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Civitas ist 1) die Gesamtheit der cives, die Bürgerschaft, und zwar die römische sowohl, wie jede nichtrömische, auf eigener Nationalität ruhende staatliche Gemeinschaft, ein Synonym von populus, in der technischen Sprache der Juristen die Gemeinde als Rechtssubject (Dig. I 2, 2. XXXIV 5, 2). Übertragen wird das Wort dann auch von der Bürgerschaft auf die Localität, die Stadt, wo eine solche existiert, steht also = oppidum, urbs, ohne aber in dieser Bedeutung officielle Geltung zu erhalten. Technisch dagegen wird C. (2) weiter gebraucht in der Juristensprache, um die Rechte eines (römischen) civis, das Bürgerrecht, zu bezeichnen. Verrius Flaccus bei Gellius XVIII 7, 5: civitatem et pro loco et oppido et pro iure quoque omnium et pro multitudine dici.
I. Zur Bezeichnung der Bürgerschaft, Gemeinde, ist populus der ältere, c. der jüngere Terminus (Mommsen St.-R. III 3ff.). Für die römische Bürgerschaft ist populus die eigentliche technische Bezeichnung geblieben. Populus Romanus ist das römische Volk, c. Romana – technisch wenigstens – das römische Bürgerrecht, darüber unter II. Dagegen ist c. im Sinne von Bürgerschaft der officielle Terminus für jedes Gemeinwesen in der Regel nichtrömischer Rechtsstellung geworden, einerlei, ob dasselbe städtisch oder nichtstädtisch organisiert war. Während anfangs auch nichtautonome Völkerschaften (technisch = gentes, über diesen Begriff vgl. Mommsen Limesblatt nr. 24 [30. Sept. 1897] 660ff.) damit bezeichnet werden (CIL V 7231, Bogen von Susa aus dem J. 9/8 v. Chr., praefectus ceivitatium, V 7817 aus dem J. 7/6 v. Chr. wird ein Teil derselben Völkerschaften als gentes bezeichnet; vgl. V 1839), wird bald die Autonomie, auch wo es sich um nichtstädtisch geordnete Gemeinwesen handelt, der integrierende Bestandteil des Begriffes. Das ergiebt sich aus der bei Plinius (n. h. III–V) zu Grunde liegenden Reichsstatistik des Agrippa und Augustus, die für diese Terminologie von grosser Bedeutung ist. Detlefsen hat den hier zu Tage tretenden Gebrauch von c. folgendermassen richtig formuliert (Philologus XXXII 604): ,Zwischen den Begriffen c. und oppidum ist kein contradictorischer Gegensatz vorhanden, vielmehr ist ersterer der umfassendere und schliesst den letzteren in sich ein; nur unter besonderen Verhältnisses können beide in Gegensatz zu einander treten‘. In letzterem Falle bezeichnet oppidum die städtische, c. die nichtstädtische geordnete Gemeinde, die ,Volkschaft‘ oder ,Volksgemeinde‘ (diese Bezeichnung stammt von Zangemeister Westd. Ztschr. VI [1888] Korr.-Bl. 52, früher sagte man Gaugemeinde, so noch Schulten Die Gaugemeinden des röm. Reiches. Rh. Mus. L). [301] Die Reichsstatistik war im allgemeinen nach folgendem Schema eingerichtet: Für jede Provinz war zunächst die Gesamtsumme der autonomen Gemeinden = civitates oder populi angegeben (Plin. n. h. III 18. V 29). Waren das nicht sämtlich Stadtgemeinden, so wurden zwei Gruppen unterschieden:
1. Stadtgemeinden = oppida, Sammelbegriff für coloniae, municipia civium Romanorum, Städte latinischer und peregriner Rechtsstellung,
2. Volksgemeinden, sämtlich nichtrömischer Rechtsstellung, = civitates im engeren Sinn. Diese waren in den Tres Galliae bekanntlich – abgesehen von den wenigen Bürgercolonien des Landes (Art. Coloniae) – die einzige vorhandene Gemeindekategorie (über die innere Organisation der gallischen civitates handeln O. Hirschfeld Gallische Studien III, S.-Ber. Akad. Wien CIII [1883] 289–319, vgl. CIL XII p. 160ff. [über die c. Vocontiorum]. Th. Mommsen Schweizer Nachstudien, Hermes XVI 445ff. [über die c. Helvetiorum]. E. Kornemann Zur Stadtentstehung in den ehemals keltischen und germanischen Gebieten des Römerreiches, Giessen 1898), während sie in den Alpen- und Donauländern ursprünglich die Majorität (vgl. J. Jung Über Rechtsstellung und Organisation der alpinen civitates in der röm. Kaiserzeit, Wien. Studien XII 1890, 98ff.), anderswo, z. B. in Spanien, von vornherein die Minorität bildeten. Durchaus volksgemeindlich organisiert waren hier nur die nordwestlichen Convente der Provincia Hispania citerior, die Conventus Asturum, Bracaraugustanus und Lucensis (Detlefsen Philologus XXXII 606ff.).
Mit dem Sprachgebrauch der Reichsstatistik stimmt derjenige der Inschriften überein, nur ist auf letzteren die Anwendung von oppidum für die peregrine Stadtgemeinde (die römischen Städte bevorzugen die Specialtitel colonia und municipium u. s. w., vgl. hierüber Mommsen St.-R. III 791, 2, seit Claudius auch die latinischen, Kornemann Philologus LX 425. Jung Wien. Studien XII 107) frühzeitig zurückgetreten und C. wird in gleicher Weise für die Stadt- wie Volksgemeinde nichtrömischer Ordnung gebraucht. In den hellenistischen Gebieten des Reiches ist es die lateinische Bezeichnung der griechischen Polis (CIL X 512: Divo Iulio civitas Zmyrnaeorum. III 6687 c. Apamena aus augustischer Zeit. 7089 = 398 c. Pergamen(orum) aus der Zeit des Tiberius. 6809 c. Alexandria aus der ersten Hälfte des 1. Jhdts.; auf den bilinguen Inschriften ebd. III 762. 7084 erscheint c. neben ἡ πόλις, ebd. 402 neben ὁ δῆμος. Dussaud Voyage en Syrie, Rev. archéol. XXX [1897] 338 = Cagnat ebd. 453 nr. 187; c. et bule Aradia). Was den Westen betrifft, so finden sich in Spanien die ältesten Beispiele der Anwendung von C. für die peregrine Stadtgemeinde: CIL II 5763 c. Palantina aus dem J. 752 = 2 v. Chr. mit einem oder mehreren Magistri an der Spitze, II 963 (vgl p. LI) c. Aruccitana, 2958 c. Pompe[l]onensis, beide aus claudischer Zeit. Africanische civitates nennen z. B. folgende Inschriften aus der ersten Kaiserzeit: CIL V 4919 c. Themetra unter Sufeten, aus dem J. 27 n. Chr. 4921 c. Apisa maius, ebenfalls geleitet von Sufeten, aus dem J. 28 n. Chr.?, weiter CIL VIII 69 (Gurza aus dem J. 65 n. Chr.). 698 (aus dem [302] J. 70/1). In Africa ist c. die gebräuchlichste Bezeichnung der autonomen Peregrinengemeinde bis ins 2. und 3. Jhdt., und bei einer ganzen Anzahl von Städten können wir hier das Aufrücken von der peregrinen c. zum römischen municipium, endlich zur colonia civium Romanorum verfolgen, vgl. Index zu CIL VIII und J. Toutain Cités Rom. de la Tunisie im Anhang. In Spanien begegnen auch nach der Verleihung des latinischen Rechts an alle Gemeinden der Halbinsel durch Vespasian noch civitates, zum Teil wohl volksgemeindlicher Ordnung, CIL II 2477 X civitates (aus dem J. 79). 2516 und 2517 c. Limicorum aus dem J. 132/3 bezw. 141; die lusitanische c. Aravorum (CIL II 429 aus dem J. 118) erscheint dagegen ebd. 760 unter den hier genannten municipia, das Gleiche gilt von der c. Baniensis (CIL II p. XLIV nr. 2399). In Gallia Narbonensis hatte die c. Vocontiorum, oder wenigstens ihre Vororte Vasio und Lucus Augusti, vom Anfang der Kaiserzeit ab latinisches Recht. Über die Verleihung des Titels colonia an die Vororte (capita) mancher civitates in den Tres Galliae seit Claudius vgl. Art. Coloniae.
