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Inhaltsverzeichnis
I. Verwendung des Carcer
II. Arten der Gefängnisse
III. Innere Einrichtung der Gefängnisse
Carcer. 1) Das Gefängnis im Rechtsleben. Das Wort wird von Varro de l. l. V 151 in Verbindung gebracht mit coercere: carcer a coercendo quod exire prohibentur; vgl. auch Isidor. orig. V 27, 13; die neuere Sprachwissenschaft (vgl. A. Fick Vergl. Wörterb. d. indog. Sprch. I³ 813) stellt es mit lat. scrinium und deutsch Schranke zusammen.
I. Verwendung des Carcer. Coercition. Untersuchungshaft. Aufenthalt für Verurteilte und Hinrichtungslocal. Strafhaft.
1. Die Einsperrung in einen C. erscheint zunächst als Mittel der magistratischen Coercition (s. die Artikel Coercitio, Prensio); die Befugnis, den Contravenienten einzusperren (in carcerem conicere), erscheint als wesentlicher Ausfluss des Imperium. Varro bei Gell. XIII 12, 6. Pompon. Dig. I 2, 2, 16. Ulp. Dig. II 4, 2. Paul. V 26, 2. Ulp. Dig. XLVII 10, 13, 2. Gell. IV 10, 8. Suet. Caes. 17. 20. Über die Dauer der Haft entschied der sie veranlassende Magistrat, doch hörte sie wohl von selbst auf, wenn dieser abtrat und der Nachfolger sie nicht von neuem verfügte. Intercession ist gegen die Haftverfügung möglich, Provocation nicht; vgl. Mommsen Röm. Staatsrecht I³ 153–155. Karlowa Röm. Rechtsgeschichte I 166. Näheres s. den Artikel Coercitio.
2. Nur ein besonderer Fall dieser coercitionsmässigen Incarceration ist die Verwendung der custodia carceris als Untersuchungshaft im Strafprocess (vgl. den Artikel Custodia reorum). Sie ist in dieser Function in republicanischer Zeit schon früh nachweisbar: dem anklagenden Magistrat wird das Recht zugestanden, den Angeklagten in Haft zu nehmen und so das Erscheinen desselben am festgesetzten Termin und damit auch die Vollziehung der Strafe zu sichern, Liv. III 13. 56–58. VI 16 IX 34. XXV 4. XXIX 22. XXXII 26. XXXVIII 59. 60. Der Angeklagte kann sich diesem Schicksal entziehen durch Bürgenstellung, vades publicos dare, Liv. III 13. XXV 4. Dionys. X 8. Varro de ling. lat. VI 74. Sall. Iug. 35. Cic. de republ. II 36. Fest. p. 377; die Entscheidung darüber, ob die angebotene Sicherheit genüge, und ob überhaupt auf ein solches Angebot einzutreten sei, steht bei dem Magistrat; die Bürgenstellung soll zuerst im Falle des Kaeso Quinctius (im J. 293 = 461) vorgekommen sein, Liv. III 13. Dionys. X 8. Vgl. Mommsen Röm. Staatsrecht I³ 154. 155. Geib Geschichte des röm. Criminalprocesses 117–120. Zumpt Criminalrecht der röm. Rep. I 2, 155ff.
