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Caledonii, Volk im nördlichen Britannien (Schottland). Obgleich der offenbar unter griechischem Einfluss gebildete Name in Verbindung mit Thyle vielleicht schon durch Pytheas gehört worden war, so erscheint er doch auch noch nicht bei Caesar, sondern zuerst, infolge der Eroberung Britanniens durch Claudius, bei den Dichtern der neronischen und flavischen Zeit, bei Lucan in Verbindung mit den seit Caesar bekannten Gestaden von Rutupiae (VI 67), bei Valerius Flaccus (Argon. I 8), bei Silius zugleich mit Thyle (III 597), überall in der gräcisierenden Form mit e; ebenso bei Martial (X 44, 1) und Statius (silv. V 2, 142). Danach gedenkt Florus I 17, 3 des [1348] unwegsamen saltus Calidonius; ebenso Martianus Capella VI 666. Plinius nennt als das Ziel, über das seit dreissig Jahren, d. h. seit der Eroberung, die römischen Heere nicht hinausgekommen wären, die Nachbarschaft der silva Calidoniae, IV 102 (so, mit i, die Leidener Hs. und noch bei Nennius[WS 1] c. 56 die silva Celidonis). Solin folgt auch hier noch andern Quellen wie Plinius, wenn er von dem Calidonicus angulus spricht, in quo recessu Ulixem Calidoniae adpulsum manifestat ara Graecis litteris inscripta (22, 1, also gerade wie bei Asciburgium, Tacit. Germ. 3); auch dies weist auf eine ältere griechische Quelle (wohl Pytheas-Timaios), wie die Angabe, dass man von dem Vorgebirge Calidoniens nach Thyle fahre (addit. p. 234 Mommsen). Erst der Feldzug des Agricola vom J. 83 brachte genauere Kunde (Tacit. Agricola 10. 11. 25. 27. 31, wo selbst die schlechte Überlieferung an den meisten Stellen die Form mit i erhalten hat, wie auch die Veroneser Völkertafel 13, 4). Möglich, dass schon die Quelle des Tacitus die Calidonier wegen ihrer Körpergrösse und ihres blonden Haars für den Germanen stammverwandt hielt (danach Iord. Get. II 13). Der Name ihres Führers Calgacus klingt jedoch keltisch. Die Zahl der waffentragenden Calidonier wird im Agricola auf über 30 000 angegeben, et adhuc adfluebat omnis iuventus et quibus cruda ac viridis senectus (c. 27); gewiss nicht zu gering. Die von einigen der Herausgeber geforderte Änderung der Zahl in 70, 80, ja 130 000 beruht auf der irrtümlichen Überschätzung von Agricolas Heer, das höchstens 20–25 000 Mann betragen haben wird (vgl. meine Ausführungen im Hermes XVI 1881, 513ff. und in der Westdeutschen Ztschr. für Geschichte und Kunst II 1883, 308ff.). Die Namen einzelner Stämme oder Ortschaften vernahm Agricola auf seinem Kriegszug, wie es scheint, noch kaum (vgl. Boresti und Trucculensis portus); oder Tacitus verschwieg sie. Erst bei Ptolemaios, wohl infolge der britannischen Feldzüge des Hadrian und seiner Nachfolger, werden die Grenzen ihrer Wohnsitze nördlich bis zum lemannonischen Busen (s. d.) und bis zum Aestuarium des Varar (s. d.) angegeben; darin befand sich das caledonische Waldgebirge (II 3, 8). Aus der Erzählung von Agricolas Feldzügen ergiebt sich, dass das Tanaum aestuarium (s. d.), von dem an neue, von den Brigantes verschiedene Völkerschaften beginnen (Tacit. Agric. 