Die peregrinen civitates zerfielen in drei Gruppen:
1. civitates foederatae, die bestgestellten Gemeinden, da ihr rechtliches Verhältnis zu Rom durch einen beschworenen und urkundlich beglaubigten Vertrag (foedus) geregelt war. In dieser Lage waren die meisten Gemeinden Italiens vor der Lex Iulia des J. 90 v. Chr. gewesen. Ausserhalb Italiens war die Zahl gering und nur auf die älteren Provinzen beschränkt. Zusammengestellt bei Marquardt St. Verw. I² 74f. Untersagt war auch den föderierten Gemeinden eine eigene auswärtige Politik; dagegen hatten sie Exil- und Münzrecht, sowie vollkommen freie Hand im Innern, Marquardt a. a. O. 44ff, 73ff. Mommsen St.-R. III 645ff.
2. civitates liberae, auch c. liberae et immunes (sine foedere), deren ähnliche rechtliche Stellung nicht auf einem Vertrag, sondern auf einseitiger Verfügung des römischen Volkes, des Senats oder später des Kaisers beruhte, einseitig also jederzeit auch genommen werden konnte. Einen Katalog derselben giebt W. Henze De civitatibus liberis, Berl. Diss. 1892; vgl. Ruggiero Dizion. ep. II 256.
3. civitates stipendiariae, die im Unterthanenverhältnis stehenden Gemeinden mit ,tolerierter Autonomie‘ (Mommsen St.-R. III 717), also alle nicht privilegierten Communen, die der Besteuerung vor allem unterworfen waren; Mommsen a. a. O. III 716ff. Marquardt I² 80ff. Ruggiero II 257f.
Die Entwicklung der Terminologie geht nun von dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert ab in der Weise fort, dass auch Städte römischer und latinischer Ordnung c. genannt werden, dass also die Specialtitel colonia und municipium im Gebrauche allmählich schwinden, und zwar verdrängt c. die Sonderbezeichnungen um so schneller, je mehr mit der allgemein fortschreitenden Nivellierung die Unterschiede zwischen den einzelnen Stadtkategorien sich ausgleichen. Schon Ende des 2. Jhdts. beginnt dieser Process und zwar gerade im Centrallande Italien: CIL XI 405 aus dem J. 169. VI 1449 aus derselben Zeit (Ariminum). [303] X 5917 aus der Zeit des Commodus (Anagnia). IX 2354 (Atina) und 3160 (Sulmo), beide wohl noch aus dem 2. Jhdt. 2165 aus der Zeit des Septimius Severus (Caudium); vgl. auch CIL II 4114 aus dem Ende des 2. Jhdts. mit c. Teanensium neben c. Nicomedensium und c. Ephesiorum auf derselben Inschrift. Neben Gallien scheint es der griechische Osten zu sein, dessen Übergewicht wie in so vielem anderen sich hierin kund giebt. Vom 3. Jhdt. ab, namentlich seit Erlass der constitutio Antoniniana, macht dann die Entwicklung reissende Fortschritte; aus dem Anfang dieses Jahrhunderts stammt die Mailänder Inschrift CIL V 5889, die von splendidissimae civitates Italiae spricht; Inscr. Helv. 115 (aus dem J. 218) c. Equestrium für die colonia Noviodunum, falsch Mommsen Röm. Gesch. V 79, 1, dagegen Kornemann Zur Stadtentstehung 28, 2 und in Lehmanns Beiträge z. alt. Gesch. I 346, 4. Als die letzten Reste volksgemeindlicher Organisation in Gallien im 3 Jhdt. durch die städtische ersetzt wurden, war auch der Sieg von c. als Bezeichnung der autonomen Stadt im ganzen Reich entschieden; daneben ging höchstens noch der ganz farblose Terminus respublica eine Zeit lang, besonders und am frühesten in Spanien, her. Aber auch diese Concurrenz wurde von c. im Westen überwunden, während das Wort im Osten, soweit noch die lateinische Sprache angewendet wurde, die einzige Bezeichnung für Stadt war und blieb. In der Urkunde über die Stadtrechtverleihung an Orcistus vom 30. Juni 331 (CIL III 7001 = Bruns Fontes⁶ 157) wird die neue Stadt mit oppidum et civitas bezeichnet, während die Orcistaner selbst in der Bittschrift von ihrem vetustissimum oppidum reden. Auch über das nach der endgültigen Depossedierung Roms im 4. Jhdt. noch einmal neben c. als Stadtbezeichnung auftretende Wort urbs – CIL XI 15 (Ravenna). VI 1793 (aus dem J. 394, Saena). III 6587 (aus der Zeit 384/9, Alexandria) sind urbs und c. zu gleicher Zeit gebraucht – wird c. Siegerin; Beispiele aus Africa noch aus byzantinischer Zeit: CIL VIII 101 (Capsa). 8805 (Zabi in Mauretania Sitifensis = c. Nova Iustiniana). 949 cibitas (Tubernuc, Ausgang des 6. Jhdts.). Am Ende des Altertums war c. der allgemein gebräuchliche Terminus für die Stadt als Rechtssubject, wie auch die litterarischen Quellen der Übergangszeit beweisen. Als die kirchliche Verwaltung die staatliche schliesslich ablöste, wurde c. (viel seltener urbs oder oppidum) die Bezeichnung für die Bischofsstadt und die bischöfliche Diöcese bis tief hinein in die Merowinger- und Karolingerzeit; Notitia Galliarum, herausgeg. von Mommsen Chron. min. I 552ff.; vgl. S. Rietschel Die Civitas auf deutschem Boden bis zum Ausgang der Karolingerzeit 1894 bes. 21ff. 43ff.
Neben diesem officiellen Gebrauch geht frühzeitig ein anderer in der Umgangssprache her, wo c. für die städtische Localität gebraucht wird. Hierüber hat im Anschluss an Wölfflin S.-Ber. Akad. München 1880, 402 am besten gehandelt E. Klebs Philologus Suppl. VI 692ff. In der Litteratur der republicanischen Zeit haben wir den localen Gebrauch von c. nur bei Ennius trag. frg. 291 Ribb. = 382 Vahl. und in einem Brief Dolabellas, Cic. fam. IX 9, 3. Von einem [304] Eindringen des Wortes in dieser Bedeutung in die Litteratur kann man aber erst seit Augustus reden, so häufig bei Vitruv: p. 213, 1 civitas cuius moenia. 32, 1 civitatis amplissimae moenia. 23, 21 in qua civitate auster cum flat; vgl. dazu die eingangs angeführte Erklärung des Wortes durch seinen Zeitgenossen Verrius Flaccus bei Gell. XVIII 7, 5. In der silbernen Latinität ist c. in dieser Bedeutung sehr häufig (Petron. 117. 129. Senec. ben. VI 32, 1. Quintil. inst. XII 9, 2; decl. 298 p. 177, 1. Plin. ep. ad Traian. 37, 2. 98, 1. 41, 2. 70, 1. 96, 9. Tac. hist. IV 65, 6 [muros civitatis]; Ann. VI 42, 1 [civitas saepta muris]. Suet. Tib. 48; Cal. 9; Vit. 10; Vesp. 4. 17; Tit. 8. Iustin. II 15, 2. XVIII 3, 12. XXX 4, 3) und wird vom 2. Jhdt. ab ganz allgemein gerade wie oppidum gebraucht (Stellen aus Apuleius bei Klebs 696, 1), das von ihm allmählich immer mehr verdrängt wird. So ist weder urbs noch oppidum, sondern c. das Wort für Stadt in den romanischen Sprachen geworden (Klebs a. a. O. 696f.).
