2) Demos (ionisch-attisch δῆμος, in den übrigen Dialekten δᾶμος) ist seinem etymologischen Ursprung nach dunkel, nur die Zusammenstellung mit altirisch dam = Sippe, Gefolge (G. Meyer Griech. Gramm.³ 87. Prellwitz Etym. Wörterb. d. griech. Sprache s. v. Kretschmer Einleit. in d. Gesch.- der griech. Sprache 167) scheint gesichert [154] zu sein. Daraus dürfte man wohl folgern, dass ursprünglich das Wort eine engere verwandtschaftliche Genossenschaft bezeichnete und demgemäss auch die später zurücktretende Bedeutung ,Gau‘ (die sich in Attika und anderen, meist ionischen Städten erhalten hatte, vgl. Δῆμοι) älter sei, als die umfassenderen Begriffe ,Volk‘ und ,Land‘. Diese letzteren Bedeutungen lassen sich aber schon in den ältesten epischen Liedern nachweisen, und zwar ist ,Land‘ das häufigere, selbst die zweifelhaften Fälle, wo beide Bedeutungen möglich sind, abgerechnet. Daneben erscheint D. auch schon im Sinne ,gemeines‘ oder ,niederes Volk‘, im Gegensatze zu den βασιλῆες und ἀριστῆες, aber nur an Stellen, die jüngeren Ursprungs sind (Il. II 198. XI 328. XII 447 und 213 – letztere besonders bemerkenswürdig: δῆμος = δημότης = ,Mann aus dem Volke‘). In classischer Zeit entwickelten sich die angeführten Bedeutungen (ausser ,Land‘, welches, einige abgeleitete Ausdrücke wie ἀπο-, ἐπι-, ἐνδημεῖν ausgenommen, verschwand) noch vielfältiger durch metaphorischen Gebrauch, und es lassen sich folgende feststellen: 1) = Gemeinde oder ,Gau‘ im politischen Sinne als Unterabteilungen eines Staates, wie gesagt, vorwiegend auf attisch-ionischem Gebiete; 2)= Gesamtgemeinde, Volk, daraus 3) = Volksversammlung; den Übergang bildete wohl die staatsrechtliche Formel ἔδοξεν τῇ βουλῇ καὶ τῷ δήμῳ, wo δῆμος leicht im Sinne von ἐκκλησία verstanden werden konnte, daraus entstanden Ausdrücke, wie λέγειν ἐν τῷ δήμῳ, weiter δημηγορίαι = Reden in der Volksversammlung, Staatsreden; 4) = ,Volksmenge‘, ,gemeines Volk‘ (im Gegensatz zu den höheren Classen), ,Pöbel‘; 5) = besondere Verfassungsform, bei der de iure das Gesamtvolk herrschen sollte auf Grund der ἰσονομία und ἰσηγοία, thatsächlich aber infolge des numerischen Übergewichts die unteren Volksclassen (d. h. der D. in dem unter 4. erläuterten Sinne) regierten; so wurde wenigstens von den meisten Staatsforschern die Demokratie gedeutet; in diesem Sinne ist der häufig vorkommende Ausdruck κατάλυσις τοῦ δήμου zu verstehen; 6) wurde D. fast synonym mit Staat gebraucht, besonders bei den öffentlichen Belobigungen und Bekränzungen.
Bei der hervorragenden Rolle, welche der souveräne D., der δῆμος τύραννος, in so vielen Staaten spielte, und bei dem Hange der Hellenen zur Personification abstracter Begriffe ist es kein Wunder, dass dieses Schicksal auch dem D. zu teil wurde, ja sogar derselbe einer Apotheose gewürdigt wurde. Letzteres zwar ist nur für Athen, die Blütestätte der Demokratie, bezeugt, wurde aber hier als fester religiöser Brauch während mehrerer Jahrhunderte festgehalten. Hier war dem D. ein besonderer Bezirk in Gemeinsamkeit mit den Chariten geweiht – τέμενος τοῦ δήμου καὶ τῶν Χαρίτων, dessen Lage durch neuere Ausgrabungen gesichert ist, nämlich in geringer Entfernung nördlich von dem sog. Theseionhügel (vgl. Plan Bull. hell. XV 368). Wann dieser Cult entstanden sei (Haussoullier nimmt ihn schon für das 5. Jhdt. an, O. Jahn Entführung der Europa 38 entscheidet sich für eine verhältnismässig späte Zeit, Schebeleff neigt zu der