333) Claudius Saturninus. In den Digesten Iustinians (XLVIII 19, 16) ist ein Fragment eines Juristen dieses Namens aus einem liber singularis de poenis paganorum erhalten, das über die verschiedenen Umstände, welche auf die Strafbarkeit einer Handlung von Einfluss sind, berichtet. Diese Schrift wird nun aber im Index Florentinus dem bekannten Venuleius (Saturninus) zugewiesen. Denkbar wäre einmal, dass Claudius und Venuleius Saturninus dieselbe Person wären (so Fitting, Karlowa, Landucci, Lenel Pal. II 1207, 1); ein πολυώνυμος hätte nichts bedenkliches, und mit den Zeitverhältnissen des Venuleius (er lebte unter Pius und Marcus) liesse sich unser Fragment in Einklang bringen. Gegen die Verselbigung spricht aber, dass das in den Digesten unmittelbar vorhergehende Fragment (15) die Überschrift trägt: Venuleius Saturninus libro primo de officio proconsulis, und dass die Compilatoren bei auf einander folgenden Stellen derselben Verfasser regelmässig nicht deren Namen wiederholen, sondern dafür idem setzen. Andrerseits ist die Unzuverlässigkeit des Index bekannt genug (Krüger 328), um ihm ein Zusammenwerfen beider Schriftsteller zutrauen zu dürfen. So müssen wir sie als zwei verschiedene Juristen ansehen.
Die Persönlichkeit des Claudius Saturninus ist schwer festzustellen, da der Name kein seltener ist. Er ist an folgenden Stellen nachweisbar: 1) Ulp. Vat. frg. 223: epistula divi Hadriani quam scripsit Claudio Saturnino legato Belgicae (= Nr. 331). 2) Marc. Dig. XX 3, 1, 2: divus Pius Claudio Saturnino rescripsit. 3) Marc. Dig. L 7, 5 pr.: divus Pius Claudio Saturnino et Faustino rescripsit. Dass die unter 2 und 3 Genannten [2866] dieselbe Person (= Nr. 334) sind, ist in hohem Grade wahrscheinlich, auch der Verselbigung mit nr. 1 steht nichts im Wege. 4) CIL III Suppl. 7474: Ti. Claudius Saturninus Leg. Aug. pr. pr. Moesiae inferioris (= Nr. 334, wohl derselbe wie nr. 1 [2. 3]). 5) Ulp. Dig. XVII 1, 6, 7: a Claudio Saturnino praetore fructus inferre iussus erat et advocationibus ei idem Saturninus interdixerat. An die Entscheidung des Praetors schliesst sich ein weiterer Process, in welchem dann ein Rescript der divi fratres ergeht. Dieser Claudius Saturninus (= Nr. 332) ist der Ämterfolge wegen sicher nicht derselbe wie nr. 1. 6) Tertullian. de cor. 7 (geschrieben 211; vgl. J. Schmidt Rh. Mus. XLVI 81ff.) nennt einen Claudius Saturninus als Verfasser einer Schrift über die Bedeutung und Verwendung der Kränze, die er mehrfach benutzt (c. 10. 12. 13). 7) CIL IX 4127: ein II vir iure dicundo der Aequiculi. 8–14) Private dieses Namens: CIL II 4518. III 1413. VI 15251. 15252. 15253. 15254. IX 5906 (s. auch Nr. 335). Für eine Verselbigung mit unserm Juristen lässt sich nur bei einer dieser Persönlichkeiten etwas anführen; hier allerdings ist sie recht wahrscheinlich. Tertullian a. a. O. führt den Schriftsteller über die Kränze mit den Worten ein: plura quaerentibus omnia exhibebit praestantissimus in hac quoque materia commentator Claudius Saturninus. Mag es auch zweifelhaft sein, ob Tertullian der Urheber der in den Digesten erhaltenen Fragmente eines Juristen dieses Namens ist, jedenfalls besass er eine bedeutende Rechtskenntnis (Euseb. hist. eccl. II 2: τοὺς Ῥωμαίων νόμους ἠκριβωκότα ἄνδρα), und es ist also wohl möglich, dass die anderen Schriften seines Gewährsmannes, auf die er hindeutet, juristische waren. Andrerseits ist in Betracht zu ziehen, dass sich in dem kleinen Bruchstück unseres Claudius Saturninus ein Citat aus Demosthenes (XXI 72) und eins aus der Ilias (XXIII 85–88) finden, welche beweisen, dass der Verfasser sich auch ausserhalb der Jurisprudenz umgethan hatte, und dass ihm Studien antiquarischen Inhalts, wie sie in der Schrift de corona zu Tage treten, nicht fern lagen. Über den zweimal in den Digesten (XII 2, 13, 5. XXXIV 2, 19, 7) erwähnten Q. Saturninus s. den Artikel.
Neuere Litteratur: Zimmern Gesch. d. r. Priv.-R. I 354. Rudorff R. R.-G. I 177; Abh. Akad. Berl. 1865, 235. Borghesi Oeuvres III 121f. Teuffel R. Litt.-Gesch. § 360. 7. Fitting Alter d. Schrift. röm. Juristen 17ff. Karlowa R. R.-G. I 729f. Krüger Quell. u. Litt. d. R. R. 180f. Kalb Roms Juristen n. ihrer Sprache darg. 93f. Landucci Storia d. dir. Rom. I² 211. Prosopogr. Imp. Rom. I 397.
[Jörs.]
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