.
Byssos (βύσσος). Früher verstand man unter diesem Worte nur Baumwolle (s. d.). E. Meyer (Bot. Erläuterungen zu Strabons Geogr. 1852, 69) wollte unter der Pflanze, aus deren Rinde in Indien anscheinend nach einem Bericht des Nearchos (bei Strab. XV 693) B. zur Anfertigung serischer Zeuge gekämmt werden sollte, vielleicht Calotropis gigantea R. Br. verstanden wissen. Doch beruht die Angabe wohl nur auf einer falschen Vorstellung Strabons von der Seide. Allein Langkavel (Bot. d. späteren Griechen 1866, 47) stimmt Meyer bei, im übrigen aber hält er unter Berufung auf Th. v. Heldreich (D. Nutzpflanzen Griechenl. 1862, 31) B. überhaupt für Gomphocarpus fruticosus R. Br. Doch sagt Heldreich nur, dass diese strauchartige Pflanze auf den griechischen Inseln, namentlich auf Andros früher von Fremden angebaut worden sein soll, um die Seidenhaare der Samen zu benutzen, sich jedoch heute dort nur verwildert finde. Sonst wissen wir nichts von der technischen Verwendung dieser Pflanze. Von den beiden Forschern, welche sich zuletzt eingehend mit der Bedeutung des Wortes B. beschäftigt haben, kommt H. Brandes (Über die antiken Namen und die geogr. Verbreitung der Baumwolle im Altertum, 5. Jahresber. d. Ver. von Freunden d. Erdkunde zu Leipzig 1866, 100) zu dem Resultat, dass der Ausdruck in den meisten Fällen auf die Baumwolle bezogen werden dürfe, Herodot aber (II 86) ein ausländisches Fabricat unter dem Namen B. kennen mochte, welches in Ägypten teils aus reinem Linnen, teils mit Baumwolle gemischt angefertigt worden sei. Dagegen glaubt O. Schrader (Linguistisch-histor. Forschungen zur Handelsgesch. und Warenkunde 1886, 208. 212), dass eine Beziehung zur Baumwolle für B. erst im 2.–3. Jhdt. n. Chr. und erst durch die Bedeutung ‚feinerer Stoff überhaupt‘ hindurch nachweisbar sei, das Wort vielleicht schon seit Strabon Seide (S. 209) und bei Tertullian (de pall. p. 45 [?]) das seidenartige Secret der Pinna maritima bezeichnet habe (S. 210). In der That hindert das bereits erwähnte und unten näher zu besprechende Zeugnis Herodots es, für seine und die nächste Zeit B. in der Bedeutung von Baumwolle zu nehmen, wie sehr man sonst geneigt sein möchte, sich ausschliesslich für diese zu entscheiden. Erschwert wird die Beantwortung der Frage auch durch den Umstand, dass die Alten öfters die verschieden benannte Baumwolle nur als eine Art Linnen ansahen (Plin. XII 25. 38. 39. XIX 20. Arrian. Ind. 16, 1. Poll. VII 75) und speciell B. mitunter nur als ein weisses und sehr weiches Linnen, quod Graeci papaten (παππώδη?) vocant erklären (Isid. or. XIX 27, 4. Corp. gloss. lat. IV 26, 9; vgl. 601, 25; dagegen byssina candida confecta ex quodam genere lini grossioris Isid. XIX 22, 15). Doch sieht Brandes (S. 92) deshalb keinen Widerspruch darin, wenn nach andern (Herod. II 37. Plut. de Isid. et Os. 3. 4. Mart. XII 29, 19. Iuv. VI 533. Apul. met. XI 10; de mag. 56) die Kleidung der ägyptischen Priester von Linnen, nach Plinius (XIX 14) aber von Baumwolle (gossypium, xylon) gewesen sei, da dieser hinzufüge, die aus dieser Baumwolle gefertigten Linnen (lina) xylina genannt würden.
