Inhaltsverzeichnis
Quaestor a. 701 = 53
Pro quaestore von Syrien 702/703
Tribunus plebis a. 705
Nach der Schlacht bei Pharsalus
Als begnadigter Pompeianer
Praetor a. 710
Die Iden des März
Bis zum Abgang in die Provinz
C. in Syrien
Die Schlacht bei Philippi
Der Verlauf der Schlacht
Der Tod des C.
Seine Beurteilung im Altertum
Seine Beurteilung in der Neuzeit
Nachträge und Berichtigungen
59) C. Cassius Longinus (zweifelhaft ob Sohn von Nr. 58), der Caesarmörder.
Quaestor a. 701 = 53. Er wurde im J. 701 = 53 Quaestor und ging mit dem Consul M. Licinius Crassus in die Provinz Syrien, um an dem parthischen Feldzuge als Legat teilzunehmen. Über seine Thätigkeit in diesem Kriege vgl. die Lebensbeschreibung des Crassus bei Plutarch (c. 18–29) und Dio (XL 25–29), und dazu als zeitgenössische Quelle Ciceros Briefe vom J. 703 = 51. Er hatte, wie andere, von diesem Feldzuge abgeraten und schlug nach dessen Beginn vor, eine feste Stellung am Euphrat einzunehmen. Als Crassus trotzdem weiter marschierte und bald auf den Feind traf, gab er den Rat, die Linie zu verlängern und die Flanken durch Reiterei zu sichern. Aber auch mit diesem Rate konnte er nicht durchdringen und darum die Niederlage nicht aufhalten, trotzdem er einen Flügel commandierte. Nach der Niederlage leiteten er und der Legat Octavius den Rückzug nach Carrae. Hier wollten ihm die Soldaten den Oberbefehl übertragen, aber C. nahm ihn nicht an, obgleich Crassus abdanken wollte (Dio XL 28). Als das Heer auch von Carrae fliehen musste, wurde Crassus von einem Verräter irregeführt und später ermordet; C. dagegen schöpfte Argwohn, kehrte nach Carrae zurück und entkam auf einem andern Wege nach Syrien. Jenseits des Euphrats sammelte er die Trümmer seines Heeres und behauptete die Provinz Syrien mit Glück gegen die Parther (Cic. Phil. XI 35. Joseph. ant. Iud. XIV 119–122).
Pro quaestore von Syrien 702/703 = 52/51. [1728] Als im folgenden Jahr (702 = 52) die Parther mit einem schwachen Heere in Syrien eindrangen, warf er sie ohne Mühe zurück und zog sich, als sie im Jahr darauf (703 = 51) mit grösserer Macht unter Osaces, oder dem Namen nach unter Pacorus, dem Sohne des Orodes, ihren Einfall wiederholten, in das feste Antiochia zurück. Als der Feind von da wieder abzog, verfolgte er ihn und erfocht einen glänzenden Sieg; der Anführer Osaces selbst wurde verwundet und starb nach wenigen Tagen. Über diesen Sieg schreibt Cicero an den Atticus (V 20): eos (Parthos) cedentes ab oppido Cassius insecutus rem bene gessit. Qua in fuga, magna auctoritate Osaces, dux Parthorum, vulnus accepit eoque interiit paucis post diebus (vgl. Cic. ad Att. V 18, 1; ad fam. II 10, 2 und XV 14, 3. Frontin. Strateg. II 5, 35). Nach der Ankunft des Proconsuls M. Bibulus (vgl. S. 1369) ging C. nach Italien zurück. C. hat sich in diesem Kriege den militärischen Ruf gegründet, der ihm bis über seinen Tod hinaus geblieben ist. Er hat damals die schwerste Aufgabe, die einem Feldherrn zufallen kann, ein geschlagenes Heer zurückzuführen, glücklich gelöst und kehrte zurück als Retter der römischen Waffenehre; aber eine Eigenschaft, die in späteren Jahren noch mehr bei ihm hervortrat, warf schon damals auf seinen Charakter ihren Schatten, seine bis zur Härte gesteigerte Habsucht. Er musste eine Anklage wegen Erpressungen fürchten (vgl. Cic. ad fam. XV 14, 4. VIII 10, 2), indessen ist es zu dieser Anklage nicht gekommen.
