Calcatorium, von calcare gebildet, bezeichnet das Behältnis, in welchem den Trauben durch Austreten mit den Füssen der Saft entzogen wurde (Isid. XV 6, 8). Unser Wort ,Kelter‘, obwohl davon herstammend, deckt sich begrifflich nicht mehr vollständig damit, sofern heute bei uns die Trauben durch einen Stempel oder in einer Mühle zerquetscht werden, ehe sie durch die Kelter gepresst werden, während das Austreten noch vielfach in den Mittelmeerländern sich erhalten hat. Ursprünglich wurde dafür forus oder forum gesagt (Isid. a. a. O.; vgl. Varr. r. r. I 54, 2. Col. XI 2, 71. XII 18, 3), wie foramen von der indogermanischen Wurzel bhera = schneiden, bohren abzuleiten (Fick Vgl. Wörterbuch d. indog. Spr. I⁴ 90. 491), wie denn auch bei Cato (18, 3) forum eine Höhlung im Erdboden zur Aufnahme von Pfosten zu bezeichnen scheint. Dem c. entsprach im Griechischen ληνός (Corp. gloss. lat. III 192, 46. 196, 62. 357, 56), welchem wohl wie linter eine europäische Form lentro-: lntréi = Trog, Wanne zu Grunde liegt (Fick ebd. 537). Zwar kann ληνός auch auf das ganze Keltergebäude übertragen werden (Geop. VI 1, 2 u. 3, 10; = torcular Corp. gloss. lat. II 199, 15. 360, 25. III 27, 13. 263, 16. 396, 66. 498, 81), doch tritt öfters die ursprüngliche Bedeutung [1338] hervor (z. B. Maccius in Anthol. Pal. IX 403, 1. Geop. VI 11, 3. 13, 3), ja man verstand darunter sogar auch einen Tretkübel von Holz (Bekker anecd. 51. 277), aus welchem Stoffe auch die ληνός gezimmert gewesen sein mag, welche in Alexandreia unter Ptolemaios Philadelphos bei einer Procession einhergefahren wurde und in welcher 60 Satyrn den Most austraten; diese hatte bei 24 Ellen Länge und 15 Ellen Breite eine oblonge Form (Kallixenos bei Athen. V 199 a).
Im Jahre 1894 hat man zu Athen im Innern des heiligen Bezirks des Dionysos Lenaios eine ληνός aufgefunden, welche W. Dörpfeld beschrieben und abgebildet hat (Athen. Mitt. XX 1895, 168f.). Die Kelter bildet im Grundriss ein etwas unregelmässiges Viereck von 4,70 m. mittlerer Länge und 2,80 m. Breite. Ihr Inneres zeigt einen gut gearbeiteten Estrich von Flusskieseln und Kalkmörtel, der nicht horizontal ist, sondern nach seiner südöstlichen Ecke das starke Gefälle von 0,25 m. hat. Neben der tiefsten Stelle des Fussbodens ist die Ostmauer durchbohrt, und vor der Öffnung befindet sich noch jetzt ein rundes, oben mit einem viereckigen Rande versehenes Thongefäss von 0,50 m. innerem Durchmesser und etwa 55 Liter Inhalt. Neben dem Gefässe befindet sich noch eine aus Mörtel hergerichtete kleine viereckige Vertiefung, deren Form und Bedeutung sich wegen der starken Zerstörung nicht mehr erkennen lässt. Während die nördliche und westliche Mauer der Kelter zugleich als Grenzmauer des Bezirks dienten und als Umfassungsmauern des Gebäudes, zu dem die Kelter gehörte, vielleicht auch ein Dach trugen, war die östliche nur 0,35 m. hoch. Die Höhe der südlichen Mauer ist nicht bekannt. Noch heute werden in vielen Gegenden Griechenlands die Weinkeltern in ganz ähnlicher Weise gemacht. Ein viereckiger gepflasterter Platz wird mit niedrigen Mauern umgeben, dem Fussboden giebt man ein starkes Gefälle, durchbohrt an dem tiefsten Punkt die eine Aussenmauer und ordnet vor dem Loche ein kleines gemauertes oder thönernes Gefäss an, damit der Traubensaft von dem Tretplatze in dieses Gefäss laufen und dort geschöpft werden kann. Auch in byzantinischer Zeit stellte man die Weinpressen in derselben Weise her, wie die zahlreichen in Olympia gefundenen Keltern beweisen, welche dem 5. und 6. Jhdt. n. Chr. angehören. Dörpfeld weist noch auf die κρατῆρες ὑπολήνιοι in der Inschrift des Königs von Kommagene bei Humann-Puchstein Reisen in Kleinasien und Nordsyrien 1890, 275 Z. 25 hin und vermutet, dass die von ihm beschriebene Kelter etwa aus dem 4. Jhdt. v. Chr. stamme, aber unterhalb derselben, nach den Resten eines noch älteren Fussbodens zu schliessen, schon in archaischer Zeit eine Kelter bestanden habe, ebenso wie später eine ganz neue kleinere Kelter darüber errichtet worden ist, deren Boden, ebenfalls aus Kalk und kleinen Kieseln hergestellt und ein Gefälle nach Osten zeigend, noch erhalten ist.