[1109] Die Herleitung des Wortes trägt ebenfalls nichts zur Aufklärung bei. Die von Brugsch versuchte Ableitung aus ägyptisch pek, pech (Allg. Monatsschr. f. Wissensch. u. Litt. 1854, 635) und seine spätere Erklärung aus pa-šes, pi-šos, d. h. šs mit dem Artikel (Hieroglyphisch-demot. Wörterb. 515) hat ebenso wenig Zustimmung gefunden wie die von W. Prellwitz (Etym. Wörterb. d. gr. Spr. 1892, 55) versuchte Zusammenstellung mit nhd. Kaute (zum Spinnen verarbeiteter Flachs) zu einer europäischen Grundform gudhios. Vielmehr erscheint am naheliegendsten die Herleitung von hebr. bûz (O. Schrader bei V. Hehn Kulturpfl. u. Haustiere⁶ 1894, 186. H. Lewy Die semit. Fremdw. 1895, 126). Doch ist man sich über die Bedeutung des hebräischen Wortes ebenso wenig klar, besonders, wie es sich zu dem älteren Worte shêsh und dem nur einmal (Esth. 1, 6) vorkommenden karpas stellt; die Septuaginta übersetzen die beiden ersten Wörter sowie chûr (wohl ein weisses und zartes Linnen) mit β., bezw. βύσσινα, karpas mit καρπάσινα. Hesekiel gebraucht shêsh von einem Stoffe aus Ägypten (27, 7), bûz von einem aus Syrien (ebd. 16).
Von der in Iudaia gezogenen B. behauptet Marquardt (Privatleben d. R. II² 482, 3), dass sie weder Flachs noch eigentliche Baumwolle sei, sondern von einer noch jetzt in den Küstengebieten des mittelländischen Meeres gezogenen krautähnlichen Staude komme, welche jährlich gesät werde. Warum diese Staude nicht eine Gossypiumart sein soll, ist nicht zu ersehen, wenn man bedenkt, dass das Gossypium sehr verschiedene Formen annehmen kann. Zwar beruft sich Marquardt auf eine Beschreibung der Pflanze aus dem J. 1574 in ‚Reisen und Gefangenschaft Hans Ulr. Kraffts, herausg. von Hassler 1861, 99f.‘; doch ist die von Kraft, einem jungen Ulmer Kaufmann, bei Tarabulus in Syrien beobachtete und teils weisse Baumwolle, teils Buschweiss genannte Pflanze zweifellos Gossypium herbaceum L. gewesen. Nach ihm ist der Same in der Runde und der Farbe dem Hanfsamen sehr ähnlich, nur fast noch (einmal) so gross und wird anfangs März gesät, die Pflanze trägt ein lustiges zerteiltes Kraut (Blatt), eine weisse, bisweilen gelbliche Blüte mit einfachen Blättern wie die Feldrosen, welche bei uns zwischen den Hecken wachsen, und wenn solche vorüber, wachsen hernach grüne Knöpfe so gross wie bei uns die einfachen gemeinen Ölmägen (Mohnkapseln); ... gegen den Herbst fängt der grüne Knopf an gelb zu werden und wird von der Sonne so stark getrieben, dass er sich kreuzweise aufthut und man die Wolle herauswachsen sieht; aus den reifen und abgerissenen Knöpfen räumen Weiber und Kinder die Wolle aus und klauben den Samen aus der Wolle, deren gemeiniglich vier [?] gefunden werden; der Same wird wieder aufs andere Jahr gebraucht, die Wolle aber den venedischen und französischen Kaufleuten verkauft und zu uns Christen geführt. Movers (D. Phönizier II 3, 218), welcher übrigens die hebräische B. für eine Baumwollenpflanze hält, hebt nur hervor, dass diese nicht mit dem Baumwollenbaum zu verwechseln, sondern als die noch jetzt in dem Küstengebiet des mittelländischen Meeres gezogene krautähnliche Bamnwollenstaude anzusehen sei. Er citiert auch [1110] eine Stelle (S. 219, 55), in welcher Jacob de Vitriaco, Bischof von Akka, der sich in den J. 1217-1229 im Orient aufhielt, die Baumwollenstaude beschreibt (I 85 in Gesta Dei Francorum p. 1099). Sie lautet: Sunt ibi praeterea arbusta quaedam, quae seminantur, ex quibus colligunt bombacem, quam Francigenae cotonem seu coton nominant et quae est quasi medium inter lanam et linum.