Tribunus plebis a. 705 = 49. Über seine Teilnahme am Bürgerkriege vgl. Caesars bellum civile und Ciceros Briefe. Bald nach seiner Rückkehr aus Syrien, im J. 705 = 49, wurde er Volkstribun. Als solcher verliess er Rom mit der pompeianischen Partei schon im Januar des Jahres und ging nach Capua mit den Aufträgen an die Consuln, nach Rom zu kommen, das Geld aus dem Aerarium an sich zu nehmen und auf der Stelle Rom wieder zu verlassen (ad Att. VII 21, 2. 23, 1. 24. 25). In dem Kriege zwischen Caesar und Pompeius commandierte er die syrische Flotte (b. c. III 5) und segelte mit ihr im folgenden Jahre (706 = 48) nach Sicilien, wo er dem Caesarianer M. Pomponius bei Messana 35 Schiffe und dem P. Sulpicius bei Vibo fünf Schiffe verbrannte, Caes. b. c. III 101. Bei dieser letzten Gelegenheit machte aber die Flotte des Sulpicius einen Gegenangriff und brachte das Schiff des C. in ihre Gewalt; er selber entging nur dadurch der Gefangenschaft, dass er sich in ein Boot setzte. Bald darauf traf ihn die Nachricht von der Schlacht bei Pharsalus, und er verliess die italische Küste mit seiner Flotte.
Nach der Schlacht bei Pharsalus. Die Erzählung des Appian (b. c. II 88), C. habe sich im Hellespont mit einem Geschwader von 70 Schiffen ohne Schwertstreich dem Caesar ergeben, als dieser ihm dort bei seiner Überfahrt nach der Schlacht bei Pharsalus begegnet sei – eine Stelle, die dem Appian zu allerlei erbaulichen Betrachtungen über Caesars Tyche und über die in seiner Ermordung offenbarte Ungerechtigkeit des Schicksals Anlass giebt –, ist dahin richtig zu stellen, dass ihm 1) L. Cassius, der [1729] Bruder des Mörders, und 2) mit 10, nicht mit 70 Schiffen begegnet ist (Dio XLII 6 und Suet. Caes. 63). Der Übertritt unseres C. beruhte vielmehr, wie das Zeugnis Ciceros (ad fam. XV 15) beweist, auf einer lange vorher angestellten Überlegung des Inhalts, dass der Feldzug mit einem einzigen Schlage entschieden werden müsse, und im Falle einer Niederlage jeder weitere Widerstand gegen Caesar zwecklos sein werde. Wo der Übertritt erfolgt sei, können wir nicht mehr feststellen; die beiden Stellen des Cicero (ad Att. XI 13 und 15), welche sagen, er habe von Rhodus aus zu Caesar nach Alexandrien gehen wollen, diese Absicht aber aufgegeben, geben uns über den Ort des Übertritts keine Gewissheit. Caesar begnadigte den C. nicht nur, sondern machte ihn sogar zu seinem Legaten (Cic. ad fam. VI 6. Dio XLII 13. App. II 111, vgl. 146).
Als begnadigter Pompeianer. C. war zwar von Caesar zu seinem Legaten gemacht worden, aber er scheint nie wirklich in seinem Dienste gewesen zu sein. Bei Cicero (Phil. II 26) findet sich die Angabe, Caesar würde in Kilikien, bei der Mündung des Cidnus, durch einen Anschlag des C. ums Leben gekommen sein, wenn er an dem Ufer, das er bestimmt hatte, und nicht an dem entgegengesetzten gelandet wäre. Was an dieser Angabe Wahres sei, können wir nicht mehr feststellen. Sicher ist, dass C. den africanischen und spanischen Feldzug nicht mitgemacht hat. Während des letztgenannten Feldzugs hielt er sich in Brundisium auf, um den Ausgang des Kampfes abzuwarten; wenn Caesar siegte, wollte er nach Rom zurückkehren. Er schrieb damals an Cicero (ad fam. XV 19): ... quid in Hispaniis geratur, rescribe; peream, nisi sollicitus sum ac malo veterem et clementem dominum habere quam novum et crudelem experiri.
