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Campania Καμπανία. 1) Der Landesname ist eine junge Bildung, die sich zuerst bei griechischen Autoren findet (Skylax 10; Polybios und Diodor vermeiden denselben gänzlich; im Lateinischen hat ihn zuerst Varro (r. r. I 10, 1. 20, 4. II 6, 5), dann, aber noch sehr selten, Livius (II 52, 1. VII 11, 3. IX 38, 2. X 20, 1); erst seit Mitte des 1. nachchristlichen Jhdts. kommt er allgemeiner in Gebrauch (vgl. Mommsen CIL X p. 498). Die älteren Schriftsteller dagegen sprechen von Campanus ager oder τὰ πεδία τὰ κατὰ Καπύην (Polyb. III 91, 2), d. h. dem Stadtgebiet [1435] von Capua oder der Machtsphäre Capuas, einschliesslich der von ihm abhängigen kleineren Städte; und zwar begreift Polybios unter obigem Namen die Küste von Sinuessa bis Nuceria Alfaterna, im Binnenland das Gebiet von Cales und Teanum an bis nach Nola, setzt also im Norden den Liris, im Süden die auf der Halbinsel von Sorrent (im Monte S. Angelo) endigenden Vorberge des samnitischen Appennins als Grenze. Darin folgen ihm von den Geographen der Kaiserzeit Plinius (III 56, vgl. XXXI 8) und Ptolemaios (III 1, 6. 63). Die augustische Chorographie hingegen (s. u.) rechnete den Küstenstrich zwischen den Mündungen des Liris und Volturnus noch zu Latium adiectum. Wir fassen C. hier im älteren Sinn und verstehen darunter das im Norden von den Aurunkerbergen, im Osten vom samnitischen Appennin, im Süden von den ebengenannten Vorbergen eingeschlossene Gebiet, dessen Flächeninhalt ungefähr 2500 □km. beträgt.

Die innerhalb dieses Gebietes sich findenden Erhebungen sind teils, wie der Mons Massicus bei Sinuessa und der (mit seinem alten Namen nicht bekannte) Monte Maggiore bei Cales (1037 m.), dem Hauptzuge des Appennins entsprechende Kalkbildungen, teils, wie der Vulcan von Rocca Monfina bei Teanum (926 m.) und der Vesuv (s. d.), vulcanischen Ursprungs. An Teilnamen für die vulcanischen Erhebungen bei Neapel sind überliefert Gaurus mons (s. d.), Leucogaei colles (s. d.) und Pausilypus mons; für Vorberge des Monte S. Angelo Lactarius mons (s. d.). Von den Flüssen entspringen die grösseren (Liris Garigliano, Volturnus Volturno, Clanis) ausserhalb C.s im samnitischen, nur kleine, wie Sarnus Sebethus Savo, gehören ganz dem Gebiet an. Fliessendes Wasser ist, wie schon Plinius (XVIII 110) bemerkt, in der campanischen Ebene infolge der Durchlässigkeit des vulcanischen Bodens, selten. Von Seen sind der lacus Avernus (o. Bd. II S. 2286) und die Strandseen lacus Lucrinus, Acherusia palus (o. Bd. I S. 219), Literna palus bemerkenswert.

Der Boden der campanischen Ebene, unterseeisch durch vulcanische Thätigkeit gebildet und dann gehoben, ist äusserst fruchtbar; als vorzüglichster Teil gelten die Campi Laborini (s. d.) zwischen den Strassen Capua-Puteoli und Capua-Cumae (Plin. XVIII 111). Die aus dem verwitterten Tuff entstandene lose schwärzliche Erde (terra pulla Cato de agric. 144. 160. Col. II 10. Plin. XVII 25) galt als ideal für den Ackerbau (Cic. de lege agr. II 76. Verg. Georg. II 217ff. Strab. V 242), da sie leichter zu bearbeiten war als der schwere römische Boden (Cato 144. Varro r. r. I 20), und dabei drei, selbst vier Ernten gab (Plin. XVIII 111. 191. Strab. V 242). Von den Producten war besonders berühmt der Spelt (far, ζέα Varro r. r. I 2, 6. Plin. XVIII 82. 110ff. Strab. a. a. O.), aus dem die alica (Bd. I S. 1478) fabriciert wurde; ferner Weizen (Plin. XVIII 86), dessen Mehl mit pisanischem zusammen das beste Brot geben sollte, und Hirse (Plin. XVIII 100). Auch Gemüse und Obst (Strab. a. a. O. Plin. XV 94. 103. XIX 67) werden gerühmt; die Rosen, die in der Zeit der Brache auf den Feldern wuchsen (Plin. XIII 26. XVIII 111. XXI 16. 17. 20), dienten der Parfümerieindustrie von Capua (s. d.). Die Weine des ager Falernus und [1436] des mons Massicus gehörten zu den geschätztesten; auch im übrigen C. war der Weinbau bedeutend (Plin. XIV 10. 34. 35. 69. 136. XVII 25. XXIII 45. Athen. I 26. 27). Der Ölbaumcultur war nicht sowohl die Ebene, als die umgebenden Berghänge günstig (Strab. V 242. Flor. I 16); Ruf hatte das Öl von Venafrum (Horat. carm. II 6, 16).