Von den Griechen erwähnt schon Aischylos die B., sofern nach ihm (Sept. 1039) Antigone ein βύσσινον πέπλωμα und (Pers. 125) die persischen Frauen zur Zeit des Xerxes βύσσινοι πέπλοι tragen. Dem entsprechend werden im alten Testament (Esth. I 6) Tücher von karpas, gefasst in Schnüre von bûz, gelegentlich der Schilderung eines Gartenfestes, welches dieser König in Susa gab, erwähnt. Seine Seesoldaten verbanden einem im thermaeischen Meerbusen gefangenen Griechen seine Wunden mit Binden von B., σινδόνος βυσσίνης (Herod. VII 181). Der Verfasser der ps.-hippokratischen Schrift de sterilibus (III 19 K.) empfahl bei Scheidenverschluss Wolle in eine Mischung von Grünspan, Stiergalle und Schlangenfett zu tauchen, diese in B.-zeug, ὀθόνιον βύσσινον, welches mit Honig bestrichen sei, zu hüllen und das Ganze in die Scham zu stecken. Ein anderes Mal (ebd. II 641) sollte dazu keine Wolle und nur ὀθόνιον genommen werden. Dass aber Baumwolle für die angegebenen Heilzwecke durchaus unbrauchbar sei, kann man nicht behaupten. Dagegen kann aus diesem Grunde schwerlich B. ursprünglich ein Farbstoff gewesen sei, wie man aus einer Stelle des Empedokles (bei Plut. de defectu orac. 41) schliessen könnte und obwohl die B. dafür von spätem Erklärern ausgegeben wird (Hesych. Suid. Etym. M. 217, 20. Zonar. Moschop. in Fabricius Bibl. Gr. XII 306). Das grösste Bedenken aber dagegen, dass die genannten Schriftsteller und andere, welche in älterer Zeit von B.-Gewändern sprechen (Soph. bei Dion. Hal. ant. I 48. Eurip. Bacch. 819. Theocr. II 73) unter B. Baumwolle verstanden hätten, muss die Angabe Herodots (II 86) erregen, dass die Ägypter ihre Toten mit Streifen σινδόνος βυσσίνης eingehüllt hätten, wie auch nach Diodor (I 85) Isis die Reste des Osiris in B. eingehüllt haben soll. Denn durch mehrere mikroskopische Untersuchungen von Mumienumhüllungen hat sich ergeben, dass diese aus Leinwand bestanden (s. darüber bes. Brandes a. a. O. 99 und J. Wiesner Mitteilungen aus d. Samml. der Papyrus Rainer, II u. III 1887, 192f.). Nun sagt freilich Pausanias (X 82, 16), dass die Phokenser bei einer Isisfeier die zu verbrennenden Opfertiere nach ägyptischer Art in Streifen von Leinen oder B. hüllten, so dass die Behauptung Herodots vielleicht nicht für alle Mumien richtig sein mag, während andrerseits noch immer die Möglichkeit vorliegt, dass an erhaltenen Mumienbinden auch Baumwolle gefunden werden kann. Jedoch wird die Unwahrscheinlichkeit, dass Herodot unter B. Baumwolle verstanden habe, noch dadurch erhöht, dass er da, wo er sicher von dieser spricht, sie nicht B., sondern Wolle von den Bäumen, εἴριον ἀπὸ ξύλου (III 47) oder ἀπὸ δενδρέων (III 106) nennt, wie auch andere sie Wolle nannten (Theophr. h. pl. IV 7, 7. Strab. XV 693. Verg. georg. II 120. Pomp. Mel. III 62. Ulpian. Dig. XXXII 70, 9. [1111] Martian. Cap. II 114). Die Kopfkissen von B., welche sich ein üppiger königlicher Jüngling auf Paphos zur Abwehr der Hitze unter den Kopf legte (Klearchos von Soloi bei Athen. VI 255 e), und das grosse B.