II. Civitas (Romana) = das (römische) Bürgerrecht, breiter ius civitatis (Romanae), Cic. pro Archia 11.
Terminologie. Während in der älteren staatsrechtlichen Terminologie das Bürgerrecht mit caput (ursprünglich = das einzelne bürgerliche Rechtssubject, vgl. die Art. Caput und Capitis deminutio) bezeichnet wird, tritt dafür, von einigen festen Redensarten abgesehen, in der jüngeren Rechtssprache c. ein, Mommsen St.-R. III 8. Zur Bezeichnung des römischen Bürgerrechtes speciell ersetzt c. Romana die ältere Formel ius Quiritium, die bei den Bürgerrechtsverleihungen an Leute latinischer Rechtsstellung, offenbar als Rest der früheren Gewöhnung, die gebräuchlichere geblieben ist (Ulp. 3. Gai. Inst. III 72. Plin. ad Trai. 5. 11. Suet. Claud. 19), wie das Concretum civis auf das in der Einzahl wenigstens verschollene quiris zur Bezeichnung des Bürgers gefolgt ist, Mommsen a. a. O. 7 mit Anm. 2.
Entstehung und Ausgestaltung der civitas Romana. Das römische Bürgerrecht hat zu verschiedenen Zeiten ganz verschiedenen Umfang gehabt. Es nimmt seinen Ausgang von dem Bürgerrecht der patricischen Geschlechter, in das frühzeitig die Plebs nach ihrer Emancipierung, wenn auch mit nicht vollkommener Gleichberechtigung, Eingang gefunden hat. Wann das geschehen ist, wissen wir nicht. ,Der späteren römischen Auffassung gilt Servius Tullius als der Begründer der patricisch-plebeischen Volksordnung. Als servianisch gilt alles, was mit der Begründung des patricisch-plebeischen Gesamtpopulus der Republik zusammenhängt, der an die Stelle des alten Geschlechterstaates tritt‘, K. J. Neumann Die Grundherrschaft der röm. Republik, die Bauernbefreiung und die Entstehung der servianischen Verfassung 20f.; der Versuch Neumanns, alles dies in die J. 471–456 v. Chr. zu verlegen, ist nicht geglückt.
Erst das Bürgerrecht der patricisch-plebeischen Gesamtgemeinde heisst technisch c. Romana. Mit ihm allein haben wir uns hier zu beschäftigen.
Der Inhaber der c. Romana gehört zur patricisch-plebeischen Bürgerschaft, dem populus Romanus Quirites [305] oder Quiritium, entweder als Patricier oder Plebejer. Denn der Patriciat bestand innerhalb des Gesamtpopulus fort: ,Bürger ist der Patricier wie der Plebejer, aber er ist nur entweder jenes oder dieses, und so wenig wie zwei Bürgerschaften kann man zugleich dem einen und dem anderen Kreise angehören,‘ Mommsen St.-R. III 129. Seit der Aufnahme auch der nicht grundbesitzenden Bürger in die Tribus durch Appius Claudius im J. 442 = 312 bildet das äussere Kennzeichen des Bürgers – wenigstens bei den männlichen Mitgliedern des Populus – der Besitz der Tribus, die früher als das Cognomen ein Bestandteil der officiellen bürgerlichen Namengebung wurde, vgl. Lex Acilia de repetund. CIL I 198 Z. 14. 17. 18. Gegenüber dem Vollbürgerrecht der Patricier und Plebejer hat das römische Aristokratenvolk aber gleich wieder neue Abstufungen durch Schöpfung minderer Bürgerrechte geschaffen. So haben alle Libertinen nur ein Bürgerrecht zweiter Classe. Neben dem Freigelassenenbürgerrecht tritt durch die Erweiterung des römischen Staatswesens die sog. c. sine suffragio auf, die man als das Halbbürgerrecht zu bezeichnen sich gewöhnt hat. Von diesen minderen Bürgerrechten ist das der Freigelassenen nie demjenigen der Ingenui ganz gleich geworden, während die c. sine suffragio ,wie relativ spät entstanden, so relativ früh wieder beseitigt worden‘ ist, Mommsen St.-R. III 571. Von beiden wird unten noch die Rede sein.
Wer nicht civis Romanus ist, ist nach römischer Anschauung, wenn er auf dem Boden des römischen Gemeinwesens lebt, entweder servus (libertinus) oder incola, wenn er ausserhalb sich befindet, hostis oder peregrinus (beides Termini des Privatrechtes, vgl. Cic. de off. I 37), oder auch exter (externus) d. h. Ausländer, dem gegenüber, wenn nicht vertragsmässig anderes vereinbart ist, die Rechtlosigkeit die Regel ist. Eine eigentümliche Zwischenstellung nimmt der Latiner ein: wie er terminologisch den Peregrinen nicht zugezählt wird, ist er auf Grund der zwischen Römern und Latinern bestehenden Verkehrsgemeinschaft (commercium) privatrechtlich sowie äusserlich, d. h. in Name und Tracht, dem civis Romanus vollkommen gleichgestellt, nur staatsrechtlich repräsentiert er eine niedrigere Schicht als die cives Romani, doch ist ihm, wie wir sehen werden, der Eintritt in die c. Romana erleichtert.
Inhalt der civitas Romana. Die volle c. Romana umfasst einen Complex von Rechten und Pflichten teils staatsrechtlicher, teils privatrechtlicher Art. Die in das Gebiet des Staatsrechtes fallenden sind hauptsächlich die Steuerpflicht, die Wehrpflicht, das Recht der Berufung an das Volk (ius provocationis), das Stimmrecht und das Recht auf die Ämter. Äusserlich unterscheiden sich die Bürger (mit Einschluss der Latiner, s. o.) von den Nichtbürgern durch den Namen und die Tracht, vgl. Mommsen Röm. Forsch. I 3ff.; St.-R. III 200ff. Der bürgerliche Name besteht aus drei Bestandteilen, dem praenomen d. i. dem Individualnamen, der zunächst das Distinctiv des Bürgers war, dem nomen gentilicium und dem Namen des Gewalthabers, meist des Vaters, im Genitiv; dazu kam dann früh (s. o.), wenigstens bei den Männern, die [306] Tribus, die lange Zeit der unzweideutigste Ausdruck für den Besitz des römischen Vollbürgerrechtes war. Die allgemeine bürgerliche Tracht war die völlig weisse Toga; doch ist gerade hier am ersten das Gesetz durchbrochen worden, indem ausser den Latinern auch alle durch foedus an Rom angegliederten Italiker (Kornemann De civibus Romanis in prov. consistentibus 6ff.), seit dem Bundesgenossenkrieg auch die factisch latinisierten Gemeinden in den Provinzen, z. B. in Spanien (Strab. III 151. 167), in den Kreis der togati aufgenommen worden sind.
Jeder Bürger ist in der Theorie steuerpflichtig, und zwar nach der Höhe seines Vermögens, in der Praxis ist die Erhebung einer directen Steuer (tributum) von Fall zu Fall vorgenommen, ja lange Zeit, von 587 = 167 bis auf Diocletian, mit einer Ausnahme (711 = 43 v. Chr., Appian. b. c. V 130. Cass. Dio XLVIII 16. XLIX 15), ausser Übung gesetzt worden. Die wichtigste Bürgerpflicht ist die Wehrpflicht. Vom Dienst in der Legion waren Nichtbürger ein für allemal ausgeschlossen. Die Heranziehung des Bürgers zum Waffendienst geschah ebenfalls auf Grund des Census, wenigstens bis auf Marius, von dem ab nicht mehr nach der vermögensrechtlichen Qualification gefragt wurde. Die marianische Heeresordnung ist der Ausgangspunkt der kaiserlichen, über deren Verhältnis zum Bürgerrecht weiter unten gehandelt wird. Auf der Wehrpflicht bezw. dem Wehrrecht basierte unter der Republik das Stimmrecht. Die Wehrordnung ist in der historischen Zeit die Stimmordnung. Der Besitz des Vollbürgerrechtes giebt endlich das Recht zu Ämtern nicht nur zu wählen, sondern auch gewählt zu werden, wenn nicht ausdrücklich das Gegenteil gesetzlich festgelegt war, wie für die Plebejer bezüglich der den Patriciern reservierten Ämter, für die cives sine suffragio bezüglich aller Magistraturen, ebenso für den Opferkönig und in älterer Zeit wohl noch für andere Priester, endlich die Freigelassenen und ihre Kinder. Infolge der allmählich factisch eintretenden Occupation aller höheren Ämter und des Senats durch einen bestimmten Kreis von ,amtsfähigen‘ Familien entstand innerhalb der Bürgerschaft neben dem Patriciat eine neue Art von Erbadel, die Nobilität oder der Senatorenstand, und darunter als eine weitere Oberschicht aus dem Institut der Bürgerreiterei der Ritterstand, der seit C. Gracchus sich mit dem Senat in die öffentlichen Stellungen teilte. Seitdem ist die Bürgerschaft in dieser Weise dreigeteilt, und diese Dreiteilung ist von dem Principat rechtlich fundamentiert worden.