Über die ältesten Bewohner von C. lässt sich aus den Funden bis jetzt sehr wenig ermitteln; Reste der Steinzeit sind, ausser auf Capri (s. u. Capreae) nur bei Sorrent (Lorenzoni Bull. di paletnologia italiana XIV 65–75) beobachtet worden. Die Überlieferung des Altertums bezeichnet die ältesten Einwohner C.s als Osker (Ὀπικοί, und demnach das Land auch Ὀπικία, so Thukyd. VI 4; vgl. unter Osci), rechnen sie also zu der grossen, die Westhälfte von Süditalien einnehmenden Völkerfamilie, als deren Glieder auf campanischem Boden auch die Aurunci (s. o. Bd. II S. 2554 und Ausones ebd. 2561) und Sidicini (s. u.) erscheinen. Der erste Punkt, an dem die Griechen mit den ältesten Bewohnern C.s in Berührung traten, war ohne Zweifel Cumae (s. unter Kyme), wenn auch die Datierung der Colonie ins 11. Jhdt. jetzt wohl mit Recht allgemein aufgegeben ist; die Ansiedelung wird nicht älter sein als das 8. Jhdt., gleichzeitig mit denjenigen auf Sicilien. An Kyme, die ‚Palaepolis‘, schlossen sich andere Gründungen: Dikaiarchia (520), Neapolis, Pompei. In die Ebene des Volturnus aber und weiter ins Binnenland drang griechische Colonisation nicht vor; nach übereinstimmender Überlieferung des Altertums hatten im 6. und 5. Jhdt. v. Chr. die Etrusker ihre Macht auch über C. ausgedehnt, und daselbst einen Städtebund aus zwölf Mitgliedern begründet (Polyb. II 17. Strab. V 242); ausdrücklich als etruskische Gründungen bezeichnet werden Capua und Nola. Wenn gegen diese von den besten Autoritäten gestützte Nachricht neuerdings (nach Vorgang Niebuhr R. G. I⁴ 78–82, vgl. Abeken Mittelitalien 103f.) v. Duhn aus archäologischen Gründen, nämlich den Grabfunden besonders von Capua und Suessula, Widerspruch erhoben und die Etruskerherrschaft in C. überhaupt in Zweifel gezogen hat, so führt Beloch (Campanien² 443–446), ausser dem Gewicht der einstimmigen Tradition, dagegen zwei beachtenswerte Argumente an: 1) ist das oskische Alphabet aus dem etruskischen, nicht direct aus dem chalkidischen von Kyme abgeleitet; 2) fehlen in C. zwar etruskische Steininschriften, aber die in den letzten Jahren durch neue Funde vermehrten Graffiti auf Nolaner Vasen aus dem 4.–3. Jhdt. (Fabretti CI Ital. 2753–2755; primo suppl. 517–520; terzo suppl. 416. 417. Notizie degli scavi 1885, 322. Röm. Mitt. 1887, 267) in einer jedenfalls nicht oskischen Sprache zeigen im Schriftcharakter die grösste Ähnlichkeit mit dem etruskischen.