In der letzten Periode der Republik, unter der Herrschaft des Quaestionenprocesses, ist von dieser Verwendung des C. wenig die Rede; im provincialen Regiment (z. B. Cic. Verr. V 18ff. 71ff.) und gegenüber Leuten niedrigen Standes [1577] (s. Geib a. a. O. 267. 268) blieb sie zwar in Übung; bei vornehmen Personen aber wird, wenn es überhaupt zur Untersuchungshaft kommt, die Form der libera custodia (s. den Artikel Custodia reorum) gewählt. Es hängt dies einerseits mit dem Strafensystem dieser Zeit (s. hierüber Zumpt Criminalprocess der röm. Rep. 165ff.), andrerseits ,mit der jetzt bis zur äussersten Übertreibung gesteigerten Ansicht von der Würde und Unverletzlichkeit eines römischen Bürgers‘ zusammen (Geib a. a. O. 119). In der Kaiserzeit ist die Verwendung des C. für die Untersuchungshaft durchaus gebräuchlich, neben ihr stehen aber mehrere andere Formen der Untersuchungshaft (s. Custodia reorum), die sämtlich als erheblich leichter gelten. Ulp. Dig. XLVIII 3, 3; welche Form anzuwenden sei, bestimmt der Magistrat in jedem einzelnen Fall, Ulp. Dig. XLVIII 3, 1; doch soll er – nach einem Rescript von Antoninus Pius – die Incarceration nicht anordnen, wenn der Angeklagte fideiussores dare paratus est, es müsste denn das Verbrechen so schwer sein, dass eine andere Art der Untersuchungshaft als unangemessen erschiene, Ulp. Dig. XLVIII 3, 3. Diocl. Cod. Iust. VII 62, 6, 3. Constantin. Cod. Iust. VII 62, 12. Iustin. Cod. Iust. VIII 40, 26. IX 4, 6 und nov. 134 c. IX; Klagen über Verletzung dieser Bestimmung bei Liban. II 440. 464 Reisk. Schlechthin zulässig ist die Incarceration, wenn ein Geständnis vorliegt, Venul. Dig. XLVIII 3, 5. Scaev. Dig. XLVIII 4, 4 pr. Iul. Cod. Theod. IX 2, 1. Sidon. Apoll. ep. I 7. Notwendig ist aber ein solches Geständnis nicht, auch nicht, dass anderweitig bereits ein Beweis der Schuld erbracht sei; gesetzliche Bestimmungen, welche einen solchen zu fordern scheinen (Constantin Cod. Iust. IX 4, 2. Grat. Valent. und Theod. Cod. Iust. IX 3, 2), können höchstens als allgemeine Anweisungen an den Richter angesehen werden: er soll nicht leichthin und lediglich gestützt auf die Behauptungen des Anklägers den Angeklagten in den Kerker werfen.
Etwelche Garantie gegen ungerechte Incarceration boten die Bestimmungen, a) dass der Ankläger, welcher sie verlangt, zuerst alle Formalitäten der Anklage erfüllen muss (Valent. und Val. Cod. Theod. IX 3, 4); b) dass er custodiae similitudinem, habita tamen dignitatis aestimatione, patitur (Hon. und Theod. Cod. Iust. IX 2, 17. Grat. Valent. und Theod. Cod. Iust. IX 3, 2: Anwendungsfälle nicht nachweisbar); c) dass er, wenn er sie bewirkt hat, nur noch mit Zustimmung des Angeklagten Abolition verlangen kann (Valent. Val. und Grat. Cod. Iust. IX 42, 3, 1).
3. Der C. erscheint weiter als Aufenthaltsort für den bereits Verurteilten, der dort die Vollziehung der Strafe abwartet, Cic. de invent. II 148; in Verr. V 117ff. Tac. ann. I 21. Der C. kommt auch als Hinrichtungslocal vor, namentlich für Frauen und vornehme Verbrecher, die Hinrichtung erfolgt dann durch Erdrosseln (strangulare in carcere), Liv. XXIX 19. Cic. in Verr. V 147; pro Sulla 70. Appian. bell. civ. I 26. Sall. Catil. 55. Val. Max. V 4, 7. IX 12, 6. 15, 2. Tac. ann. III 51. V 9. VI 39. Plin. n. h. VII 36. VIII 61. Plin. ep. II 11. Cass. Dio LVIII 15, 2. LIX 18, 3. LXXIX 9. 4. Verwandt damit ist [1578] – in der Kaiserzeit – der Fall, wo der Richter pronuntiat, principi scribendum esse, und auf Grund dieser vorläufigen Entscheidung Incarceration des bisher in leichterer Haft belassenen Angeklagten anordnet, Ulp. Dig. XXVIII 3, 6, 7. XLVIII 22, 6, 1. XLIX 4, 1 pr.
