.
Danaïdes (Δαναΐδες), die fünfzig Töchter des Danaos (s. d.), heissen auch Δανααί, Strab. VIII 371 und (nach ihrem Grossvater Belos) Belides, Ovid. a. a. I 74 (trist. III 1, 62); met. IV 463. X 44. [Sen.] Herc. Oet. 964. Ihr Namensverzeichnis bei Apollod. II 16–20 W. und Hyg. fab. 170 (p. 32, 18–34, 2 Sch.); dazu W. Schwarz Jahrb. f. Philol. CXLVII (1895) 93ff. Die D.-Sage bildete den Inhalt des nachhomerischen Epos Δαναΐς (s. d. Nr. 5) in 6500 Versen (vgl. Danaos Nr. 1); den Stoff verwertete Archilochos (frg. 150 Bgk.), desgleichen Melanippides (frg. 1 Bgk.); Phrynichos hat, wie nach ihm Aischylos, Αἰγύπτιοι und Δ. auf die Bühne gebracht (FTG frg. 1. 4), ebenso zweimal Δαναΐδες der Tragiker Timesitheos (Suid. s. Τιμησίθεος), Theodektes aus Phaselis einen Λυγκεύς (FTG p. 623); Δ. waren Komoedien des Aristophanes (frg. 245–265 K.) und des Diphilos (frg. 25 K.). Von Aischylos sind erhalten die Ἱκέτιδες, so benannt nach dem Chor der Danaostöchter, die vor ihren Vettern, den Aigyptiaden, in Argos Schutz finden; vermutlich waren die Ἱκέτιδες (Vorbereitung und Motiv) zur Trilogie verknüpft mit den Θαλαμοποιοί (FTG p. 19f.) oder Αἰγύπτιοι (frg. 4), die wohl die Bluthochzeit der Aigyptiaden zum Gegenstand hatten (tragische That), und den Δ. (frg. 42–45), worin die Göttin der Liebe die Verteidigung der Hypermestra übernahm (Urteil und Sühne); dazu mochte als Satyrspiel Ἀμυμώνη (frg. 13–15) gehören; über die Behandlung der Sage durch Aischylos giebt einigen Aufschluss Aisch. Prom. 853ff. Über die Ἀμυμώνη des Komikers Nikochares Kock I 770.
Nach Apollod. II 15ff. W. folgten die Söhne des Aigyptos dem Danaos nach Argos und verlangten seine Töchter zu heiraten; Danaos loste die Ehen aus, gab aber seinen Töchtern Dolche; diese ermordeten die schlafenden Gatten mit Ausnahme der Hypermestra, ,die nach eignem Ratschluss in der Scheide behielt das Schwert‘ (Pind. [2088] Nem. X 6f.). Hypermestra verschonte den Lynkeus, weil er ihr Magdtum nicht angetastet (vgl. auch Schol. Il. IV 171 und Pind. Nem. X 10, wogegen bei Aischylos Liebe das Motiv der Hypermestra ist, vgl. Aisch. frg. 43: Prom. 865ff.; auch Hor. c. III 11, 33ff. und Schol. Eur. Hek. 886); dafür liess sie Danaos einsperren und bewachen (aus dem Gefängnis die ovidische Epistel der Hypermestra an Lynkeus, Heroid. XIV [in verschiedenen Zügen in Übereinstimmung mit Hor. c. III 11, 33ff.]). Die übrigen Töchter warfen die Köpfe ihrer Gatten in den Lernasee, die Leichen bestatteten sie vor der Stadt; und es entsühnten sie Athena und Hermes auf Zeus Befehl. Danaos vermählte später die Hypermestra dem Lynkeus, die übrigen Töchter gab er den Siegern in einem gymnischen Wettkampf. Die Ermordung der Aigyptiaden hat bald Argos, bald Ägypten zum Schauplatz; dafür s. Danaos. Wie Hypermestra des Lynkeus, so habe Bebryke des Hippolytos geschont, Eustath. Dionys. perieg. 805; vgl. Schol. und Eustath. (p. 37, 30) zu Il. I 42. Von dem gemeinsamen Grab der Hypermestra und des Lynkeus (nahe dem Altar des Zeus Phyxios) hören wir Paus. II 21, 2, von einem Heiligtum der beiden Hyg. fab. 168 (31, 23 Sch.). Schol. Strozz. z. Germ. Aratea p. 172 Breys. Sprichwörtliche Redensart war Λέρνη κακῶν, Strab. VIII 371, nach Zenob. IV 86 (Paroemiogr. I 108, vgl. auch I 182. 