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65) C. Calpurnius Piso. a) Name. C. Calpurnius Piso Acta Arvalium. Dio LIX 8, 7. Zonar. XI 5; C. Piso Tac. ann. XIV 65 und sonst. Suet. Cal. 25; Piso Calpurnius Schol. Iuv.; [P]iso CIL III Suppl. 12794, Piso sonst bei den Schriftstellern.
b) Leben. Piso heiratete Livia (Dio nennt sie Cornelia) Orestilla. Obwohl Caligula selbst den Hochzeitsfeierlichkeiten beigewohnt hatte, entführte er Orestilla im J. 37 (nach Dio) ihrem Gatten, verstiess sie jedoch nach wenigen Tagen und verbannte beide zwei Jahre später, weil sie den Umgang mit einander wieder aufgenommen hätten (Suet. Cal. 25. Dio LIX 8, 7. 8. Zonar. XI 5. Schol. Iuv. V 109). Die Nachricht Dios, dass Piso schon zwei Monate nach der Entführung Orestillas verbannt wurde, wird durch die Arvalacten als unrichtig erwiesen. Diesen zufolge wurde Piso im Mai 38 in das Collegium [1378] der fratres Arvales cooptiert (CIL VI 2028) und erscheint als anwesend in den J. 38 und 40 (CIL VI 2028. 2030. Ephem. epigr. VIII p. 324). Er wurde demnach wahrscheinlich Ende des J. 40 verbannt. Claudius gestattete ihm die Rückkehr (Schol. Iuv. V 109), vermutlich sehr bald nach seinem Regierungsantritt (41). In einem nicht näher bestimmbaren Jahre zwischen 43 und 48 war Piso wieder im Arvalcollegium anwesend (CIL VI 2032). Unter Claudius bekleidete er den Consulat als suffectus in unbestimmten Jahre (Paneg. in Pis. 68–71. Schol. Iuv. V 109) und verwaltete als Statthalter die Provinz Dalmatien (CIL III Suppl. 12794, wohl mit Recht auf C. Piso bezogen). Nach dem Consulat erlangte er durch die mütterliche Erbschaft grossen Reichtum (Schol. Iuv. V 109). Seit dem J. 57 befand er sich wieder in Rom; die Arvalacten der J. 57, 58, 59, 60 und 63, sowie eines unbestimmten Jahres unter Nero (vor 65) nennen ihn als anwesend (CIL VI 2039–2043. 2048). Im J. 62 klagte Romanus den Seneca vor Nero an als Genossen Pisos, worauf Seneca mit der gleichen Beschuldigung erwiederte, schon damals empfand demnach Nero Verdacht gegen Piso. Diesen selbst befiel auf die Kunde von den Vorgängen am Hofe Angst, und so keimte damals die Verschwörung, die den Sturz Neros und Pisos Erhebung auf den Kaiserthron zum Zwecke hatte (Tac. ann. XIV 65; ebd. XV 48 setzt Tacitus den Beginn der Verschwörung in das J. 65, doch vgl. Nipperdey-Andresen II⁵ zu der Stelle). Die Zahl der Verschworenen war gross; gross aber auch die Unentschlossenheit, mit der sie Pläne zur Ausführung ihres Vorhabens fassten und wieder verwarfen. Endlich beschlossen sie, am 19. April 65 bei den Ludi Ceriales Nero im Circus zu töten und hierauf Piso ins Lager zu tragen (Plinius Bericht, dass diesen Antonia, die Tochter des Claudius, begleiten sollte, bezweifelt Tacitus XV 53). Jedoch am Tage des geplanten Mordes wurde das Complott Nero verraten. Piso starb durch Öffnen der Adern (Tac. ann. XV 48–59; die Verschwörung des Piso wird ausserdem erwähnt Suet. Nero 36; vit. Luc. p. 51 ed. Reiff. Hist. Aug. Pesc. Niger 9, 2; Clod. Alb. 12, 10).
