichte der grammatischen Studien von nicht geringer Wichtigkeit und geben ein Bild von der Art und Weise, wie die Lehrer der Hochschule in Constantinopel den Leitfaden ihres Unterrichts unter Benutzung der älteren technischen Litteratur, insbesondere der Schriften des Apollonios Dyskolos und des Herodian, ihren Schülern erläuterten. Die Scholien sind in mannigfacher Gestalt in zahlreichen Hss. überliefert und zerfallen etwa in drei Gruppen: 1. Ältere Commentare einzelner Verfasser. Hierzu gehören ein Commentar zu § 1–11 und 19–20 der Techne, der in einigen Hss. einem Grammatiker Melampus, in andern einem σχολαστικός Diomedes (s. d. Nr. 13) beigelegt wird, und ein im Baroccianus 116 fol. 10r–21r erhaltener Commentar zu § 12–20, der nach Beischriften in andern Hss. einem Grammatiker Heliodor beigelegt war, in Wahrheit aber aus Vorträgen des Georgios Choiroboskos (s. d.) zu stammen scheint, die auch sonst in den Scholien der andern Gruppen benutzt sind. 2. Sammlungen von Scholien aus Commentaren verschiedener Verfasser, deren Namen gewöhnlich am Anfang eines neuen Abschnitts in den Hss. am Rande oder im Texte notiert sind. Die wichtigste Sammlung ist die des Vaticanus gr. 14 (saec. XIII) und des aus ihm abgeschriebenen Hamburgensis C 13, in welcher hauptsächlich die Commentare des Melampus und eines Grammatikers Stephanos vereinigt sind; ausserdem sind die Erklärungen eines Porphyrios (nicht des Neuplatonikers) und eines Georgios (nicht Choiroboskos) benutzt, und zwar besonders zu § 12–18 der Techne, zu welchen der Commentar des Melampus (oder Diomedes) verloren ist und schon dem Compilator des Vaticanus nicht mehr vorlag. Vorausgeschickt sind drei verschiedene Vorreden über den Ausdruck ὄρος und Begriff und Arten der τέχνη und drei Abhandlungen περὶ προσῳδίας (von Georgios Choiroboskos und Porphyrios und einem Anonymus), also Erläuterungen der alten Zusätze περὶ τέχνης und περὶ προσῳδιῶν. Sehr verwandt ist die Scholiensammlung im Baroccianus 116 fol. 27v–40v, die zu § 1–6 der Techne den Commentar des Diomedes (= Melampus) und einige Excerpte aus den Commentaren des Stephanos und des Porphyrios enthält. Eine sehr umfangreiche Sammlung ist die des Venetus 489 und Neapolitanus II D 4, in welcher nicht nur die Commentare des Melampus (Diomedes) und des Stephanos excerpiert sind, sondern auch der vollständige Commentar des Heliodor (nicht blos zu § 12–20 wie im Baroccianus 116 fol. 10r–21r). Anderer Art ist die in einem Codex des Londoner Brit. Mus. Add. 5118 und im Matritensis 81 erhaltene Sammlung, deren Compilator nicht die Excerpte aus den einzelnen Commentaren aneinanderreiht, sondern sie zu einem fortlaufenden Commentare zu verschmelzen sucht, indem er die Namen der einzelnen [983] Autoren verschweigt und übereinstimmende Excerpte möglichst zusammenzieht. Der Londoner Codex hat die Überschrift: Παρεκβολαὶ σὺν θεῷ διαφόρων γραμματικῶν περὶ γραμματικῆς μεθόδου, ἀρχόμεναι ἀπὸ τοῦ περὶ προσῳδίας. Die Quellen des Compilators waren eine ähnliche Scholiensammlung wie die des Vaticanus 14, der vollständige Heliodorcommentar und einige andere Schriften, die er gelegentlich heranzieht. Alle Sammlungen dieser Gruppe stimmen natürlich in vielen Abschnitten mehr oder minder wörtlich überein, ergänzen sich aber auch gegenseitig, indem bald die eine bald die andere ausführlicher ist, da Kürzungen fast überall vorgenommen sind. 3. Ein dürftiger byzantinischer Commentar, der an Gelehrsamkeit hinter den alten Scholien weit zurückbleibt, der aber wegen seiner Lesarten für den Text der Techne von einiger Bedeutung ist. Er scheint im 8. oder 9. Jhdt. verfasst zu sein, da er bereits in den ältesten Hss. der Techne, im Monacensis und Leidensis enthalten ist. In diesen ist er anonym überliefert (unter dem Titel ἑρμηνεῖαι σὺν θεῷ τῶν ὀκτὼ μερῶν τοῦ λόγου), in jüngeren Hss. wird er dem alexandrinischen Grammatiker Theodosios zugeschrieben, was wohl daher kommt, dass der alte Zusatz der Techne περὶ προσῳδιῶν, mit dessen Erklärung der Commentar beginnt, von manchen dem Theodosios beigelegt wurde. Herausgegeben wurden zuerst grössere Stücke der Scholien aus zwei Venetianer Hss. von Villoison Anecd. gr. II 101—188. Scholien zur ganzen Techne edierte I. Bekker An. gr. II 647—972 teils aus dem Vaticanus 14, teils aus dem Hamburgensis, wozu er An. gr. III 1136—1180 Varianten und Zusätze aus andern Hss. hinzufügte. Einige Auszüge aus dem Londoner Codex Addit. 5118 gab Cramer An. Ox. IV 308—330. Alle oben aufgezählten Commentare und Scholiensammlungen sind jetzt zusammen sorgfältig herausgegeben von A. Hilgard Scholia in Dionysii Thracis Artem grammaticam (= Grammatici graeci pars III), Lipsiae 1901. Litteratur über die Quellen und die Überlieferung der Scholien: L. Preller Ausgew. Aufs. 69-93. M. Schmidt Philol. VIII 243—253. W. Hoerschelmann De Dionysii Thracis interpretibus veteribus, Lipsiae 1874. A. Hilgard De Artis grammaticae ab Dionysio Thrace compositae interpretationibus veteribus, Progr. Heidelberg 1880; Praef. der Ausgabe der Scholien p. VIIIff.
[Cohn.]
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