ART

5) Charidemos, Söldnerführer aus Oreos auf Euboia. Dort besass seine Mutter nach Dem. XXIII 213 das Bürgerrecht, während sein Vater nicht zu den Bürgern gehörte; Ch. wird somit von Demosthenes a. O. zu den νόθοι gerechnet. Schon in jungen Jahren soll er nach Dem. XXIII 148 als Söldner gegen Athen gekämpft, auch gegen die athenischen Bundesgenossen Seeräuberei getrieben haben. Er dient unter Iphikrates über drei Jahre in Thrakien von 368/7 bis 364, Dem. XXIII 149. Beloch Att. Polit. 317. Als zu Beginn des J. 364/3 Iphikrates des Oberbefehls enthoben wird, bringt Ch. die amphipolitischen Geiseln, die ihm von Iphikrates zur Bewachung anvertraut waren, nicht nach Athen, sondern liefert sie den Amphipoliten aus, Dem. XXIII 149; vgl. E. W. Weber Demosth. oratio in Aristocratem, Jena 1845, Prolegom. LXIV 7. Bei Timotheos, der an Stelle des Iphikrates nach Thrakien gesandt wird, Schol. Aesch. II 31. Schäfer I² 102, nimmt er zunächst trotz des an ihn ergehenden Anerbietens keine Dienste, sondern begiebt sich zum Thrakerfürsten Kotys, Dem. XXIII 149. Bald darauf jedoch geht er im Solde der Olynthier nach Amphipolis, um diesen gegen die Athener beizustehen. Unterwegs fällt er den Athenern in die Hände und versteht sich nun dazu, in den Dienst des Timotheos zu treten, Dem. XXIII 150. Für seine Verdienste um die Athener im chalkidischen Kriege wird er von diesen mit dem Bürgerrecht beschenkt, Dem. XXIII 151. 185. 23. 65. Theodect. bei Aristot. Rhet. II 23 p. 1399 b 1. Theopomp. bei Athen. X 436 b. Schäfer Demosth. I² 419, 4. Dass er dem Demos Acharnai zugeteilt wurde, erfahren wir aus CIA II 804 B b 77. 807 b 8ff. und add. 741; nach letztgenannter Inschrift hiess sein Vater Philoxenos. Von Timotheos im J. 362 (Dittenberger Syll. 80 N. 6) entlassen, begiebt er sich von Amphipolis nach Kleinasien, wo er in den Sold des Memnon und Mentor tritt, Dem. XXIII 154. Im J. 361 zum athenischen Feldherrn ernannt, steht er mit Phokion und Chares (s. d. Nr. 3) im Frühjahr 360 dem – nach Diod. XV 91 im J. 362/1 – vom Grosskönig abgefallenen Satrapen Orontes bei. So auf Grund von CIA II 108 Bergk Rh. Mus. XXXVII 357, dem Schäfer I² 155. 156, 1 beistimmt; mit Judeich Kleinasiat. Stud. 214 Anm. an einer Strategie des Ch. in dieser Zeit zu zweifeln, ist ein zwingender Grund nicht vorhanden; dass im J. 352 Demosthenes (a. O. 154) dieser Strategie nicht Erwähnung thut, ist verständlich, sofern es ihm daran liegen muss, seine Mitbürger nicht daran zu erinnern, dass Ch. schon einmal Strateg der Athener war. Möglicherweise ist Ch. zu Anfang seiner Strategie Sommer 361 in Potidaia thätig gewesen; denn der [Χαρίδ]ημος in CIA II 58, welche Inschrift gerade der in Frage stehenden Zeit zuzuweisen ist, wird, wie Köhler vermutet, von dem bekannten Söldnerführer nicht verschieden gewesen sein. Von Mitte 360 an führt Ch. auf eigene Hand Krieg in Aiolis, Aristot. oecon. 2 p. 1351 b 19, und erobert die Städte Skepsis, Kebren und Ilion, Dem. XXIII 154. Plut. Sert. 1. Polyaen. III 14. Schäfer I² 156, 4. Im Krieg mit Artabazos, dem Schwager des Memnon und Mentor, gerät er aber, von diesem belagert, in die misslichste Lage, Dem. XXIII 155. [2136] 156. Von den Athenern allein Rettung erhoffend, sendet er dem athenischen Feldherrn Kephisodotos, der Winter 360/59 mit der Rüstung der Flotte beschäftigt ist, Schol. Aesch. III 51, ein Schreiben, in welchem er den Athenern seine Dienste wieder anbietet und ihnen den Chersones zu gewinnen verspricht, Dem. XXIII 153. 