4. Strafmittel ist die Incarceration von Hause aus gewiss nicht: carcer ad continendos homines, non ad puniendos haberi debet Ulp. Dig. XLVIII 19, 8, 9. Nicht dagegen spricht Cic. Cat. II 27. Thatsächlich kann es allerdings zu einer Gefängnisstrafe kommen, wenn der Untersuchungsgefangene nach Abbruch der Untersuchung, ohne dass über seine Schuld durch Urteil entschieden würde, vorläufig im C. verwahrt bleibt (in vinculis relinquitur), Liv. XXXIX 18. Val. Max. VI 1, 10. Gell. III 3, 15; auch die Untersuchungshaft selbst wird gelegentlich als poena carceris bezeichnet, Ulp. Dig. XLVIII 3, 3. Constantin. Cod. Iust. IX 4, 2. Als ordentliche Strafe kennt die Republik die Gefängisstrafe nicht, weder die zeitlich beschränkte, noch die lebenslängliche; sie wird nirgends in Strafgesetzen angedroht; es lässt sich auch keine wahre Verurteilung zu Gefängnis nachweisen; wohl aber kommt in vereinzelten Fällen (s. Zumpt Crim.-R. d. röm. Rep. I 2, 158–162) die Incarceration vor als ausserordentliche Massregel von Strafcharakter, besonders in der Hand des Senates, und namentlich da, wo die Todesstrafe als zu schwer, jede andere Strafe als zu leicht erschien; wie durchaus ungewöhnlich ein solches Vorgehen immer war, beweisen namentlich die Beratungen über den Antrag Caesars im Catilinarierprocess, Cic. in Catil. IV 7. Sall. Catil. 51. 52. Die Kaiserzeit kennt die Gefängnisstrafe, und zwar sowohl lebenslängliches, perpetua vincula (Callistr. Dig. XLVIII 19, 28, 14. Ulp. Dig. XLVIII 19, 8, 13), als zeitliches Gefängnis, temporaria vincula (für geringfügigere Vergehen: Ulp. Dig. XI 5, 1, 4. Scaev. Dig. XLVII 10, 38. Lactant. de mort. persec. 22). Eine grosse Rolle spielt die Gefängnisstrafe im römischen Recht nicht; sie ist nicht ausgebildet worden; noch Ulpian Dig. XLVIII 19, 8, 9 anerkennt sie principiell nicht als Strafe; ,sie beruht nicht auf dem allein hier fruchtbringenden Gedanken, durch zeitweilige Entziehung der Freiheit zur Strafe den Schuldigen zum vernünftigen Gebrauche der demnächst wieder zu erlangenden Freiheit zu erziehen‘ (v. Bar Hdb. d. deutsch. Strafrechts 30). Die Tendenz der Gesetzgebung geht dahin, die Anwendung der Gefängnisstrafe zu beschränken; Statthalter dürfen gegenüber freien Personen nicht auf lebenslängliches Gefängnis erkennen. Callistr. Dig. XLVIII 19, 35. Anton. Cod. Iust. IX 47, 6. Gefängnisstrafe bei Sclaven Anton. ebd. Ulp. Dig. XLVIII 19, 8, 13. Papin. Dig. XLVIII 19, 33 Gai. I 13: der Herr behält das Eigentum an dem Sclaven. Ulp. Dig. XLVIII 19, 8, 13.
In carceres können schliesslich auch furiosi untergebracht (Ulp. Dig. I 18, 13, 1, vgl. Mod. Dig. XLVIII 9, 9, 2) und servi fugitivi vorläufig verwahrt werden (Ulp. Dig. XI 4, 1, 6 und XLVII 2, 52, 12).
Vgl. zum Ganzen auch Naudet La police chez les Romains in den Mémoires de l’Institut IV 817ff. VI 854ff.