271), weil Danaos die Köpfe der Aigyptiaden in den See versenkt habe; Kratinos (frg. 347 K.) machte daraus Λέρνη θεατῶν, vgl. Hesych. s. Λέρνη κακῶν und Λέρνη θεατῶν. Suid. s. Λέρνη θεατῶν (daraus Apost. X 57. Arsen. p. 334 Walz). Nach Paus. II 24, 2 lagen umgekehrt die Leichname im See, weil dort der Mord verübt worden, und die Köpfe, welche die D. abgeschnitten, dem Vater zum Beweis ihrer That, waren getrennt beerdigt auf dem Weg zur Akropolis von Argos, wo auch ein Denkmal für die Aigyptiaden war. Nach Pind. Pyth. IX 112ff. stellte Danaos seine Töchter am Ziel der Rennbahn auf und hatte schon vor Mittag für jede einen Eidam. Pindar singt von 48 Töchtern; denn, sagt der Scholiast, Amymone und Hypermestra waren bereits vermählt, die eine mit Poseidon, die andere mit Lynkeus, oder es kam nach Eustath. Dionys. Perieg. 805 mit Hypermestra Bebryke in Wegfall. Nach Paus. III 12, 2 blieben die Töchter weiterhin schuldbehaftet, und ihres Frevels wegen wollte niemand aus ihrer Mitte freien. Nun erklärte Danaos, er werde sie ohne die üblichen Brautgeschenke ausgeben und veranstaltete für die nicht eben zahlreich erschienenen Freier einen Wettlauf; der erste Sieger hatte die erste Wahl, nach ihm wählten die übrigen, wie sie sich folgten; die übriggebliebenen Mädchen aber mussten auf die Ankunft anderer Freier und einen erneuten Wettlauf warten. Des Danaos Eidame wurden u. a. die Söhne des Achaios aus der Phthiotis, Architeles, der die Automate 3Automate, und Archandros (bei Herod. II 98 des Achaios Enkel und des Phthios Sohn), der die Skaia erhielt, Paus. VII 1, 6. Nach Herod. II 171 waren es die D., welche die Weihen der Demeter, die sog. Thesmophorien, aus Ägypten gebracht und die pelasgischen Frauen darin unterwiesen hätten. Die D.-Sage wird gewöhnlich in Verbindung [2089] gebracht mit dem für die argivische Landschaft charakteristischen Wechsel von Dürre und Überschwemmung (?ργος ἄνυδρον ἐὸν Δαναὸς ποίησεν ἔνυδρον, Hesiod. [frg. 47 Kink.] bei Eustath. [p. 461] zu Il. IV 171); über die Wasserverhältnisse in der Argolis E. Curtius Pelop. II 338ff. Die D. werden als Quellnymphen des Landes aufgefasst (vgl. Amymone und Physadeia [Schol. Kallim. H. V 47]), die Aigyptiaden, die Nachkommen des grossen Aigyptosstromes, als die Wildbäche und Flüsse, die in der nassen Jahreszeit üppig und mutwillig strömen, gleich ungestümen Freiern, im Sommer aber dahinsterben, durch das Versiegen der Quellen ihrer Köpfe beraubt; die Bestattung letzterer in der Lerna bezeichnet den Wasserreichtum dieser Niederung im Gegensatz zu der an Quellen armen Umgegend von Argos (vgl. E. Curtius a. a. O. 340), vgl. Preller Gr. M. II² 46ff. Wecklein S.-Ber. Akad. Münch 1893 II 397ff. Die D. als weibliche Regengottheiten, Henry Eev. des et. gr. V 1892, 284ff. Die D. auf die fünfzig Wochen des Jahres gedeutet, Welcker Kl. Schr. V 50, auf die fünfzig Monde des olympischen Festcyklus (gleich den fünfzig Töchtern des Endymion und der Selene), Schwenck Rh. Mus. X 1856, 377ff. (380). Im Gegensatz zu diesen Deutungen vgl. die nüchternere Auffassung der Sage als Schiffer- oder Handelsepos (gleich der Argonautensage) bei Schwarz a. a. O. 95. 101. 105f.; .das Epos konnte gewissermassen einen Abriss der Geographie geben'-, Ed. Meyer Forschgn. z. a. G. I 79.