156. Ehe jedoch die Athener etwas für ihn thun können, erlangt er durch Vermittlung der obengenannten Schwäger l des Artabazos freien Abzug, Dem. XXIII 157. Er begiebt sich nun seines eben den Athenern gegebenen Versprechens uneingedenk auf den Chersones, um sich wiederum dem Kotys zu verdingen und die einzigen den Athenern am Hellesponte noch verbliebenen Städte Krithote und Elaius zu belagern, Dem. XXIII 158. E. W. Weber a. O. LXVII. Schäfer, I² 157. Als zu Beginn des J. 359, wie es scheint (Schäfer I² 158, 3), Kotys ermordet wird, weiss Ch. dem jugendlichen Sohn desselben Kersobleptes die Herrschaft über Thrakien zu sichern, Dem. XXIII 163, Ch. selbst vermählt sich mit einer Tochter des Kotys, Dem. XXIII 129. Mit dem athenischen Feldherrn Kephisodotos, der Frühjahr 359 in den Hellespont gekommen zu sein scheint, kämpft er 7 Monate lang glücklich, Dem. XXIII 165ff., und schliesst mit ihm etwa Herbst des J. 359/8 einen für die Athener so schmachvollen Vertrag, dass diese den Kephisodotos seiner Feldherrnwürde entheben, Dem. XXIII 167. Kurz darauf bringt Ch. den den Athenern freundlich gesinnten Miltokythes in seine Gewalt und überliefert ihn den Kardianern, welche als Feinde Athens den Miltokythes und seinen Sohn in grausamster Weise zu Tode bringen, Dem. XXIII 169. Schäfer I² 159. Inzwischen hatten aber zwei thrakische Häuptlinge, Amadokos und Berisades, sich gegen Kersobleptes erhoben, und da jene von Athen unterstützt wurden, so muss Ch. im Namen des Kersobleptes einen Vergleich eingehen, nach welchem die Herrschaft über Thrakien gleichmässig unter die drei Könige geteilt und der Chersones mit Ausnahme von Kardia den Athenern zuerkannt wird, Dem. XXIII 8. 170. E. W. Weber a. O. LXXI. Schäfer I² 161. Mit Chabrias jedoch, der 359 nur mit einem Schiff in den Hellespont gesandt wird, schliesst Ch. einen Vertrag, der für die Athener noch schimpflicher war als der kurz vorher mit Kephisodotos vereinbarte, Dem. XXIII 171. Erst als Chares im J. 357 in den Chersones kommt, lässt sich Ch., der wieder in Kersobleptes Namen verhandelt, für die Athener günstige Bedingungen abgewinnen: nach der früheren Vereinbarung bleibt der Chersones athenisches Besitztum, Dem. XXIII 173. 178. Schäfer I² 164, 2. 420. Hierfür wird Ch. als Freund und Wohlthäter der Athener von letzteren mit Ehren aller Art bedacht, Dem. XXIII 145. 185. 187. Schäfer I² 420, 2. Nach dem Tode des Berisades beabsichtigt Ch. die Vertreibung der Söhne desselben, sowie des Amadokos. Da er bei Ausführung dieses Planes hauptsächlich die Heerführer dieser Fürsten, den dem Berisades verschwägerten Athener Athenodoros (vgl. oben Athenodoros Nr. 2 Bd. II S. 2043) und die von den Athenern mit dem Bürgerrecht beschenkten Schwäger des Amadokos, Simon und Bianor, zu fürchten hatte, Dem. XXIII 10ff. E. W. Weber a. O. LXXIV. Schäfer I² 423, liess [2137] er durch den Athener Aristomachos von Alopeke (vgl. oben Aristomachos Nr. 9) im J. 353/2 (Schäfer I² 440ff. 445) die Athener seiner freundschaftlichen Gesinnungen versichern und sie auffordern, ihn zum Feldherrn zu wählen, sofern er allein im stande sei, ihnen die Stadt Amphipolis zu gewinnen, Dem. XXIII 13. Zugleich machte ein Aristokrates (vgl. o. Aristokrates Nr. 8) den für Ch. gegenüber von Athenodoros, Simon und Bianor wichtigen Vorschlag, das Volk möge beschliessen, dass wer den Ch. töte, überall, wo er unter athenischen Bundesgenossen sich zeige, verhaftet werde, wer aber dem zu Verhaftenden Schutz gewähre, sei es eine Stadt oder ein einzelner Bürger, vom Bunde mit Athen ausgeschlossen sei, Dem. XXIII 91. 11. 30. Die Gesetzwidrigkeit dieses Antrages sucht Euthykles von Thria (vgl. Dem. XXIII hypoth. 