Ansicht, der Cult sei zugleich mit der Wiederherstellung der Demokratie unter dem Archontat [155] des Eukleides eingesetzt), lässt sich vorläufig nicht bestimmen, denn der Altar, welchen die Chersonesiten um 340 der Charis und dem D. von Athen errichteten (Dem. XVIII 256), beweist für den attischen Cult nichts, da hier der Begriff Charis anders zu fassen ist (etwa = ,Huld‚‘), als in der Verbindung ,D. und Chariten‘, ja dieser scheinbare Anklang darf eher gegen die Existenz des athenischen Heiligtums geltend gemacht werden (anders Schebeleff, der consequenterweise im Texte des Decrets statt χάριτος – χαρίτων corrigiert). Als ältestes Zeugnis würde das stark verstümmelte Inschriftfragment CIA II 1655 in Betracht kommen, welches U. Koehler nach dem Schriftcharakter der 2. Hälfte des 4. Jhdts. zuzuschreiben sich bewogen fühlte, wenn nur der Inhalt klarer wäre – jedenfalls könnte nur die Zeit der durch Demetrios Poliorketes wiederhergestellten Demokratie als passend für diese Selbstvergötterung des ,süssen Pöbels‘ von Athen erscheinen. Die in dem obengenannten Bezirk aufgefundenen Basen von Weihgeschenken, deren älteste – diejenige der drei Paianier (CIA IV 2, 1305 b) – die Künstlerinschrift des Bryaxis trägt, können selbstverständlich nur für die Existenz eines Heiligtums, etwa der Chariten, nicht für den Cult des D. beweiskräftig sein. Diese Chariten sollen verschieden gewesen sein von den altattischen Göttinnen desselben Namens auf der Akropolis von Athen (wie schon Vischer Entdeckungen im Theater des Dionysos 38 annahm, sich auf Aristot. Eth. Nic. V 8 p. 1133 a 2 berufend, ebenso Lolling und Haussoullier a. a. O.) – es sind die personifizierten χάριτες, welche der D. von Athen seinen Wohlthätern pflichtschuldigst darbringt, wie es in seinen Dankesdecreten heisst. Letzteres ist wohl richtig, schliesst aber nicht die Beziehung zu den altverehrten Chariten aus, wie sowohl die enge Verbindung des Priesters gerade dieses Heiligtums mit den Epheben, in deren Eide die sog. attischen Chariten (vgl. Preller-Robert Griech. Mythol. I 482) einen Ehrenplatz einnahmen, genügend beweist, als auch die unzweifelhaft diesem Bezirke zugehörige Weihung an Aphrodite Hegemone des D. und die Chariten (CIA IV 2, 1161 b) – Hegemone nennt Pausanias (IX 35, 2) fälschlich eine der attischen Chariten. Diese Weihung kann wohl auch als für die ursprüngliche Fassung des Namens dieses Heiligtums beweisend aufgefasst werden; erst allmählich wurde die ,Führerin des D.‘ von letzterem in den Hintergrund gerückt, und dadurch wurde die eigentlich unorganische Verbindung des D. und der Chariten hervorgerufen, welche wohl schon im Altertum dieselbe symbolische Deutung erhielt, wie sie von modernen Forschern angenommen worden ist, da sehr bezeichnend alle bis jetzt als in diesem Heiligtum aufgestellt nachweisbaren Decrete Dankesbeschlüsse für verschiedene Wohlthäter sind. Die betreffenden 7 Ehrendecrete: CIA IV 2, 385 c. 432 b–d. II 605. Joseph. ant. XIV 149ff. (vgl. Lolling Δελτ. ἀρχ. 1891, 40ff. Homolle Bull. hell. XV 344). Alle diese Beschlüsse stammen aus den letzten Jahrzehnten des 3. und den ersten des 2. Jhdts. (ausser dem bei Josephus überlieferten, welcher dem Ende des letzteren angehört), d. h. aus einer Zeit, als die Athener sich am meisten auf die Gunstbeweise [156] von Fremden angewiesen sahen und ihnen nichts ausser ihren Dankesgefühlen zu bieten hatten. Danach wird es wohl nicht zu kühn sein, wenn man die Stiftung wohl nicht des Heiligtumes, aber doch des D.