II. Arten der Gefängnisse. Beaufsichtigung. [1579]
1. In Rom selbst werden in republicanischer Zeit als Gefängnisse der sog. carcer Mamertinus (s. Nr. 2) mit dem Tullianum und die Lautumiae (s. d.) genannt. Für die Kaiserzeit erwähnt Iuvenal eine Mehrzahl von Gefängnissen (III 312–314); wahrscheinlich verfügten jetzt die wichtigeren Spruchbehörden jede über ein besonderes Gefängnis, wobei die neuen kaiserlichen Beamten die Kasernen der von ihnen commandierten Truppen als Gefängnisse verwendet haben werden; castrorum carcer, Iuvenal VI 561; vgl. O. Hirschfeld S.-Ber. Acad. Berlin 1891, 857–859. Ein Garnisonsgefängnis von besonderer Bedeutung sind die castra peregrinorum; wahrscheinlich wurden in diese die aus den Provinzen unter militärischer Escortierung nach Rom zur Aburteilung gesandten Angeklagten abgeliefert. Act. Apost. XXVIII 16 und dazu Mommsen und Harnack S.-Ber. Acad. Berlin 1895, 491–503. Für die Gefängnisse ausserhalb Roms sind die Nachrichten für die republicanische Zeit dürftig; für Italien werden carceres publici in Städten des nomen Latinum erwähnt bei Liv. XXXII 26, ausserdem sind Municipalgefängnisse vorausgesetzt bei Liv. XXVI 16. Sall. Catil. 51. Cic. in Catil. IV 7. In Sicilien sind die lautumiae in Syrakus ein Gefängnis, in das si qui publice custodiendi sunt, etiam ex ceteris oppidis Siciliae deduci imperantur, Cic. in Verr. V 68, daneben werden aber auch hier städtische Gefängnisse vorausgesetzt, Cic. in Verr. V 160.
In der Kaiserzeit werden städtische Gefängnisse mehrmals erwähnt oder vorausgesetzt; verhaftete Angeklagte werden zunächst in solche abgeliefert und von da in die Residenz des Statthalters weiterbefördert. Ulp. Dig. XI 4, 1, 6. XLVII 2, 52, 12. Marcian. Dig. XLVIII 3, 6. Paul. Coll. VII 2, 1. Arcad. und Hon. Cod. Iust. I 55, 7. Iust. nov. XV 6, 1. Weiteres Material (namentlich aus den Märtyreracten) bei O. Hirschfeld a. a. O. 876. 877 und bei E. Le Blant Les actes des martyrs, Mémoires de l’Institut acad. des inscr. et bell. lettr. XXX 2, 106. 107. Kasernen werden in der Kaiserzeit auch in den Provinzen als Gefängnisse verwendet, Tac. ann. I 21 und besonders Passio Perpetuae III und VII, wo die Angeklagten zuerst in einem als carcer schlechthin bezeichneten Gefängnis verwahrt und nach der Verurteilung zum Tierkampf in den carcer castrensis übergeführt werden (Ruinart Act. mart. sinc. p. 94. 96). Ein unterirdisches Gefängnis im kaiserlichen Palast in Constantinopel erwähnt Prokop. hist. arc. c. 4.
2. Die Aufsicht über die Gefängnisse führen in Rom ursprünglich die tresviri capitales, Cic. de leg. III 6. Liv. XXXII 26. Sall. Catil. 55. Gell. III 3, 15. Pompon. Dig. I 2, 2, 30. Mommsen Röm. Staatsrecht II³ 595; ihnen steht ein – wohl aus servi publici gebildetes – Hülfspersonal zur Seite. Val. Max. V 4, 7. Der Statthalter übt die Aufsicht über das ihm direct unterstellte Gefängnis durch sein Apparitorenpersonal aus, so Verres durch den Lictor Sestius (ianitor carceris Cic. in Verr. V 117ff.). Städtische Gefängnisse werden unter Leitung der städtischen Behörden durch Gemeindesclaven (ministeria publica) bewacht; diese Art der Bewachung findet sich noch in der Kaiserzeit, Plin. ep. X 30. 