Er kehrte nach Rom zurück, aber auch jetzt noch, ohne aus seinem Widerstand gegen die neue Staatsordnung herauszutreten. In dieser Zeit jahrelanger Unthätigkeit scheint sich in seinem Innern die Umwandlung vollzogen zu haben, die mit der bekannten That endete. Wieviele Umstände sonst noch zu dieser Umwandlung mitgewirkt haben, lässt sich schwer sagen; aber Drumann scheint doch das Richtige getroffen zu haben, wenn er einen gefährlichen Einfluss des Mannes vermutet (§ 2), bei dem C. Vorlesungen über Philosophie zu hören mit anderen sich bemüssigt sah (ad fam. VTI 33), des ihm geistig überlegenen Cicero. Wenigstens sehen wir aus dem Briefwechsel des Cicero mit dem C. aus diesen Jahren, dass jener auf die verbissene Stimmung, an die dieser sich allmählich gewöhnt hatte, bereitwilligst einging und mit zweideutigen Äusserungen über Caesars Regierung nicht zurückhielt. Zwar wurde dem C. im J. 710 = 44 von Caesar ein neues Feld der Thätigkeit eröffnet, aber es war zu spät; das lange Verharren im unthätigen Widerstande hatte bereits seine Früchte getragen.
Praetor a. 710 = 44. Caesar machte ihn für das J. 44 zum Praetor peregrinus und bestimmte ihm für das folgende Jahr die Provinz Syrien, d. h. diejenige Provinz, die er vor zehn Jahren, im letzten Partherkriege, als Quaestor [1730] gerettet hatte, und deren Verwaltung in dem bevorstehenden Kriege gegen die Parther eine erhöhte Bedeutung gewinnen musste (Plut. Caes. 57. Dio XLIV 14. Vell. Pat. II 58. Flor. IV 7, 4). Die städtische Praetur freilich, die für vornehmer galt, erhielt nicht er, sondern M. Brutus, trotzdem dieser jünger war (Dio XLVII 20 verwechselt beide). Aber den Brutus liebte Caesar, während er aus seinem Misstrauen gegen C. kein Hehl machte (Plut. Brut. 7; Caes. 62. Vell. II 56).
Ist C. der Anstifter der Verschwörung? Man hat, dem Plutarch (Brut. 8–10) und Appian (II 113) folgend, den C. wohl den ‚Anstifter‘ der Verschwörung genannt (so Ihne Röm. Gesch. VII 229, vgl. auch Gardthausen Augustus und seine Zeit I 1, 20), aber dagegen ist einmal zu bemerken, dass eine andere, den beiden mindestens ebenbürtige Quelle, Dio Cassius, den Brutus damit bezeichnet (XLIV 14); mehr noch fällt ins Gewicht, dass derjenige Schriftsteller, der allein von den erhaltenen der Geschichte der Verschwörung gegen Caesar eine eingehende, allen Ansprüchen genügende Untersuchung gewidmet hat, und der daher für unsere Frage am meisten berücksichtigt werden muss, Nicolaus von Damascus (vgl. O. E. Schmidt Jahrb. f. Phil. Suppl. XIII 679), von der bekannten Art der Gewinnung des M. Brutus durch den C. nichts weiss, sondern ausdrücklich von mehreren Anstiftern der Verschwörung spricht, deren Namen er nicht nennt (c. 19: ἦρξαν τῆς ἐπιβουλῆς ἄνδρες ... ὀλίγοι). Wo er aber den C. nennt, bezeichnet er ihn als einen aus der Zahl der Verschworenen (εἷς τῶν ἐπιβουλευόντων). Er nennt ihn so in der Erzählung von der Anbietung des Diadems am 15. Februar (c. 21): danach hatte Licinius dem Caesar das Diadem aufs Haupt gesetzt, und dieser den Lepidus zu seiner Unterstützung herbeigerufen; als der aber zauderte, trat C. hervor und legte dem Caesar das Diadem auf die Kniee. Dann erst kam Antonius und setzte dem Caesar die Krone wieder auf das Haupt.
Aber selbst wenn wirklich C. seinen Schwager Brutus erst für die Verschwörung gewonnen hat, so ist dieser Gewinn für ihn nur verhängnisvoll geworden, denn durch Brutus wurde C. seiner Führerrolle jedenfalls beraubt. Das äusserte sich zunächst darin, dass Brutus die Ermordung des Antonius zu verhindern wusste (Vell. II 58. Plut. Brut. 18. App. II 114. Dio XLIV 19); ein Schritt, der Cicero später zu dem Ausruf Recht gab, die Sache sei mit der Überlegung eines Knaben (consilio puerili ad Att. XIV 21, 3) ausgeführt worden. Die Niederlage, die C. in dieser Sache dem Brutus gegenüber erlitt, hat er nie wieder gut machen können; sein weiteres Leben wird bis zu seinem Ende von dem Schicksal des Brutus beherrscht.