-Segel von dem wunderlichen Prachtschiff des Ptolemaios Philopator (ebd. V 206 c) lassen wohl keinen Schluss auf ihren Stoff zu. Dagegen glaubt Schrader (Forsch. I 208) ein unzweifelhaftes Zeugnis dafür, dass B. feines Linnen bezeichne, in der Inschrift von Rosette vom J. 197 zu finden, in welcher die ὀθόνια βύσσινα, welche die Priester des Tempels an den königlichen Hof lieferten, dem hieroglyphischen pek entsprechen (nach Brugsch a. a. O. 684; griech. Text im CIG III 4697 Z. 17, mit übers. u. Erklärung bei Letronne Recueil des inscr. gr. et lat. de l'Egypte I 244 Z. 28. 29). Das letztere identificiert er nun (S. 195) mit kopt. φωκ = griech. φώσσων, welches grobe Leinwand (auch Segeltuch) bezeichnet, und beruft sich dabei auf Ad. Erman (in Bezzenbergers Beiträgen VII 1883, 337), doch behauptet dieser nur, das B. = ägypt. šs, kopt. šens sei, ohne die Bedeutung dieser Wörter anzugeben. Demnach bleibt es doch auch fraglich, ob pek, wenngleich der Bedeutung nach identisch mit B. und mit šs, Flachs oder Leinwand bezeichnet habe. Denn dass aus pek hervorgegangene koptische φωκ bezeichnet nur ein pallium, ein Stoff wird nirgends dadurch angegeben (Brugsch a. a. O.). Für die Gleichung des φωκ mit φώσσων spricht aber nur die Angabe des Pollux (VII 71), dass φώσων ein ägyptischer χιτών aus dickem Lein sei. Bedenken erregen muss es ferner, dass, wenn B. mit φώσων identisch wäre, jenes einen groben, ordinären Stoff bezeichnet haben müsste; auch könnte man erwarten, dass in der genannten Inschrift pek mit φώσσων übersetzt wäre. Zu beachten ist vielleicht noch, dass in den Hieroglypheninschriften schenti oder schint zwar zunächst keinen Stoff, sondern einen Schurz, der aber aus Baumwolle gefertigt war (nach Brugsch 683), dagegen huma Lein (Leinwand) bezeichnete (Wönig D. Pflanzen im alt. Äg. 1886, 184). Alsdann beruft sich Schrader (208) auf Joseph. ant. Iud. III 153, wo dieser von dem ketonet shêsh, welches der jüdische Priester trug (Exod. 28, 39), sagt: ‚Über diesem (dem Schamkleide) trägt er ein leinenes Kleid von doppeltem B.-Stoff; es wird χεθομένη genannt, dieses bezeichnet aber linnen, denn χεθών nennen wir (im Chaldaeischen) die Leinwand‘. Auch nach Philo (de somn. I 37) legte der Hohepriester, wenn er das Allerheiligste betrat, ein leinenes, von reinster B. verfertigtes Gewand an. Doch das hebräische ketonet wird wie das griechische χιτών in der erhaltenen Litteratur nicht in der ursprünglichen Bedeutung von ‚Lein, leinenes Zeug‘, sondern ‚Leibrock‘ gebraucht (vgl. Schrader a. a. O. 193. Lewy a. a. O. 82), während die Leinwand im Hebräischen den besondern Namen pischtim hatte. Wie dem aber auch sei, so können die beiden jüdischen Schriftsteller immerhin ein baumwollenes Kleid als ein linnenes bezeichnet haben, sowie griechische und römische Schriftsteller die Baumwolle als eine Art Lein angesehen haben, d. h. sie konnten von linnenen Kleidern aus Baumwolle reden. Im neuen Testament kleidet sich ein Reicher in B. (Luc. 16, 19) und wird Babylon als Stapelplatz dafür [1112] geschildert (Apoc. 18, 12. 16). Plutarchos (de Pyth. or. 4) hebt hervor, dass die Gewebe von Seide und B. zugleich fein und fest seien; nach ihm (Is. et Os. 39) hüllen die ägyptischen Priester die goldene Kuh, das Abbild der Isis, an einem Trauertage in ein schwarzes B.-Gewand. Apuleius lässt einen Jüngling im Traum die Isis, welche mit feiner B. angethan ist, sehen (met. XI 3) und dann selbst mit einem prächtig gestickten B.-Kleide in deren Tempel zu Kenchreai erscheinen (ebd. 24).