31. Ulp. Dig. IV 6, 10. XI 4, 1, 6. XLVII 2, 52, 12. Venul. [1580] Dig. XLVIII 3, 10. Im übrigen nimmt aber in der Kaiserzeit das ganze Gefängniswesen, wie das Verhaftungs-, Gefangenentransport- und Hinrichtungswesen vorwiegend militärischen Charakter an, Plin. a. a. O. Paul. Dig. XLVIII 3, 8; als Aufseher werden bald gewöhnliche Soldaten, bald bevorzugte Soldaten und Officiere (commentarienses, optiones, centuriones) genannt. So finden sich eigenecarcerarii bei den Vigiles, optiones carceris bei den Cohortes urbanae, und bei den Praetorianern die Charge a commentar[iis] custodiarum, Hirschfeld a. a. O. 858. Material aus Inschriften und Märtyreracten bei Hirschfeld a. a. O. 858. 876f. (Harnack) und ausserdem Act. Perpet. IX (miles optio praepositus carceris Ruinart p. 97). An der Spitze der castra peregrinorum (s. o.) steht ein στρατοπεδάρχης = Princeps castrorum, s. Act. Apost. XXVIII 16 und dazu Mommsen und Harnack S.-Ber. Acad. Berlin. 1895, 491ff. In der diocletianisch-constantinischen Monarchie ist die receptarum personarum custodia observatioque (Valent. Val. und Grat. Cod. Theod. IX 3, 5) einem besonderen Officialen, dem auch sonst auf dem Gebiet des Strafprocesses sich bethätigenden commentariensis übertragen (Valent. und Val. Cod. Theod. VIII 15, 51 und IX 40, 5. Liban. II 445 Reisk. Firmic. Matern. III 6. Basil. ep. 286 Migne); ihm sind für den Gefängnisdienst besondere clavicularii und applicitarii beigegeben, Lyd. de magistr. III 8. Firmic. Matern. a. a. O. Er hat für rasche Aburteilung und genügende Ernährung des Gefangenen Sorge zu tragen (Hon. und Theod. Cod. Theod. IX 3, 7) und allmonatlich seinem Vorgesetzten über die Zahl der Verhafteten, ihre persönlichen Verhältnisse (Stand, Alter) und ihre Verbrechen Bericht zu erstatten (Grat. Valent. und Theod. Cod. Theod. IX 3, 6); solche Gefangenenregister wurden wahrscheinlich von jeher geführt; schon Verres verfügt über eine ratio carceris, quae diligentissime conficitur, quo quisque die datus in custodiam, quo mortuus, quo necatus sit, Cic. in Verr. V 147. Vgl. Suet. Calig. 29 (rationem purgare). Plin. n. h. VII 38. Material aus den Märtyreracten bei Le Blant a. a. O. 113–115.
III. Innere Einrichtung der Gefängnisse. Behandlung der Gefangenen. Fesselung. Über einzelne Gefängnisse vgl. unten Nr. 2 und den Artikel Lautumiae.
1. Die Einrichtung der Gefängnisse war jedenfalls nach Ort und Zeit sehr verschieden, doch wird in der Kaiserzeit regelmässig eine Mehrheit von verschliessbaren Räumlichkeiten (conclave, vestibulum) vorausgesetzt; als besonders schwer erscheint die Haft in den inneren Räumen, carcer interior, sedes intima, ἐνδοτέρα φυλακή, wohl ein eigentlicher Dunkelarrest. Act. apost. XVI 24. Passio Pionii XI (Ruinart Act. mart. sinc. p. 145). Passio Perpetuae III (Ruinart p. 94 melior locus carceris). Constant. Cod. Iust. IX 4, 1. Iohann. Chrysost. hom. in Matth. XIV. Augustin. in Ioh. evang. tract. XLIX c. 11. 15. Ein Gesetz Constantins (Cod. Iust. IX 4, 1) sieht vor, dass Untersuchungsgefangene während des Tages die Zellen verlassen und im Freien (publicum lumen) sich aufhalten dürfen, vgl. Pass. Perp. a. a. O. Eine Trennung der Gefangenen nach dem Geschlecht soll überall stattfinden, Constantius Cod. Iust. IX 4, 3 und dazu Gothofred zu Cod. Theod. IX 3, 3. [1581]
