27) Comes domorum oder divinarum domorum (Cod. Iust. I 49, 1 pr.), griechisch κόμης τῶν οἰκιῶν (Nov. Iust. XX 2. Cod. Iust. I 34, 1), ist ein Beamter der kaiserlichen Domänen mit dem Titel vir spectabilis (Cod. Iust. III 26, 11. Nov. Iust. 20, 2. 30, 4), der zuerst in einem Gesetze [651] des Jahres 379 erwähnt wird (Cod. Theod. VI 30, 2), aber, wie sich aus dem Inhalt desselben ergiebt, schon lange vorher bestanden hatte. Wahrscheinlich ist das Amt von Constantin d. Gr. eingeführt; abgeschafft wurde es im J. 536, indem Iustinian seine Functionen auf den neugeschaffenen Proconsul Iustinianus Cappadociae übertrug, aber das Officium comitiacum, d. h. die Subalternen, die früher dem Comes domorum untergeben waren, als gesonderte Beamtencorporation unter Leitung des Proconsuls fortbestehen liess (Nov. Iust. 30; vgl. 20, 2).
Mit dem Ausdruck divina domus oder domus nostra bezeichnen die Gesetze in der Regel ganz allgemein das Vermögen des Kaisers, so dass das Wort in seiner Bedeutung mit der res privata zusammenfällt (Cod. Theod. I 32, 2. X 4, 3. XI 30, 64. XIII 1, 5. XVI 5, 52 § I. 54 § 5. Symmach. ep. I 66. Nov. Theod. 19 pr. Cassiod. var. V 6, 1. 9, 2. 18, 1. 19, 1. 20, 1. VI 9, 2. VII 43. XII 5, 7). Mitunter aber tritt es auch in einem besonderen Sinne auf, in dem es den übrigen Gütern der Res privata gegenübersteht (Nov. Mart. 2, 1. Nov. Val. 18 pr. 2. 5. Nov. Iust. 102, 1. Edict. Iust. 4, 2, 2. 8, 2. Cod. Theod. V 14, 6. XI 28, 9. 16). Domus divinae dieser Art finden sich anfangs nur in Kappadokien (Cod. Theod. VI 30, 2. Not. dign. or. X 2. Nov. Iust. 20, 2. 30), seit dem Tode des africanischen Tyrannen Gildo und der Einziehung seines ungeheuren Vermögens auch in Africa (Cod. Theod. IX 42, 16. Nov. Val. 18 pr. 2. 5. Not. dign. occ. XII 16. CIL VIII 14399), um die Mitte des 5. Jhdts. erscheinen sie in Syrien (Theodor, ep. 42 = Migne Gr. 83, 1220), unter Iustinian auch in anderen Provinzen (Nov. Iust. 30, 1, 1. 5. 102, 1. Edict. Iust. 4, 2, 2. 8, 2). Da von den kappadokischen Gütern und ihren Einkünften immer wieder der Ausdruck ταμειακός gebraucht wird (Nov. Iust. 30 passim), so muss man schliessen, dass praedia tamiaca (Cod. Iust. XI 69 Überschrift. Theodor, a. O., vgl. Nov. Iust. 38, 6) nur ein anderer Name für die domus divinae ist (His 29).