-Cultes in die Periode setzt, wo die Athener unter der Staatsleitung der Kephisier Eurykleides und Mikion in tiefster Unterwürfigkeit vor allen Machthabern, besonders den Ptolemaeern, sich erschöpften (Polyb. V 106). Dazu stimmt aufs beste, dass als Priester des Heiligtums (und zwar in der Weihung an Aphrodite Hegemone des D., also ehe noch der Cult des D. selbst vollständig durchgedrungen war, CIA IV 2, 1161 b) Mikion des Eurykleides Sohn erscheint (auch Schebeleff nimmt eine ,Erneuerung‘ des Cultes des D. durch diese Staatsmänner an, indem er im Ehrendecret für Eurykleides, CIA II 379 Z. 25f. ergänzt: ηὔξησεν δὲ καὶ τὸν Δ[ῆμον καὶ τὰς Χάριτας αὐτῶν τε]μένη καὶ στοὰν ἀνα[νεωσόμενος], was wenigstens in dieser Form wohl kaum annehmbar erscheint). Der Cult des D. erhielt sich auch in den folgenden Jahrhunderten bis in die Kaiserzeit, wie durch die Fortexistenz eines Priesters, ἱερεὺς τοῦ δ. καὶ τῶν Χαρίτων, bewiesen wird (CIA III 661), welche Stellung der spätere Archon T. Coponius Maximus bekleidete, was dieselbe als nicht ganz unbedeutend kennzeichnet; ja an diesen Cult wurde sogar noch derjenige der Göttin Roma angeknüpft, wie die Inschrift eines Theatersessels des betreffenden Priesters bezeugt (CIA III 265) – wenn Curtius (Stadtgesch. von Athen 248) diese Verbindung bis ins 2. Jhdt. und zwar in dessen erste Hälfte zurückdatiert, so lässt sich eine so frühe Zeit nicht nachweisen, nur das kann man wohl behaupten, dass diese Einführung der Göttin Roma in das Heiligtum des D. älter gewesen sein muss, als die Stiftung eines besonderen Tempels für dieselbe im Verein mit Augustus auf der Akropolis bald nach 27 v. Chr. Dieser Priester des D. und der Chariten wird in den Ephebeninschriften des ausgehenden 2. und des Beginns des 1. Jhdts. beständig genannt (stets ohne Erwähnung der Göttin Roma) und scheint eine nicht unbedeutende Rolle gespielt zu haben, da die Antrittsopfer der Epheben jedes Jahres auf dem gemeinsamen Herde des Volkes im Prytaneion unter stätiger Mitwirkung desselben stattfanden (CIA II 466–471). Ein bildliches Denkmal dieses Cultes hat sich auf einer Bleimarke aus Athen erhalten, mit dem lorbeerbekränzten Kopf eines bärtigen Mannes auf der einen und drei sich an den Händen haltenden nackten weiblichen Gestalten auf der anderen Seite mit der Beischrift δημ(όσιον); vgl. Postolacca Mon. d. Inst. VIII 32 nr. 85. Benndorf Beitr. z. Kenntn. d. attisch. Theaters, Ztschr. f. öster. Gymn. XXVI 601 nr. 47. Duruy Hist. d. Grecs II 113. Haussoullier Fig. 2308. Zweifelhaft dagegen ist die Ergänzung δή[μῳ καὶ Χάρισιν] auf einem von Furtwängler (Athen. Mitt. III 192) erwähnten Relieffragment.
Von einem Culte des D. ausserhalb Athens besitzt man keine Zeugnisse, um so reichere litterarische und monumentale Beweise für eine allegorische Personification desselben. Als ältestes Beispiel derselben kann ohne Zweifel der ,D. von der Pnyx‘ in Aristophanes Rittern gelten. Um weniges jünger ist die erste bildliche Darstellung derselben [157] Figur, von der sich eine Beschreibung erhalten hat (Plin. n. h. XXXV 69), durch Parrhasios: über die sehr verschiedenen Charakterzüge, die man in diesem Bildnisse zu entdecken meinte (was selbst zu der Meinung geführt hat, die Figur des D. sei von verschiedenen Personificationen abstracter Begriffe umgeben gewesen oder das Bild hätte einen wirklichen, aus