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Condicio heisst im weiteren Sinne die Geschäftsbestimmung in dem Sinne, in dem auch in der deutschen Sprache von Geschäftsbedingungen geredet wird; vgl. Dig. XXIII 1, 18. XVIII 2, 2 pr. meliore allata condicione (= Anerbieten). Im engern technischen Sinne ist aber C. ein solcher Zusatz zu einer rechtsgeschäftlichen Anordnung, welche ihren Inhalt vorläufig ausser Kraft setzt, bis eine zur Zeit ungewisse Entscheidung getroffen sein werde. Der imperative Teil des Gewollten wird hier durch einen andern condicionalen Teil aufgeschoben. Die C. erzeugt also einen Schwebezustand, der durch besondere Vorschriften geregelt ist und bringt eine doppelte Möglichkeit mit sich: Eintritt oder Ausfall der Bedingung. Jedes bedingte Rechtsgeschäft hat daher vorläufige und endgültige Folgen. Zu den ersteren gehört die Vererblichkeit der bedingten Rechte und der bedingten Verpflichtungen bei Geschäften unter Lebenden, Dig. XVIII 6, 8 pr. Inst. III 15, 4. Bedingte Rechte aus letztwilligen Verfügungen sind nicht vererblich, weil bei ihnen der Geber nur die bedachte [845] Person selbst als Gegenstand seines Wohlwollens in das Auge zu fassen pflegt, nicht deren ihm vielleicht unbekannte Erben, Dig. XLIV 7, 42 pr. L 17, 18. Eine vorläufige Bedingung bedingter Geschäfte zeigt sich auch namentlich bei den bedingten Schuldumwandlungen (novationes), z. B. der bedingten Annahme eines neuen Gläubigers an Stelle eines alten. Hier sind zunächst auch die Klagerechte des alten Gläubigers vorläufig ausser Kraft gesetzt, bis es sich entscheidet, ob der Nachfolger an seine Stelle treten werde oder nicht, Dig. XII 1, 36. XXIII 3, 80 und 83.
Zu den vorläufigen Folgen des bedingten Geschäfts gehört ferner die Pflicht des bedingt Belasteten, weder den Inhalt des bedingten Geschäfts zu vereiteln (also z. B. die bedingt versprochene Sache nicht zu beschädigen), noch den Eintritt der Bedingung böslicherweise zu verhindern, z. B. ein Pferd, gegen dessen Sieg im Wettkampfe gewettet worden ist, nicht zu töten. Bei einer derartigen Rechtswidrigkeit gilt die Bedingung ohne weiteres als erfüllt, Dig. L 17, 161.
Die endgültigen Folgen eines bedingten Geschäftes bestehen bei dem Ausfalle der Bedingung in dem Wegfalle aller vorläufigen Folgen. Bei dem Eintritt der Bedingung soll es nach Dig. XX 4, 11, 1 so gehalten worden, ac si illo tempore, quo stipulatio interposita est, sine condicione facta esset, also eine Rückbeziehung des Eintritts auf den Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses stattfinden. In dieser Allgemeinheit ist jedoch der nur in einer besonderen Bedeutung ausgesprochene Grundsatz unhaltbar. So findet z. B. in der Frage, ob ein Geschäft wegen fehlenden Gegenstandes ungültig ist, eine Rückbeziehung nicht statt. Dig. XLVI 2, 14 pr.; ähnlich Dig. XLV 1, 31. Wohl aber greift sie z. B. Platz, um den Altersvorzug eines bedingten Pfandrechtes zu bestimmen (Dig. XX 4, 8 und 11, 1). Eine Rückbeziehung wird daher nur insoweit anzunehmen sein, als sie aus besonderen Gründen angemessen erscheint; vgl. auch Dig. XLVI 3, 16 und andererseits Dig. XLVI 1, 72. XLVI 4, 13, 8.