Schon im 1. Jhdt. n. Chr. soll aber die B. in Elis gewachsen sein, unter den Linnenarten die zweite Stelle eingenommen haben, bei den Frauen sehr beliebt und zuerst dem Golde gleichwertig gewesen sein (Plin. XIX 20). In der Stadt Elis befand sich ein Erzbild, dem man ein wollenes, ein linnenes und ein Gewand von B. umhing (Paus. VI 25, 5). Die meisten Weiber in Patrai lebten von ihrer Verarbeitung (ebd. VII 21, 14). Die B. wuchs ausser in Elis in keinem anderen Teile von Hellas und war ebenso fein wie die in Palaestina, nur nicht so gelb (ebd. V 5, 2). Hier war der Boden nicht zum wenigsten geeignet B. hervorzubringen; wer irgend dazu geeignetes Land besass, besäte es mit Hanf, Lein und B.; Seidenfäden freilich wurden nur von den Seren zu Kleidungsstücken verarbeitet (ebd. VI 26, 6). Da hier offenbar von den vier wichtigsten Gewebestoffen die Rede ist, welche die Griechen abgesehen von der Wolle der Schafe kannten, so liegt es doch sehr nahe, hier unter B. die Baumwolle zu verstehen. Eine sehr wichtige Notiz über B. bringt auch Pollux (VII 75) in dem Abschnitt über βύσσινα. Er sagt: ‚Die B. ist eine Art Lein bei den Indern. Es wächst aber bereits auch bei den Ägyptern eine Art Wolle an einem Holzgewächs, aus welcher sie die Kleidung verfertigen, von welcher man eher sagen möchte, dass sie abgesehen von der Dicke einer linnenen ähnele, denn sie ist dicker‘ (vgl. Isidor. XIX 22, 15). Dann beschreibt er ganz unverkennbar dieses Holzgewächs als eine Gossypiumart (Goss. arboreum L.) und setzt noch hinzu, dass man für die Gewebe aus der wollartigen Masse den Einschlagfaden, aus Lein die Kette bilde. Da hier die indische B. nur als eine Art Lein bezeichnet wird und die ägyptische Baumwolle auch zu den βύσσινα gerechnet wird, so kann doch hier mit B. überhaupt nur Baumwolle gemeint sein, obwohl z. B. A. Wiedemann (Herodots 2. Buch 358), ohne freilich auf die Sache näher einzugeben, die indische B. für Leinwand erklärt. Ebenso deutlich spricht Philostratos in der auf früheren Quellen fussenden Schrift über das Leben des in der 2. Hälfte des 1. Jhdts. n. Chr. lebenden Apollonios (vit. Apoll. II 20, 1 und bei Phot. bibl. 324 b 35f.) von der Baumwolle: ‚Man sagt, die jenseits des Indes Wohnenden hätten Kleider von einheimischem Linnen ..., mit B. kleideten sich die Vornehmeren, die B. wachse aber auf einem Baume, dessen Stamm dem der Weisspappel und dessen Blätter denen der Weide ähnlich seien. Apollonios sagt, er habe sich über die B. gefreut, da sie einem bräunlichen (oder grauen) abgetragenen Mantel (wie ihn Philosophen trugen) gleiche. Auch nach Ägypten wird die B. an viele Tempel verkauft‘. Zwar ist die [1113] Beschreibung der Blätter falsch, da diese bei Gossypium gelappt sind, die Farbe aber erinnert an die gelbbraune Nankingbaumwolle. Auch sagt der Verfasser des Peripl. mar. Erythr. 41, dass die Gegend um den Busen von Barygaza viele Baumwolle, κάρπασος, und daraus verfertigte ordinäre indische ὀθόνια (Baumwollenstoffe nach Schrader a. a. O. 207. 211) hervorbringe. In einem Verzeichnis zollpflichtiger ausländischer Waren wohl aus den J. 180-192 (Dig. XXXIX 4, 16, 7) werden opus byssinum, carpasum, vela tincta carbasia und marocorum lana aufgeführt. Hier scheint doch carpasum neben vela carbasia eine Art Leinwand zu bezeichnen, für marocorum lana hat man zwar arborum lana lesen wollen, doch könnte man vielleicht auch amorginorum lana lesen, so dass dann für opus byssinum die Bedeutung Baumwollengewebe frei bliebe, falls man nicht hier mit Brandes (a. a. O. 119) annehmen will, dass sich die Baumwollenindustrie damals schon in verschiedene Zweige gespalten habe. Die ἀμοργίς und die daraus bereiteten ἀμόργινα werden nämlich häufig mit B. verglichen oder sogar für feiner als B. und κάρπασον erklärt (Paus. Le xic. bei Eustath. ad Dionys. Perieg. 526. Schol. Arist. Lysistr. 735. Suid.) und die Pflanze mit λινοκαλάμη (Suid.) identificiert oder die ἀμοργίς für das haarige Blütenbüschel des Rohrs ausgegeben (Bekk. anecd. gr. I 210, 29; vgl. Hesych. s. v.). Ohne historischen Wert ist die Nachricht, dass zur Zeit des ägyptischen Königs Semiramis, d. h. angeblich zur Zeit der Pyramidenbauten (Wiedemann a. a. O. 359), die B.