mehreren Einzelfiguren bestehenden Volkshaufen dargestellt; Overbeck Gesch. d. griech. Plastik II⁴ 119), vgl. Westermann in dies. Realenc. V 1182f. und Brunn Gesch. d. griech. Künstler II 109ff. Sowohl Aristolaos, Sohn und Schuler des Pausias (Plin. n. h. XXXV 137), wie der berühmtere Euphranor malten den D. von Athen, letzterer auf der Wand der Stoa des Zeus Eleutherios im Verein mit Theseus und der Demokratie ,zum Zeichen, dass Theseus die bürgerliche Gleichheit in Athen eingeführt habe‘ (Paus. I 3, 3f.) – Näheres ist über diese Darstellungen nicht überliefert (Brunn a. a. O. II 154. 183). Derselben Zeit ungefähr gehört die statuarische Gruppe des Zeus und D. im Peiraieus von der Hand des Leochares an (Paus. I 1, 3), und wohl auch die Statue des D. im Buleuterion von Lyson (Paus. I 3, 4), einem Künstler, der sonst unbekannt ist (Brunn a. a. O. I 387, 558), was aber kein Recht giebt, statt seines Namens denjenigen des Lysippos einzusetzen (Wachsmuth Stadt Athen II 1, 321. Blümner Pausanias z. d. St.). Eine etwas genauere Notiz besitzt man nur über die Gruppe des von Byzanz und Perinthos bekränzten athenischen D. von 16 Ellen Höhe, welche im J. 339 am Bosporos aufgestellt wurde, wenn man dem gefälschten Psephisma der Byzantier (Dem. XVIII 90ff.) dem Inhalte nach trauen darf; es befindet sich im Besitze von Dethier eine mutmasslich dieser Gruppe zuzuweisende weihliche Colossalfigur, die bei Perinthos entdeckt worden ist (Dumont Monum. d. ét. gr. 1873, 31. P. Gardner Journ. Hell. Stud. IX 61). Eine ähnliche Gruppe – der D. von Rhodos von dem D. von Syrakusai bekränzt – wurde nach dem Erdbeben von 224 in Rhodos aufgestellt (Polyb. V 88). Endlich ist noch eine Colossalstatue des lakedaimonischen D. an der Agora von Sparta zu erwähnen (Paus. III 11, 10), die natürlich erst nach der demokratischen Reform des Königs Kleomenes III. errichtet werden konnte. Wenn über diese ziemlich vereinzelten Werke der grossen Kunst sich nur spärliche und meist nichtssagende Notizen erhalten haben, so besitzt man eine Reihe Erzeugnisse des Kunsthandwerks, welche einen Begriff von der üblichen Darstellungsweise des D. geben, nämlich attische Reliefs und eine Reihe von Münzen verschiedener Städte. Die betreffenden Reliefs waren alle bestimmt, zur Bekrönung von Stelen zu dienen, welche öffentliche Urkunden enthielten (Schöne Griech. Rel. aus d. athen. Samml. 1872. 15ff. v. Duhn Urkundenreliefs, Arch. Zeit, XXXV 169. Dumont Basreliefs athéniens, Bull. hell. II 561f.; vgl. Foucart ebd. 39f.), und neben der Schutzgöttin Athena erscheint die Gestalt eines reifen Mannes mit Vollbart, in ein Himation gehüllt, welches den Oberkörper frei lässt, bald auf einem Felsstück (Schöne Griech. Rel. nr. 71) oder einfachem Stuhl mit oder ohne Lehne (ebd. nr. 72) sitzend, bald stehend und [158] auf einen unter der Achsel eingestemmten Stab gelehnt, in einer Haltung, welche an einige der ,Festordner‘ des Parthenonfrieses lebhaft erinnert (ebd. nr. 62, vielleicht 63). Dass überall diese Figur eine und dieselbe Personification darstelle, nämlich den D. von Athen, lässt sich nicht streng nachweisen, da nur auf einem Relief sich die fragmentierte Inschrift ημος erhalten hat (Le Bas Voyage arch. 37, 1), welche Le Bas, Stephani (Bull. d. Inst. 1845, 13) und Foucart (Bull. hell. II 40) mit grosser Wahrscheinlichkeit zu δῆμος ergänzen, während nach Vorgang von Meineke Ross und E. Curtius (Arch. Zeit. III 