Die etruskische Herrschaft in C. fiel ein Menschenalter nach der grossen Niederlage zur See gegen Cumae 474; um die Mitte des 5. Jhdts. brachen die samnitischen Bergstämme in die reiche Ebene ein und fanden bei den verweichlichten Bewohnern keinen energischen Widerstand. Im J. 443 fiel Capua in ihre Hände, 421 Kyme und vielleicht auch Dikaiarchia, zuletzt Neapolis. Τὸ [1437] ἔθνος τῶν Καμπανῶν συνέστη, berichtet Diodor. XII 31 unter dem Archontat des Theodoros (438 bezw. 445); die erobernden Bergsamniten vereinigten sich mit den ihnen stammverwandten, bisher von Hellenen und Etruskern beherrschten oskischen Bewohnern. Nicht ein einheitlicher Staat, sondern eine Reihe von Gauverbänden entstanden, jede Stadt unter einem meddix: der Bund unter einem meddix tuticus. Die früher auf diesem campanischen Städtebund bezogenen Münzen mit ΚΑΠΠΑΝΟΣ und ΚΑΜΠΑΝΟΣ aber sind im 4. Jhdt. in Neapel (Imhoof-Blumer Wiener numismat. Ztschr. 1886, 222f.) geschlagen (Garrucci Monete d’Italia 87. Berliner Münzkatalog III 1, 70) und jedenfalls keine Bundesmünzen, wenn auch ihre Stellung bisher nicht klar ist. Von der kriegstüchtigen Bevölkerung suchten viele als Söldner im Dienste der griechischen Städte und der sicilischen Tyrannen ihren Erwerb (s. unter Mamertini); vielleicht ist der Name Καμπανοί zuerst durch diese Söldnerscharen den Griechen bekannt geworden (Polyb. I 7. 8), und von ihnen aus der ursprünglichen Bedeutung = Einwohner Capuas zur Gesamtbezeichnung der Landesbewohner erweitert worden. Selbständig blieben die Campaner bis in die Mitte des 4. Jhdts., nach dem ersten Samnitenkrieg schloss sich Capua an Rom an (338); der ager Falernus ward 318 an römische Bürger verteilt, Colonien 334 nach Cales, 313 nach Suessa, 296 nach Sinuessa geführt; doch blieb oskische Sprache und oskisches Wesen im ganzen Gebiet herrschend.

Nach dem Abfall von Capua im hannibalischen Kriege und seiner politischen Vernichtung (211, s. u. Capua) beginnt dann die Latinisierung, die durch Deduction von Bürgercolonien nach Volturnum, Liternum und Puteoli 194 v. Chr. gefördert wird; doch blieb das Oskische in der Südhälfte (Pompei, Nola, Nuceria) noch in Kraft bis zum Bundesgenossenkriege. Als nach demselben die sämtlichen Campaner das römische Bürgerrecht erhielten, trat als officielle Sprache an Stelle der oskischen überall die lateinische. Das Griechische hingegen erhielt sich in Neapolis als Amtssprache durch die ganze Kaiserzeit.

In der augustischen Einteilung Italiens bildet C. zusammen mit Latium (und dem kleinen Gebiete der Picenter im Süden am Golf von Salerno) die erste Region. Die Grenze nach Osten, wo C. an die zweite Region, Samnium, stiess, lässt sich hinlänglich genau feststellen. Dagegen schwankt, wie schon oben bemerkt, die Ansetzung der Grenze zwischen C. und Latium. Sinuessa wird von Plinius (III 56) und Ptolemaios (III 1, 6 und 63) noch zu Campanien, dagegen von Strabo (V 219. 231. 237. 242), Mela (II 70) und Plinius selbst III 59 zu Latium gerechnet. Mommsen nimmt (CIL X p. 498f.) an, dass in der Chorographie des Augustus der Volturnus die Nordgrenze C.s gebildet habe. Von den Städten im Binnenlande nennt Strab. V 237 Casinum πόλιν ὑστάτην τῶν Λατίνων, Ptolem. III 1, 54 rechnet Atina und Aquinum zu Latium. ebd. 59 Venafrum Teanum und Suessa zu C. Die Grenze lief demnach zwischen Venafrum und Casinum: dass der Ortsname S. Pietro in Fine (südwestlich von Casino) noch daran erinnert, hat Mommsen CIL X p. 477. 498 gesehen. Die Ostgrenze bildet der Volturnus [1438] von Venafrum abwärts bis zu seiner grossen Biegung nach Südwesten; dann die Vorberge des samnitischen Appennins bis zum Monte Vergine bei Abellinum; letztere Stadt wird manchmal zu C., manchmal zu Samnium gerechnet (s. Bd. I S. 28). Die Südgrenze bildet der Seitenzug des Appennins, welcher im Monte S. Angelo auf der Halbinsel von Sorrent endigt; die Westgrenze das Meer.

Die innerhalb dieses Gebietes liegenden Ortschaften lassen sich am bequemsten nach den grossen Landstrassen (s. Mommsen CIL X p. 58–60) aufzählen. Ausser den angeführten Autoritäten ist durchweg die Tabula Peutingerana zu vergleichen; die selbständigen Gemeinden (vgl. Plin. III 63f.) sind mit einem * bezeichnet.