-Gewänder erfunden seien (Clem. Al. strom. I 16); nach einer noch späteren Nachricht wuchs die B. viel in Ägypten (Hieron. in Ezech. c. 27). Etwa gleichzeitig wird berichtet, dass von Susa und Ekbatana alte Schriften, in B. gewickelt, gelangt seien (Themist. or. XIII p. 301). Als Leinen soll nach Marquardt (a. a. O. 482, 2) offenbar Paulinus, Bischof von Nola um 400 n. Chr. (carm. 24, 787ff. = Migne lat. 61, 630), mit folgenden, in vier jambische Verse gebrachten Worten beschreiben: ‚Das aus B. gewebte Kleid bezeichnet mit dem kräftigen Gewebe die unverbrüchliche Treue, denn B.-Fäden sollen selbst stärker als Stricke von Spartgras sein‘. Nun ist ja im allgemeinen ein Linnenfaden von demselben Durchmesser stärker als ein baumwollener, aber der B.-Faden wird nicht mit einem linnenen Faden, sondern, offenbar in dichterischer Übertreibung, mit einem Stricke von Spartgras verglichen. Letzteres wurde aber nur für Stricke bevorzugt, die im Wasser gebraucht wurden, im Trockenen bewährten sich mehr die hanfenen (Plin. XIX 29), und heute macht man aus gröberen Baumwollengarnen zehn- oder mehrfach gedoppelte Stricke, welche sich durch ihre Festigkeit selbst vor den Hanfseilen auszeichnen. Für die Bedeutung Baumwolle sprechen auch die Worte desgleichzeitigen Martianus Capella (II 114), die folgenden Sinn zu haben scheinen: ‚(Die Mutter) gab ihr (der Braut des Mercurius) ein Kleid und einen wie Milch glänzenden Überwurf, welcher sogar aus jener Wolle segensreicher Kräuter, mit der sich die Priester indischer Weisheit und die Anwohner des Berges Umbracius bekleiden sollen, und, wie der Brauch dieses Landes (es zu uns) bringt, (nämlich?) [1114] aus Gewebe von weisser B. zu sein schien‘ (vestem peplumque lactis instar fulgidum dedit, quod vel ex illa herbarum felicium lana, qua indusiari perhibent Indicae prudentiae vates accolasque montis Umbracii et quantum usus eius telluris apportat ex candentis byssi netibus videbatur). In einer Glosse des 8. oder 9. Jhdts. (Corp. gloss. lat. V 424, 12) ist ganz deutlich Gossypium arboreum mit den Worten bezeichnet Byssus in terra affricana crescit in arbustis lana alba sicut nix. Endlich scheint auch Eustathios ein Zeuge dafür zu sein, dass unter B. Baumwolle zu verstehen ist. Nachdem er nämlich sich der Worte Strabons (XV 693) bedient hat, dass bei den Indern serische Zeuge aus der von gewissen Rinden gekämmten B. verfertigt würden, setzt er nach Herod. III 106 hinzu, dass auch auf wilden Bäumen bei ihnen gleichsam eine Wolle wachse, welche an Schönheit und Güte die der Schafe übertreffe (ad Dionys. Perieg. 1117). An einer andern Stelle (Opusc. ed. Tafel p. 342, 4f.) aber sagt er, dass Gott die Lilien schmücke, die Rose mit dem Glanz der Sonne wetteifern lasse, den Blumen eine Fülle von B. verleihe, Würmer gebe um das, was die meisten für schätzenswert hielten, zusammenzuwickeln, und aus Wiesengras so feine Stoffe weben lässt, wie sie nicht einmal die Spinne weben könne.
Was schliesslich die angebliche Bedeutung von Seide betrifft, so beruht die angeführte Stelle Strabons (XV 693) wohl auf mangelhafter Vorstellung von der Seide (vgl. Schrader a. a. O. 232) und vielleicht auf einer Confundierung derselben mit der Baumwolle, wie Plinins (VI 54, vgl. XII 17) die Seide, welche die Seren von den Bäumen kämmten, Wolle nennt. Im Westen des römischen Reiches scheint aber die Baumwolle überhaupt wenig bekannt gewesen zu sein, da auch das Wort carbasus hier wohl eine Art Leinwand bezeichnet hat (vgl. Schrader 210f.). Daher das Schwanken bei den lateinisch schreibenden Schriftstellern (vgl. Isid. or. XIX 22, 15), indem sie die B. wie erwähnt für eine Art Leinen oder für Seide (sericum, siricum oder syricum tortum Corp. gloss. l. IV 25, 52. 211, 47. 489, 10. 593, 10. 601, 25) erklären oder es zweifelhaft lassen, ob darunter eine Art gröberer Seide oder Leins zu verstehen sei (byssus genus serici grossioris, pariter et fortioris. Sunt quidam, qui et genus lini esse byssum putent, Eucher. instr. II 3).
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