22, vgl. 33), schon ungefähr mit dem terminus Britanniae zusammenfällt, von hier an also nördlich die Calidonier wohnen (vgl. CIL VII p. 183). Die Südgrenze Calidoniens wird also mit der des heutigen Schottland ziemlich zusammenfallen. Die römischen Stationen südlich von der Linie Clota-Boderia (s. d.) oder Glasgow-Edinburgh, Blatum Bu[r]gium (Birrens bei Middleby), Red Abbey Stead und die in der Umgebung von Inveresk liegenden (CIL VII p. 186), die zehn Stationen des Antoninuswalles auf der oben bezeichneten Linie Glasgow-Edinburgh, deren alte Namen allein der Geogr. Rav. (434, 19ff.) in starker Entstellung erhalten hat, sowie das vom Walle vorwärts gelegene einzige Castell Ardoch, die nördlichste Station des römischen Reiches (über alle diese Stationen und ihre Inschriften CIL VII p. 191–206), [1349] bilden die wenigen Überreste des wohl kaum hundert Jahre lang (von Severus bis auf Diocletian) römischen Schottland; doch ist es kein Zufall, dass die beiden grössten Städte Schottlands an dem westlichen und östlichen Endpunkt des Antoninuswalls entstanden sind. Wie es zu erklären, dass das ganze nördliche Meer bei Ptolemaios ὠκεανὸς καλούμενος Δουηκαληδόνιος heisst (II 3, 1), bleibt unsicher; auch dieser Name scheint aus älterer Überlieferung (vielleicht Pytheas) zu stammen und beruht vielleicht nur auf missverständlicher Wiedergabe der einheimischen an die Calidonier anknüpfenden Bezeichnung. Doch scheinen die Dicalydones, die Ammian in dem Bericht über das Jahr 368 neben den Verturionen als einen der beiden Stämme der Picten zugleich mit den Attacotti und Scotti nennt (XXVII 8, 5), den alten Namen zu bewahren. Die Feldzüge des Commodus und des Septimius Severus nordwärts vom Hadrians- und Antoninuswall brachten neue Kämpfe mit den Calidoniern (Dio LXXV 5, 5 vom J. 197) und Maeaten (Dio LXXVI 12, 1–4 vom J. 208; daraus Iord. Get. II 14). Dies Zeugnis des Dio hat uns die berühmte, wohl auf Pytheas und Timaios zurückgehende Schilderung der Maeaten und Calidonier und ihrer Sitten erhalten. ,Sie bewohnen wilde und wasserlose Gebirge und wüste und sumpfige Gefilde, ohne Mauern, Städte und Landbau, und leben von Viehzucht, Jagd und einigen Baumfrüchten, Fische dagegen geniessen sie nicht, obgleich es ihrer unendliche und gewaltig grosse giebt. Sie wohnen in Hütten nackt und unbeschuht, haben die Weiber gemeinsam und ziehen alle Geburt auf. Meistens herrscht das Volk – d. h. sie haben keine Könige – und treiben gern Räuberei. Zu Feld ziehen sie zu Wagen (vgl. Britanni oben S. 876) mit kleinen und schnellen Pferden, und zu Fuss, und sind sehr schnell im Lauf und stehen fest zusammen. Ihre Waffen sind ein Schild und ein kurzer Speer mit einem ehernen Apfel an der unteren Spitze des Schaftes, so dass er geschwungen durch sein Geräusch – also waren die Äpfel hohl und mit kleinen Steinen gefüllt – die Gegner erschreckt; auch haben sie Schwerter. Hunger und Kälte und jedes Ungemach können sie ertragen; sie tauchen in die Sümpfe und halten viele Tage darin aus, nur den Kopf aus dem Wasser haltend; in den Wäldern leben sie von Baumrinde und Wurzeln und von allem bereiten sie eine Speise, von der sie nur etwas von der Grösse einer Bohne zu verzehren brauchen, um weder Hunger noch Durst zu leiden‘. Obgleich einiges in dieser Schilderung auf Missverständnis oder falscher Auffassung beruhen kann, wie die Weibergemeinschaft, auf die sich die kecke Antwort bezieht, die Iulia Domna, die Gemahlin des Severus, von der Frau des Calidoniers Argentokoxos erhielt (Dio LXXVI 16, 5), so macht sie doch im ganzen den Eindruck grosser