Die Iden des März. Am 15. März führte C. die Verschworenen von seinem Hause auf den Markt. Vor Eröffnung der Senatssitzung, in der Caesar erscheinen sollte, hielten er und Brutus als Praetoren mit der grössten Ruhe Gericht (Plut. Brut. 14. App. II 115). Als die Verschworenen in der Curie um Caesar gedrängt, bereits die Dolche zückten, und einer von ihnen zögerte, rief ihm C. zu: ,Stoss zu, und sei es auch durch mich!‘ (Aur. Vict. de vir. ill. 83). C. selbst soll den [1731] Caesar im Gesicht verwundet haben (Nic. Damasc. 25. App. II 117). Sonst ist von der Flucht der Mörder auf das Capitol bis zu ihrer Rettung durch den Consul Antonius am 17. März von C. nichts Besonderes zu erwähnen. Er hat sicher nicht am 15. März zum Volk gesprochen, wie Brutus, wenngleich Appian dies zu sagen scheint (Franz Fröhlich De rebus inde a Caesare occiso usque ad senatum Liberalibus habitum gestis, Berolini 1892, 19. 25). Am Tage nach der Amnestieerklärung, am 18. März, hat er allerdings im Senat gegen die Bestattung Caesars gesprochen (Lact. inst. I 15, 30 und Dio XLVII 35), musste aber zum zweitenmal gegen Brutus zurücktreten (Plut. Brut. 19, 2).
Bis zum Abgang in die Provinz. Als nach dem Ausbruche der Volkswut gegen die Mörder bei Caesars Leichenbegängnis viele von ihnen aus Rom flohen (App. II 148), musste C. ebenso wie Brutus in seiner Eigenschaft als Praetor in Rom zurückbleiben (Appian. III 2. Dio XLVII 20). Erst in der Mitte des April verliessen sie Rom (ad Att. XIV 5–7), also nicht unmittelbar nach Caesars Leichenbegängnis, wie Plutarch (Brut. 21; Cic. 42; Ant. 15; Caes. 68) erzählt. Für das hier gegebene Datum (Mitte des April) und die folgenden vgl. Paul Groebe De legibus et senatus consultis anni 710 quaestiones chronologicae, Lipsiae 1893. Die nächsten Monate brachten sie in Latium und Campanien zu (Cic. ad Att. XIV 10, 1. XV 4, 2. 20, 2. 11, 1. 12, 1. XVI 2, 4. 3, 6. Dio LVII 20). Bald nach dem Begräbnis Caesars waren ihnen ihre Provinzen, Syrien und Makedonien, entzogen und den Consuln Dolabella und Antonius gegeben worden (Groebe a. a. O. 4f.). Weitere Gesetzesvorschläge sollten in einer Senatssitzung am 1. Juni von Antonius vorgelegt werden (Cic. ad Att. XIV 14, 4; Phil. II 100). C. und Brutus berieten sich, ob sie auf diesen Tag erscheinen sollten (Cic. ad Att. XV 5, 1; vgl. XIV 8, 4); sie befragten den Consul Antonius selbst darüber (ad fam. XI 2), aber sie erschienen nicht. In der Senatssitzung im Concordientempel vom 5. Juni erhielten sie den Auftrag, Brutus in Asien und C. in Sicilien, Getreide aufzukaufen und zur Stadt zu schicken (ad Att. XV 9, 1; vgl. 11, 1). Dadurch sollte der Schein beseitigt werden, als seien sie auf der Flucht (App. III 6). Aber C. wurde durch diesen Beschluss sehr erbittert, weil ihm dadurch ein Schimpf als Gnade aufgedrungen werde (ad Att. XV 11, 1). Am 1. August bekam Brutus Creta und C. Cyrenaïca als praetorische Provinz (Appian. III 8. Cic. ad Att. XV 9, 1), aber auch dies konnte kaum als ein Ersatz für die entzogenen Provinzen angesehen werden. An demselben Tage erliess Antonius, durch ein vorangegangenes Edict der beiden gereizt, sein bekanntes Edict gegen sie (ad Att. XVI 7, 7); die Antwort darauf war ihr Edict aus Neapel vom 4. September (ad fam. XI 3; ad Att. XVI 7, 1. Vell. II 62). Wenige Tage, nachdem Brutus (am 17. September) Italien verlassen hatte, folgte ihm C. (Phil. X 8). Aber sie gingen nicht in die Provinzen, die ihnen der Senat bestimmt hatte, sondern Brutus nach Makedonien. C. nach Syrien (Cic. Phil. XI 27. 28. Dio XLVII 20. 21. Vell. II 62). [1732]