Zu bemerken ist, dass das Gefäss, in welches der ausgetretene Most floss, gewöhnlich ὑπολήνιον, bezw. lacus (s. d.) hiess. Ähnlich wie die ληνός wird natürlich das forum der Römer gewesen sein. Eingehend wird es unter dem Namen c. von Palladius (I 18) beschrieben. Schneider [1339] (in s. Comment. z. d. St.) und Rich (Ill. Wörterb. d. röm. Alt., übers, v. C. Müller, 1862) verstehen freilich darunter dasselbe, was Cato (154) suggestum nennt, eine Erhöhung in der cella vinaria, auf welche man ein Gefäss stellte, um den Wein aus den Lagerfässern in dieses überzugiessen und zu vermessen. Ihr Haupteinwand, dass das c. nicht in die cella vinaria gehöre, wo man nicht den Wein gemacht habe, sondern in das torcularium (Presshaus), wird schon dadurch entkräftet, dass Palladius (I 20) in seiner cella olearia auch das Öl presste und zubereitete; auch führt ihre Auffassung zu ungereimten Folgerungen (s. auch Cella). Wie in einer Basilika soll in der cella vinaria das c. eine erhöhte Lage erhalten, also wohl dem erhabenen Anbau jener, dem tribunal, entsprechend; auf drei oder vier Stufen sollte man zu demselben gelangen; zu beiden Seiten derselben die beiden lacus sich befinden, in welche der ausgetretene Saft hinabfliessen konnte; von diesen lacus aus sollten gemauerte Canäle oder thönerne Röhren an den Wänden entlang den Most den Gängen (oder Rinnen) zuführen, durch die er in die zur Seite jener Canäle oder Röhren aneinander gereihten Fässer (um hier zu gären) gelangte (vgl. Maccius a. O. 5). Wenn die Lese sehr reichlich ausfiel, sollten in der Mitte der cella noch cupae (zum Austreten der Trauben) auf einem erhöhten und mit Ziegelsteinen gepflasterten Räume in der Weise aufgestellt werden, dass sich die Fässer unter ihnen befanden und etwa aus den cupae überfliessender Most von dem gepflasterten Raume aufgenommen und einem tiefer liegenden lacus zugeführt werden konnte. Diese cupae werden hölzerne Kufen gewesen sein, doch schwerlich wird in ihnen die Gärung vor sich gegangen sein, wie E. Fernique meint (bei Daremberg et Saglio Dict. I 1594). Das Wort, welches von einer indogermanischen Urform kûpo = Grube, Vertiefung abzuleiten ist und ursprünglich eine Grabnische bezeichnete (Fick a. O. 28), konnte sehr verschiedene Bedeutung haben. Den c. ähnlich scheint die ausgepichte κολυμβήθρα in dem Hause des Gellias zu Agrigent am Ende des 5. Jhdts. v. Chr. gewesen zu sein, aus welcher die Flüssigkeit in die Weinfässer floss und welche 1000 Amphoren = 388,8 hl. fasste (Diod. XIII 83, 2). Den Vorgang bei dem Austreten der Trauben versinnbildlicht sehr gut das Relief einer Brunnenrinne, welche sich jetzt in dem Zimmer an der Halle der Villa Albani zu Rom befindet (abgeb. bei Zoega Bassirilievi I 26 und sonst; vgl. W. Helbig Führer II 60). Links vom Beschauer trägt ein Jüngling einen mit Trauben gefüllten Korb heran; daran schliesst sich ein anderer, welcher aus einem Korbe die Trauben in die die Mitte des Reliefs einnehmende Kufe schüttet; diese hat eine oblonge Form und reicht den drei sich umfassenden und die Trauben austretenden Jünglingen fast bis zum Knie; unmittelbar daran schliesst sich der niedrigere und kleinere lacus nach rechts hin; hinter diesem steht ein zur Presse gehöriges, aber nicht in Thätigkeit gesetztes Gestell mit einer Haspel; dann folgt weiter nach rechts ein den Most mit einer Kanne aus dem lacus in einen, jedenfalls verpichten, Korb schöpfender Jüngling und zum Schluss ein solcher, welcher den Most in ein bauchiges Gefäss, [1340] dolium, schüttet. Besonders häufig ist dieser Vorgang, nach griechischer Auffassung idealisiert (vgl. Kallixenos bei Athen. V 199 a. Nic. alex. 30f.), auf in Italien gefundenen jüngeren Reliefs dargestellt worden, worüber besonders Welcker (Alte Denkmäler II 119f.) und Baumeister (Denkm. III 1564f.) handeln. Von beiden ist näher besprochen und nach Zoega (a. O. II 87) abgebildet ein römisches Marmorrelief, auf welchem wie auch sonst nach jener Auffassung Satyrn die Trauben austreten. Zur Linken des Beschauers bläst ein solcher eine Doppelflöte; in der Mitte erblickt man eine sehr niedrige, daher wohl nur angedeutete Kufe, in welcher zwei mit den Händen sich an einem Riegel haltende und im Kreise umherschwingende Satyrn eine dünne Schicht Trauben austreten; von rechts trägt ein Silen einen mit Trauben gefüllten Korb herbei; die Trauben sehen seltsamerweise wie rundliche Steine aus.
[Olck.]
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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