I. Via Appia (Itin. Ant. 108f. 121f. Hierosolym. 611. Geogr. Rav. IV 34 p. 277 P.) *Minturnae –*Sinuessa–ad Pontem Campanum–Urbana–ad octavum (nonum)–Casilinum–*Capua–Calatia–ad Novas.

II. Via Latina (Itin. Ant. 303. 305. Geogr. Rav. IV 33 p. 275 P.): Ad Flexum–*Venafrum [dazu direkter Weg ad Flexum–ad Rufras–*Teanum]–*Teanum Sidicinum–*Cales–Casilinum.

III. Via Domitia (Itin. Ant. 122. 123. Geogr. Rav. IV 32 p. 265 P. V 2 p. 333 P.) *Sinuessa–ad Savonem–*Volturnum–*Liternum–*Cumae [Abzweigung über Baiae nach *Misenum] –in Vineis–*Puteoli–*Neapolis. Diese Strasse setzt sich fort über *Herculaneum–Oplonti (Eplonti?)–*Pompei [Abzweigung ad Sarnum–Stabiae–*Surrentum–Promontorio Minervae, Geogr. Rav. a. a. O. p. 332] –*Nuceria Alfaterna.

IV. Verbindungsstrassen zwischen I und II: *Minturnae–Suessa [Abzweigung über Forum Popillii nach Casilinum] –*Teanum (vgl. Itin. Ant. 121); zwischen II und III: *Capua–*Atella–*Neapolis (Geogr. Rav. IV 34 p. 277 P.); *Capua–*Suessula [Abzweigung über *Acerrae nach *Neapolis] –*Nola–ad Teglanum–*Nuceria (Itin. Ant. 109. Geogr. Rav. IV 34 p. 277 P.).

V. Strassen nach Samnium (ausser der Appia). a) Ad Flexum–ad Rotas–Aesernia. b) *Capua–Castra Hannibalis–Iovis Tifatinus–ad Dianam–Sila (Syllas)–*Caiatia–Telesia (Geogr. Rav. IV 33 p. 276 P.). c) *Nola–*Abella–*Abellinum–Beneventum.

Von diesem Strassennetz nicht berührt werden von sonst nennenswerten Orten nur *Trebula und *Compulteria (im Ager Stellas). Unbekannter Lage sind die früh untergegangenen Orte Taurania, Vescia (zwischen Volturnus und Liris) und Hyria (nur aus seinen Münzen bekannt).

In der diocletianischen Zeit und den folgenden Jahrhunderten wird der Name C. erheblich weiter nach Norden ausgedehnt, und umfasst ganz Latium, bis nach Veii und an die via Aurelia (liber colon. 221). Bei den Autoren dieser Epoche erscheinen Aquinum, Sora, Fabrateria, Frusino (Schol. Iuv. III 219. 226), Arpinum und Feronia bei Tarracina (Serv. Aen. VIII 9. 564) als campanische Städte; die Grammatiker führen alle Orte Latiums (Gabii, Praeneste, Tusculum, Ostia) unter C. auf. Wenn Procop. b. G. I 15 Tarracina als Grenzstadt C.s angiebt, so muss ein Irrtum vorliegen. Die Provinz steht unter einem corrector, der bald (ca. 333) den höheren Titel consularis [1439] bekommt; vgl. Cantarelli Bull. com. 1892, 134–138. 191. 211. De Ruggiero Diz. epigr. II 43f.; singulär ist der proconsul C. Anicius Auchenius Bassus, Anfang des 5. Jhdts., s. Cantarelli a. a. O. 208.

Über die campanischen Inseln s. u. Aenaria (Bd. I S. 594), Capreae, Palmaria, Pontia, Prochyta, Sinonia. Hauptstellen aus den alten Schriftstellern über C.: Polyb. III 91. Strab. V 242f. Mela II 70. Plin. III 60–64. 70. Ptolem. III 1, 6. 59. Neuere ausser den oben angeführten Specialschriften: Abeken Mittelitalien 101–113. Kiepert Alte Geogr. 442–449. Mommsen CIL X, besonders p. 365ff. 498f. Beloch Campanien, 2. Aufl., Breslau 1890; Bevölkerung der griech.-röm. Welt 419f. Nissen Ital. Landeskunde 263–272. 328f. 531f. v. Duhn Verhandlungen der Philologenversammlung zu Trier 1879, 141–157, italienisch übersetzt mit einigen Berichtigungen und Zusätzen in der Rivista di storia antica I (Messina 1895) 31–59.
[Hülsen.]

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