Der kappadokische Landbesitz des Kaisers ist in 13 domus, d. h. Güter, eingeteilt und dementsprechend giebt es 13 Magistri, die nach ihrem Dienstalter (Nov. Iust. 30, 4) die ersten in dem Officium des Comes domorum sind (Nov. Iust. 30, 2). Ausserdem besitzt jedes Gut seinen besonderen Verwalter, der anfangs den Titel procurator (ἐπίτροπος) führte (Cod. Theod. IX 27, 7; dies Gesetz ist zwar in Mailand gegeben, aber zu einer Zeit, wo sich Theodosius dort aufhielt, und der Beamte, an den es gerichtet ist, lässt sich im Orient nachweisen, s. Severinus; es bezieht sich also nicht auf Africa, sondern auf Kappadokien). Doch schaffte Iustinian dies Amt ab und übertrug die Güterverwaltung 13 πράκτορες aus dem Officium comitiacum, in dem sie die nächstältesten nach jenen 13 Magistri sein sollten. Jeder dieser 26 sollte sich einen Adiutor als Helfer und eventuellen Stellvertreter nach eigener Wahl ernennen (Nov. Iust. 30, 2. 4). Unter den Procuratores standen als Rechnungsführer die tabularii (τρακτευταί); doch wurden auch diese wegen der zahlreichen Erpressungen, die sie sich erlaubt hatten, von Iustinian beseitigt (Cod. Theod. IX 27, 7. Nov. Iust. 30, 2. 3). Die Hauptaufgabe [652] dieser Beamten besteht darin, die Einkünfte der Güter beizutreiben, und zwar erheben sie die Pachten direct von den coloni (γεωργοί) ohne Vermittlung eines Grosspächters (Cod. Theod. X 1, 11. XII 6, 14. Nov. Iust. 30, 2–4. 9). Daher werden als solche, die unter der Habgier des Comes domorum leiden könnten, nur seine Beamten und die Colonen genannt, keine conductores (Cod. Theod. IX 27, 7). Die Pachtzahlung scheint in Kappadokien und Syrien in Gold zu erfolgen (Nov. Iust. 30, 6. Theodor. epist. 42 = Migne Gr. 83, 1220), in Africa in Silber (Nov. Val. 18 pr.), also nicht, wie das sonst die Regel ist, in Naturalien. Daneben gehörten zur domus divina per Cappadociam eine Weberei unter Leitung eines praepositus gynaeceo (Cod. Theod. IX 27, 7. Nov. Iust. 30, 7, 1), aus welcher dem Kaiserhofe Kleider geliefert wurden (Nov. Iust. 30, 6), und ausgedehnte Gestüte (Nov. Iust. 30, 5, 1; vgl. Gothofredus zu Cod. Theod. X 6).
Suchen wir hiernach dasjenige zu bestimmen, was die domus divinae als solche charakterisiert, so dürfte es wohl darin liegen, dass sie nicht gleich den andern Domänen durch Grosspächter ausgebeutet wurden, sondern direct unter kaiserlicher Verwaltung standen. Als zweites Merkmal, dem sie den Namen praedia tamiaca, d. h. Kassengüter, verdankten, kommt hinzu, dass die Einkünfte aus ihnen zum grössten Teil in barem Gelde einliefen. Dies wird wohl auch der Grund gewesen sein, warum man sie im Laufe der Zeit immer weiter ausdehnte. Von dem Drucke des Conductors befreit, nehmen die coloni tamiaci (Cod. Iust. XI 69, 1) oder ἄνθρωποι ταμειακοί (Nov. Iust. 30, 1, 1. 38, 6) eine bevorzugte Stellung ein, ja in Africa belegt man sie gar nicht mit dem verachteten Namen der Coloni, sondern nennt sie perpetuarii (Nov. Val. 18 pr., vgl. Cod. Theod. V 14, 6). Ihr Verhältnis zum Grundstück können sie zwar auch nicht beliebig lösen (Cod. Iust. XI 69, 1), wohl aber durch Verkauf auf einen anderen übertragen (Cod. Iust. XI 69, 2). Es erscheint also als nutzbares Recht, nicht, wie bei den andern Colonen, als lästige Pflicht. Dieser günstigeren Lage hatten sie es zu danken, dass sie nicht gleich den andern geschlossenen Ständen jener Zeit immer mehr zusammenschwanden, sondern sich ansehnlich vermehrten (Nov. Iust. 38, 6).
Fragen wir nach der Entstehung dieser eigentümlichen Klasse von Krongütern, so werden wir von den kappadokischen als den ältesten ausgehen müssen. Diese haben sich wahrscheinlich zum grössten Teil dadurch gebildet, dass Constantin den Besitz der heidnischen Tempel, der gerade in dieser Provinz ganz besonders reich und ausgedehnt war (Strab. XII 535. 537), für die res privata einzog. Vielleicht hat der Aberglaube und die Volkswut über die Beraubung der Heiligtümer es verhindert, dass sich Grosspächter für die Ausbeutung jener Ländereien meldeten, und der Kaiser sah sich dadurch gezwungen, einem Manne seines persönlichen Vertrauens – denn das pflegten die C. damals noch zu sein – die Güterverwaltung zu übertragen. So dürfte der comes domorum per Cappadociam entstanden sein, und nach seinem Vorbilde legte man auch in Africa, als man die Güter des Gildo einzog, [653] dem Verwalter derselben den Comestitel bei (Cod. Theod. IX 42, 16. Not. dign. occ. XII 5).