129) ἀκάδημος vorziehen (jetzt ist nur ΙΜΟΣ erhalten Sybel Katal. nr. 333), und da diese Reliefs meist nur eine ziemlich indifferente Situation (Anrede, Gespräch, Händedruck) von zwei oder drei, selten mehr Figuren zur Darstellung bringen, die zum Inhalte der zugehörigen Urkunde in irgendwie nähere Beziehung zu setzen nur in den allerseltensten Fällen gelingt, desto mehr, da sehr häufig das Relief sich von der bezüglichen Stele abgelöst hat. Da nun eine Reihe solcher Reliefs sich auf Schatzmeisterurkunden erhalten hat (CIA I 188. II 653. 670), so ist U. Köhler geneigt, in diesen Fällen nicht den D., sondern einen Schatzmeister, als Vertreter des ganzen Collegiums, zu erkennen, was wohl nicht zutreffend ist, denn ein gewöhnlicher Mensch dürfte kaum in so lässiger Haltung, ein Magistrat in so laxer Gewandung vor dem Antlitz der Schutzgöttin erscheinen und mit ihr so frei durch Händedruck verkehren (CIA I 188 vom J. 410/9: Duruy Hist. d. Gr. I 472 = Haussoullier Fig. 2305. CIA II 653 vom J. 348/7: Bull. hell. II Taf. 10 = Haussoullier Fig. 2307. CIA II 670 vom J. 376/5: Schöne a. a. O. Fig. 71), und falls dieselbe Gestalt auf nebeneinanderstehenden Stelen verschiedene Persönlichkeiten bezeichnen sollte, könnten diesbezügliche Inschriften nicht fehlen – jedenfalls das Publicum musste in dieser stereotypen mit Athena zusammengestellten Figur stets dieselbe Persönlichkeit erkennen, und zwar wie in anderen zweifellosen Fällen den D. von Athen. Auf diesen dürften wohl sicher bezogen werden folgende Reliefs: von dem Vertrage Athens mit Korkyra im J. 375/74 (CIA II 49 b), wo die zwei links von Athena befindlichen Gestalten nur als der D. von Athen (sitzend) und eine Personification von Korkyra (vor ihm stehend) gedeutet werden können (Bull. hell. II Taf. 12 = Haussoullier Fig. 2306), von einer (nicht erhaltenen) Belobigungsurkunde, wo in Gegenwart der Athena ein Mann von kleinerer Gestalt von zwei grösseren Figuren, einer weiblichen und einer männlichen – Bule und D. bekränzt wird (Le Bas Voyage arch. Mon. fig. Tabl. 41. 1 = Schöne Fig. 75), wohl auch von dem fragmentierten Ehrendecret (CIA II 199), wo der Athena Parthenos ein auf den Stab gelehnter Mann von gleicher Höhe gegenübersteht (Le Bas Taf. 39 = Schöne Fig. 62), vielleicht auch von dem Verzeichnis (CIA II 172), wo zwischen der personificierten Εὐταξία und einem kleiner gebildeten Sterblichen eine ähnliche männliche Figur steht (Le Bas Taf. 37, 2 = Schöne Fig. 63), endlich noch von einem Reliefbruchstück die lässig sitzende halbbekleidete Gestalt (Schöne Fig. 76). Neben dem D. von Athen erscheint zuweilen als Geehrter in geringerer Figur [159] die Personifikation eines fremden D. (wenn nicht etwa an eine stadtschützende Gottheit zu denken ist, wie bei der heraähnlichen Gestalt des Vertrages von Korkyra, der Parthenos von einem Decrete zu Ehren eines Bürgers von Neapolis in Thrakien, Schöne Fig. 48, dem Herakles eines Ehrenbeschlusses für einen Herakleoten, ebd. Fig. 52); so scheint der D. von Methone und derjenige von Kios ziemlich gesichert zu sein (Le Bas Taf. 34. 35, 2 = Schöne Fig. 50. 