C. in Syrien. C. beeilte sich, Syrien vor Dolabella zu besetzen. In der Provinz Asia wurde er durch den Proconsul L. Trebonius unterstützt (Dio XLVII 26. Cic. ad fam. XII 14, 6). In Syrien angekommen, vereinigte er die Legionen des Caecilius Bassus und die seiner Gegner (vgl. o. S. 1199) und verstärkte sich später in Iudaea durch weitere 4 Legionen, die A. Allienus von Ägypten dem Dollabella zuführen sollte, im März 711 = 43 (Cic. ad fam. XII 11, 1. 12, 1. App. III 78. IV 59. 61. Dio XLVII 28, vgl. Cic. Phil. XI 32). Als Antonius bei Mutina besiegt worden war, bestätigte der Senat den C. in seiner Statthalterschaft und übertrug ihm die Führung des Krieges gegen Dolabella (Dio XL VI 40. XLVII 28. 29. Vell. II 62. App. III 63. 78. Liv. per. CXXI). Dollabella rückte im Mai 711 in Syrien ein und besetzte nach einem vergeblichen Angriff auf Antiochien die Seestadt Laodicea. C. schloss ihn hier von der Landseite ein, schnitt ihm nach einem glücklichen Seetreffen die Zufuhr vom Meere ebenfalls ab und nahm endlich die Stadt durch Verrat; Dollabella liess sich selbst den Tod geben (Dio XLVII 30. App. IV 60–62. Cic. ad fam. XII 13, 4. 14, 4. 15, 7. Liv. a. a. O. Vell. II 69. Strab. XVI 752). Das eroberte Laodicea und ebenso Tarsus büsste seine Anhänglichkeit an Dolabella mit schweren Brandschatzungen (App. IV 62. 64. Strab. a. a. O. Dio XLVII 30. 31).
Nach der Beendigung des Krieges in Syrien wollte C. sich gegen Kleopatra wenden; aber nachdem im October desselben Jahres die Triumvirn ihr Bündnis geschlossen hatten, forderte Brutus ihn auf, sich mit ihm zu vereinigen (App. IV 63. Plut. Brut. 28. Dio XLVII 32). Sie trafen sich in Smyrna (Liv. per. CXXII). Brutus schlug vor, sie sollten sofort nach Makedonien marschieren; aber C. wollte erst die Anhänger der Triumvirn in Asien niederschlagen (App. IV 65, vgl. Dio XLVII 32). Brutus fügte sich dem C., und der zog nun gegen die Rhodier, die ihm die Hülfe versagt und den Dolabella unterstützt hatten. Er wies die Vorstellungen, die sie (das zweitemal durch Archelaos, der einst in Rhodos selbst sein Lehrer gewesen war) an ihn richteten, zurück, belagerte ihre Stadt nach einem für sie unglücklichen Seetreffen zu Wasser und zu Lande, und gewann sie bald durch Verrat; darauf liess er 50 Personen hinrichten und die Stadt brandschatzen (App. IV 65–73. Dio XLVII 33. Plut. Brut. 30. 32. Oros. VI 18. Val. Max. I 5, 8. Vell. II 69). Auch von allen übrigen Völkerschaften der Provinz Asien verlangte C. eine Abgabe von zehn Jahren (App. IV 74). Im Anfange des folgenden Jahres (712 = 42) traf er mit Brutus in Sardes zusammen, wo ihre Heere sie als Imperatoren begrüssten (Plut. Brut. 34). Die Missverständnisse, die zwischen den beiden Feldherren hervorgetreten waren, wurden beseitigt (Plut. a. a. O. Dio XLVII 35) und bald darauf der Marsch nach Europa angetreten (App. IV 87). Nach dem Übergang über den Hellespont hielten sie bei dem Meerbusen Melas eine Musterung ab (App. IV 88. Vell. II 65. 69). Um die Soldaten zu gewinnen, teilten sie unter sie Geschenke, und C. hielt an das Heer eine Ansprache (App. 89–101). Dann brachen sie auf dem kürzesten Wege (App. 87) nach Makedonien auf, umgingen, von dem thrakischen Häuptling [1733] Phaxapolis geführt, die von den Feinden besetzten sapaeischen Pässe und gelangten glücklich bis Philippi (App. IV 101–105).