Auf dem Gebiete des Privatrechtes gab der Besitz der c. Romana, hauptsächlich folgende Vorrechte (iura privata): commercium, conubium, sowie auf dem Boden des Familienrechtes ius patriae potestatis, die Agnations- und Gentilitätsrechte (vgl. diese Art. und Karlowa Röm. Rechtsgeschichte II 69ff.).
Die Entwicklung des römischen Staatswesens seit dem Bundesgenossenkrieg hat manche der aufgezählten bürgerlichen Praerogativen aus dem Bereiche des Staatsrechtes, vor allem seit dem Principat, überflüssig gemacht, in erster Linie das Stimmrecht. Der Nachdruck lag in der Kaiserzeit auf den Vergünstigungen im Gebiete des [307] Privatrechtes, auf der Exemtion von der Körperstrafe, auf dem Recht der Berufung an den Kaiser, der factischen Befreiung von jeglicher directer Steuer, der Möglichkeit, zu den Staatsämtern und in den Senat zu gelangen, letzteres allerdings stellenweise nur nach Erfüllung bestimmter Bedingungen (s. u.).
Erwerbung. Die Erweiterung der Bürgerschaft geschah durch Verleihung des Bürgerrechts – und zwar in der Regel der Plebität – an einzelne, an Gruppen von Personen oder an ganze Gemeinden.
Einzeln (viritim, singillatim) wurde das römische Bürgerrecht ausser durch Geburt (Art. Conubium und Matrimonium) erworben:
1. Von Altlatinern:
a) durch Adoption seitens eines römischen Bürgers, Liv. XLI 8;
b) durch Übersiedlung nach Rom und Aufnahme in die römischen Schatzungslisten: in c. Romanam per migrationem et censum venire, beschränkt durch einen Volksbeschluss der vor das J. 577 = 177 gehört, wonach der Übertritt an die Zurücklassung eines Sohnes als Bürger der Heimatgemeinde geknüpft wurde, Liv. XLI 8. 9 (ebd. wird berichtet über die Versuche zur Umgehung des Gesetzes, dazu Mommsen St.-R. III 630, 1), nach mehreren wirkungslosen Repressivmassregeln seitens der Censoren (567 = 187, Liv. XXXIX 3, 4, 577 = 177 ebd. XLI 9, 9) und der nicht zur Ausführung gelangten Gegenmassregel des C. Gracchus allen Latinern das Bürgerrecht zu verleihen (Appian. b. c. I 23), definitiv aufgehoben durch die lex Licinia et Mucia vom J. 659 = 95, Ascon. in Corn. p. 59f. K.-Sch. Schol. Bob. p. 296. Cic. pro Balbo 54. Mommsen St.-R. III 639, 2;
c) der Antrag des Sp. Carvilius in der Not des hannibalischen Krieges (im J. 216), je zwei vornehmen Männern aus jeder latinischen Gemeinde das römische Bürgerrecht und Sitz im Senat zu verleihen, ging nicht durch, Liv. XXIII 22.
2. Von den latini coloniarii, d. h. den Angehörigen der seit 486 = 268 (Gründung von Ariminum) geschaffenen 12 latinischen Colonien minderen Rechtes in Italien und allen ausseritalischen:
a) durch Bekleidung eines höheren Gemeindeamtes in ihrer Colonie (Praetur, Duovirat, Aedilität, stellenweise auch der Quaestur), Lex Acilia de repetundis vom J. 631/2 = 123/2 CIL I 198 Z. 78. Ascon. in Pison. p. 3 K.-Sch. Cic. ad Att. V 11, 2. Appian. b. c. II 26. Strab. IV 187. Lex munic. Salp. (CIL II 1963) c. 21, vgl. c. 22. 23. 25. CIL II 1631. 1945 add. 2096, vgl. Plin. paneg. 37. Gai. Inst. I 95: per Latium oder Latii iure venire in civitatem, in der Kaiserzeit, etwa seit der Zeit Hadrians (so Hirschfeld Zur Gesch. des lat. Rechts 14), als es Schwierigkeiten zu machen begann, geeignete Bewerber für den Decurionat zu bekommen, durch den blossen Eintritt in die Curie; hierauf beruht der Gegensatz des Latium minus und Latium maius, Gai. I 96. Hirschfeld a. a. O. 2f. Nach dem Decret für Tergeste aus der Zeit des Antoninus Pius (CIL V 532) erlangen die der Colonie attribuierten Carner und Cataler die Latinität, durch die Bekleidung der Aedilität in Tergeste den Eintritt in die Curie und dadurch das römische Bürgerrecht; [308]
b) durch erfolgreiche Erhebung der Repetundenklage, eine Belohnung, die ursprünglich jedem Peregrinen zugestanden war (Lex Acilia CIL I 198 Z. 76), durch die Lex Servilia repetundarum vom J. 643 = 111 aber den Latinern allein vorbehalten wurde, Cic. pro Balbo 53. 54.
3. Von den liberti Latini Iuniani, d. h. den ohne Beobachtung der Rechtsform Freigelassenen latinischer Rechtsstellung in der Kaiserzeit (Ulp. tit. 3. Gai. Inst. I 32 b ff.).
a) wenn der Betreffende vor dem 30. Lebensjahr freigelassen worden war und mit einer Frau römischer bezw. latinischer Rechtstellung Kinder gezeugt hatte, Ulp. 3, 3;
b) wenn ein erst nach dem 30. Jahre Freigelassener zum zweitenmal iuste von demjenigen manumittiert wurde, dessen Sclave ex iure Quiritium er gewesen war, Ulp. 3, 4;
c) auf Grund der Lex Visellia vom J. 23 n. Chr. zur Belohnung für sechsjährigen (später dreijährigen) Dienst inter vigiles, Ulp. 3. 5. Karlowa Röm. Rechtsgesch. I 622;
d) nach einem Edict des Kaisers Claudius, wenn ein Latiner ein Schiff von mindestens 10 000 Modii Tragkraft baute und es sechs Jahre in den Dienst der stadtrömischen Getreideverpflegung stellte, Ulp. 3, 6. Suet. Claud. 18. 19, s. Art. Annona und Collegium;
e) wer beim Bau von stadtrömischen Gebäuden mindestens die Hälfte seines Vermögens angelegt hatte, Gai. I 33:
f) nach einer Constitution Traians, wer drei Jahre lang in der Hauptstadt das Bäckerhandwerk im Dienst der Annona unter bestimmten Bedingungen ausgeübt hatte, Gai. I 34.
4. Von Nichtbürgern aller Art:
a) durch Manumission von Sclaven, Cic. pro Balbo 24, jedoch mit Beschränkungen in der Ausübung der bürgerlichen Rechte. Diese Beschränkungen sind vielen Wandlungen unterworfen gewesen, da die Gesetzgebung gegenüber den Freigelassenen sehr schwankend war. Vieles haben dieselben sich erst erkämpfen müssen, wie die Führung des vollen bürgerlichen Namens; in anderem, wie in der Zurückdrängung auf die städtischen Tribus und in der Zulassung zum Legionsdienst ist eine fortwährende Verschlechterung der Rechtsstellung zu constatieren, Mommsen St.-R. III 420ff. Art. Libertinus;
b) durch personale Verleihung, in der Republik unmittelbar durch Volksbeschluss, was allerdings nicht häufig vorkam (Liv. III 29. XXVII 5, 7 [Dittenberger Herm. XV 158], vgl. XXVI 21, 11. Cic. pro Balbo 55), häufiger mittelbar (Mommsen St.-R. III 135; CIL III Suppl. p. 2006), und zwar durch den auf Grund eines Specialgesetzes mit der Gründung einer Bürgercolonie beauftragten Beamten (Cic. Brut. 79; pro Balbo 48) oder durch den Feldherrn für militärische Auszeichnung, zuerst durch C. Marius im kimbrischen Krieg 653 = 101 (Plut. Marius 28. Cic. pro Balbo 20. 21. Val. Max. V 2, 8) und seitdem in immer umfangreicherem Masse (Sisenna IIII frg. 120 Peter. Cic. pro Archia 25; pro Balbo 19. 32. Iustin. XLIII 5, 11. Cic. ad fam. XIII 36; Phil. I 24. V 11), aber stets erst nach vorangegangenem Volksbeschluss (Cic. pro Balbo 19. Mommsen St.-R. III 135, 5). Daraus haben [309] sich die Bürgerrechtsschenkungen entwickelt, auf denen das Militärwesen der Kaiserzeit basiert (darüber unten).