c) Familie. Piso gehörte selbst dem höchsten Adel an und war durch seinen Vater mit vielen Familien der römischen Aristokratie verwandt (Tac. ann. XV 48. Paneg. in Pis. 2–4. 15ff.). Wer allerdings sein Vater war, ist nicht überliefert. Sein Sohn wird consobrinus des L. Piso cos. 57 (Nr. 79) genannt (Tac. hist. IV 49), aber dessen Bruder oder auch dessen Vetter, also der Sohn des M. Piso (Nr. 85), kann C. Piso nicht gewesen sein. Er dürfte demnach der Nachkommenschaft des L. Piso augur (Nr. 74) oder des L. Piso pontifex (Nr. 99) angehört haben. Seine erste Gemahlin hiess Livia Orestilla (s. o.), seine zweite, die er dem Domitius Silus entführt hatte, Atria Galla (Tac. ann. XV 59). Sein Sohn war Calpurnius Galerianus (Nr. 46).
d) Äusseres und Charakter. Piso war eine glänzende Erscheinung. Schon sein Äusseres war stattlich und einnehmend (Tac. ann. XV 48. Paneg. in Pis. 100–105). Höflichkeit (Tac. ann. XV 48. Paneg. 112–132), Treue, Freimut, Neidlosigkeit werden an ihm gerühmt (Paneg. 106–108). Seine [1379] Beredsamkeit übte er als Sachwalter und im Senate (Tac. a. a. O. Paneg. 25–67). Berühmt war die Dankrede, die er nach der Erlangung des Consulates an Claudius richtete (Paneg. 68–71). Vielseitig waren seine sonstigen Gaben. Er sang in tragischem Costüme (Tac. ann. XV 65. Schol. Iuv. V 109), declamierte (Paneg. 84–96), dichtete (Paneg. 163–165), spielte die Lyra (Paneg. 166–177). Er war ein guter Fechter und ausgezeichnet im Ball- und Brettspiel (Paneg. 178–208. Schol. Iuv. V 109). All diese Eigenschaften hätten hingereicht, um seine Popularität zu begründen. Diese wurde noch gesteigert durch seine Freigebigkeit, mit welcher er Dürftige unterstützte und alle Jahre einigen Leuten aus der Plebs, zur Ritterwürde verhalf (Schol. Iuv. V 109. Tac. ann. XV 48). Namentlich die Dichter erfreuten sich seiner Gunst. Um die Aufnahme in sein Haus zu erlangen, verfasste ein unbekannter Poet (Calpurnius Siculus?, s. unten S. 1404f.) zu seinem Ruhme den Panegyricus in Pisonem, und noch lange nach seinem Tode erinnerten sich Martial (IV 40, 1. XII 36, 8. 9) und Iuvenal (V 108–110) der Zeit, da die atria Pisonum cum stemmate toto den Dichtern offen standen. Piso ist wahrscheinlich auch unter Meliboeus gemeint, den T. Calpurnius Siculus in zwei Eklogen (I und IV) als seinen vornehmen Gönner feiert (vgl. Haupt Opuscula I 392 und unten S. 1404). Ist diese Meinung begründet, so lässt sich vielleicht auch schliessen, dass die beiden von Hagen gefundenen Bucolica, die Nero verherrlichen und anscheinend in die Zeit vor 65 gehören (Riese Anthol. Latina II 180f. Bährens PLM III 60f.), von Piso, der ja selbst dichtete, verfasst sind. Das zweite Gedicht beginnt nämlich mit denselben Worten, die Calpurnius Siculus im Beginn der vierten Ekloge dem Meliboeus in den Mund legt. Die Zeitbestimmung wird durch I 38ff. gegeben, wo Neros Recitation seiner halosis Troiae überschwenglich gepriesen wird; diese war bereits im J. 64 vollendet (Tac. ann. XV 39. Suet. Nero 38. Dio LXII 18, 3), und nach dem Brande Roms (Juli 64) wird sich Nero gehütet haben, sie vorzutragen. Dass Nero in den Bucolica gefeiert wird, spricht keineswegs gegen Pisos Autorschaft; vor der Verschwörung müssen die Beziehungen des Kaisers zu Piso wenigstens äusserlich intime gewesen sein (vgl. Tac. ann. XV 52). Bei so vielen Vorzügen Pisos fehlten jedoch auch Fehler nicht, Leichtsinn, übermässige Prachtliebe und Schwelgerei (Tac. ann. XV 48. Schol. Iuv. V 109). Seine Haltung während der Verschwörung lässt entschlossene Thatkraft vermissen. Vgl. über ihn im allgemeinen Friedländer S.-G. I⁶ 249. III⁶ 440f.
[Groag.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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