2) in der ihm von Demosthenes ausgearbeiteten Rede κατὰ Ἀριστοκράτους nachzuweisen, welche in den Anfang von Ol. 107, 1 = 352 fällt, Dion. Hal. ad Ammae. I 4 p. 725, 15. E. W. Weber a. O. IXff. Schäfer a. O. Blass Att. Bereds. III² 1, 292ff. Welchen Erfolg die Rede hatte, wird nicht berichtet, E. W. Weber LXXVII. Fest steht aber, dass Ch. im Jahre nach Ausgang des Processes, im Boedromion des J. 351, als Philipp in Thrakien erfolgreich vorgedrungen war, als athenischer Feldherr in den Chersones geschickt wird, Dem. III 5. Schäfer I² 447. II² 72. Vom Hellespont aus wird er Ende des J. 349 an Stelle des Chares mit 18 Trieren, 4000 Mann Leichtbewaffneten und 150 Reitern Olynth zu Hülfe gesandt; er geht mit den Olynthiern nach Pallene und Bottiaia, wo er das Land verwüstet, Philoch. bei Dion. Hal. ad Ammae. I 9 p. 735. 3. Schäfer II² 140, 1. Über seine bei Olynth errungenen angeblichen Erfolge sendet er ruhmredige Berichte nach Athen, Dem. III 1. 35; hypoth. Dem. III zu Anfang; vgl. Schäfer II² 143, 4. Durch sein zügelloses, ausschweifendes Leben macht er sich bei den Olynthiern verhasst, Theopomp. bei Athen. X 436 b. Wohin er sich nach der 348 erfolgten Einnahme von Olynth begeben, ob etwa wieder nach Thrakien, ist unbekannt, Schäfer II² 155, 2. Nach der Schlacht bei Chaironeia im J. 338 von den Athenern zum Feldherrn erwählt, Plut. Phoc. 16, macht er der Bürgerschaft ein Geschenk von Schilden und wird dafür mit einem Ehrenkranz belohnt, Dem. XVIII 114. 117, wozu vgl. CIA II add. 741. Schäfer III² 8. Nach Aesch. III 77 meldet im J. 336 Ch., der sich wohl damals in der Nähe der thrakischen Küste aufhielt, den Tod des Philipp dem Demosthenes, vgl. Schäfer III² 87. Droysen Hellenism. I 1, 103. Er befindet sich unter den Männern, deren Auslieferung Alexander nach der Zerstörung Thebens im J. 335 von den Athenern verlangt, Arrian. anab. I 10, 4. Plut. Phoc. 17; Dem. 23. Auf Bitten der Stadt steht Alexander von dieser Forderung ab und verlangt nur die Verbannung des Ch., Arrian. I 10, 6; vgl. Dinarch. I 32. Schäfer III² 139. 143. 144, 1. Ch. flieht nach Asien zu Dareios, Arrian. a. O. Dinarch. a. O., von dem er mit Auszeichnung behandelt wird. Weil er jedoch seine Unzufriedenheit mit den von Dareios gegen Alexander getroffenen Massregeln zu freimütig äussert, wird er von den persischen Würdenträgern beim Grosskönig [2138] verdächtigt und auf Befehl des letzteren hingerichtet im J. 333, Diod. XVII 30. Curt. III 2, 10. Droysen Hellenism. I 1, 239. Erwähnt wird er unter den schuldenden Trierarchen in einer Seeurkunde des J. 334/3, CIA II 804 B b 77; da Ch. seit 336 von Athen abwesend war, fällt diese Trierarchie in die Zeit vor diesem Jahre. Das geschuldete Geld wird von den Erben des Ch., Eurymedon, Phylakos und Troilos, die wir als seine Söhne werden betrachten müssen, bezahlt, laut der Seeurkunde CIA II 807 b 8ff. aus dem J. 330/29. Aus Dem. XXIII 136 οὐδ’ ὁτιοῦν ἐστὶ γὰρ παρ’ ὑμῖν αὐτῷ (d. h. Χαριδήμῳ), οὐ παῖδες, ... οὐ συγγενεῖς ist zu entnehmen, dass im J. 352 des Ch. Söhne in Athen noch nicht ansässig waren. In der Seeurkunde CIA II 790 a 21 wird Χαρίδημος A nicht durch Α[χαρνεύς] ergänzt werden dürfen; denn dieser Stein gehört etwa dem J. 373 an, in welchem Ch. das athenische Bürgerrecht noch nicht besass. Das von Diodor XVII 30 über Ch. Gesagte συνεστρατεύσατο Φιλίππῳ τῷ βασιλεῖ καὶ πάντων τῶν ἐπιτηδευμάτων ἀρχηγὸς καὶ σύμβουλος γεγονὼς ἦν ist als mit der geschichtlichen Überlieferung nicht in Einklang stehend zu verwerfen, vgl. Schäfer III² 87, 2. Ἀνὴρ θαυμαζόμενος ἐπ’ ἀνδρείᾳ καὶ δεινότητι στρατηγίας heisst er bei Diod. XVII 30, 2; vgl. Curt. III 2, 10. Πόλιν οὐδ’ ἡντινοῦν οἰκῶν Dem. XXIII 138; vgl. 136. Als Wollüstling und Trinker bezeichnet ihn Theopomp. bei Athen. X 436 c; vgl. Ael. v. h. II 41.
[Kirchner.]

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