Ganze Gemeinden erhielten das Bürgerrecht in der republicanischen Zeit ebenfalls nur auf Grund eines Volksbeschlusses. Die ältere Republik war mit der Austeilung des Bürgerrechts offenbar sehr freigebig. Die eroberten Ortschaften wurden entweder dem römischen Staatswesen incorporiert oder zum Anschluss an den latinischen Bund gezwungen (Marquardt St.-V. I² 27). Etwa seit der Gallierkatastrophe trat eine neue Praxis ein, insofern nämlich die angegliederten Ortschaften als solche bestehen gelassen, aber mit einem geringeren Bürgerrecht, der sog. c. sine suffragio ausgestattet wurden. Man verlieh diesen Neubürgern, technisch municipes genannt (vgl. Art. Municipium), folgende Rechte und Pflichten römischer Bürger: man zog sie zur Steuerzahlung und zum Militärdienst heran, gab ihnen die privatrechtliche Stellung der cives Romani, das commercium, und teilweise das conubium, aber man verweigerte ihnen das Provocationsrecht, den Besitz der Tribus und vor allem das active sowohl wie das passive Stimmrecht (ius suffragii und ius bonorum). Diese Halbbürgergemeinden, wie man sie zu nennen pflegt, zerfielen in zwei Classen, je nachdem ihnen die eigene Verwaltung zugestanden wurde (= municipia, s. d.) oder nicht (= praefecturae Fest. p. 233, s. den Art.), vgl. Fest. p. 127. 142. Schon 373 = 381 soll Tusculum als selbständige Halbbürgergemeinde in das römische Gemeinwesen aufgenommen worden sein (Liv. VI 26. Fest. p. 127, dazu Mommsen St.-R. III 177, 1. Marquardt St.-V. I² 28, 4). Anderswo (Gell. XVI 13) wird Caere als die erste c. sine suffragio bezeichnet, und zwar scheint diese Gemeinde von vornherein in die zweite Kategorie zu gehören (Fest. p. 142). Dafür spricht, dass in den Listen der römischen Censoren das Verzeichnis der steuerpflichtigen cives Romani sine suffragio (aerarii) tabulae Caeritum hiess, offenbar weil die Caeriten als die ältesten hier zuerst standen (Strab. V 220. Gell. XVI 13, 7. Schol. Cic. Verr. p. 103 Or. Karlowa Röm. Rechtsgeschichte I 233). Die Zahl dieser Halbbürgergemeinden nahm sehr zu seit der Beilegung des Latinerkrieges im J. 416 = 338. Die bedeutendste unter den damals in dieser Eigenschaft in den römischen Staatsverband eintretenden Gemeinden war Capua (Liv. VIII 14. Vell. I 14; vgl. CIL X p. 365). Allmählich wurde fast ganz Mittelitalien in dieser Form dem römischen Staat incorporiert. In den Halbbürgergemeinden konnte es aber auch mit dem Vollbürgerrecht irgendwelcher Verdienste halber ausgestattete Leute geben (Liv. VIII 11, 15. Mommsen St.-R. III 574, 3). Bei allen Gemeinwesen dieser Art lag die Tendenz vor, aus dieser Zwitterstellung herauszukommen. Am frühesten gelang das den latinischen Gemeinden, die in jener Stellung sich befanden. Vielleicht war Tusculum die erste, die volles Bürgerrecht empfing (Mommsen St.-R. III 177, 1. Marquardt St.-V. I² 28, 4); ihm folgten allmählich die übrigen latinischen und angrenzenden Gemeinden, z. B. 486 = 268 die Sabini (Vell. I 14, 7), 566 = 188 Fundi, Formiae, Arpinum (Liv. XXXVIII 36, 7), sodass schon fast 100 Jahre vor [310] dem Bundesgenossenkrieg diese Entwicklung abgeschlossen und der Begriff der c. sine suffragio aus dem römischen Staatsrecht verschwunden war. Eine Ausnahme bilden nur die seit 544 = 210 degradierten Bewohner von Capua, die seit 565 = 189 zum römischen Census und zum conubium wieder zugelassen waren (Liv. XXXVIII 36), also die c. sine suffragio in der geringsten Form wieder besassen und auch bis auf Caesar behalten haben.
Im übrigen aber war in dem besagten Zeitraum, da die Oligarchie mit ihrer Exclusivität unumschränkt das Heft in der Hand hatte, ein Stillstand in der Ausbreitung des Bürgerrechtes eingetreten. Wie im Innern war auch nach aussen Abschluss die Parole. C. Gracchus suchte mit seinem Antrag auf Verleihung des Bürgerrechts an alle Italiker eine Bresche in dieses System zu legen. Weder ihm noch anderen gelang das; erst im sog. Bundesgenossenkrieg (663 = 91 bis 665 = 89) erstritten die Italiker auf dem Schlachtfeld die Aufnahme in den Kreis der cives Romani. Dieser Krieg ist der wichtigste Einschnitt in der Geschichte des römischen Bürgerrechtes. Seitdem ist das ehemalige Stadtbürgerrecht ein Staatsbürgerrecht geworden. Während früher die Incompatibilität zweier Bürgerrechte Rechtssatz war (darüber unten), wurde jetzt das Umgekehrte die Regel, dass nämlich jeder römische Bürger neben der allgemeinen römischen noch eine besondere Heimat haben müsse, mit anderen Worten, es entwickelte sich das Municipalrecht, das der ältesten rein städtischen römischen Ordnung fremd war (Mommsen St.-R. III 774). Nunmehr ,ist die römische Bürgerschaft die Conföderation der sämtlichen Bürgergemeinden, oder, wie die römischen Rechtslehrer dies ausdrücken, es steht für jeden Römer neben der communis patria Roma die Sonderheimat, die domus oder die origo‘ (Mommsen ebd. 781). Über den dadurch hervorgerufenen Bedeutungswandel von municipium vgl. diesen Art., wo auch des Näheren über diese Entwicklung des Municipalrechts gehandelt wird. Von der Ausbreitung des Reichsbürgerrechtes vom Bundesgenossenkrieg ab durch die Kaiserzeit hindurch wird weiter unten gesprochen.