Auf die D. wurde übertragen die unendliche Arbeit des Wassertragens in zerbrochenen Scherben, die man auf Polygnots Unterweltsbild diejenigen vollbringen sah, welche die eleusinischen Weihen gering geachtet, die ἀμύητοι, wie wohl die Beischrift für diese Personen verschiedenen Geschlechtes und Alters lautete, Paus. X 31, 9. 11, vgl. hierzu Plat. Gorg. 493 b. c; rep. II p. 363 d; so schon Creuzer Symb. und Myth. III² 480ff. Erst seit dem 4. Jhdt. kennen die Darstellungen (s. u.) blos noch wassertragende Jungfrauen, d. h. von da ab verkörpern die D. das Schicksal der Ungeweihten im Hades. In der Litteratur ist unser ältester Zeuge für die Einführung eines heroischen Namens für diese Höllenpein orphischen Ursprungs (v. Wilamowitz Hom. Unters. 202) der Verfasser des Axiochos, der zuerst von Δαναΐδων ὑδρεῖαι ἀτελεῖς spricht, Axioch. 371 e. Das τέλος, dessen Nicht-vollendung an den Danaostöchtern so geahndet wird, ist nach Rohdes glücklicher Entdeckung (Psyche² I 327) ihr durch eigene Schuld unvollendeter Ehebund, ,wobei allerdings vorausgesetzt wird, dass ihre That nicht Sühnung und sie selbst nicht neue Gatten gefunden hatten, sondern etwa gleich nach ihrer Frevelthat in den Hades gesendet worden waren’ (vgl. z. B. Schol. Eur. Hek. 886). ,Ewiges λουτροφορεῖν galt dem Volke als das Los der ἄγαμοι in der Unterwelt: ἄγαμοι waren die Danaostöchter’, Kuhnert Arch. Jahrb. VIII 1893. 111 (vgl. 109ff.), auch Dieterich Nekyia 70, 1. Dümmler Delph. 17. v. Wilamowitz z. Eur. Her. 1016 (II² 221). So wandte man Αἰγύπτου γάμος als sprichwörtliche Redensart an auf solche, die ohne das τέλος der Ehe zu [2090] vollenden (ἀ–λυσι–τελῶς, vgl. ἀ–τελῶς) heirateten, Paroemiogr. I 204. II 139. 337f.; bei Apostolios wird (wie von Rohde) zur Erklärung gegeben, was Schol. Eur. Hek. 886 bietet, bei Makarios die besondere Begründung, Aigyptos (doch wohl der Aigyptiade, der nach Apollod. II 20 die Dioxippe erloste) habe seine Gattin wegen ihrer Hässlichkeit im Stich gelassen, dafür habe ihn der Schwiegervater Danaos ermordet. Für jede vergebliche Arbeit wurde sprichwörtlich: εἰς τὸν τετρημένον und εἰς τετρημένον πίθον ἀντλεῖν, Xenoph. Oik. VII 40. Aristot. Oik. I 6; Polit. 1320 a 31. Philetairos frg. 18 K. (vgl. Plat. Gorg. 493 b). Paroemiogr. I 343. 347. II 161. 387 (Arsen. p. 222 Walz). Suid. s. εἰς τὸν τετρημένον und εἰς τετρημένον πίθον ἀντλεῖν, vgl. Plut. VII sap. conv. 16 (Porphyr. de abst. III 27). Luc. d. mort. XI 4; ὁ τῶν Δαναΐδων πίθος, Luc. Tim. 18; Hermot. 61. Alkiphr. ep. 12. Mak. III 16 (Paroemiogr. II 154); ἄπληστος πίθος, Paroemiogr. I 32f. 195. 290. 353. II 300. Suid. s. ἀπληστία; vgl. noch Anth. gr. App. epigr. 350; in pertusum dolium in(con)gerere, Plaut. Pseud. 363. Lucr. III 949; vgl. Tib. I 3, 80. Hor. c. III 11. 26f. Phaedr. app. (VI) 5, 10f. M. Plin. XXVIII 12, ferner Hyg. fab. 168 (p. 31, 22f. Sch. Schol. Strozz. z. Germ. Aratea 172 Breys.). Serv. Aen. X 497 (Myth. Vat. I 134). Myth. Vat. II 103 u. s. w. Vgl. Waser Schweiz. Arch. f. Volksk. II 1898, 55ff. und Arch. f. Religionswiss. II 1899, 47ff., wozu Fourrière Rev. d’exégèse myth. VII 1898, 313ff.