53), obgleich dagegen Zweifel erhoben worden sind (in der Rec. in Rev. crit. 1872 erklärt de la Berge die Gestalt des vermeintlichen D. von Methone für eine weibliche, für Artemis). Ausserhalb Athens sind keine Reliefs dieser Art gefunden worden, auf denen mit Sicherheit die Gestalt des D. zu erkennen wäre. So ist auch auf einer Spiegeldarstellung, in der eine ähnliche Gestalt (Κόρινθος) von einer weiblichen (Leukas) bekränzt wird (Dumont Mon. d. ét. gr. 1873 = P. Gardner Journ. Hell. Stud. IX 62), die sitzende männliche zeusähnliche Gestalt nicht als D. von Korinth, sondern als Heros Eponymos zu deuten. Häufig dagegen erscheint der D. auf Münzen, zwar nicht auf denjenigen Athens (hier nur Bleimarken mit dem bekränzten Kopf des D.), auch nicht auf denjenigen des eigentlichen Hellas. Die grösste Anzahl derselben gehört Kleinasien und zwar der römischen Kaiserzeit an. Eine Ausnahme scheint nur eine Münzclasse von Rhegion aus den J. 466–416 zu bilden, auf der ein älterer, meist bärtiger (auf jüngeren auch bartloser) Mann, auf einem Stuhl sitzend und auf einen Stab gestützt, zuweilen bekränzt, inmitten eines Lorbeerkranzes erscheint mit den Nebenfiguren eines Hundes, einer Ente oder einer Krähe unter dem Stuhle und der Umschrift RΕCINOΣ, zu der man gewöhnlich D. ergänzt; aber dies ist wenig wahrscheinlich, da dieselbe Inschrift auf einer anderen Classe mit unzweifelhaftem Apollonkopf vorkommt, eine so frühe Personifikation des D. sonst nicht bezeugt ist und die Nebenfiguren eher auf eine agrarische Gottheit hinzuweisen scheinen – auf Agreus oder Aristeas ratet Barclay Head hin (HN 93f.), was wahrscheinlicher ist, als die Benennung Zeus (Friedländer Münzcabinet nr. 885–887). Ebenso falsch ist die Ansicht, welche die Gestalt des D. auf einer dem 5. Jhdt. angehörenden Münzenclasse von Tarent in der halbnackten Figur eines Jünglings erkennen will, der auf einem Felsblock sitzend sich auf einen Stab stützt und einen Spinnrocken oder einen Kantharos hält (P. Gardner Types of gr. coins I 19–21) oder einem anspringenden Panther einen Vogel darbietet (ebd. V 3); vgl. R. Rochette Essai sur la numism. tarent. in den Mém. de l’Acad. d. Inscr. 1845. Man kann in diesem Falle entweder an Taras, den mythischen Gründer der Stadt, denken, dessen Namen bisweilen der Figur beigeschrieben ist, oder an eine Gestalt des dionysischen Kreises, zu welcher Kantharos und Panther aufs beste passen würden (Head HN 45f. mit Abb. 27). Diese höchst zweifelhaften Fälle ausgenommen, kommt eine Figur mit der Beischrift Δῆμος nur auf vereinzelten Bronzemünzen der Insel Melos aus der Kaiserzeit (hier nur der Kopf: Head a. a. O. 415) und weiter in einer Reihe von Städten des kleinasiatischen Festlandes, [160] meist sicher derselben Zeit angehörig, vor. Auf letzteren erscheint die betreffende Figur bald in voller Gestalt, bald als Büste von einem Mantel umschlungen, am häufigsten aber ist auch hier der Kopf des D. allein, wobei derselbe teils bärtig, teils bartlos dargestellt wird, bald mit kurzgeschnittenem, bald in lang herabwallende Locken geteiltem Haare, häufig mit Lorbeerkranz, bisweilen mit Binde oder Diadem – ein fester Typus hat sich nicht ausgebildet, und es fehlen auch irgend welche bestimmende Attribute, so dass sich besagte Köpfe in nichts etwa von den hellenistischen Porträtköpfen unterscheiden, und nur die hinzugefügte Beischrift, entweder δῆμος (bisweilen ἱερός zubenannt) allein oder mit Hinzufügung des Gen. Plur., die Absicht des Stempelschneiders verdeutlicht. Das Verzeichnis der Städte, für welche diese Prägung bezeugt ist, wird im folgenden, in einer teilweise von Haussoullier abweichenden Fassung mitgeteilt, da nur diejenigen Orte aufgenommen sind, für welche mit gewisser Sicherheit