Die Schlacht bei Philippi. Antonius eilte nach Amphipolis am Strymon, das er zu seinem Waffenplatz ersah. Er liess dort eine Legion zurück und lagerte acht Stadien (= 1/5 deutsche Meile) vom Feinde bei Philippi. Über das Schlachtfeld von Philippi vgl. Appian. b. c. IV 105. Dio XLVII 35 und dazu Léon Heuzey et H. Daumet Mission archéologique de Macédoine, Paris 1876, 100–115. Leake North. Greece III 189. 216–224. Kleiner Plan von Philippi in CIL III tab. I. Brutus und C. bezogen auf den Höhen bei Philippi zu beiden Seiten der Chaussee, die von Europa nach Asien führte, der Via Egnatia, eine Verteidigungsstellung, und zwar schlug auf einem Hügel rechts der Chaussee Brutus, auf einem andern links der Chaussee C. sein Lager auf. Die Entfernung zwischen beiden Lagern betrug acht Stadien = 1/5 deutsche Meile (1,5 km.) = etwa 20 Minuten. Das Gelände fiel nach dem Feind zu ab, war also für einen Angriff von dessen Seite ungünstig. Rechts lehnte sich die Stellung an unwegsame Gebirgswälder, links an einen Sumpf an, der bis zum Meere reichte; die kurze Strecke zwischen seinem Lager und dem Beginn des Sumpfes sicherte C. durch eine Mauer. Die Stellung war also in beiden Flanken durch ungangbares Gelände gedeckt; in der Front hatten sie ihre Stellung noch durch eine Mauer gesichert, mit einem festen Thor, wo die Strasse lag. Ob diese Stellung östlich von Philippi (so Drumann), oder westlich davon (so Gardthausen) zu suchen sei, lässt sich nicht mit Sicherheit entscheiden. Gardthausen lässt ihre Stellung unmittelbar hinter dem Fluss Gangites liegen, so dass noch eine Sicherung ihrer Linie hinzukäme. Sicher waren sie bis Symbolum vorgerückt (Dio XLVII 36); dies liegt aber östlich von Philippi. Die Verpflegung wurde ungestört aus Neapolis und der davor liegenden Insel Thasos bezogen. Antonius und Octavian bezogen in der Ebene gesonderte Lager, Antonius das südliche, C. gegenüber, und das andere ihm zur Linken Octavian. Ihre Bedürfnisse konnten sie sich nur mit grosser Anstrengung verschaffen.
An Truppenzahl waren beide Teile einander ziemlich gleich; beide hatten etwa 19 Legionen. Diese waren zwar auf der Seite des Brutus und C. nicht vollzählig und bestanden nur aus 80 000 Mann, dafür war aber ihre Reitermasse, 20 000 Mann, um 7000 Mann stärker als die feindliche (App. IV 109, eine abweichende Angabe bei Velleius II 65. 69).
Dies alles, sowie die Beschaffenheit der beiderseitigen Truppen – die Soldaten der Republicaner waren eben erst ausgehoben und sollten gegen Veteranen kämpfen –, wies die Republicaner darauf hin, durch einen zähen Widerstand das feindliche Heer vor ihnen zu ermatten. Auf dasselbe wurden sie durch die Kriegsgeschichte der letzten Jahre hingewiesen. War nicht Pompeius deshalb unterlegen, weil er sich von seinem ursprünglichen Plan, in der Verteidigung zu verharren, hatte abbringen lassen?