Die That der D. als Gegenstand der bildenden Kunst: Verg. Aen. X 497ff. Stat. Theb. IV 132ff. (vgl. Anth. Lat. I 58 Riese); in Rom war der Mythos von einer gewissen Popularität, worauf auch die Aufstellung einer D.-Gruppe in der Säulenhalle des palatinischen Apollontempels schliessen lässt. Für diese Darstellung des Danaos mit gezücktem Schwert und der D. in den Intercolumnien der Porticus vgl. Prop. III 29, 4. Ovid. am. II 2, 4; a. a. I 73f.; trist. III 1, 62; von ebensoviel Reiterstatuen der Söhne des Aigyptos. den D. gegenüber unter freiem Himmel, weiss Acron (Schol. Pers. II 56). Vgl. Jahn Arch. Aufs. 22ff. Stark Niobe 328 (141). Copien von solchen D. sieht Helbig in den Mädchenstatuen vom Esquilin, Führer² nr. 580. 581 (520). Vgl. O. Müller Hdb. d. Arch. § 414, 2. Für die Reliefdarstellung (D. und Oknos) im Museo Pio-Clementino des Vatican vgl. Visconti M. Pio-Cl. IV t. 36. Helbig Führer² nr. 379, abgeb. bei Roscher M. Lex. I 951 (wozu Baumeister Denkm. Abb. 2041). Sechs Gestalten beiderlei Geschlechts mit Wasserkrügen zu einem Fass eilend und Oknos auf einer sf. attischen Lekythos zu Palermo. Arch. Ztg. VI 1848, 284ff. (Panofka). XXVIII 1870, 42f. z. T. XXXI 22 (Heydemann). Arch. Jahrb. V 1890, 24f.* (Furtwängler). VIII 1893, 110f. (Kuhnert); ,der Gedanke an die D. ist hier (noch) ganz von der Hand zu weisen’, die Darstellungen sind im Anschluss an Polygnot zu betrachten, wie das Kuhnert thut a. a. O. 109ff. Eine sf. archaische Münchner Vase zeigt hinter dem steinwälzenden Sisyphos ein aus dem Boden ragendes Fass, an dem auf jeder Seite zwei kleine geflügelte Wesen im kurzen Chiton mit gehenkelten Hydrien (D. als Eidola) emporklettern; die beiden obersten giessen den Inhalt ihrer Hydrien [2091] in den πίθος, Jahn Vasensamml. des K. Ludw. nr. 153, abgebildet bei Müller-Wieseler D. d. a. K. II 866. Rοscher I 950. Baumeister Abb. 2040. D. mit Gefäss in der Linken dastehend und dem Gesang des Orpheus lauschend in Übereinstimmung mit Hor. c. III 11, 22ff. (vgl. auch Ovid. met. X 43f.; anders Kuhnert 111) auf der Karlsruher Vase aus Ruvo, Arch. Ztg. I 1843, 181 (Welcker) z. T. XI; dazu vgl. die jedenfalls ursprünglich als D. gedachte, an einen Fels lehnende Frau auf der Unterweltsvase Santangelo, zu Neapel (nr. 709), Arch. Ztg. XLII 1884, 261f. (Hartwig) z. T. XVIII; weiterhin die D. auf der Vase aus Altamura zu Neapel, abgebildet z. B. Baumeister 2042 A, auf der Petersburger Vase nr. 426, Bull. Nap. n. s. III t. 3 (Minervini). Stephani V.-S. d. K. Erm. I 223ff. Ferner vgl. die Hydrophoren auf der Vase Pacileo zu Petersburg (nr. 424), Arch. Ztg. II 1844 T. XIII. Stephani a. a. O. 223ff.; endlich zeigt die Petersburger Vase nr. 1535 (Stephani II 200) auf der Vorderseite die von Poseidon verfolgte Amymone, auf der Rückseite möglicherweise Danaos mit D. Vgl. noch Arch. Anz. XIII 1898, 237. Die D. dargestellt auf dem zweiten Unterweltsbild unter den Odyssseelandschaften vom Esquilin, Woermann T. VII. Helbig Führer² II 167.
[Waser.]
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