festgestellt werden kann, dass die besagte Beischrift zum Münztypus gehöre, da es auch in Athen eine Münzreihe giebt, deren Inschrift Αθε ο δεμος in keiner Beziehung zum Typus derselben steht (Head a. a. O. 318, der sie in die Zeit zwischen 220–196 setzt, wohin sie wohl kaum gehören kann). In Mysien: Attaea (jugendl. Kopf mit Diadem, Head 449. Cat. Br. Mus. Mys. 15), Germe (jugendl. Kopf, lorbeerbekränzt, Cat. Br. Mus. Mys. 64 = Pl. XVI 2). In Karien: Antiocheia a/M. (jugendl. Kopf oder Büste, Cat. Br. Mus. Car. 16, Taf. III 7, 8), Alabanda? (Büste eines bärtigen Mannes, Cat. Br. Mus. Car. 4, Taf. II 1), Aphrodisias (lorbeerbekränzter Kopf oder Büste, jugendlich oder bärtig, ebd. 29f., Taf. V 12), Apollonia Salbace (jugendl. Kopf, ebd. 56), Harpasa (jugendl. Kopf, ebd. 113, Taf. XIX 6), Heraklea Salbace (lorbeerbekränzter jugendl. Kopf, ebd. 117), Sebastopolis (jugendl. Kopf, ebd. 146, Taf. XXIII 10), Stratonikeia (lorbeerbekr. jugendl. Kopf, ebd. 153), Tabai (lorbeerbekr. jugendl. Büste, ebd. 165f., Taf. XXV 15), Trapezopolis (lorbeerbekr. jugendl. Büste, ebd. 177, Taf. XXVII 3); auch auf der Insel Kos (lorbeerbekr. bärtige Büste, ebd. 215, Taf. XXXIII 4). In Ionien: Erythrai (bärtiger Kopf, Cat. Br. Mus. Ionia 142). In Lydien: Aninetos (Kopf), Apollonis, Bagis, Briula, Daldis, Dioshieron, Hierokaisareia, Maionia, Magnesia a/S., Mostenoi, Philadelpheia, Saettai, Tralleis. In Phrygien: Akmonia, Aizanoi, Alia, Attuda (jugendl. oder bärtige Büste mit Lorbeerkranz oder Binde, Cat. Br. Mus. Caria 63f., Taf. X 11–14), Blaundos, Dionysopolis (Kopf), Dokimion, Eukarpia (Kopf), Eumeneia (Kopf), Grimenothyrai, Hierapolis (Kopf), Hyrgaleia (Kopf), Kadoi, Keretapa, Kibyra (Kopf), Kolossai, Kotiaion, Laodikeia a/L. (Kopf), Lysias (Kopf), Philomelion (Kopf), Prymnessos (Kopf), Sala (Büste), Siblia (Kopf), Stektorion, Synaus (Kopf), Synnada, Temenothyrai oder Flaviopolis, Tiberiopolis, Tripolis. In Pisidien: Sagalassos (jugendliche Gestalt in Himation der weiblichen Figur der Bule die Hand reichend, Cat. Br. Mus. Lycia 250f., Taf. XXXVIII 13). Ausserdem ist noch zu bemerken, dass auf Foederativmünzen bisweilen die Gestalten beider D. dargestellt worden sind; so auf denjenigen von Pergamon-Sardeis [161] (wo der erstere D. den zweiten bekränzt, beide bärtige Männergestalten vollbekleidet, Cat. Br. Mus. Mysia 166, Taf. XXXIII 6), so auf den Münzen von Aizanoi-Kadoi (Head a. a. O. 556), so die zwei vereinigten zeusähnlichen Köpfe auf den Münzen der ἀδελφοὶ δῆμοι Antiocheia, Seleukeia, Apameia, Laodikeia in Syrien (Head a. a. O. 656). Endlich giebt es Münzen aus Alexandreia mit Darstellung des Δ. Ρωμαίων (ebd. 721). Als letzte Denkmälerclasse, auf der eine Abbildung des D. erscheint (nur bärtiger bekränzter Kopf), sind die Bleimarken aus Athen zu nennen; von einer derselben, auf welcher der D. in Verbindung mit den Chariten erscheint, war schon oben die Rede; auf allen übrigen ist die Deutung des Kopfes als D. bei weitem nicht so gesichert, da die meist beigefügte Inschrift ΔΗΜ als δημ(όσιον) zu deuten ist. Vgl. Benndorf a. a. O. 579. Engel Choix des tessères grecques, Bull. hell. VIII 1f. Haussoullier Fig. 2309.
Litteratur: Haussoullier Demos in Daremberg-Saglio Dict. d. ant. gr. et rom. II 76ff. (erschöpfend). Schebelev Demos und Chariten (Sep.-Abdr. aus dem russ. Journ. d. Min. d. Volksaufklärung).
[v. Schoeffer.]
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