Der Verlauf der Schlacht. Für Antonius, der dem Caesar in einer Entfernung von acht Stadien [1734] gegenüberlag, kam alles darauf an, durch einen Sturm auf das Lager des C. die Entscheidung herbeizuführen. Dieser Sturm konnte aber erst ausgeführt werden, als Antonius durch den Sumpf einen Damm geführt und durch dessen Besetzung mit Cohorten den C. im Rücken gefährdet hatte. Während C. dem Stoss von dieser Seite durch Aufschüttung eines Gegendammes zu begegnen suchte, griff ihn Antonius in der Front an, durchbrach die Mauer, die das Lager des C. mit dem Sumpfe verband, und eroberte sein Lager. Wir sind in der Beschreibung des Schlachtfeldes und des Verlaufes der Schlacht dem Appian (IV 169) gefolgt, in dessen Bericht man die unmittelbarste Wiedergabe des Asinius Pollio zu sehen sich gewöhnt hat (aus letzter Zeit vgl. Ernst Kornemann D. hist. Schriftstellerei d. Asinius Pollio, Leipzig 1896), während man umgekehrt den Plutarch für wenig glaubwürdig hält. Bei Plutarch liegt der Grund in seiner einseitigen Verherrlichung des Brutus (in dessen Lebensbeschreibung) – dem Plutarch (Brut. 40ff.) ist von neueren Darstellern nur Schiller gefolgt –, aber ebenso einseitig, wie Plutarch in der Verherrlichung des Brutus, ist Appian in der Hervorhebung des C. (vgl. C. H. Hinz Zur Beurteilung Appians und Plutarchs u. s. w. Ottensen 1891, 34: ,Selbst einem flüchtigen Leser muss auffallen, dass Appian hier vorwiegend sein Interesse dem C. und Antonius zuwendet, nur nebenbei wird des Brutus und Octavian Erwähnung gethan‘). Dieser Einsicht kann man sich kaum entziehen; es ist, als ob in der Auffassung der Charaktere der eine das gerade Gegenteil von dem andern habe sagen wollen. Da also neben Plutarch auch Appian in seiner Auffassung der handelnden Personen nicht so unbedingt glaubwürdig ist, wie man gewöhnlich annimmt, ist es sehr zu bedauern, dass man über dem beliebten Vergleichen des Appian mit dem Plutarch die dritte ausführlichere Quelle für unsere Schlacht, den Dio, fast gänzlich ausser acht gelassen hat, einen Schriftsteller, der zwar nicht durch die Fülle der Einzelheiten blendet, wie Appian und Plutarch, dafür aber um so weniger Fehler macht und sich in seinem Urteil weniger geirrt hat. Eine eingehende Untersuchung von dessen Bericht wäre für eine künftige Darstellung dieser Schlacht unerlässlich.
Der Tod des C. C. hatte sich mit einem kleinen Gefolge auf einen Hügel bei Philippi geflüchtet, um nach Brutus auszusehen, als er am Abend die Reiter des Brutus erblickte, die ihm die Nachricht von dessen Siege – Brutus hatte das Lager des Octavian erobert – überbringen sollten. Ungewiss, welchem Heere diese Reiter angehörten, schickte C. ihnen den Centurio Titinius entgegen; dieser verlor aber über dem Glückwünschen zu viel Zeit und C. hielt ihn für gefangen. Da er ein gleiches Schicksal erwartete, befahl er seinem Freigelassenen Pindarus, der schon im parthischen Feldzuge unter Crassus zu einem Dienst der Art von ihm ersehen worden war, ihm den Kopf abzuschlagen. Pindarus verschwand. Titinius entleibte aus Verzweiflung über sein Verschulden sich selbst (Plut. Brut. 43; Anton. 22. Dio XLVII 46. Vell. II 76. Val. Max. VI 8, 4).
Diese Erzählung ist von denen, die uns vorliegen, [1735] die glaubwürdigste, zumal wenn man bedenkt, dass es den ganzen Tag über sehr staubig war, und C. an Kurzsichtigkeit litt (Plut. Brut. 43). Vielleicht war es auch schon spät geworden, so dass dadurch die Aussicht erschwert wurde. Vor allem aber spricht das psychologische Moment für diese Erzählung. Der C., der die Höhen von Philippi verteidigt, ist nicht mehr der C., der im Partherkrige das geschlagene römische Heer vor dem Untergange rettete; die seit der Ermordung Caesars auf ihm lastende Notwendigkeit, mit dem unbefähigten, durch kein Verdienst ausgezeichneten Brutus zusammenzugehen und sich ihm womöglich unterzuordnen, scheint seine alte Thatkraft gelähmt zu haben. Wir hören nirgends von einer Leitung der Schlacht – es heisst nur, C. sei auf einen Hügel geflohen und habe gesehen, dass sein Lager geplündert werde – und kaum von einem persönlichen Eingreifen – es heisst nur (Plut. Brut. 40ff.), er habe vergeblich versucht, seine Fusstruppen zum Stehen zu bringen. Das Auffälligste aber ist, dass er keine Verbindung mit Brutus unterhalten hat.
