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91) Demetrios, Kyniker, der unter den Kaisern Gaius, Nero, Vespasian in Rom lehrte. Er gehörte zu dem radical antimonarchischen Flügel seiner Secte. Ein Geldgeschenk von 200 000 Sesterzen, das ihm Caligula anbieten liess, wohl um den einseitigen Lehrer von seiner oppositionellen Gesinnung abzubringen, schlug er aus. ‚Um mich in Versuchung zu führen‘, äusserte er später Seneca gegenüber, ‚hätte er mir wenigstens sein ganzes Reich bieten müssen‘, Sen. de benef. VII 11. In Senecas Büchern de beneficiis (VII 1, 3. 8, 2), der Schrift ad Gallionem de vita beata (18, 3), den Briefen an Lucilius, die alle der neronischen Zeit angehören, wird die Lehrthätigkeit des D. als noch fortdauernd geschildert; am klarsten setzt epist. 20, 9 (ego certe aliter audio, quae dicit Demetrius noster, cum illum vidi nudum u. s. w.) seine Anwesenheit in Rom voraus. Seneca, der ihn oft gesehen und reden gehört hat, rühmt seine von rhetorischer Künstelei freie, kraftvolle Redeweise und seine Charakterstärke in der Durchführung des bedürfnislosen Lebens (de benef. VII 8, 2). Nicht einmal zu betteln hielt er für erlaubt (de vita beata 18, 3). Nach Luc. adv. indoctum 19. Philostr. Apollon. IV 25 hat D. unter Nero zeitweise auch in Korinth gelehrt. Philostr. a. a. O. V 19 lässt Apollonios in Athen mit ihm zusammentreffen: μετὰ γὰρ τὸ Νέρωνος βαλανεῖον καὶ ἃ ἐπ’ αὐτῷ εἶπε διῃτᾶτο Ἀθήνησιν ὁ Δημήτριος οὕτω γενναίως, ὡς μηδὲ τὸν χρόνον, ὃν Νέρων περὶ τοὺς ἀγῶνας ὕβριζεν, ἐξελθεῖν τῆς Ἑλλάδος. Auch soll er mit Musonius zusammengetroffen sein, als dieser bei der Durchstechung des Isthmos als Erdarbeiter beschäftigt war. Da er nach Tac. ann. XVI 34 im J. 66 bei dem Tode des Thrasea Paetus als Freund zugegen war und da ihm anderseits Philostratos zum Lobe rechnet, dass er, während Nero im J. 67 in Griechenland weilte, Athen nicht verliess, so ergiebt sich, dass er noch im J. 66, zweifellos wegen seiner Verbindung mit Thrasea Paetus, aus Rom verwiesen wurde und die letzten Jahre der Regierung Neros in Korinth und Athen zubrachte. Die allgemeine Unglaubwürdigkeit des philostratischen Romans darf uns nicht verleiten, diese durch die Anekdote bei Lukian bestätigte Thatsache zu verwerfen. Unter Vespasian finden wir ihn wieder in Rom. In dem Process gegen P. Egnatius Celer im J. 70 stand er auffallenderweise dem Musonius als Verteidiger des Egnatius gegenüber, Tac. hist. IV 40. Das muss uns Senecas Lobsprüche über den Charakter des Mannes verdächtig machen. Seine antimonarchische Gesinnung gab er auch unter der neuen Dynastie nicht auf. Auch jetzt gehörte er zu den schlimmsten Schreiern der ‚tyrannenfeindlichen‘ Philosophenpartei. Die frechen Angriffe, die er und seinesgleichen gegen den Kaiser richteten, führten zu der bekannten (auf Rat des Mucianus von Vespasian verfügten) Philosophenvertreibung des J. 71. Den D. traf relegatio in insulam. Als er, von dieser Strafe betroffen, immer noch nicht von seinen Schmähungen abliess, liess ihm Vespasian angeblich sagen: σὺ μὲν πάντα [2844] ποιεῖς ἵνα σε ἀποκτείνω, ἐγὼ δὲ κύνα ὑλακτοῦντα οὐ φονεύω, Cass. Dio LXVI 13. Suet. Vesp. 13. Nicht glaublich ist es, dass Apollonios von Tyana, wie Philostr. VI 31 erzählt, später den D. dem Titus empfohlen habe. Überhaupt scheint die ganze Verbindung zwischen Apollonios und D., die Philostratos auch in domitianischer Zeit noch fortbestehen lässt (VII 42. VIII 20ff.), auf Erfindung zu beruhen. Wenn D. damals überhaupt noch lebte, stand er in den siebzigen und war gewiss kein Anhänger des eine ganz andere philosophische Richtung vertretenden Apollonios. Geschrieben hat D., soviel wir wissen, nichts. Seneca bezieht sich stets nur auf seine mündlichen Vorträge und Apophthegmen, die den vulgären Kynismus ohne individuelle Besonderheit ausprägen. Nach Philostr. Apollon. IV 25 gehörte auch Favorinus zu seinen Verehrern und erwähnte ihn lobend in vielen seiner Reden. Aussprüche des D.: Sen. de prov. 3, 3. 5, 5; epist. 67, 14. 91, 19; de benef. VII 1, 3f. 8, 2. Lucian. adv. ind. 19. Epictet. Diss. I 25, 22. Vgl. Zeller Ph. d. Gr. IV³ 766.
[v. Arnim.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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