Verlust des Bürgerrechtes. Verloren wurde die c. Romana von einer einzelnen Persönlichkeit ausser durch den Tod beim Übertritt in einen anderen Staat, wobei Freiheit und Bürgerrecht oder nur das Bürgerrecht eingebüsst werden konnte, d. h. die Umwandlung des römischen Bürgers (1) in einen Unfreien oder (2) in einen Schutzbefohlenen bezw. Bürger einer auswärtigen Gemeinde eintreten konnte. Beide Fälle hat Mommsen St.-R. III 42ff. erschöpfend behandelt:
1. Die Umwandlung eines civis Romanus in einen Unfreien bedingte stets den Übergang in einen anderen Staatsverband, im Zwölftafelgesetz trans Tiberim. Sie trat ein:
a) Nach dem ältesten Kriminalrecbt bei gewissen Militärverbrechen, wie Desertion (Liv. ep. 55), Nichtstellung bei der Aushebung (Cic. pro Caec. 99. Dig. XLIX 16, 4, 10) oder der Schätzung (Gai. I 160. Dion. Hal. IV 15. Cic. pro Caec. 99).
b) Bei der Verletzung des Völkerrechtes durch einen römischen Bürger, so bei Verletzung von Gesandten (Dig. L 7, 18. Liv. ep. 15. XXXVIII [311] 42), bei Vergehen von römischen Gesandten (Diod. XIV 113. Liv. V 36. Plut. Camill. 18), bei zu Unrecht abgeschlossenen Friedensverträgen, in welchem Falle der betreffende Magistrat ausgeliefert wurde (z. B. 617 = 137 der Consul C. Mancinus an die Numantiner, Vell. II 1).
c) Bei Übergang römischen Eigentums und mit ihm des Haussohnes an einen stammfremden Mann (Cic. de orat. I 181; pro Caec. 98) – ein Fall, der aber in dem entwickelten Recht nicht mehr vorkommt, Mommsen Juristische Abhandlungen, Festgabe für Beseler 257.
d) Beim Verkauf eines dem Kläger im Civilprocess zum Eigentum zugesprochenen Beklagten in das Ausland (Gell. XX 1, 48), wovon das spätere Recht ebenfalls nichts mehr weiss.
e) Bei Kriegsgefangenschaft, in welchem Falle zum mindesten Suspension des Bürgerrechtes eintrat, nach der älteren Auffassung der Juristen sogar Zerstörung (Fest. ep. p. 70. Caes. bell. civ. S II 32), ein Fall, der ebenfalls ,späterhin nur eine theoretische Scheinexistenz gehabt haben kann‘, Mommsen Festgabe für Beseler 258.
Herbeiführung der Sclavenstellung innerhalb der römisch-latinischen Conföderation bedingte in der republicanischen Zeit gleichfalls nur Suspension (Fest. ep. p. 70. Gai. Inst. I 135), erst in der Kaieerzeit dagegen Verlust des Bürgerrechtes namentlich als Folge gewisser Strafen, wie bei Verurteilung zum Tode oder zur Zwangsarbeit in den Bergwerken.
2. ,Gleichzeitiges mehrfaches Bürgerrecht oder gleichzeitige Zugehörigkeit zu mehreren Gemeinden ist logisch wie praktisch so unmöglich, wie mehrfache Vaterschaft oder mehrfache Gentilität‘, Mommsen St.-R. III 47; vgl. Cic. pro Balbo 28: duarum civitatum civis noster esse iure civili nemo potest. 32 iura ... a maioribus nostris comparata, ne quis nostrum plus quam unius civitatis esse possit; vgl. auch pro Caec. 100. Der Verlust der c. Romana in diesem Falle trat ein:
a) Bei Austritt aus der römischen und Eintritt in eine mit Rom in Vertrag stehende Gemeinde = exilium, Tac. ann. IV 43. Cic. de domo 78; pro Caec. 100. Der Verlust des römischen Bürgerrechtes knüpft nach diesen Stellen aus Cicero an den Erwerb des neuen an, Karlowa Röm. Rechtsgesch. II 258f., anders Mommsen St.-R. III 50, 1. In der historischen Zeit trat das nur infolge von Zwang ein, zunächst um einer drohenden Verurteilung aus dem Wege zu gehen (Polyb. VI 14), später nach erfolgter Verurteilung (Sallust. Cat. 51, 40. Cic. de domo 78. Liv III 29, 6); vgl. im übrigen, namentlich über die Weiterbildung der Institution im Criminalrecht, den Art. Exilium.
b) Bei der freiwillig oder auf einen Volksbeschluss hin erfolgenden Beteiligung eines civis Romanus oder gewöhnlich einer Mehrheit von solchen an der Begründung oder Verstärkung einer latinischen Colonie, Cic. de domo 78; pro Caec. 98. Liv. X 21, 10. Dion. Hal. VII 13; vgl. den Gesetzesvorschlag vom J. 629 = 125 de provocatione ad populum eorum, qui civitatem mutare noluissent (Val. Max. IX 5, 1).
c) Wenn ein zum römischen Bürgerrecht durch Freilassung gelangter Sclave aus einem anderen Gemeinwesen in seinen heimischen Staat zurückkehrt, Cic. de orat. I 182; pro Balbo 29. [312]
d) Erst in der Revolutionszeit durch Aberkennung auf Grund eines Volksbeschlusses, was aber einzelnen Bürgern gegenüber auch damals sehr selten vorkam, so 654 = 100 bei Metellus Numidicus, 696 = 58 bei Cicero. Aus der Kaiserzeit kennen wir nur einen Fall dieser Art, in dem Claudius – als Censor – einen angesehenen Mann aus Achaia wegen Nichtkenntnis der lateinischen Sprache des Bürgerrechtes verlustig erklärte (Suet. Claud. 16).
Über die Wiedererwerbung des verlorenen Bürgerrechts vgl. Art. Postliminium.
Ganzen Gemeinden gegenüber ist die Entziehung des römischen Bürgerrechts zur Strafe durch Volksbeschluss häufiger vorgekommen, vor allem bei solchen mit c. sine suffragio, so 544 = 210 bei Capua (Liv. XXVI 34), dann auch bei Vollbürgerstädten, wie 673 = 81 auf Antrag des Dictators Sulla bei einer Anzahl etruskischer Municipien, namentlich Arretium und Volaterrae (Cic. de domo 79).
Verleihung wie Entziehung des Bürgerrechtes lag also unter der Republik, mochte es sich nun um einzelne oder um Gemeinden handeln, bei den Comitien; die Verleihung begegnet in dieser Weise noch unter Caesar, wie die Bürgerrechtserteilung an die Transpadaner auf Grund des roscischen Gesetzes (Herm. XVI 33f.), die an die Gaditaner auf Grund eines anderen (Cass. Dio XLI 24) beweisen. Die Entziehung lag ursprünglich nach dem Zwölftafelgesetz ausschliesslich bei den Centurienversammlungen (Cic. pro Sestio 65. 73), seit der Lex Hortensia aber wohl auch bei den Tributcomitien (darüber Mommsen St.-R. III 329, 1). Der Senat war in dieser Beziehung incompetent (Liv. XXVI 33, 10); wenn er handelt, geschieht das immer im Wege der Delegation (Cic. pro Balbo 25, dazu Mommsen a. a. O. III 328 mit Anm. 2. 1236). Was von dem Bürgerrecht gesagt ist, gilt auch von dem vornehmsten Bestandteil desselben, dem Stimmrecht. Auch die Verleihung und Entziehung des Stimmrechtes gehören zu den Reservatrechten des populus (Liv. XXXVIII 36, 8). Den Censoren fehlt sowohl bezüglich des Bürger- wie des Stimmrechtes die Berechtigung einer Verleihung oder Entziehung etwa durch Anerkennung oder Nichtanerkennung beim Schätzungsact, Cic. pro Archia 11: census non ius civitatis confirmat ac tantum modo indicat eum qui sit census se iam tum gessisse pro cive; über den Fall, in dem Claudius als Censor das Bürgerrecht aberkannte (Suet. Claud. 16, s. o.), vgl. Mommsen St.-R. II³ 1099. Die Censoren galten in der spätrepublicanischen Zeit sogar nicht für berechtigt, einen Vollbürger von der Stimmliste zu streichen (Liv. XLV 15), obwohl sie das früher oft gethan hatten, zumal ja durch den censorischen Act das Stimmrecht nicht genommen, sondern dessen Ausübung nur suspendiert wurde. Nicht die Censoren also, wohl aber, wie oben schon bemerkt, die mit der Gründung einer Colonie betrauten Beamten und die Feldherren hatten das Recht der Civitätsverleihung, letztere wegen tapferer Haltung vor dem Feinde, aber auch diese Beamten nur auf Grund einer durch Volksbeschluss zustandegekommenen Lex; also war auch mittelbar in diesen Fällen der populus der Urheber (s. o. S. 308). [313]
Ausbreitung des Bürgerrechtes in der Kaiserzeit. Unter dem Principat hörte die Mitwirkung des Volkes bei der Bürgerrechtsverleihung auf. Wie das Recht der Coloniegründung (Art. Coloniae Bd. IV S. 565) hat der Princeps vom Volk auch die Einreihung von Peregrinen unter die cives Romani der neuen Bürgergemeinde geerbt, und aus der feldherrlichen Civitätsschenkung, wie sie zuerst Marius im Cimbernkrieg und dann Sulla, Pompeius und Caesar geübt haben (Mommsen Herm. XIX 11ff.), haben sich die umfangreichen Bürgerrechtsverleihungen der Kaiser entwickelt, auf denen das Militärwesen unter dem Principat basiert.