Glaubwürdigkeit. Auch wird Dio oder sein Gewährsmann sie mit Recht als noch für die Zeit des Severus zutreffend angesehen haben. Ihre Unterwerfung durch Severus, der die Wälder ausrottete, die Sümpfe zuschüttete und die Flüsse überbrückte, misslang. Denn ohne dass die Calidonier je in einer Feldschlacht ihm gegenübertraten, bereiteten sie ihm so grosse Schwierigkeiten, dass seine [1350] Truppen nicht weiter konnten, und viele um der Gefangenschaft zu entgehen von ihren eigenen Leuten sich töten liessen, so dass gegen 50 000 umgekommen sein sollen; die Zahl wird stark übertrieben sein. So wird ihre Lebensweise und Kultur sich nicht verändert haben, zumal sie sich bald darauf, kurz ehe Severus starb, von neuem empörten (Dio LXXVI 15, 1). Die diocletianischen Provinzen reichen nur bis zum Hadrianswall; erst unter Valens im J. 369 ist als neue Provinz im Norden Valentia hinzugekommen (Ammian. XXVIII 3, 7), aber wohl bald wieder aufgegeben worden (vgl. CIL VII p. 4). Bei den Dichtern des 4. und 5. Jhdts. wie bei Ausonius, werden die Calidonier als Bewohner des nördlichen Britanniens überhaupt wegen der Perlen ihrer Küsten, wie sie schon Caesar aus Britannien (s. o. S. 878) heimbrachte (Mosella 68–72), und wegen der Fluten (de rat. librae 32) zusammen mit den Anwohnern des litus Pictonicum (epist. 9, 36) genannt, bei Claudian und Sidonius Apollinaris den Britanniern fast gleichgestellt (Claud. de IV cons. Honorii 26; de cons. Stilichonis II 247; laus Serenae 45. Sidon. carm. 7, 89). Dass schon früh einzelne Caledonier nach dem Beispiel vieler Gallier und Germanen in römische Dienste traten, zeigt die zu einer der am Hadrianswall stehenden Cohorten gehörige centuria Caledoni Secundi (Ephem. epigr. VII 1077) etwa aus dem 3. Jhdt.: ein Caledonier gebraucht seinen Volksnamen als Gentile. Dagegen wird der n(umerus) Brit(tonum) Cal . . . einer Inschrift aus einem der Castelle des raetisch-germanischen Limes (Öhringen, Brambach 1563 d 1) schwerlich auf Caledonien zu deuten sein, sondern eine ihrer vielleicht nicht britannischen Garnisonen bezeichnen. Die letzten Reste lateinischer Sprache und römischer Kultur im Norden Britanniens bilden die in Caledonien gefundenen wenigen Grabschriften, meist Geistlicher, die etwa dem 6. bis 8. Jhdt. angehören mögen (Inscr. Brit. Christ. nr. 205–214; neuerdings sind einige in einheimischer Sprache hinzugekommen; vgl. John Rhys The Inscriptions and Language of the Northern Picts, Proceedings of the Soc. of Antiq. of Scotland, New Series II 1892, 263–351. III 1893, 411). Dazu geben die Berichte des Gildas und Nennius einige Ergänzungen, die jedoch mit Vorsicht zu gebrauchen sind.

Für den saltus Calidonius (s. o). gelten die Gebirge im äussersten Nordwesten Schottlands, den Grafschaften Ross, Sutherland und Caithness. Aber die ganz unbestimmten Angaben des Ptolemaios (II 3, 8) schliessen nicht aus, dass damit das eigentliche Hochland gemeint sei, dem sehr mit Unrecht der Name der Grampian Mountains (s. Graupius) beigelegt worden ist. Über den jetzt so genannten caledonischen Canal, zwischen Loch Lhynne und dem Moray Firth, scheint die römische Kenntnis nicht hinausgegangen zu sein.
[Hübner.]
Anmerkungen (Wikisource)

Nennius, frühmittelalterlicher Mönch in Wales, siehe Artikel in der Wikipedia.

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