216) Cn. Cornelius Lentulus Clodianus. Den Beinamen Clodianus geben ihm Cic. ad Att. I 19, 2 und Sall. hist. IV 50 Kr. = IV 1 Maur. (aus Gell. XVIII 4, 4). Im J. 688 = 66 nennt Cicero (imp. Cn. Pomp. 58) einen Cn. Lentulus unter denen, die in einem Jahre Volkstribunen und im folgenden Legaten waren; es kann wohl kaum ein anderer Cn. Lentulus gemeint sein als Clodianus, der demnach vor seiner Adoption Plebeier gewesen sein muss und nicht zu der patricischen Gens Claudia gehört haben kann. Von wem er adoptiert wurde, steht nicht fest; Drumann G. R. II 546 vermutete von Nr. 178, und wohl nur deshalb wird als gesichert angesehen, dass er Cn. f. war, und wird die Ehreninschrift aus Oropos auf ihn bezogen IGS I 311: Ὁ δῆμος Ὠρωπίων Γναῖον Κορνήλιον Γναίου υἱὸν | Λευκίου υἱωνὸν Λέντλον τὸν ἑαυτοῦ πάτρωνα | καὶ εὐεργέτην Ἀμφιαράῳ καὶ Ὑγιείᾳ. Nur eine von beiden Annahmen kann richtig sein, da der Lentulus der Inschrift Cn. f. L. n. war und ein Adoptivsohn von Nr. 178 vielmehr Cn. f. Cn. n. sein müsste. Die Frage nach dem Adoptivvater ist also anscheinend noch nicht mit Bestimmtheit zu beantworten. Während der Herrschaft der Marianer war Lentulus von Rom abwesend und kehrte erst 672 = 82 im Gefolge Sullas zurück (Cic. Brut. 308. 311, der dies von den als Rednern bekannten adulescentes M. Crassus et Lentuli duo, d. h. Clodianus und Nr. 240 berichtet). Im folgenden Jahrzehnt bekleidete er vermutlich die niederen Ämter, nachdem er bereits vor der Adoption Volkstribun gewesen war (s. o.), und gelangte 682 = 72 mit L. Gellius Poplicola zum Consulat (Lex Antonia de Termess. CIL I 204 = Dessau Inscript. Lat. selectae 38 v. 3. Tessera gladiatoria, Proceedings of the society of antiquaries XIII 329. Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Cassiod.). Die Consuln brachten gemeinsam ein nach ihnen benanntes Gesetz durch, das den von Cn. Pompeius vorgenommenen Verleihungen des römischen Bürgerrechts volle Gültigkeit gewährte (Cic. Balb. 19; vgl. 32. 33); sie suchten ferner durch den Antrag an den Senat, es sollten Provincialen nicht abwesend wegen Capitalverbrechen belangt werden, die Ungerechtigkeit und Grausamkeit des sicilischen Statthalters C. Verres in einem einzelnen Falle zu zähmen (Cic. Verr. II 95). Lentulus allein beantragte sodann die Eintreibung der Kaufgelder für Güter der Proscribierten, die Sulla den Käufern erlassen hatte (Sall. hist. IV 50 Kr. = IV 1 Maur.). Beide Consuln wurden darauf gegen das Sclavenheer des Spartacus mit grosser Macht ausgesandt; Gellius und sein Unterfeldherr Q. Arrius vernichteten zwar einen Teil der Gegner, der sich vom Hauptheere getrennt hatte, aber Lentulus, der diesem den Weg nach [1381] Norden verlegen wollte, erlitt im mittelitalischen Appennin eine vollständige Niederlage, und wurde auch nach der Vereinigung mit seinem Collegen nochmals geschlagen, worauf ihnen der Senat befahl, das Commando niederzulegen (Sall. hist. III 80 Kr. = III 106 Maur. Liv. ep. XCVI. Flor. II 8, 10. Eutrop. VI 7, 2. Oros. V 24, 4. Plut. Crass. 9, 10. 10, 1. Appian. b. c. I 117). Trotzdem wurden beide zusammen bei der Wiederherstellung der von Sulla abgeschafften Censur im J. 684 = 70 zu Censoren gewählt (Cic. Verr. V 15; Cluent. 117–134; Flacc. 45; de domo 124, Pseudo-Ascon. Verr. p. 150 Or. Plut. Pomp. 22, 4; apophth. Pomp. 6). Sie walteten ihres Amtes mit grosser Strenge, indem sie den Senat von den vielen zweifelhaften Elementen, die in den letzten anderthalb Jahrzehnten hineingekommen waren, reinigten; nicht weniger als 64 Senatoren wurden ausgestossen (Liv. ep. XCVIII), darunter der Consul des vorhergehenden Jahres P. Lentulus Sura (vgl. Nr. 240) und Ciceros späterer Genosse im Consulat C. Antonius (Ascon. in tog. cand. p. 75; vgl. Bd. I S. 2577f.). Im Seeräuberkriege von 687 = 67 übertrug Pompeius dem Gellius und Lentulus die Säuberung des Meeres bei Italien von den Piraten (Γναῖος Λέντλος App. Mithr. 95; sein Name fehlt in der unvollständigen Liste der Legaten bei Flor. I 41, 9f.); im folgenden Jahre unterstützte Lentulus die Rogation des C. Manilius. Bei dieser Gelegenheit erwähnt ihn Cicero (imp. Cn. Pomp. 68) mit Ausdrücken der grössten Hochachtung, ebenso bei einer anderen Gelegenheit in demselben Jahre (Cluent. 118; vgl. auch Verr. V 15: vir clarissimus); später ist von ihm dagegen nicht mehr die Rede; also ist er wohl bald darauf gestorben (Cic. ad Att. I 19, 2 beweisst nicht, dass er 694 = 60 noch lebte; dass er im folgenden Jahre sicher tot war, zeigt Cic. Flacc. 45). Er war Patron von Oropos (s. o.) und von Temnos (Cic. Flacc. 45). Seine geistige Begabung war gering (Cic. Brut. 234. Sall. hist, IV 50 Kr. = IV 1 Maur.), aber er hatte einen so ausgezeichneten Vortrag, dass dieser seine übrigen Mängel vergessen liess und ihm als Redner Ansehen verschaffte (Cic. Brut. 230. 234; daraus Quintil. inst. or. XI 3, 8).
[Münzer.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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