Die Divinae domus gehörten naturgemäss in das Domänenressort und sind daher im Occident immer unter der Oberaufsicht des comes rerum privatarum geblieben (Not. dign. occ. XII 5. 16. His 76, 2). Auch im Orient ist der comes domorum per Cappadociam anfangs dessen Untergebener. Er empfängt von ihm den Princeps seines Officium, und nachdem ihm eine Zeit lang die eigene Ernennung desselben überlassen worden war, wird im J. 379 die alte Sitte zum Zweck einer strengeren Controlle wiederhergestellt (Cod. Theod. VI 30, 2). Noch 390 ist der comes rerum privatarum Richter über ihn (Cod. Theod. IX 27, 7). Der Eunuch Eutropius, der als praepositus sacri cubiculi den schwachen Arcadius völlig beherrschte, dürfte hierin eine Veränderung herbeigeführt haben, wahrscheinlich unter dem Vorwande, dass die kappadokischen Gewänder und Rosse ein Bedürfnis der kaiserlichen Kammer seien und daher auch der Verwaltung des Oberkämmerers unterstellt werden müssten. Jedenfalls erscheint der praepositus sacri cubiculi schon 414 als Vorgesetzter des Comes domorum (Cod. Theod. XI 28, 9 fin. Cod. Iust. III 26, 11. Nov. Mart. II 7. Nov. Iust. 30, 6, 2. 7, 1. 8), ja dieser wird geradezu den Cubicularii zugerechnet (Cod. Iust. XII 5, 2). Die Notitia dignitatum, in der sich vielfach Bestandteile verschiedener Zeiten mischen (Seeck Herm. XI 71), stellt sowohl den älteren (or. XIV 3) als auch den jüngeren Zustand dar (or. X 2). Vielleicht haben auch im Occident der comes Gildoniaci patrimonii und der rationalis rei privatae fundorum domus divinae per Africam, welche sie nebeneinander nennt (occ. XII 5. 16), nicht gleichzeitig bestanden, sondern das letztere Amt ist an die Stelle des ersteren getreten.
Die Verwaltung der domus divinae scheint die denkbar schlechteste gewesen zu sein. Die Officialen des comes domorum per Cappadociam erhoben von den Colonen alle möglichen Trinkgelder, ja diese scheinen unter dem Namen Aspastica, Tracteutica und Ad introitum fast zu regelmässigen Sporteln geworden zu sein (Nov. Iust. 30, 3. 4). Der Comes domorum selbst nahm Bestechungen an, um die Occupation der kaiserlichen Ländereien durch reiche Privatleute zu gestatten (Nov. Iust. 30, 5, 1. 7. Cod. Iust. XI 67, 1; vgl. VII 38, 3); immerfort liefen Klagen über seine Bedrückungen in Constantinopel ein (Nov. Iust. 30, 5, 1. 9. Cod. Theod. IX 27, 7; vgl. VI 30, 2), und nicht selten kam es darüber zu Tumulten und Aufständen (Nov. Iust. 30, 1. 7). Auf diese Art schrumpften zeitweilig die Einkünfte der divinae domus so zusammen, dass sie kaum noch nennenswert waren (Nov. Iust. 30, 5, 1), ja die canonicarii, die der praepositus sacri cubiculi zur Eintreibung der Gefälle nach Kappadokien schickte, konnten manchmal nicht einen Pfennig zurückbringen (Nov. Iust. 30, 7, 1).
Die Macht des Comes domorum blieb nicht auf Kappadokien beschränkt. Auch in Syrien treibt Mitte des 5. Jhdts. das Officium comitiacum die Goldleistungen von den praedia tamiaca ein (Theodor. epist. 42 = Migne G. 83, 1220). Man scheint danach im ganzen Orient, wo immer man Domänen [654] in der Form der divinae domus verwalten liess, sie dem kappadokischen Comes domorum unterstellt zu haben. Erst unter Iustinian treten curatores divinae domus mit dem Range der viri inlustres auf (Cod. Iust. VII 37, 3. Nov. Iust. 148, 1), die ihm und seinem Nachfolger, dem Proconsul Cappadociae, wahrscheinlich einen Teil ihrer Pflichten abnahmen. R. His Die Domänen der römischen Kaiserzeit 75.
[Seeck.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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