Weil die Sondervorschriften für Bedingungen einen Schwebezustand voraussetzen, so sind solche in Bedingungsform gekleidete Zusätze zu Rechtsgeschäften, bei denen eine vorübergehende Ungewissheit nicht eintritt, keine eigentlichen Bedingungen. Dahin gehören Bedingungssätze, deren Inhalt gewiss ist, die sich z. B. auf einen gegenwärtigen oder vergangenen Umstand beziehen oder auch auf einen solchen zukünftigen, der mit Notwendigkeit entweder eintreten oder ausbleiben muss. Dig. XLV 1, 100 und 120. XLVI 2, 9, 1. XLV 1, 8: si intra calendas digito caelum non tetigerit. Derartige unmögliche Bedingungen, ebenso wie unsittliche Bedingungen, entkräften die Geschäfte unter Lebenden, werden aber bei letztwilligen Verfügungen gestrichen (Gai. III 98. Dig. XXXV 1, 3), so dass bei diesen der bedingt Berechtigte nicht in Versuchung kommen kann, auf ihre Erfüllung hinzuwirken. Auch solche Bedingungen, die nicht von der Parteiwillkür, sondern von der Rechtsordnung gesetzt sind, z. B. der Tod als Bedingung der Erbeinsetzung, fallen in der Regel nicht unter das Recht der Bedingungen. Sie werden condiciones supervacuae genannt Dig. XXXVI 2, 22, 1; vgl. auch XXVIII 7, 12: frustra adduntur. Solche [846] Bedingungen heissen condiciones iuris, Dig. XXXV 1. 21, auch condiciones tacitae, quae tacite inesse videantur (Dig. XXXV 1, 99), doch sind dies nicht die einzigen stillschweigenden Bedingungen; vielmehr giebt es auch noch andere stillschweigend gesetzte Bedingungen, die weder selbstverständlich noch unumgänglich sind; vgl. Dig. XXIII 3, 68: cum omnis dotis promissio futuri matrimonii tacitam condicionem accipiat.
Hängt die Erfüllung einer Bedingung vom Willen einer Partei ab, so heisst sie c. potestativa. Cod. VI 51, 7.
So wie der Inhalt einer lex negotii durch Bedingung hinausgeschoben werden kann, so kann auch die Wiederaufhebung einer Geschäftsfolge unter einer Bedingung angeordnet sein (sog. Resolutivbedingung). Eine solche Anordnung ist immer eine zweite suspensiv bedingte, die neben den nicht aufgeschobenen Geschäftsinhalt tritt, aber mit ihm insofern ein Ganzes bildet, als hier die eine Anordnung nur dann gilt, wenn auch die andere gültig ist. So ist z. B. ein Mietvertrag hinfällig, wenn die Parteien blos über Wohnung und Preis, nicht aber über die Kündigungsbedingungen zu einer Einigung haben gelangen können. Immerhin hat aber die bedingte Festsetzung, dass ein Vertragsinhalt später wieder wegfallen solle, diesem Inhalte gegenüber eine gewisse Selbständigkeit, so dass sie als ein besonderes Nebengeschäft, nicht als ein blosses Stück des Hauptgeschäftes bezeichnet wird. Dig. XLI 4, 2, 3: si conventio est, magis resolvetur quam implebitur (sc. emptio). XVIII 2, 2 pr. pura emptio, quae sub condicione resolvitur. XVIII 3, 1. Die Bestimmung, dass die Folgen eines Geschäfts zwar nicht aufgeschoben, aber später unter Umständen aufgehoben sein sollen, kann in verschiedener Stärke beabsichtigt sein. Es kann bestimmt sein, dass die Folgen eines Geschäfts nach jeder Seite hin in einem gewissen Falle erlöschen sollen (eigentliche Resolutivbedingung), Dig. XX 6, 3. Cod. VIII 54 (55), 2. Man nimmt an, dass das römische Recht diese auflösende Kraft eines Nebengeschäfts nur ,zögernd und widerwillig anerkannt habe‘ (so namentlich Windscheid Pandekten⁷ I 251 § 90). Es ergiebt sich dies namentlich aus einer Vergleichung von Frg. Vat. 283 mit Cod. VIII 54 (55), 2; vgl. Dernburg Pand.