2. Über Gefängniszustände wird häufig und heftig geklagt; gerügt werden namentlich: das Zusammenpferchen vieler Gefangener auf einen Raum, Unmöglichkeit des Schlafes, Mangel an Licht und Reinlichkeit (tenebrae et squalor), ungenügende Verköstigung, Häufigkeit der Todesfälle, Cyprian. ep. 15. Tertull. ad mart. 2. Zosim. IV 14. Liban. II 107. 265 Reisk. Iohann. Chrysost. hom. in Matth. XIV i. f.; der Aufenthalt im C. wird von den Kaisern selbst als cruciatus, immensus cruciatus, bezeichnet: Constantin. Cod. Iust. VII 62, 12. IX 4, 1. Constantius und Constans Cod. Theod. XI 7, 7. Hon. und Theod. Cod. Iust. IX 47, 23; eine lebhafte und kaum übertriebene Schilderung mit einem ganzen Register von Klagen bei Liban. II 439–462 Reisk. Die Gesetzgebung ist namentlich seit Ausgang des 4. Jhdts. bestrebt, die Übelstände zu heben; ausser den Vorschriften über Gefangenenregister und Trennung der Geschlechter finden sich Gesetze über Ernährung unvermöglicher Gefangener, Anordnung von Bädern, Freigebung von Feiertagen, regelmässige Visitation der Gefängnisse durch die Bischöfe, Hon. und Theod. Cod. Theod. IX 3, 7. Cod. Iust. I 4, 9. Iustin. Cod. Iust. I 4, 22 und IX 4, 6 A. Nach Iustin. Nov. 134 c. 9 sollen Frauen überhaupt nicht in Gefängnissen, sondern nur in Klöstern verwahrt werden.
3. Fesselung ist mit der Incarceration nicht notwendig verbunden, Ulp. Dig. L 16, 216. Sever. Cod. Iust. II 11, 1. Cass. Dio LVIII 3 (ἄδεσμος φυλακή); sie bildet aber – wenigstens in der Kaiserzeit – durchaus die Regel, dafür spricht schon die ständige Verwendung von vincula publica für carcer, zudem wird die Fesselung ausdrücklich bezeugt: Liv. III 58. VI 17. XXIX 19. XXXII 26. XXXVIII 60. Val. Max. VI 3, 3. Cic. in Verr. V 17. 23. Senec. de ir. I 16, 2. Iuvenal. VI 560. Suet. Nero 36. Tac. ann. V 1. 14. Act. apost. XVI 28. Tertull. ad mart. 2. Liban. a. a. O. Iohann. Chrys. hom. in Matth. XIV i. f. Paul. Dig. XLVII1 3, 8. Callistr. ebd. XLVIII 3, 13. Paul. Dig. XLIX 14, 45, 1. Grat. Valent. und Theod. Cod. Iust. IX 47, 20. Hon. und Theod. Cod. Iust. IX 47, 23. Verschiedene Arten der Fesselung: Constantin. Cod. Iust. IX 4, 1. Ob und in welchem Masse die Fesselung zur Anwendung kam, hing wohl zunächst von der Fluchtgefahr und der Schwere des Verbrechens ab. Im Resultat entschieden aber sowohl in dieser wie in anderen Beziehungen (Empfang von Besuchen, Ausgänge) weniger gesetzliche Vorschriften und Weisungen des Richters als Willkür und Laune des custos carceris; dass dieser Bestechungen zugänglich war und seine Macht zu Erpressungen benutzte, würde man annehmen, auch wenn es nicht ausdrücklich bezeugt wäre: Cic. in Verr. V 118ff. Paul. Dig. XLVIII 3, 8. Lucian. Peregr. Prot. 12. Liban. II 258. 446 Reisk. Iohann. Chrysost. in ep. ad Tit. cap. II hom. 4. – Vgl. zum ganzen Artikel auch F. A. K. Krauss Im Kerker vor und nach Christus (1895) 55–77; über den Einfluss der Kirche auf die Gestaltung des Gefängniswesens 125ff.
Bezüglich der Haft in Privatgefängnissen (Schuldhaft) s. Art. Addictus, Nexum.
[Hitzig.]
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