Castellum. 1) Ein kleines Lager (a castris diminutivo vocabulo sunt nuncupata castella Veget. III 8) oder eine kleinere bewehrte Niederlassung, wird in früherer Zeit häufig von nichtrömischen Bergstädtchen und Burgen gebraucht. Für die römische Kriegstechnik der Kaiserzeit, die noch viel mehr Gewicht auf die Deckung der Marschlinie durch Lagerwälle und Festungsbauten als der Freistaat legte, spielten die c. eine wichtige Rolle. Sie sind tumultuaria, wenn sie vom Heer für den augenblicklichen strategischen Bedarf errichtet werden (opportunis locis circumdata maioribus fossis tumultuaria castella firmantur Veget. a. O.), oder, und das ist nach Ausbildung der Grenzwehr das Gewöhnliche, c. murata; solche c. werden bei Vegetius fast stereotyp und ebenso [1755] im Cod. Iust. I 27, 2, 8 neben urbes oder civitates gestellt; die c. sind die kleineren praesidia, die civitates die grösseren. So wird c. synonym mit burgus (Veget. IV 10 c. parvulum, quem burgum vocant) und turris und munimentum (vgl. munimentum nomine Medianum Amm. XXIX 5, 45 und das Bistum castelli Mediani in der Notit. Afr. Maur. Caes. Z. 86). Die römische Grenzwehr, die in den ersten Decennien der Kaiserzeit sich auf eine verhältnismässig geringe Anzahl von Waffenplätzen ersten Ranges stützte, und die ebensowohl den Felddienst als den Festungsdienst versah, wurde immer mehr dahin umgestaltet, dass (allerdings auf Kosten der Stärke der Garnisonen in den Hauptlagern) eine Kette von kleineren Forts und Wachtposten geschaffen und in der That die vollständige Überwachung der Grenze dadurch erst eigentlich ermöglicht wurde. Dieser Process endet freilich mit der Festlegung der gesamten Grenzwache (milites limitanei oder riparienses) und der Notwendigkeit, eine von ihr unabhängige Feldarmee (milites Palatini oder comitatenses) zu bilden.
Um die Zahl der c. zu vergrössern und um ihr Wachstum sicher zu stellen, und in weiterer Entwicklung der von Septimius Severus inaugurierten Politik, den Bestand und die Zukunft des Grenzheeres durch Verehelichung oder Quasi-Verehelichung der Soldaten desselben zu sichern (Verehelichung: Herodian. III 8, 5, dessen Behauptung allerdings Mommsen CIL III p. 2011 verwirft oder einschränkt), hat das 3. Jhdt. jene eigentümliche Verbindung von Grenzsoldaten und Bauern geschaffen, wie sie ähnlich infolge der Türkennot in der österreichischen Militärgrenze entstanden ist. Sola, quae de hostibus capta sunt, limitaneis ducibus et militibus donavit, ita ut eorum essent, si heredes eorum militarent, nec umquam ad privatos pertinerent, dicens attentius eos militaturos, si etiam sua rura defenderent. addidit sane his et animalia et servos, ut possent colere, quod acceperant, ne per inopiam hominum vel per senectutem possidentium desererentur rura vicina barbariae Hist. Aug. Sev. Alex. 58. Diese Ansiedlungen in den agri limitanei oder limitotrophi heissen c. oder gehören zu ihnen; vgl. Cod. Iust. XI 60 (59). In dem kaiserlichen Rescript vom J. 423 Cod. Theod. VII 15, 2 = Iust. XI 60, 2 wird das Bodenrecht daran genauer bestimmt: Quicumque castellorum loca quocumque titulo possident, cedant ac deserant, quia ab his tantum fas est possideri castellorum territoria, quibus adscripta sunt et de quibus iudicavit antiquitas; quod si ulterius vel privatae condicionis quispiam in his locis vel non castellanus miles fuerit detentator inventus, capitali sententia cum bonorum publicatione plectatur. Bisher ist nur in einem einzigen Militärdiplom, nr. 90 (nach Mommsen zwischen J. 216 und J. 247) dieser Verhältnisse gedacht: [liberis eorundem] decurionum et centurio[num, qui cum filis in] provinc(ia) ex se procreatis [milites ibi castel]lani essent). Es ist ferner daher auch ganz in Ordnung, dass Kaiser Alexander Severis im J. 234 muros kastelli Dianesis extraxit per colones eiusdem kastelli CIL VIII 8701.
Da Iustinian Cod. I 27, 2, 8 in seinem Schema unius numeri limitaneorum die Truppen einteilt [1756] per castra et loca und auch Anastasius I. in dem Rescript für die libysche Pentapolis ἀριθμοί und κάστρα auseinanderhält (S.-Ber. Akad. Berl. 1879, 134), so nimmt Mommsen Hermes XXIV 199f. wohl mit Recht an, dass die in den castra dislocierten Soldaten, welchen von Anastasius λόγῳ χαρτατικῶν für jedes Fort 6 Solidi auferlegt werden, während die den Stab bildenden Teile des numerus in den fossata von dieser Abgabe frei bleiben, dass diese castriciani eine Unterabteilung der riparienses bilden und nicht mit ihnen zusammenfallen. Die Ländereien der c. sind sonst von jeder Steuer befreit, Theodosius II. nov. 24, 4 = Cod. Iust. XI 60, 3 vom J. 443. Es braucht ferner nicht erst bezeugt zu werden, dass die für die Verteidigung und Grenzpolizei der grösseren civitates üblichen Bestimmungen auch auf die c. Anwendung fanden. Ein Beispiel ist der Terminationsstein CIL VIII 8369, der zwischen dem Gebiete von Igilgili vor dem c. Victoriae gegen die Zimizes gesetzt ist, ut sciant Zimizes non plus in usum se haber(e) ex auctoritate M. Vetti Latronis proc(uratoris) Aug(usti) qua(m) in circuitu a muro kast(elli) p(assus) D. Und Kaiser Anastasius I. befiehlt den Grenzern, S.-Ber. Akad. Berl. 1879, 139 (b 19ff.) τοὺς καστρησιανοὺς μετὰ πάσης ἐπιμελίας σ[υ]ναλλάττ(ε)ιν καὶ μὴ σ[υν]ωνῆς (Einkauf) [χ]άριν τινὰ παρειέναι ἐπὶ τοὺς βαρβάρους μήτε τὰ ἀλλάγματα (= Tauschhandel) πρὸς αὐτοὺς τιθ[έν]αι, ἀλλὰ φυλάττιν αὐτοὺς καὶ τὰς ὁδοὺς ἐπὶ τῷ μήτε Ῥωμαίους μήτε Μά[κα]ς μήτε ἕτερόν τινα δίχα προςτάγματος (= Pass) τὴν πάροδον ἐπὶ τοὺς βαρβάρους [π]οιεῖ[ν], τοὺς δὲ ἐκ τοῦ ἔθνου τῶν Μακῶν διὰ γραμμάτων τοῦ πραιφέκτου συ[ν]χωρῖσθαι ἐπὶ τὰ χωρία πενταπόλεως παραγίνεσθαι. Mommsen Hermes XXIV 198ff.
[Kubitschek.]
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