⁵ I 271 § 114, 16 und die dort Angeführten. Wohl aber steht fest, dass manche Geschäfte, namentlich die Erbeseinsetzung, eine solche geschäftsauflösende Nebenbestimmung nicht vertrugen (semel heres semper heres), Dig. XVIII 5, 89 (88): non potest adiectus efficere, ut, qui semel heres exstitit, desinat heres esse. Unzulässig ist eine solche Geschäftsauflösung auch da, wo sie auf die Schädigung eines redlichen Dritten durch eine Partei hinauslaufen würde, z. B. wenn sich ein Käufer die Auflösung eines Kaufes auch für den Fall vorbehalten hat, dass er die Sache bereits weiterveräussert haben sollte, Dig. XX 6, 3. Statt einer solchen bedingten Geschäftsauflösung mit allseitiger Kraft kann auch eine minder starke Form gewählt sein, nämlich die Verpflichtung einer Partei, unter gewissen Umständen ein Geschäft rückgängig zu machen. Diese geht unbeteiligte Dritte nichts an. So z. B. die Rückgabepflicht des befriedigten Faustpfandgläubigers. Endlich kann der Empfänger [847] einer Sache für einen gewissen Fall lediglich zur Rückgabe der Bereicherung verbunden sein (Dig. XII 6, 52), z. B. der Empfänger einer dos, wenn die beabsichtigte Eheschliessung scheitert, Dig. XII 7, 5 pr. In solchen Fällen spricht man nicht von einer c., sondern nur von einem habere sine causa, einer fehlenden oder fehlgeschlagenen Voraussetzung. Einigen Geschäften ist überhaupt jede Kraft entzogen, sobald ihnen eine Bedingung hinzugefügt ist, Dig. L 17, 77: actus legitimi, qui non recipiunt diem vel condicionem, veluti emancipatio (ursprünglich stand hier mancipatio arg. Frg. Vatic. 329), acceptilatio, hereditatis aditio, servi optio, datio tutoris, in totum vitiantur per temporis vel condicionis adiectionem. Man bezieht dies auch auf selbstverständliche Bedingungen; vgl. Dig. L 17, 77, wo das Wort nonnunquam nicht zu übersehen ist, und meint, dass der Satz: expressa nocent, non expressa non nocent Dig. L 17, 195 hierher gehöre (so z. B. Arndts Pandekten § 68, 1). Dieser Ausspruch will aber wohl nur in Sprichwortform vor unvorsichtigen Geschäftserklärungen warnen, namentlich vor der Offenbarung eines unzulässigen Hintergedankens, arg. Dig. XXXV 1, 52. XXVIII 5, 69 (68). Bei Geschäften, die nicht an eine stilistische Form gebunden waren, wie z. B. die hereditatis aditio, wird wohl auch eine condicio supervacua schwerlich den Act entkräftet haben (z. B. Titii hereditatem adeo, si Titius mortuus est); denn sie bringt in das Geschäft keine andere Ungewissheit hinein, als eine solche, die auch ohnedies mit ihm untrennbar verbunden ist. Bei solchen Geschäften dagegen, die von einer festen stilistischen Form abhingen, wie die acceptilatio und die mancipatio, entstellte jeder Zusatz die notwendige Form. Dies galt daher auch von den selbstverständlichen Bedingungen, wenn sie in Bedingungsform ausgesprochen wurden; vgl. Dig. L 17, 77. Frg. Vatic. 329. Litteratur (sehr umfangreich) siehe bei Windscheid Pandekten⁷ § 86ff. Dernburg Pandekten⁵ § 105ff.; vgl. auch Leonhard Institutionen 342ff.
[R. Leonhard.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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