Die Kaiser haben sowohl an einzelne Individuen wie an grössere Gruppen von Personen und an ganze Gemeinden und Landschaften das Bürgerrecht verschenkt. Beispiele von viritim civitate Romana donati sind in der Litteratur und auf Inschriften sehr häufig: Suet. Aug. 40; Nero 12; de gramm. 22. Cass. Dio LVII 17. Plin. ep. ad Trai. 5. 6. 7. Tac. ann. I 58. III 40. VI 37; hist. I 8. Plut. Galba 18 (vgl. auch Mitteis Reichsrecht und Volksrecht 148). CIL II 159. III 5232. 6785. XI 85. 187. 3943. CIA III 702. Ruggiero Dizion. epigr. II 263. Auch wo es sich um Massenverleihungen handelt, sind dieselben stets als Personalprivilegien aufzufassen, Mommsen St.-R. II³ 892. Eine solche Massenverleihung liegt z. B. vor im Edictum Claudii de civitate Anaunorum CIL V 5050 = Bruns Fontes⁵ 224. Dann tritt eine solche ein bei den kaiserlichen Coloniegründungen rein fictiver Natur, d. h. denjenigen ohne Deduction von Colonisten lediglich durch die Erhebung der seitherigen peregrinen Einwohnerschaft zur Rechtsstellung von cives Romani, eine Form, die seit Hadrian die Regel wurde (Art. Coloniae Bd. IV S. 564ff.) und bei Verleihungen von Municipalrecht (Art. Municipium). Abstufungen innerhalb der cives Romani des Reiches fehlten auch jetzt nicht; die Reichsbürger Italiens blieben bezüglich des Bodenrechtes immer bevorzugt (Art. Ius Italicum), die mit Bürgerrecht ausgestatteten Bewohner der Tres Galliae erhielten das Ius honorum erst durch Claudius. Die Bewohner Ägyptens blieben bezüglich der Bürgerrechtserwerbung stets benachteiligt, insofern dieselbe vom Besitz des alexandrinischen Bürgerrechtes abhängig gemacht wurde (Plin. ep. ad Trai. 4. 5. 23). Der Grad der Freigebigkeit war bei der Bewilligung der Civität durch die einzelnen Kaiser sehr verschieden. Am freigebigsten war unstreitig Caesar, der das Reich offenbar möglichst schnell zu einem Complex von griechischen und römischen oder latinischen Städten hat machen wollen, viel zurückhaltender waren Augustus und sein Nachfolger (Suet. Aug. 40. 47. Tac. ann. I 58. Cass. Dio LIV 25. LVI 33). In die caesarischen Bahnen lenkten Claudius und Nero wieder ein (Cass. Dio LX 17. Senec. lud. de morte Claud. 3. Suet. Nero 12), während Galba von neuem ablehnend in diesem Punkte sich verhielt (Suet. Galba 14 civitatem Romanam raro dedit). Seit dem Regierungsantritt seines Nachfolgers ist der Sieg des caesarischen Systems unbestritten (Tac. hist. I 78. Plin. ep. ad Trai. 22. 107. 108), vor allem seit Hadrian. Den Höhepunkt bedeutet die Herrschaft [314] der Severe, unter der der Abschluss der ganzen Entwicklung durch die constitutio Antoniniana des Caracalla vom Herbst des J. 212 n. Chr. (Cass. Dio ep. LXXVII 9. Ulp. Dig. I 5, 17. Nov. Iust. 78, 5. Hist. Aug. Sever. 1, 2. Augustin civ. Dei V 17) erfolgte. Über dieselbe vgl. Mommsen Herm. XVI 474ff.; St.-R. III 699f. Herzog St.-Verw. II 476f. 935f. Mitteis Reichsrecht und Volksr. 159. Wilcken Herm. XXVII 295ff. P. Meyer Das Heerwesen d. Ptol. u. Römer in Ägypten 136ff. Falsch ist die ältere Ansicht, die auf Grund der etwas allgemein gehaltenen antiken Tradition (besonders Ulp. Dig. I 5, 17) annahm, dass damals alle Reichsangehörigen cives Romani geworden wären. Mommsen (Herm. a. a. O.) spricht die Vermutung aus, dass nur alle in städtischem oder einem dem gleichwertigen Gemeindeverband stehenden peregrinen ingenui mit der Civität ausgestattet worden seien, und dass die Constitution vielleicht auch die derzeitigen Freigelassenen und die Bewohner attribuierter Districte ausschloss, endlich, dass wohl die nach Caracalla aus dem Ausland freiwillig oder gezwungen übergetretenen und grösstenteils in das Verhältnis des Colonats gebrachten Nichtrömer schwerlich als Vollbürger betrachtet worden seien. Diese Aufstellungen Mommsens sind durch Wilcken (Herm. XXVII 295) und besonders P. Meyer (a. a. O.), was Ägypten betrifft, wo Mommsen nur eine Zulassung der Alexandriner angenommen hatte, wesentlich modificiert worden.
Eine dauernde Quelle der Bürgervermehrung war endlich in der Kaiserzeit die Armee. Wir betrachten daher zum Schluss
Bürgerrecht und Heerwesen der Kaiserzeit. Schon in der letzten Zeit der Republik war mit der Befugnis des Feldherrn das Bürgerrecht zu verleihen, falls dieselbe schon beim Amtsantritt dem Betreffenden verliehen wurde, die Möglichkeit gegeben, Nichtbürger nach erfolgter Erhebung zu cives Romani in die Legionen einzustellen. Zuerst scheint das von Pompeius im mithridatischen Krieg geübt worden zu sein (Mommsen Herm. XIX 12 mit Anm. 2). Die Sache nahm grössere Dimensionen an in dem caesarisch-pompeianischen Bürgerkrieg, in welchem auf pompeianischer Seite ganze Legionen (legiones vernaculae) in dieser Weise aus Nichtbürgern gebildet wurden (Caes. bell. civ. II 20. Bell. Alex. 53. 54. 57. Bell. Hisp. 10. 12), während Caesar in dem transalpinischen Gallien ebenfalls Truppenabteilungen aushob, deren Angehörige, wenn auch nicht sofort, das Bürgerrecht erhielten, denen aber die Legionsqualität versagt blieb (Suet. Caes. 24, dazu Mommsen a. a. O. 18f.). In den Stürmen der Triumviralzeit gewann das pompeianische System die Oberhand. Nun wurden ,in grosser Zahl Legionen aus Nichtbürgern gebildet, die mit dem Eintritt in die Truppen und durch ihn das Bürgerrecht erwarben‘.
Die Regierung des Augustus bedeutet auch hierin, wie in vielem anderen, eine Rückkehr zu den besseren Zeiten. Unter ihm wie unter seinen beiden ersten Nachfolgern erfolgte die Recrutierung der Legionen fast ausschliesslich aus italischen, bis Domitian aus italischen und provinciellen Bürgern (Seeck Rh. Mus. XLVIII 602f.). [315] Nur in Notlagen wurde ausnahmsweise auf Nichtbürger zurückgegriffen, wie nach der varianischen Niederlage (Tac. ann. I 31. Mommsen Herm. XIX 15; Res gestae² 70. Seeck a. a. O. 615) und im Dreikaiserjahr 69 n. Chr. (Seeck ebd. 616). Seit Traian und Hadrian werden dann die Italiker fast ganz aus den Legionen verdrängt, und seitdem die örtliche Conscription unter Hadrian aufzukommen begonnen hatte (Mommsen Herm. XIX 21), fragte man immer weniger nach der bürgerlichen Abstammung der Recruten (Seeck a. a. O. 616). Da aber der Besitz des Bürgerrechtes stets die Vorbedingung zum Legionsdienst blieb, so war mit der Aufnahme von Nichtbürgern in die Legionen stets die Verleihung der Civität an dieselben verbunden. Eine nur scheinbare Ausnahme liegt vor bei den von Nero bezw. Vitellius aus Flottensoldaten gebildeten legiones I und II adiutr. vgl. Dipl. IV–VII CIL III p. 847–849, Suppl. p. 1958, dazu Mommsen ebd. p. 2014. Auch die Angehörigen der alae und cohortes civium Romanorum waren zunächst Inhaber des römischen Bürgerrechtes, oder sie erhielten dasselbe, wenn sie es nicht besassen, sofort, aber lediglich als persönliches Recht. Allgemeine Bedingung zum Eintritt war es späterhin nicht. Unter Domitian begegnen in der cohors VIII voluntariorum civium Romanorum solche, qui peregrinae condicionis probati essent (Dipl. XXIII CIL III Suppl. p. 1966 [XVI p. 859]), die erst nach Ableistung der vorgeschriebenen Dienstzeit mit dem Bürgerrecht beschenkt wurden.