Der Selbstmord des C. war also eine Folge seiner Übereilung; es entspricht daher der oben geschilderten Vorliebe des Appian für den C. im Gegensatz zum Brutus, dass er eine andere Erzählung in den Vordergrund stellt und die landläufige, oben wiedergegebene, erst an zweiter Stelle erwähnt (IV 109). Nach dieser anderen Erzählung kam ein Bote des Brutus mit der Siegesnachricht zu C., doch C. erwiderte nur: ,Meinetwegen mag Brutus vollständig siegen!‘ und sprach zu Pindarus: ,Warum befreist du mich nicht von meiner Schande?‘ worauf Pindarus seinen Herrn tötete. Nach dieser Erzählung beging also C. den Selbstmord nicht aus Kopflosigkeit und Ungeduld, sondern aus einem zwar überspannten, doch edlen Triebe. Auch diese Erzählung kann nur den Zweck haben, dem C. auch in seinem Ende ein rühmliches Gegengewicht gegen den durch seinen Selbstmord poetisch verklärten Brutus zu geben.
Man erdichtete noch, er sei von dem Dolch getroffen worden, der Caesar getroffen habe (Plut. Caes. 69. Dio XLVIII 1; vgl. XLVII 46). Appian erzählt (IV 113), der Tag, an dem er sein Leben geendet habe, sei sein Geburtstag gewesen.
Als Brutus seinen toten Freund sah, soll er ihn den letzten Römer genannt haben (vgl. auch Tac. ann. IV 34) und heimlich in Thasos haben beisetzen lassen, um die Stimmung des Heeres nicht zu beeinträchtigen (Brut. 44).
Seine Beurteilung im Altertum. Bekannt ist der von Tacitus (ann. IV 34) überlieferte Ausspruch des Crematius Cordus: Asinii Pollionis scripta egregiam eorundem memoriam tradunt: Messala Corvinus imperatorem suum Cassium praedicabat. C. scheint im Altertum seine besonderen Verehrer gehabt zu haben, die die gewöhnliche Vorliebe für den unbedeutenden Brutus, wie sie uns am meisten bei Plutarch entgegentritt, nicht teilten. Spuren davon weist wenigstens der Bericht des Appian unzweifelhaft nach; denn der beschäftigt sich vorzugsweise mit C. und weiss in seinem Schlussurteil über den C. nur Gutes von dessen Charakter zu sagen. Diese Verehrung des C. scheint sich besonders darauf [1736] gestützt zu haben, dass C. dem Brutus in militärischen Dingen überlegen war, und in den Kreisen aufgekommen zu sein, die die Kriegsführung des C. und den Zustand seines Heeres aus eigener Anschauung kannten, wie Messala. Mit dem Aussterben dieser persönlichen Bekannten des C., die die Republik noch selber gekannt hatten, scheint auch die Bewunderung für ihn einer solchen für den Brutus Platz gemacht zu haben.
Seine Beurteilung in der Neuzeit. Wenn Ihne (VII 229) von C. schreibt: ,er musste seinen persönlichen Gefühlen Gewalt anthun, als er sich entschloss, gegen seinen grossmütigen Feind die Mörderhand zu bewaffnen‘, so klingt das fast wie eine Ehrenrettung des C. Die Geschichte wird aber doch bei dem Urteil stehen bleiben müssen, das der beste Kenner des C., Drumann gefällt hat: ,unbefriedigter Ehrgeiz habe ihn zum Meuchelmörder gemacht‘.
[Fröhlich.]
Nachträge und Berichtigungen
59) (Zu S. 1736, 19) Das Porträt des C. hat man höchst wahrscheinlich in einer pompeianischen Marmorbüste zu erkennen. Sie ist mit einer anderen vollkommen als Gegenstück gearbeiteten des Brutus unter Umständen gefunden, welche die Absicht des Hausbesitzers, sie zu verstecken, deutlich erkennen lassen (O. Rossbach Jahrb. f. d. class. Altert. III [1899] 60 f. Taf. II 8).
[O. Rossbach.]
59) C. C. Longinus, der Caesarmörder. S I.
[Hans Gärtner.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Antikes Griechenland
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