Dies war die bei den Auxiliartruppen und Flottensoldaten allgemein gebräuchliche Form. Hier dienten bekanntlich anfangs nur Leute peregriner Rechtsstellung. Wir haben (CIL III p. 843–919 und Suppl p. 1955–2038) eine ganze Anzahl hierhergehöriger Urkunden, tabulae aereae, in quibus publicae constitutiones (vgl. Gaius I 57: principalibus constitutionibus) inciduntur, wie Plinius n. h. XXXIV 99 sagt, dazu Cicero ad. fam. XIII 33 (vgl. Philipp. II 92), wo schon von Caesar berichtet wird: tabulam, in qua nomina civitate donatorum incisa essent, revelli iussisse; vgl. auch den Papyrus BGU 113: ἕτεροι οὐετρανοὶ οἱ χωρὶς χαλκῶν (darüber Mommsen CIL III Suppl. p. 2008. 2016 und anders P. Meyer Ztschr. der Savignystiftg., Roman. Abt. XVIII 70). Auf den Diplomen der peregrinen Truppen steht die Formel: quorum nomina subscripta sunt, ipsis liberis posterisque eorum civitatem (Romanam) dedit et conubium cum uxoribus, quas tunc habuissent, cum est civitas iis data, aut, si qui caelibes essent, cum iis quas postea duxissent, dumtaxat singulis singulas (ähnlich auf einem Papyrus des J. 143 BGU 113), d. h. die Betreffenden empfingen nach beendigter Dienstzeit, mochten sie entlassen werden oder noch freiwillig weiter dienen, das römische Bürgerrecht für sich und ihre Kinder sowie das conubium mit Frauen peregrinen Standes und die Legitimation der Kinder aus einer solchen Ehe. In den Diplomen der auxiliarii (nicht dagegen der Flottensoldaten) fehlt vom J. 146 ab der Zusatz liberis posterisque, wodurch erwiesen wird, dass von jetzt ab die Bürgerrechtsverleihung auf den Veteranen allein (und seine Frau) sich bezog, Dipl. LVI ff. dazu Mommsen CIL III Suppl. [316] p. 2015, vgl. den erwähnten Papyrus vom J. 143, wo nach einer Gruppe von Veteranen, die nach der alten Formel entlassen werden, schon solche auftreten, die für sich allein das Bürgerrecht erhalten: καὶ ἕτεροι οὐετρανοὶ καὶ αὐτοὶ ἐπιτυχόντες μόνοι τῆς Ῥωμαίων πολιτείας. Da wir hier dem Jahrgang 117 begegnen, so gehört die Neuerung in den Anfang der Regierung des Hadrian (P. Meyer Ztschr. d. Savigny-Stiftg., Roman. Abt. XVIII 69), von dem ab das matrimonium der Auxiliare ebenso wie das matrimonium iniustum der milites cives Romani behandelt wird. Der Grund hierfür ist in der Zunahme der cives Romani in den Auxilien zu suchen, worauf die nunmehr begegnende Formel der Diplome: civitatem Romanam qui eorum non haberent dedit hinweist; die Auxiliare peregrinae condicionis sollen bei der Entlassung nicht bevorzugt werden gegenüber den eherechtlich schon immer benachteiligten Soldaten bürgerlicher Herkunft, die jetzt auch die Majorität der Auxiliartruppen bildeten (P. Meyer Der röm. Concubinat 120; Ztschr. d. Savigny-Stiftg. XVIII 71ff.). Seit dem J. 178 hören die Diplome der Auxiliartruppen überhaupt auf. P. Meyer (Concubinat 120) vermutet, dass sie von jetzt ab beim Abschied, da nun fast durchgängig cives in den auxilia dienten, weder c. noch conubium erhielten.
Im Gegensatz zu den auxiliarii empfingen, wie schon angedeutet, die römischen Bürgersoldaten niemals nachträgliche Legitimation ihrer Kinder. Den Angehörigen der cohortes praetoriae und urbanae dagegen wurde am Ende der Dienstzeit ius conubii, wenn auch ohne rückwirkende Kraft bezüglich der vorhandenen Kinder, gewährt (Gai. Inst. I 57, dazu Mommsen CIL III Suppl. p. 2012), während den Legionssoldaten in dieser Beziehung überhaupt keine Vergünstigung zu Teil wurde. Zum Ersatz haben die Kaiser das zuerst in Ägypten (schon unter Augustus) zu beobachtende Institut der Kinder ex castris weiter entwickelt, d. h. es haben die während der Dienstzeit in den canabae als Peregrine geborenen Soldatenkinder, und zwar ursprünglich nur die im matrimonium ex iure gentium, seit dem 2. Jhdt. auch die im Concubinat von römischen Soldaten erzeugten, wenn sie gleichfalls in den Militärdienst eintraten, die Civität erhalten. ,Ihre origo ist das Lager, nicht die origo des Vaters; daher erhalten sie die Bezeichnung castris und als besondere Tribus die Pollia‘ (P. Meyer Concubinat 111: Ztschr. d. Savigny-Stiftg. XVIII 71). Es wurde so nicht nur aus ,Soldatenfamilien‘ der Soldatenstand, sondern auch der Kreis der cives Romani des Reiches fortdauernd vermehrt. Die Entwicklung bewegt sich später in der Richtung weiter, den Soldaten aller Gattungen die rechtmässige Ehe zu gestatten. Den ersten Schritt in dieser Entwicklung bezeichnet die Massregel des Severus Alexander, welcher den Söhnen der centuriones und decuriones castellani während ihrer Dienstzeit (ja meistens schon bei ihrem Eintritt in das Heer) c. und conubium gewährte (Dipl. XC, dazu P. Meyer Concubinat 121. 123. 174). Dadurch wurde die für die spätrömische Zeit charakteristische Grenzertruppe mit ihren an den Beruf gefesselten Angehörigen geschaffen, und andererseits das Bürgerrecht, welches unterdessen [317] schon auf die grössere Masse der Reichsangehörigen ausgedehnt worden war (constitutio Antoniniana, s. o.), auch in der Grenzbevölkerung immer weiter verbreitet. So wurde das Wort Ulpians (Dig. I 5, 17) von den cives Romani = in orbe Romano qui sunt in immer höherem Masse wahr. Schliesslich waren Peregrine nur noch die reichsangehörigen barbari oder gentiles einer Anzahl von Grenzdistricten, wie die Aethiopen, Saracenen, Lazen, Sanner, Abasger (Theodoret. graec. aff. 9 p. 337ff. Gaisf.) und die nicht reichsangehörigen Personen, welche innerhalb der römischen Grenzen verweilten, darunter vor allem die im Ausland angeworbenen Soldaten, vgl. Mommsen Ostgoth. Studien, Neues Archiv der Ges. f. ältere deutsche Geschichtsk. XIV 526. Mitteis Reichsrecht und Volksrecht 160.
Über die c. Latina vgl. den Art. Latium.
[Kornemann.]
Nachträge und Berichtigungen
P
Civitas
[2]) I. Das Staatswesen. II. C. (Romana), das (röm.) Bürgerrecht. S I.
[Hans Gärtner.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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